Archiv der Kategorie: Strafrecht

Verkehrsrecht II: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis die Regel?

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Vor gut drei Wochen ist in der Presse und auch im Internet über das LG Osnabrück, Urt. v. 17.08.2023 – 5 NBs 59/23 – berichtet worden. Thematik der Entscheidung: Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter. Darüber habe ich hier ja auch schon öfters berichtet, und zwar zuletzt über den LG Lüneburg, Beschl. v. 27.06.2023 – 111 Qs 42/23 und das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.05.2023 – 1 Ss 276/22.

Nun also noch/auch das LG Osnabrück. Ich habe mir die Entscheidung besorgt und kann daher heuer über den Volltext berichten. Ich habe gern erst den Volltext, bevor ich hier berichte.

Zur Sache: Das AG hatte nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter die Fahrerlaubnis nicht entzogen. Dagegen die Berufung der Staatsanwaltschaft, die keinen Erfolg hatte:

„Auch, wenn E-Scooter nach der Rechtsprechung des BGH wie Autos zu behandeln sind, ist damit gleichwohl der Anwendungsbereich des ausnahmsweisen Absehens von Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB bei Nicht-Vorliegen eines „Regelfalls“ eröffnet. Neben den bereits vom Amtsgericht angeführten Umständen ist in der Berufungsinstanz noch weiter in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte mittlerweile ganz alkoholabstinent lebt und dies für den Zeitraum Februar bis Juli 2023 mit entsprechenden Haarprobenanalysen belegt hat. Überdies hat er auch an zwei verkehrspädagogischen Maßnahmen im Juni und Juli 2023 teilgenommen.“

Man sieht, steht nicht viel drin in der Entscheidung. Es handelt sich ja auch um ein wegen der Rechtskräft abgekürztes Urteil. In der vom LG zu der Entscheidung herausgegebenen Pressemitteilung heißt es noch:

„Eine Ausnahme sah das LG in dem hier zu entscheidenden Fall: Der Mann habe lediglich beabsichtigt, 150 Meter mit dem E-Scooter zu fahren. Zudem bereue er die Tat, er habe sich entschuldigt und an einem verkehrspädagogischen Seminar teilgenommen. Auch habe er nachgewiesen, dass er die vergangenen Monate keinen Alkohol getrunken habe. Das LG befand damit die vom Amtsgericht in erster Instanz verhängte Geldstrafe in Verbindung mit einem Fahrverbot von fünf Monaten für ausreichend.“

Das sind dann wohl die „vom Amtsgericht angeführten Umstände“, auf die sich das LG auch bezogen hat. Die stehen aber eben nicht in der LG-Entscheidung. Und darum habe ich lieber immer erstmal den Volltext 🙂 .

 

Verkehrsrecht I: Straßenverkehrsgefährdung, oder: Grob rücksichtlos und grob verkehrswidrig

Überholen Verkehrs

Heute stelle ich drei Entscheidungen mit verkehrsrechtlichem Einschlag vor.

Den Opener mache ich mit dem OLG Koblenz, Beschl. v. 20.07.2023 – 4 ORs 4 Ss 16/23. Der ist schon einmal Gegenstand der Berichterstattung gewesen, und zwar wegen der vom OLG entschiedenen verfahrensrechtlichen Fragen (siehe hier: StPO III: Zustandekommen einer Verständigung, oder: Mitteilungs- und Belehrungspflicht). Heute stelle ich den Beschluss vor wegen der Segelanweisung die das OLG im Hinblick auf die angeklagten Taten gegeben hat, darunter auch ein Verstoß gegen § 315c StGB:

„5. Für die erneut durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Im Fall eines erneuten Schuldspruches wegen des Delikts des § 315c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB bedarf es einer intensiveren Auseinandersetzung mit gleich mehreren Tatbestandsmerkmalen der Vorschrift. Der neue Tatrichter hat insoweit entsprechende – ausführlichere Feststellungen zu treffen und deren Vorliegen im Rahmen der Beweiswürdigung tragend zu begründen.

aa) So verhält sich grob rücksichtslos, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über die ihm bewusste Pflicht zur Vermeidung unnötiger Gefährdung anderer (§ 1 StVO) hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit Bedenken gegen sein Verhalten von vornherein nicht aufkommen lässt (vgl. BGH, Urt. 4 StR 796/53 v. 25.02.1954; BayObLG, Urt. RReg 1 St 101/86 v. 22.08.1986 – jew. n. juris).

Als subjektives Merkmal kann Rücksichtslosigkeit nicht schlechthin aus dem äußeren Tathergang gefolgert werden. Die Umschreibung, dass der Angeklagte zum Zwecke des schnelleren Fortkommens überholen wollte, reicht nicht aus. Jeder, der überholt, will schneller sein Fahrtziel erreichen. Es hat vielmehr eine Auseinandersetzung damit zu erfolgen, aus welchen Motiven der Angeklagte schneller vorankommen wollte.

bb) Gleiches gilt für das Merkmal des grob verkehrswidrigen Verhaltens. Grob verkehrswidrig ist ein nach Sachlage besonders gefährliches Abweichen vom pflichtgemäßen Verhalten (BeckOK-StGB/v. Heintschel-Heinegg, 57. Ed. § 315c Rn. 39). Zwar kann ein Autofahrer, der mit hoher Geschwindigkeit auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt, rechts überholt und sodann wieder einschwenkt und abbremst, sich dabei grob verkehrswidrig verhalten. Es bedarf jedoch tatrichterlicher Feststellungen zur Fahrtgeschwindigkeit des Angeklagten, des vorausfahrenden Fahrzeugs, der Anzahl der Fahrspuren der Autobahn sowie der Verkehrsdichte.

cc) Eine konkrete Gefährdung liegt vor, wenn das Gefährdungsobjekt so in den Wirkbereich der schadensträchtigen Tathandlung gelangt ist, dass der Eintritt eines Schadens nicht mehr gezielt abgewendet werden kann und sein Ausbleiben folglich nur noch von bloßen Zufälligkeiten abhängt; es muss also ein sog. „Beinaheunfall“ vorliegen, bei dem es rückblickend nur „gerade noch einmal gut gegangen“ ist (BGH, Beschl. 4 StR 375/68 v. 05.03.1969; 4 StR 667/11 v. 25.04.2012; 4 StR 725/94 v. 30.03.1995 -jew. n. juris). Letzteres ist anhand der konkreten Umstände mit Angaben etwa zu den gefahrenen Geschwindigkeiten, zur Intensität der Gefahrenbremsungen sowie dazu, inwieweit im Fall einer Kollision auch Leib und Leben der gefährdeten Person oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert bedroht gewesen wären, darzulegen (vgl. BGH, Beschl. 4 StR 324/13 v. 24.09.2013 -BeckRS 2013, 18828; 4 StR 188/15 v. 30.06.2015 – BeckRS 2015, 13519).

dd) Darüber hinaus bedürfte im Falle erneuter Annahme des Vorliegens eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Gefährdung derselbe eingehenderer Begründung sowie einer Abgrenzung zumindest zur bewussten Fahrlässigkeit.

b) Im Falle einer erneuten Verurteilung hat der Urteilstenor die Schuldform auszuweisen, da das Delikt ausweislich § 315c Abs. 3 Nr. 2 StGB sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann. Gleiches gilt hinsichtlich der konkreten Gefährdung, § 315c Abs. 3 StGB.

c) Die neuen schriftlichen Urteilsgründe haben sich, ausführlicher als bislang geschehen, mit der Einlassung des Angeklagten auseinanderzusetzen, die jedenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben ist. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Angeklagte ein Geständnis ablegt, denn ein Geständnis enthebt den Tatrichter nicht von der Pflicht, dieses einer kritischen Prüfung auf Plausibilität und Tragfähigkeit hin zu unterziehen und zu den sonstigen Beweismitteln in Beziehung zu setzen. Diese Maßstäbe gelten auch in Fällen, in denen der Angeklagte im Rahmen einer Verfahrensverständigung ein Geständnis ablegt (vgl. BGH, Beschl. 2 StR 75/14 v. 21.07.2015 – juris). Die Verständigung über den Strafrahmen darf gerade nicht dazu führen, dass ein Geständnis dem Schuldspruch zugrunde gelegt wird, ohne dass sich der Tatrichter von dessen Richtigkeit überzeugt (BVerfG, Urt. 2 BvR 2628/10 v. 19.03.2013, 2 BvR 2883/10 v. 21.06.2012 – jew. n. juris).“

Nichts Neues, aber die Ausführungen zeigen noch einmal, worauf es ankommt.

StGB III: Abgrenzung Raub/räuberische Erpressung, oder: Gegeben oder genommen?

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Und zum Tagesschluss dann der – schon etwas ältere – BGH, Beschl. v. 22.02.2023 – 6 StR 44/23 – zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, also ein Klassiker.

Das LG hat die Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Dagegen die Revision, die zu einer Änderung der schuldsprüche führt:     .

„1. Die Schuldsprüche halten in den Fällen 1, 3 und 4 rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen entnahm der Angeklagte W.  Bargeld aus der Kasse einer Spielothek, die ein Mitarbeiter entriegelt hatte, nachdem ihn der Angeklagte S.    unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe zur Herausgabe von Geld aufgefordert hatte (Fall 1). Anlässlich eines weiteren Überfalls auf eine Tankstelle forderte der Angeklagte S. erneut unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe die Herausgabe von Geld, woraufhin eine Mitarbeiterin die Schublade mit Bargeld auf den Tresen stellte, die er leerte. Der Angeklagte W.  wartete im Fahrzeug (Fall 3). Nachdem beide Angeklagten einen Getränkemarkt betreten hatten, forderte der Angeklagte S. unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe Geld und Zigaretten, die ihm übergeben wurden. Zudem entnahm der Angeklagte aus einem Regal weitere Zigarettenschachteln (Fall 4).

b) Die Wertung des Landgerichts, in allen Fällen liege eine Vermögensverfügung vor, begegnet in den Fällen 1 und 3 durchgreifenden Bedenken.

aa) Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten. Wird dieser gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er dagegen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung, mithin einer Weggabe, genötigt, so ist – sofern eine Absicht rechtswidriger Bereicherung gegeben ist – eine räuberische Erpressung anzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09; vom 12. August 2021 – 3 StR 474/20).

bb) Davon ausgehend liegt weder im Fall 1 noch im Fall 3 eine Vermögensverfügung seitens des Verletzten vor. Das mit Waffeneinsatz erzwungene Verhalten der Mitarbeiter hat nur zu einer Gewahrsamslockerung, nicht aber zu einer Gewahrsamsübertragung geführt (vgl. zur Entriegelung einer Kasse BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013 – 4 StR 186/13). Es hat lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme eröffnet, aber noch keinen neuen Gewahrsam der Angeklagten begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10; NStZ-RR 2011, 80; vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17).

c) Zudem ist im Fall 4 im Hinblick auf die seitens des Angeklagten W.  entnommenen Zigaretten tateinheitlich der Tatbestand des schweren Raubes verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2021 – 6 StR 15/21; Beschluss vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10, aaO; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 43).

2. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird durch die Schuldspruchänderung nicht verletzt; dieses schließt das Risiko einer Verschärfung des Schuldspruchs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. September 2015 – 2 StR 71/15; vom 27. Juli 2010 – 4 StR 165/10; vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19). § 265 StPO steht dem ebenfalls nicht entgegen, weil die im Wesentlichen geständigen Angeklagten sich nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Auf den Strafausspruch hat die Schuldspruchänderung wegen des unveränderten Unrechtsgehalts und gleichbleibender Strafrahmen keinen Einfluss.“

Ich glaube, ich wäre bei den Feststellungen gelich zum „Raub“ gekommen 🙂 .

StGB II: Scheinselbständig oder freier Mitarbeiter?, oder: Freie Mitarbeit in einer Rechtsanwaltskanzlei

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Die zweite Entscheidung, das BGH, Urt. v. 08.03.2023 – 1 StR 188/22 – befasst sich u.a. mit der Abgrenzung von freien Mitarbeitern und Scheinselbstständigen, und zwar bei Rechtsanwälten.

Das LG hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 189 Fällen verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte, die Strafmaßrevision der StA hatte hingegen Erfolg.

Das LG hatte folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„Der seit 1982 als niedergelassener Rechtsanwalt tätige Angeklagte beschäftigte über ein von ihm praktiziertes „Modell der freien Mitarbeiterschaft“ in seiner Kanzlei “   S. & Kollegen“ im verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum von 2013 bis 2017 als alleiniger Kanzleiinhaber zwölf Rechtsanwälte zum Schein als selbständige freie Mitarbeiter, die tatsächlich bei ihm abhängig beschäftigt waren. Vor Beginn ihrer Tätigkeit in der Kanzlei schloss der Angeklagte mit den Rechtsanwälten einen im Wesentlichen gleichlautenden schriftlichen Vertrag („Freier Mitarbeitervertrag“) über eine zeitlich nicht befristete Zusammenarbeit sowie – in zehn dieser Fälle – eine im Wesentlichen gleichlautende weitere schriftliche Zusatzvereinbarung. Während der Mitarbeitervertrag insbesondere regelte, dass der Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter für die Kanzlei tätig war, seine Sozialabgaben selbst abführte, eigenes Personal beschäftigen und selbst werben durfte sowie berechtigt war, das vereinbarte Jahresgehalt in monatlichen Teilbeträgen abzurufen, sah die Zusatzvereinbarung namentlich vor, dass die Beschäftigung eigenen Personals und die Bearbeitung von Mandaten außerhalb der Kanzlei der Zustimmung der Kanzlei bedurften und Werbemaßnahmen abzustimmen und zu genehmigen waren. Die vorgefertigten Vertragsentwürfe legte der Angeklagte den Rechtsanwälten zur Unterschrift vor, die sie ohne weiteres Aushandeln unterzeichneten.

Während ihrer Beschäftigung waren die Rechtsanwälte nur für den Angeklagten tätig, der ihnen auch die zu bearbeitenden Mandate zuwies. Sofern sie keine auswärtigen Termine wahrzunehmen hatten, erbrachten sie ihre Tätigkeit, wie vom Angeklagten erwartet und eingefordert, zu den Kanzleizeiten nahezu ausschließlich in den Kanzleiräumlichkeiten; hierfür stellte ihnen der Angeklagte, ohne sie an den Kosten zu beteiligen, neben einem eigenen Büro das geschulte kanzleiinterne Personal sowie die gesamte sonstige Infrastruktur seiner Kanzlei zur Verfügung. Das vereinbarte Jahreshonorar riefen die Rechtsanwälte regelmäßig einmal pro Monat anteilig, also in Höhe eines Zwölftels, per Rechnung ab, unabhängig von dem durch sie in dem jeweiligen Abrechnungszeitraum erwirtschafteten Umsatz.

Insgesamt enthielt der Angeklagte den vier zuständigen Einzugsstellen von Februar 2013 bis Dezember 2017 in 189 Fällen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 118.850,58 € vor.§

In rechtlicher Hinsicht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Tätigkeit der zwölf näher bezeichneten Anwälte im Tatzeitraum als abhängige Beschäftigung einzustufen sei und die angefallenen Sozialversicherungsabgaben vorenthalten worden sind. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die umfangreiche Begründung der Entscheidung.

Hier nur die Leitsätze zu dem zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Urteil:

1. Für die Abgrenzung von sog. scheinselbständigen Rechtsanwälten und freien Mitarbeitern einer Rechtsanwaltskanzlei ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgebend; soweit die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung wegen der Eigenart der Anwaltstätigkeit im Einzelfall an Trennschärfe und Aussagekraft verlieren, ist vornehmlich auf das eigene Unternehmerrisiko und die Art der vereinbarten Vergütung abzustellen.

2. Beitragszahlungen von Schwarzarbeitern und illegal Beschäftigten aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung lassen nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit des § 266a Abs. 1 und 2 StGB entfallen, sondern sind erst auf der Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen.

StGB I: Holzpalette angezündet ==> Lagerhalle brennt, oder: Taugliches Tatobjekt einer Brandstiftung?

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Heute stelle ich einige StGB-Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 25.10.2022 – 4 StR 268/22; manche Entscheidungen werde schlichtweg übersehen.

Es geht um Brandstiftung. Das LG hat den Angeklagten wegen Brandstiftung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die Erfolg hatte.

Das LG hatte folgende Feststeluungen getroffen: Der Angeklagte zündete „eine Holzpalette an, die sich wie eine Vielzahl weiterer Holzpaletten sowie leerer Lager- und Materialboxen unter dem zehn Meter tiefen Vordach einer Lagerhalle eines Industriedienstes befand. Dabei hielt es der Angeklagte zumindest ernstlich für möglich, dass das dadurch entstehende Feuer um sich greifen und die weiteren Holzpaletten und später auch das gesamte Gebäude erfassen könnte, was er jedenfalls billigend in Kauf nahm. Tatsächlich entzündete der Brand sämtliche dort abgelegten Paletten und griff auf die Lagerhalle über. Durch das vollständige Niederbrennen der Halle, des dort gelagerten Materials und von Maschinen entstand ein Schaden von mindestens vier Millionen Euro.“

Dazu der BGH:

„1. Der Schuldspruch wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB kann keinen Bestand haben.

a) Die vom Landgericht angenommene Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird durch die Feststellungen nicht belegt, weil sich aus ihnen nicht ergibt, dass ein Tatobjekt im Sinne dieser Vorschrift in Brand gesetzt worden ist.

aa) Gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer fremde Warenlager oder -vorräte in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. Waren sind körperliche Gegenstände, die zum gewerblichen Umsatz, regelmäßig zum Verkauf, bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 371/18 Rn. 9, BGHSt 63, 300; Urteil vom 22. März 2018 – 5 StR 603/17 Rn. 6, BGHSt 63, 111, 113; Radtke in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 306 Rn. 35; Wolff in LK-StGB, 12. Aufl., § 306 Rn. 31; Wolters in SSW-StGB, 5. Aufl., § 306 Rn. 5; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 306 Rn. 6; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 306 Rn. 6). Die Begriffsbestimmung der Waren als zum Umsatz bestimmte beweglichen Sachen entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie er auch in § 92 Abs. 2 BGB und § 241a Abs. 1 BGB seinen Niederschlag gefunden hat. Zu einem anderen Begriffsverständnis geben auch die Gesetzesmaterialien zum Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164), das den Begriff des Magazins durch den des Warenlagers ersetzt hat, keinen Anlass (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 47, 69, 86). Der Gesetzgeber hat in dem Bestreben, den Katalog der Tatobjekte den Erfordernissen der heutigen Wirtschaftsordnung anzupassen (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 25 f., 87; BGH, Urteil vom 22. März 2018 – 5 StR 603/17 Rn. 9, BGHSt 63, 111, 114), bewusst den umfassenderen Begriff des Magazins aufgegeben, zu dem nach der Rechtsprechung ein Gebäude, eine Baulichkeit oder eine sonstige dauernde Einrichtung zählten, in welchen „bestimmungsgemäß größere Vorräte von Waren, Konsumtibilien, Kriegsbedürfnissen oder dergleichen Gegenständen aufgespeichert werden“ (vgl. RG, Urteil vom 11. März 1886 – 255/86, RGSt 13, 407). Keine Waren im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind demnach Gegenstände, die zum Eigenverbrauch oder zur Weiterverarbeitung vor Ort bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 371/18 Rn. 9, BGHSt 63, 300; BGH, Urteil vom 22. März 2018 – 5 StR 603/18 Rn. 6, BGHSt 63, 111, 113; Wolters aaO).

bb) Daran gemessen wird die Annahme tauglicher Tatobjekte im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB durch das Landgericht nicht von den Feststellungen getragen. Aus den Urteilgründen ergibt sich auch in ihrer Gesamtheit nicht, dass das in der Halle gelagerte Material und die Maschinen selbst zum gewerblichen Umsatz bestimmt waren. Das versteht sich angesichts der knappen Information zur Nutzerin der Halle („Industriedienste“) und zu den gelagerten Sachen („Material“) auch nicht von selbst, da der Begriff „Material“ gerade nicht zur Veräußerung vorgesehene Produkte sondern vielmehr Gegenstände nahelegt, die zum eigenen Verbrauch oder zur Weiterverarbeitung bestimmt und daher von der Vorschrift des § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht geschützt sind.

b) Die Urteilsgründe ergeben auch nicht, dass sich der Angeklagte einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB schuldig gemacht hat. Zwar kann den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen noch entnommen werden, dass durch den Angeklagten Tatobjekte in Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB in Brand gesetzt worden sind. Denn bei der Lagerhalle handelte es sich ersichtlich um ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet, und damit um ein Gebäude im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1954 – 1 StR 494/53, BGHSt 6, 107). Auch ist der objektive Tatbestand von § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt, da die Lagerhalle mit Materialien und Maschinen eine Sachgesamtheit von baulichen Anlagen und Inventar darstellte, die einem gewerblichen Betrieb dienten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2014 ? 3 StR 353/13 Rn. 16). Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe hinsichtlich der Brandlegung mit bedingtem Vorsatz gehandelt, ist aber nicht beweiswürdigend belegt.

aa) Eine vollendete Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB in der hier gegebenen Variante der Inbrandsetzung setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch seine Tathandlung das in Rede stehende Tatobjekt – wie tatsächlich geschehen – vom Feuer ergriffen wird und selbständig weiterbrennt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 4 StR 324/19 Rn. 17, NStZ 2020, 402 mwN). Dabei muss sich der Vorsatz auch auf den zum Eintritt des Erfolges führenden Geschehensverlauf erstrecken, wobei eine Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen ist, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15 Rn. 12 mwN). Das Bestehen eines solchen Vorsatzes im Tatzeitpunkt ist – sofern sich dies nicht ausnahmsweise von selbst ergibt – beweiswürdigend zu belegen. Bei einem – wie hier – leugnenden Angeklagten können innere Tatsachen wie seine Vorstellungen über die möglichen Folgen seines Handelns und deren Billigung regelmäßig durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 5 StR 222/17 Rn. 17, NJW 2018, 246, 248). Ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Frage, ob der Täter mit Brandstiftungsvorsatz gehandelt hat, ist der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass ein Tatobjekt in Brand gerät (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 578/12 Rn. 28, NStZ 2014, 647, 651 mwN). Maßgebend ist insoweit aber stets eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 371/18 Rn. 24 f., BGHSt 63, 300; Beschluss vom 4. März 2010 – 4 StR 62/10 Rn. 5, NStZ-RR 2010, 241).

bb) Diesen Anforderungen genügt das Urteil nicht. Das Landgericht hat zwar festgestellt, dass der Angeklagte es zumindest für ernstlich möglich hielt, dass das durch das Anzünden der Palette entstehende Feuer um sich greifen und die weiteren Holzpaletten und später auch das gesamte Gebäude erfassen konnte, was er jedenfalls billigend in Kauf nahm. In der Beweiswürdigung finden sich aber keinerlei Erwägungen dazu, woraus sich diese Feststellung ergibt. Es ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, aus welchen Umständen (beispielsweise aus dem Abstand der Paletten von der Gebäudewand bzw. dem Vordach oder aus der Beschaffenheit von Hallenwand bzw. Vordach) die Strafkammer gefolgert hat, der Angeklagte habe ein Übergreifen der Flammen von der von ihm angezündeten Holzpalette unter dem Vordach auf die Halle für möglich gehalten und gebilligt. Ausführungen dazu sind auch nicht entbehrlich, weil sich angesichts der spärlichen Feststellungen zu den Örtlichkeiten und sonstigen Umständen der für den Brandstiftungsvorsatz des Angeklagten wesentliche Grad der Wahrscheinlichkeit dafür, dass durch das Anzünden einer Palette auch die Lagerhalle in Brand gerät, nicht von selbst versteht.“