Archiv der Kategorie: Urteilsgründe

Strafzumessung II, oder: Wenn der Betrüger im 7. Semester Medizin studiert

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Die zweite Strafzumessungsentscheidung, die ich vorstelle, ist der OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2017 – 1 Ss 174/17. Über den hatte ich wegen der im Beschluss behandelten verfahrensrechtlichen Problemtaik schon einmal berichtet (vgl. hier: Selbstleseverfahren, oder: Wie geht man damit um – zwei Anfänger?).

Heute kommt er dann wegen der Strafzumessungsproblematik. Das AG hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 135 Tagessätzen zu je 35, EUR verurteilt. Das passt so nicht sagt das OLG:

4. Das Urteil des Amtsgerichts leidet jedoch im Strafausspruch bei der Anwendung des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB an einem sachlichrechtlichen Mangel, der zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs einschließlich der diesem zuzuordnenden Feststellungen nötigt.

a) Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat aber auf die Sachrüge zu überprüfen, ob dem Tatrichter bei dieser Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind. Eine erschöpfende Darstellung aller Strafzumessungserwägungen durch den Tatrichter ist nicht erforderlich.

Ein solcher Fehler liegt aber unter anderem dann vor, wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt. Insbesondere sind die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben der Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind, gem. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB zu berücksichtigen.

b) Eine Abwägung, die den Anforderungen an § 46 Abs. 1 S. 2 StGB gerecht wird, liegt hier nicht vor.

Das Amtsgericht berücksichtigt vorliegend insbesondere den hohen Schaden einerseits und die geständige Einlassung sowie die Schadenswiedergutmachung andererseits. Vor diesem Hintergrund fehlt die Auseinandersetzung mit einem bestimmenden Strafzumessungsgrund, nämlich den Auswirkungen einer Verurteilung auf das Leben der Angeklagten.

Nach den zugrundeliegenden Feststellungen studierte die Angeklagte im Zeitpunkt der Verurteilung Humanmedizin im 7. Semester.

Nach §§ 4 Nr. 1, 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5a BZRG ist eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen in ein Führungszeugnis aufzunehmen. Zur Erlangungen der ärztlichen Approbation und auch im Rahmen von Bewerbungen für Arbeitsstellen wird i.d.R. ein Führungszeugnis gefordert. Eine Verurteilung kann vor diesem Hintergrund gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs haben und sich zudem auf Chancen eines Bewerbers am Arbeitsmarkt auswirken (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.08.2006 – 2 St OLG Ss 191/06, StV 2006, 695).

Diese Erwägungen stehen einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen nicht grundsätzlich entgegen. Sie haben aber im vorliegenden Einzelfall Beachtung zu erfahren, um nicht eine Entsozialisierung der Angeklagten herbeizuführen (vgl. Fischer aaO., § 46 Rn. 7). Eine Auseinandersetzung mit diesen Strafzumessungsgründen lässt das Urteil jedoch gänzlich missen.“

In der Sache wohl richtig. In den Formulierungen. Na ja. Das „ der zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs einschließlich der diesem zuzuordnenden Feststellungen nötigt.“ stößt sauer auf, jedenfalls mir. Das kann man auch anders – wertfreier ausdrücken.

Gerichtssprache ist deutsch, oder: Der BGH und „Blow-Job“ oder „Doggy-Style“

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Heute dann mal Entscheidungen, die ein wenig aus dem Rahmen fallen. Da ist zunächst der BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – 1 StR 625/17, eine sog. Leitsatzentscheidung des BGH. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Es geht – der BGH teilt den Sachverhalt nicht näher mit – um sexuelle Übergriffe des Angeklagten auf die zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alte Nebenklägerin, bei er es sich um die Tochter der Frau gehandelt hat, mit der der Angeklagte in einer „lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft“ gelebt hat. Allerdings hatte der Angeklagte im Tatzeitraum lediglich noch an den Wochenenden regelmäßig in der im Übrigen von der geschädigten Nebenklägerin und ihrer Mutter bewohnten Wohnung gewohnt. Der BGH sagt: Das reicht für die Annahme des § 174 Abs. 1 Nr. StGB. Er kommt zu folgenden Leitsätzen:

  1. Eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft i.S.v. § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist eine Lebensgemeinschaft von zwei Personen, die auf Dauer angelegt ist, keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen und damit über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.
  2. Eine solche kann im Einzelfall auch dann vorliegen, wenn die Partner lediglich an Wochenenden gemeinsam wohnen.

In dem Beschluss über die Ausführungen des BGH zu dieser Problematik eine weitere Passage, die einen Hinweis wert ist. Es war in der Revision offenabr ein Verstoß gegen § 184 GVG – Gerichtssprache ist deutsch – gerügt worden. Dazu der BGH:

„Das Landgericht hat durch die Verwendung weniger einzelner, ursprünglich aus der englischen Sprache stammender Begriffe (wie „Blow-Job“ oder „Doggy-Style“) bei der Wiedergabe der Aussagen der Nebenklägerin im Urteil nicht gegen § 184 GVG (i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO) verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob die genannten Begriffe nicht ohnehin bereits in die deutsche Sprache übernommen worden sind, worauf der Generalbundesanwalt hinweist. Das aus § 184 GVG folgende Gebot, Urteile in deutscher Sprache sowie in verständlicher Form (dazu OLG Hamm, Beschluss vom 22. April 2010 – 2 RVs 13/10, NStZ-RR 2010, 348 mwN) abzufassen, wäre allenfalls dann verletzt, wenn das Urteil wegen der Verwendung fremdsprachlicher Begriffe nicht mehr die durch § 267 StPO vorgegebenen Inhalte in einer nachvollziehbaren Weise darstellt (vgl. zu dem entsprechenden Maßstab bei der Wirksamkeit einer englischsprachige Begriffe beinhaltenden Anklageschrift BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 1 StR 302/11, NStZ 2012, 523, 525 Rn. 32 ff.). Das ist angesichts der umfassenden Beschreibung der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden sexuellen Handlungen des Angeklagten in deutscher Sprache offensichtlich nicht der Fall.“

58 Punkte in Flensburg glauben wir, oder: „Habt Ihr sie noch alle?“

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Und als zweite Strafzumessungsentscheidung dann der OLG Naumburg, Beschl. v. 04.09.2017 – 2 Rv 95/17. Das ist eine, „wie sie im Buche steht“. Man fragt sich, wenn man die Ausführungen des LG liest, was sich die Berufungskammer eigentlich bei ihrer Entscheidung gedacht hat und was das LG eigentlich getan hat. Beides Fragen kann man m.E., nur mit „Nichts“ beantworten.

Das LG hat den Angeklagten im Berufungsverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt (Einzelstrafen: viermal acht Monate). Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die zur Aufhebung des Strafausspruchs führt:

Das Gericht hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, „dass der Angeklagte, wie die erhebliche Anzahl der im Fahreignungsregister vermerkten Punkte zeigt, zum Führen eines Fahrzeuges ungeeignet ist und somit eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellt“. Hinsichtlich der vermerkten Punkte hat die Kammer ausgeführt, im Fahreignungsregister seien auf dem Punktekonto des Angeklagten 58 Punkte vermerkt, wobei sie diese vermeintliche Erkenntnis allein auf die Einlassung des Angeklagten stützt.

Die strafschärfende Berücksichtigung der 58 Punkte und der daraus gefolgerten fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen offenbart zwei Rechtsfehler. Zum einen durfte die Kammer die Feststellung der 58 Punkte nicht allein auf die Einlassung des Angeklagten stützen. Es ist anerkannt, dass Angaben, mit denen der Angeklagte sich selbst belastet, jedenfalls dann nicht ohne weitere Nachprüfung den Feststellungen zugrunde gelegt werden dürfen, wenn sie in höchstem Maße unwahrscheinlich sind. Ein Punktestand von 58 im Fahreignungsregister dürfte angesichts der Tilgungsvorschriften und der Tatsache, dass die Punktzahlen für einzelne Ordnungswidrigkeiten seit Beginn des Fahreignungsregisters drastisch minimiert worden sind, kaum möglich sein. Den beiden Mitgliedern des Senates, die seit Anfang 2011 durchgängig Verkehrsordnungswidrigkeiten bearbeiten, ist jedenfalls in über 1500 Verfahren kein einziger Fall untergekommen, in dem auch nur die Hälfte von 58, also 29 Punkte, erreicht worden ist. Das gilt auch für die Geltungszeit des Verkehrszentralregisters, in der die Anzahl der Punkte für die einzelnen Verfehlungen im Schnitt mehr als doppelt so hoch war wie gegenwärtig. Das Gericht hätte daher die Angaben des Angeklagten über sein Punktekonto nur zu seinem Nachteil verwerten dürfen, wenn es diese, etwa durch Einholung einer Auskunft aus dem Fahreignungsregister, verifiziert hätte.

Am Rande bemerkt der Senat, wenngleich revisionsrechtlich unerheblich, dass eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister betreffend den Angeklagten vom 29. August 2017 einen Punktestand von vier ergab, wovon zwei Punkte auf eine Eintragung entfallen, die am Tag der Berufungshauptverhandlung noch nicht registriert war.

Auch abgesehen von der rechtsfehlerhaften Feststellung des Punktestandes hätte das Gericht die hieraus geschlossene Ungeeignetheit des Beschwerdeführers zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht strafschärfend berücksichtigen dürfen. Der Gesetzgeber hat nämlich Fahren ohne Fahrerlaubnis im Wesentlichen deswegen unter Strafe gestellt, weil er zu Recht davon ausgeht, dass eine Person, die keine gültige Fahrerlaubnis hat, zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die strafschärfende Berücksichtigung der Ungeeignetheit verstößt daher gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ziehen die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen auch die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Zwar ist der Angeklagte massiv, überwiegend einschlägig, vorbestraft. Es liegen jedoch bei allen Taten zwei gewichtige Milderungsgründe vor, nämlich das umfassende Geständnis und die Tatsache, dass die Fahrstrecke jeweils kurz war. Von diesem Hintergrund kommen durchaus auch mildere Einzelstrafen als die hier verhängten, zwei Drittel des Strafrahmens ausschöpfenden jeweils acht Monate und damit auch eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe in Betracht.“

Wenn man das liest, fragt man sich, ob man sich bei der Berufungskammer des LG Halle eigentlich die „Hose mit der berühmten Kneifzange zumacht“? Oder: warum kommt man eigentlich nicht auf die Idee, einen vom Angeklagten angegebenen Punktestand von 58 Punkten (!!) im FAER zu hinterfragen. M;an glaubt doch sonst Angeklagten auch nicht alles. Und was hätte man, wenn man seine Hausaufhaben in Form einer Anfrage in Flensburg gemacht hätte, festgestellt: Es waren wohl zum Zeitpunkt des Berufungsverfahrens nur zwei Punkte. Man fasst es wirklich nicht.

Auch die weitere Strafzumessungserwägung: Strafschärfung beim Fahren ohne Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zeugt nicht von besonderem Sachverstand in der Berufungskammer.

Solche Revisionen sind Selbstläufer.

Dauerbrenner, oder: Wie oft denn noch – das zulässige Verteidigungsverhalten gehört nicht in die Strafzumessung

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In die 12. KW. starte ich mit zwei Strafzumessungsentscheidungen. Zunächst weise ich auf den BGH, Beschl. v. 07.02.2018 – 4 StR 529/17 – hin. Nichts Besonderes bzw. besser nichts Neues. Denn „besonders“ ist es schon, wenn eine Strafkammer bei der Strafzumessung ein zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Das sollte man wissen, dass das nicht geht – um es vorsichtig auszudrücken. Dann muss man auch nicht in einem BGH-Beschluss lesen:

„a) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, er habe den Geschädigten mit einem Messer verletzt, dabei allerdings in Notwehr gehandelt, weil dieser ihn gewürgt habe. Das Landgericht hat sich die Überzeugung verschafft, dass das Handeln des Angeklagten nicht durch Notwehr gerechtfertigt war, da schon keine Notwehrlage bestand. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat es strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „das Opfer zu Unrecht eines Angriffs auf sein eigenes Leben und damit einer Straftat bezichtigt“ habe (UA 12). Dies ist rechtsfehlerhaft.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einem Angeklagten grundsätzlich nicht verwehrt, sich mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen eine andere Person verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 – 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170, 171; vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692; vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463). Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; vom 25. April 1990 – 3 StR 85/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8; vom 27. April 1989 – 1 StR 10/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4); solche Umstände sind hier indes nicht ersichtlich.

c) Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich die fehlerhafte Strafzumessungserwägung bereits bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Über die Strafe ist deshalb insgesamt neu zu befinden.“

Ein Eichschein ist eine zu verlesende Urkunde, aber: Die Beruhensfalle schnappt zu

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Immer wieder wird in amtsgerichtlichen Entscheidungen betreffend Geschwindigkeitsüberschreitungen bzw. Abstandsunterschreitungen in den Feststellungen u.a. auf den Eichschein des verwendeten Messgeräts und/oder andere Urkunden Bezug genommen. So auch in dem dem OLG Bamberg, Beschl. v. 07.03.2018 – 3 Ss OWi 284/18 – zugrundeliegenden amtsgerichtlichen Urteil. Dazu meint das OLG Bamberg:

„In sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht, dass das AG rechtsfehlerhaft „wegen der Einzelheiten“ auf die bei den Akten befindlichen und jeweils das als ‚standardisiert‘ anerkannte verfahrensgegenständliche Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystems ‚VKS 3.0‘ betreffenden Eichscheine des Bay. Landesamts für Maß und Gewicht vom 24.01.2017 und des Landesamts für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz vom 17.11.2016 gemäß § 71 I i.V.m. § 267 I 3 StPO Bezug genommen hat.

a) Denn bei den Eichscheinen handelt es sich ebenso wie bei Konformitätsnachweisen, Messprotokollen, Schulungsnachweisen, der sog. ‚Lebensakte‘ Gerätstammkarte oder Videodistanzauswertungen um (regelmäßig zu verlesende) Urkunden i.S.v. § 249 StPO und gerade nicht um die Außenwelt unmittelbar wiedergebende Abbildungen i.S.v. § 267 I 3 StPO, weshalb eine Bezugnahme nach dieser Vorschrift ausscheidet; der Tatrichter hat diese Beweismittel vielmehr im Urteil in einer aus sich heraus verständlichen Form zu würdigen (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 07.08.2017 – 3 Ss OWi 996/17 = BA 55 [2018], 78 und OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2017 – 4 RBs 152/17 [bei juris]; ferner schon OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2004 – 1 Ss [OWi] 210 B/04 = DAR 2005, 97 = StraFo 2005, 120 = NStZ 2005, 413; OLG Hamm, Beschl. v. 07.01.2009 – 3 Ss OWi 948/08 = NStZ-RR 2009, 151 = NZV 2009, 303 [Ls.] sowie OLG Schleswig, Beschl. v. 06.01.2011 – 1 Ss OWi 209/10 = VA 2011, 64; s. auch Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. [2017] § 71 Rn 42 ff. und Burhoff [Hrsg.]/Gieg HB OWi-Verfahren 5. Aufl. [2018] Rn. 144, jew. m.w.N.).“

Aber: Im Ergebnis bringt der Fehler nichts – die „Beruhensfalle“ schnappt zu:

„b) Jedoch greift die Beanstandung der Rechtsbeschwerde hier deshalb nicht durch, weil ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dem festgestellten Rechtsfehler beruht (§ 337 I StPO). Denn zur Erfüllung der gebotenen sachlich-rechtlichen Darstellungsanforderungen bedurfte es der Mitteilung der gedanklichen Inhalte der Eichscheine oder gar einer Auseinandersetzung mit diesen im Urteil nicht.

aa) Erfüllt die Abstandsmessung – wie hier vom AG rechtsfehlerfrei festgestellt – die Voraussetzungen eines als ‚standardisiert‘ anerkannten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des BGH (grundlegend BGHSt 39, 291/301 ff. = NJW 1993, 3081 = DAR 1993, 474 u. BGHSt 43, 277, 282 ff. = NJW 1998, 321 = MDR 1998, 214 = DAR 1998, 110) und ergibt sich aus den Gründen des Bußgeldurteils zweifelsfrei, dass die dem Betr. vorgeworfenen Geschwindigkeits- und Abstandswerte unter Vornahme des gebotenen Toleranzabzugs ermittelt wurden, stellt es für sich genommen grundsätzlich keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils i.S.v. § 71 I i.V.m. § 267 I StPO dar, wenn sich die Verurteilung hinsichtlich des Messvorgangs auf die Mitteilung des angewendeten Messverfahrens, die errechnete Geschwindigkeit des Betr. und die Länge des vorwerfbaren Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug beschränkt. Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert bilden somit die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Eine darüber hinausgehende ausdrückliche Erörterung weiterer tatsächlicher Voraussetzungen dieses vom Rechtsbeschwerdegericht anzulegenden Prüfungsmaßstabes im Urteil wäre daher überflüssig (vgl. neben BGH a.a.O. u.a. KG, Beschl. v. 12.11.2015 – 122 Ss 111/15 = NStZ-RR 2016, 27 = VRS 129 [2015], 155 = NZV 2016, 293 und v. 02.99.2015 – 3 Ws [B] 447/15122 Ss 125/15 sowie zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 19.07.2017 – 3 Ss OWi 836/17 [bei juris] m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 25/2017 Anm. 6), sofern nicht ausnahmsweise aufgrund der Art des Verkehrsverstoßes weitere Feststellungen, beim Abstandsverstoß mit Blick auf seine Vorwerfbarkeit und bei Vorliegen eines substantiierten Einwands etwa zur sog. ‚Beobachtungsstrecke‘ und etwaigen außergewöhnlichen Fahrmanövern und hierdurch dem Betr. nicht vorwerfbare Abstandsunterschreitungen (z.B. unerwarteter Spurwechsel mit Einscheren eines überholenden Fahrzeugs oder plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden), geboten sind (Burhoff [Hrsg.]/Giega.O. Rn. 156, 158 ff. m.w.N.).

bb) Diesen Mindestanforderungen wird das angegriffene Urteil gerecht, weshalb es sowohl bei der Errechnung der Geschwindigkeit des Betr. als auch bei der hieraus abgeleiteten Bestimmung des Abstandes sogar keiner Mitteilung der Toleranzwerte mehr bedurft hätte, da ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers vorgesehenen systemimmanenten Verkehrsfehlergrenzen bereits vom Rechenprogramm abgezogen und damit beim Ergebnis berücksichtigt wurden (st.Rspr.; vgl. [für ViBrAM-BAMAS] OLG Stuttgart NStZ-RR 2007, 382 = DAR 2007, 657 = VRR 2007, 475 [Krumm]; [für Brückenabstandsmessverfahren VAMA] OLG Bamberg ZfS 2013, 290 = VM 2013, Nr 30 = VRR 2013, 111 [Deutscher]; vgl. auch OLG Brandenburg VRS 108, 121 = DAR 2005, 162 und NStZ 2005, 413 [jew. für Geschwindigkeitsermittlungen mittels VIDISTA-R]; OLG Karlsruhe NZV 2007, 256; vgl. ferner schon BGHSt 39, 291/301 ff.; 43, 277/282 ff.; BayObLGSt 1993, 55/56 f sowie OLG Bamberg, Beschl. v. 19.7.2017 – 3 Ss OWi 836/17; OLG Bamberg NJW 2015, 1320 = NZV 2015, 309 = DAR 2015, 396 und OLG Bamberg, Beschl. v. 21.11.2016 – 3 Ss OWi 1394/16 = DAR 2017, 91; Burhoff[Hrsg.]/Gieg, a.a.O. Rn. 152, 154 ff. m.w.N.; Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 4 StVO Rn 26; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke a.a.O. § 4 StVO Rn 7; Gutt/Krenberger ZfS 2015, 664, 666).“