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Manchmal ist es gut, wenn man Decken im Auto hat

entnommen wikimedia.org Original uploader was Sekai3 at en.wikipedia

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Klein/kurz, aber fein für den Beschuldigten ist der AG Verden (Aller), Beschl. v. 04.12.2013 – 9a Gs 924 Js 43392/13 (3757/13) -, in dem das AG von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Stopp abgesehen hat. Begründung: Kein Regelfall, da der Beschuldigte in seinem Fahrzeug übernachten wollte und es auf einem Parkplatz einer Disko nur wenige Meter bewegt hat. Beweis: Mitgeführte Decken. Das liest sich beim AG dann so…..

„Zwar liegt nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ein Verstoß gegen § 316 Abs.1 StGB vor, da es sich bei dem Parkplatz einer Diskothek um öffentlichen Verkehrsraum handelt, zugunsten des Beschuldigten ist jedoch anzunehmen, dass er gerade nicht am Straßenverkehr teilnehmen, sondern – was mitgeführte Decken belegen – in seinem Fahrzeug übernachten wollte und es dazu nur wenige Meter auf dem Parkplatzgelände bewegt hat.

Es ist somit nicht fernliegend, dass in der Hauptverhandlung eine Ausnahme von der Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB anzunehmen sein wird.“

Verkehrstherapeutische Maßnahme – bringt sie was?

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Der Kollege Sydow hat in seinem Blog ja schon über das von ihm erstrittene AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 13.09.2012 – 2.2 Ds 458 Js 33194/12 (231/12) -berichtet (vgl. hier), das er mir freundlicher Weise übersandt hat, so dass ich es hier auch einstellen kann.

Es behandelt einen der Fälle, in denen das AG von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt abgesehen hat, weil der Angeklagte an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme teilgenommen hat. Es kann sich also lohnen, an der Stelle „nachzuarbeiten´“. Allerdings muss er Mandant sich dann“intensiv engagiert“ haben.

Der Leitsatz:

„Von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis kann abgesehen werden, wenn der Beschuldigte in zwar kurzer aber auch sehr intensiver Zeit engagiert und höchstmotiviert an einer umfangreichen verkehrstherapeutischen anerkannten Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen und sich zur Weiterführung einschließlich Urinkontrollen vertraglich verpflichtet hat (§§ 69, 69a StGB).“

 

Die positiven Folgen einer Meldung bei der Polizei…

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Ich hatte gerade erst bei der Recherche für einen Aufsatz zu den Fragen des Regelbesipiels i.S. des § 69 Abs. 2 StGB festgestellt, dass man bei genauer Suche und genauem Hinsehen doch eine ganze Menge Entscheidungen findet, in denen von der „Regelentziehung“ nach § 69 StGB absieht. Das passte es ganz gut, dass mit gestern – quasi als Beweis für diese „These“ der LG Aurich, Beschl. v. 06.07.2012 – 12 Qs 81/12 – auf den Schreibtisch – na ja, ins Email-Postfach – flatterte.

Das LG hat darin die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem Beschuldigten, der sich zwar zunächst von der Unfallstelle entfernt hatte, dann aber 40 Minuten später den Unfall persönlich bei der Polizei meldete, abgesehen:

„Gleichwohl fällt die vorliegende Tat selbst trotz Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale so sehr aus dem Rahmen der typischen Begehungsweises heraus, dass sie nicht mehr als der Regelfall anzusehen ist, dem der Gesetzgeber durch Vorwegnahme der Prognose eine den Eignungsmangel indizierende Wirkung im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB beilegen wollte (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 69 Rz. 42). Der einzige, dem Beschuldigten im vorliegenden Verfahren zu machende Vorwurf ist – wie schon die vorstehenden Ausführungen zeigen – lediglich darin begründet, dass er sich nicht unverzüglich, sondern erst mit 40 minütiger Verzögerung bei der Polizei gemeldet hat. Mit anderen Worten: Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt „gerade noch“ den Tatbestand der Verkehrsunfallflucht; sein Verhalten bewegt sich am untersten Rand der Strafwürdigkeit. Dem Feststellungsinteresse der geschädigten Deutschen Bahn AG ist nicht zuletzt auch durch seine nachträglichen Aufklärungsbemühungen hinreichend Rechnung getragen worden, sodass der Schutzzweck, um dessentwillen § 142 StGB normiert worden ist, hinreichend Rechnung getragen wurde. So lässt der Umstand, dass der Täter entschlossen war, sich beim Geschädigten zu melden und den Schaden zu ersetzen, regelmäßig die Indizwirkung im Rahmen des § 69 StGB entfallen (ausdrücklich Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 69 Rz. 42 m.w.N.). Auch in der Person des Beschuldigten selbst – sein Verkehrszentralregisterauszug weist keine Eintragungen auf – ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, den Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB als erfüllt anzusehen. Vor dem Hintergrund der geringen Strafwürdigkeit des Verhaltens des Beschuldigten mag nach derzeitigem Erkenntnis- und Verfahrensstand allenfalls ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB in Betracht kommen.“

Es kann sich also lohnen, mal genauer hinzusehen und die Umstände, die den eigenen Fall vom „Normalfall“ unterscheiden, herauszustellen.

 

Sonntagmorgens gegen 7.45 Uhr 100m am Ende einer Sackgasse gefahren – kein Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung

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Im Moment häufen sich die Entscheidungen, in denen bei Trunkenheitsfahrten von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen wird; zuletzt hatte ich am 10.04.2012 über eine Entscheidung des AG Düsseldorf berichtet.

Ein Kollege hat mir daraufhin das AG Essen, Urt. v. 13.05.2011 – 49 Cs-49 Js 501/11-185/11 geschickt, gegen das die StA zunächst Berufung eingelegt hatte, diese inzwischen aber wieder zurück genommen hat. Das  AG Essen hat auch einen Regelfall bei § 316 StGB mit 1,53 Promille verneint, und zwar mit folgender Begründung:

Das Gericht hatte einen Regelfall nach § 69 StGB angesichts der Umstände der Fahrt verneint. Die von dem Angeklagten gefahrene Fahrstrecke von weniger als 100 Metern am Ende einer Sackgasse am Sonntagmorgen gegen 7.45 Uhr ohne Verkehr entsprechen nicht dem Durchschnittsfall einer normalen Trunkenheitsfahrt. Zudem kommen besondere Umstände, die in der Person des Angeklagten liegen, hinzu, die die Vermutung der mangelnden Eignung widerlegen: Er fuhr bisher unbeanstandet im Straßenverkehr und hätte bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes zu rechnen. Die bisherige Beschlagnahme des Führerscheins hat auf ihn bereits einen entscheidenden Eindruck hinterlassen, da er auf den Führerschein angewiesen ist und berufliche Nachteile spürt.“

Kann sich also lohnen, die Tatumstände auf Besonderheiten abzuklopfen.