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OWi III: OLG Hamm/Koblenz – Zweimal Urteilsgründe, oder: Leivtec XV 3 und Einlassung

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So und dann noch zwei Entscheidungen zu den Urteilsgründe. Beides nichts wesetnliche Neues, aber immerhin:

Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 handelt es sich derzeit nicht um ein standardisiertes Messverfahren. Daher sind die bei Zugrundelegung der Grundsätze eines standardisierten Messverfahrens erleichterten Darlegungsanforderungen an die Urteilsgründe nicht ausreichend zur Begründung der Fehlerfreiheit der Messung. Vielmehr ist zur Beurteilung der Frage, ob die Geschwindigkeitsmessung vorliegend fehlerfrei erfolgt war, die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich.

Den Urteilsgründen muss zu entnehmen sein, ob sich der Betroffene in der Hauptverhandlung geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat.

Beweis III: Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, oder: Vorliegen weiterer Beweismittel

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Die letzte Entscheidung heute verhält sich zu Beweiswürdigungsregeln, und zwar tzr Frage der Aussage-gegen-Aussagekonstellation bei Vorliegen weiterer tatbezogener Beweismittel. Es handelt sich um den KG, Beschl. v. 05.11.2021 – (2) 121 Ss 100/21 (24/21). Das KG nimmt zu der Frage in einem Zusatz Stellung, und zwar wie folgt:

„3. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

„Gegen die von dem Angeklagten mit seiner Revision ebenfalls angegriffene Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils bestehen unter Berücksichtigung der maßgeblichen Rechtsgrundsätze (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1997 – 5 StR 178/97 –, juris) keine durchgreifenden Bedenken. Die Annahme der Revision, dass eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorliegt, trifft hier schon deshalb nicht zu, weil – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist – in Gestalt der bei der Anzeigenaufnahme gefertigten Lichtbilder und des ärztliche Attests des Dr. med. P. vom 20. Januar 2020 weitere unmittelbar tatbezogene, sachliche Beweismittel vorlagen, die die Angaben der Zeugin stützen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2019 – 5 StR 451/19 – juris; Senat, NStZ 2019, 360). Der Anwendung der vom BGH (allein) für die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ entwickelten besonders strengen Beweiswürdigungsregeln (vgl. BGHSt 44, 153; 44, 257) bedurfte es somit nicht.“.

Strafzumessung II: Minder schwerer Fall/Vertypte Milderungsgründe, oder: Strafe beim Kussversuch

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Die zweite Entscheidung, der KG, Beschl. v. 02.08.2021 – (2) 121 Ss 81/21 (11/21)  -, betrifft die Strafrahmenwahl bei minder schwerem Fall und vertypten Milderungsgründen, und zwar bei einem Kussversuch. Insoweit bejaht das KG das Vorliegen einer sexuellen Handlung und führt dann zur Strafzumessung aus:

„2. Hingegen kann der Einzelstrafausspruch zur Tat zu 1. keinen Bestand haben. Die Strafzumessung erweist sich insoweit als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Das Amtsgericht ist von einem minder schweren Fall der sexuellen Nötigung „gemäß § 177 Abs. 6 StGB“ (gemeint ist offensichtlich § 177 Abs. 9 StGB) ausgegangen, „weil mit § 21 StGB sowie §§ 22, 23 StGB zwei vertypte Milderungsgründe vorlagen.“ Diese Begründung lässt nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht des Umstands bewusst war, dass in Fällen, in denen sowohl Strafrahmenverschiebungen gemäß § 49 Abs. 1 StGB als auch die Annahme eines minder schweren Falls möglich sind, unterschiedliche Strafrahmen zur Wahl stehen, von denen einer für den Angeklagten günstiger sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 512/19 –, juris; BGH, Beschluss vom 11. August 1987 – 3 StR 341/87 –, juris). Zwar ist das Tatgericht nicht verpflichtet, den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen. Welchen Strafrahmen es wählt, unterliegt seiner pflichtgemäßen Entscheidung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 aaO; BGH, Beschluss vom 4. Juni 2015 – 5 StR 201/15 –, juris; BGH vom 19. Januar 1982 – 1 StR 734/81 –, juris). Die Urteilsgründe müssen aber belegen, dass das Gericht die unterschiedlichen Möglichkeiten erkannt und geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 aaO; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 933, 1113 mwN). Bei Vorliegen mehrerer vertypter Milderungsgründe ist vorrangig zu prüfen, ob bereits nach dem Tatgepräge und sich hieraus ergebenden (nicht vertypten) Milderungsgründen für sich genommen oder im Zusammenspiel mit nur einem vertypten Milderungsgrund die Annahme eines minder schweren Falles gerechtfertigt wäre. Sodann ist zu prüfen, ob dessen Strafrahmen ohne Verstoß gegen § 50 StGB unter Heranziehung eines weiteren vertypten Milderungsgrundes nochmals gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden kann. Führt – wie hier – die einfache oder mehrfache Strafrahmenmilderung des Regelstrafrahmens gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu einem günstigeren Strafrahmen als ein minder schwerer Fall, bedarf die Annahme eines solchen der Erörterung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01 –, juris; BGH, Urteil vom 4. August 2004 – 2 StR 183/04 –, juris). Trotz der keineswegs übersetzten Freiheitsstrafe kann der Senat aufgrund des Erörterungsmangels nicht ausschließen, dass die Wahl eines gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens sich auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt hätte.

b) Bei der konkreten Strafzumessung hat das Amtsgericht straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Zeugin ins Gesicht küssen wollte „und damit eine besonders sensible Region des Körpers im Visier hatte“. Diese Erwägung erweist sich auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2021 – 2 Ss 32/20 – mwN) mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB als rechtsfehlerhaft. Danach dürfen die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Da Kussversuche üblicherweise das Gesicht betreffen und im Rahmen denkbarer Tathandlungen des § 177 StGB deutlich sensiblere betroffene Körperregionen in Betracht kommen, beschränkt sich die zu beanstandende Strafzumessungserwägung auf die strafschärfende Berücksichtigung des Kussversuchs als solchen. Dieser begründet aber vorliegend erst in Verbindung mit den weiteren oben beschriebenen Tatumständen die Qualifikation als erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB.“

Strafzumessung I: Fehlen eines Strafmilderungsgrundes, oder: Kein Handeln unter Suchtdruck

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Und dann hier das erste „Themenposting“ des Neuen Jahres und dazu die Frage: Womit fängt man das Neue Jahr hier an? Corona wollte ich nicht, abgesehen davon, dass mir auch keine Entscheidungen vorliegen. Also habe ich mich für Strafzumessung entschlossen. Passt, da ich dazu gerade zwei Entscheideungen in meinen Ordner hängen habe. Der Bereich ist zudem in den letzten Wochen auch ein wenig kurz gekommen.

Ich starte dann mit dem BGH, Beschl. v. 03.11.2021 – 6 StR 405/21. Ist nicht viel, was der BGH ausführt, aber zum warm werden reicht es:

„Die Strafkammer hat rechtsfehlerhaft strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht unter Suchtdruck gehandelt hat. Handeln unter Suchtdruck kann zwar ein Grund sein, die Strafe zu mildern. Das bloße Fehlen eines Strafmilderungsgrundes darf aber nicht straferschwerend berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1978 – 2 StR 191/78; Beschlüsse vom 25. April 1979 – 3 StR 85/79; vom 4. Oktober 1979 – 1 StR 506/79). Gleichwohl nötigt der Rechtsfehler nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil die vom Landgericht insoweit verhängte moderate Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Berücksichtigung der übrigen Strafzumessungserwägun-gen jedenfalls angemessen ist.“

StPO III: Urteilsbegründung im Berufungsverfahren, oder: Wenn dieselbe Strafe wie vom AG verhängt wird

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Und als dritte Entscheidung dann ein Dauerbrenner aus dem Rechtsmittelbereich, nämlich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.11.2021 – 1 OLG 53 Ss 97/21 – zur Frage der Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn in der Berufungsinstanz dieselbe Strafe verhängt wird wie beim AG, obwohl weitere Milderungsgründe vorliegen.

Hier hatte das AG den Angeklagten wegen Beleidigung in 3 Fällen und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hat die Strafkammer des Landgerichts Neuruppin als unbegründet verworfen. Das OLG hebt auf die Revision im Strafausspruch auf:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

Die Strafzumessung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Die Strafkammer hat – insoweit rechtsfehlerfrei – zu Gunsten des Angeklagten ausgeführt, dass er sich – anders als im erstinstanzlichen Verfahren – nunmehr geständig eingelassen und auch reuig gezeigt habe. Diesem Umstand hat die Kammer jedoch mit Blick auf die erdrückende Beweislage und die Feststellungen erster Instanz nur ein geringes Gewicht beigemessen. Zu seinen Gunsten hat die Kammer aber in erheblicherem Umfang gewertet, dass der Angeklagte sich in eine psychotherapeutische Verhaltenstherapie begeben habe und diese nunmehr seit mehreren Monaten regelmäßig wahrnehme, um eine bessere Kontrolle über seine Impulsivität zu erlangen.

Gleichwohl hat die Strafkammer dieselben Einzelstrafen und dieselbe Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt, wie das Amtsgericht.

Dies ist in der vorliegenden Fallkonstellation erklärungsbedürftig. Die Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der ersten Instanz sind zwar kein Maßstab für die Strafzumessung im Berufungsverfahren, weshalb eine Herabsetzung der Strafe im Fall der Verringerung des Schuldumfangs bzw. des Hinzutretens neuer Milderungsgründe nicht zwingend ist. Erforderlich ist aber eine Begründung. Der Angeklagte hat einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er trotz Hinzukommens erheblicher Strafmilderungsgründe gleich hoch bestraft wird wie in der Vorinstanz (vgl. BGH NJW 1983, 54 und NStZ-RR 2013, 113; KG Berlin, Beschluss vom 7. Juli 1997 – [3] 1 Ss 124/97 [52/97] – m.w.N.; OLG München NJW 2009, 160; OLG Bamberg NStZ-RR 2012, 138 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 14. Juli 2020 – (4) 161 Ss 33/20 (43/20) –). Die besondere Begründung einer solchen Strafzumessung ist auch deshalb erforderlich, weil anderenfalls die spezialpräventive Wirkung der Verurteilung von vornherein in Frage gestellt sein kann. Wird in verschiedenen Abschnitten ein und desselben Verfahrens die Tat eines Angeklagten trotz unterschiedlicher für die Strafzumessung bedeutsamer Umstände ohne ausreichende Begründung mit der gleich hohen Strafe belegt, so kann auch bei einem verständigen Angeklagten der Eindruck entstehen, dass die Strafe nicht nach vom Gesetz vorgesehenen oder sonst allgemein gültigen objektiven Wertmaßstäben bestimmt wurde (vgl. BGH aaO; OLG München aaO). Eine Begründung der Verhängung einer identischen Strafe trotz wesentlicher Veränderung der für die Strafzumessung relevanten Gesichtspunkte ist allenfalls in Ausnahmefällen entbehrlich, in denen eine Gefährdung der spezialpräventiven Wirkung ausgeschlossen erscheint, weil etwa die durch den Vorderrichter verhängte Strafe offensichtlich im unteren Bereich des Vertretbaren gelegen hatte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. April 2016 2 [6] Ss 110/16 – AK 41/16 [juris] m.w.N.; OLG Bamberg aaO m.w.N.). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.

Da das angefochtene Urteil eine entsprechende Begründung vermissen lässt, unterlag es der Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch.“