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Vorsätzliche Trunkenheitsfahrt: Erfolgreicher Kurs bei IVT-Hö erspart Entziehung der Fahrerlaubnis

© Africa Studio - Fotolia.com

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Der Kollege Sydow, auch eine meiner Berliner Quellen 🙂 , hat mir vor einigen Tagen ein paar von ihm erstrittene Entscheidungen übersandt, von denen ich heute als erste das AG Königs Wusterhaussen, Urt. v. 03.07.2015 -2.3 Ds 1311 Js 41173/14 (8/15) – hier einstelle. Nichts Besonderes, aber dann doch zumindest insoweit interessant, weil es beweist/bestätigt, dass es im Hinblick auf die Entziehung der Fahrerlaubnis Sinn macht, nach einer Trunkenheitsfahrt – und hier haben wir dann auch noch eine vorsätzliche – etwas zu tun. Die Angeklagte hatte hier nach der Tat im Zeitraum Dezember 2014 bis Juni 2015 bei der IVT-Hö Berlin/Brandenburg einen verkehrspsychologischen Kurs, bestehend aus 35,66 Einzelstunden, 44 Therapiestunden in einer Intensivgruppe und 48 Therapiestunden im Rahmen von Wochenendseminaren absolviert. Zudem war ein „Alkohol-Abstinenz-Check“ zum Nachweis ihrer Abstinenz im Zeitraum Januar bis Mai 2015 erfolgreich.

Das bringt dann das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis und nur noch ein Fahrverbot:

„Von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 StGB hat das Gericht abgesehen, weil die Angeklagte nach Absolvierung der verkehrspsychologischen Schulung nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Sie hat sich ausweislich der eingereichten Schulungsbescheinigung und der Zertifikate eingehend mit ihrem Alkoholproblem, seinen Ursachen und den daraus resultierenden Problemen gefasst und andere Problembewältigungsstrategien erlernt. Sie konsumiert derzeit keinen Alkohol mehr, wie sie durch das Alkoholscreening nachgewiesen hat. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass von der Angeklagten keine weiteren Gefahren im Straßenverkehr ausgehen. Angesichts dessen war gemäß § 44 StGB ein Fahrverbot von 1 bis zu 3 Monaten zu verhängen. In Ansehung der Tatschwere hat das Gericht das Fahrverbot auf 3 Monate bemessen.“

 

Mal wieder Akteneinsicht im Bußgeldverfahren: Her mit dem gesamten Messfilm

entnommen wikimedia.org Original uploader was VisualBeo at de.wikipedia

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Die mit der Akteneinsicht des Verteidigers in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren zusammenhängenden Fragen und Probleme haben Rechtsprechung und Literatur vor einiger Zeit intensiv beschäftigt. Dazu hat es zahlreiche amts- und landgerichtliche Entscheidungen gegeben, die OLG haben sich auch zu Wort gemeldet, aber mehr restriktiv im Rahmen der Rechtsbeschwerde und haben vor allem die Anforderungen an die Begründung der in diesen Fällen ggf. zu erhebenden Verfahrensrügen hoch – m.E. zu hoch, aber das wundert im Grunde genommen nicht – gehängt. Inzwischen sind die Fragen nicht mehr so aktuell. Aber es gibt immer wieder amtsgerichtliche Entscheidungen, die dann (noch einmal) zu der Problematik Stellung (nehmen) müssen. So der AG Königs Wusterhausen, Beschl. v. 17.03.2015 – 2.4 OWi 282/14. Der Verteidiger hatte Einsicht in de Bedienungsanleitung beantragt und die Übersendung des von dem dem Betroffenen zur Last gelegten Verkehrsverstoß gefertigten gesamten Messfilms begehrt. Die Bedienungsanleitung hat er bekommen, den Messfilm wollte die Verwaltungsbehörde nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses herausrücken. Den hat sie nun. Das AG hat die Herausgabe des Messfilms angeordnet und befindet sich damit in guter Gesellschaft (vgl. u.a. AG Heidelberg VRR 2013, 357; AG Luckenwalde StraFo 2013, 518; AG Ulm VRR 2013, 196).

Obersatz des AG: „Ein „Einsichtsrecht besteht, daraus tatsächlich Nutzen zu ziehen, ist Sache des Verteidigers.“Und in dem Zusammenhnag von Bedeutung für das AG:

  • Bis zu einer Entfernung von 30 km sieht es das AG als für die Verteidigung grds. zumutbar an, den Messfilm bzw. das entsprechende Medium in den Räumen der Verwaltungsbehörde einzusehen. Aber: „allerdings bleibt die Frage, ob der Verteidiger von der Akteneinsicht in den Räumen der Verwaltungsbehörde ohne ggf. Sachverständigenbeteiligung, Kopiermöglichkeiten … „etwas hat“. Auch dem überdurchschnittlich versierten Rechtsanwalt (oder sogar Fachanwalt) wird nicht abzuverlangen sein, dass er einem Sachverständigen gleich ganze Messreihen auswertet. Seine Feststellungen würden im Rahmen der Hauptverhandlung gleichwohl nur Verteidigervorbringen bleiben und das Gericht könnte trotzdem nicht auf eine Beweiserhebung durch Gutachten verzichten.
  • Der Verteidiger muss seinem Einsichtsantrag ein entsprechendes Speichermedium beifügen (vgl. dazu AG Lemgo VRR 2011, 163 [Ls. = NStZ 2012, 287 für die Einsichtnahme in ein digitales Foto; ähnlich BayObLG NJW 1991, 1070 ff. = VRS 80, 364; OLG Koblenz NStZ-RR 2001, 311 für Videoaufnahmen).
  • Zu beachten ist dann auch noch die Entscheidung des AG Schleiden (VRR 2013, 38 = StRR 2013, 38), wonach der Verteidiger keinen Anspruch darauf hat, die Messreihe/den Messfilm in einem allgemein lesbaren Format zu erhalten.
  • Datenschutzargument greift nicht. Der Verteidiger werde zwar bei Einsicht in die gesamte Messreihe zwangsläufig auch die anderen Fahrzeuge sehen, welche die Messung ausgelöst haben. Ob hierbei tatsächlich Erkenntnisse gewonnen würden, deren Missbrauch gegenüber den anderen Fahrzeugführern zu befürchten sei, bezweifelt das AG und verweist darauf, dass Mindestvoraussetzung sein dürfte, dass der Einsicht Nehmende spontan ein Fahrzeug erkennt.

Neues aus dem Osten: PoliscanSpeed ist nicht verwertbar

Poliscan Speed - RadarFür meine Sammlung zur Aktualisierung meiner Teile im Ludovisy (6. Aufl. steht an) oder im OWi-Handbuch – auch da kommt die 4. Aufl. – habe ich mir das AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 09.08.2013 – 2.2 OWi 4125 Js 57010/12 (760/12) – vorgemerkt. Danach führt – insoweit „Neues aus dem Osten“ – eine Messung mit Poliscan Speed nicht zu einer verwertbaren Messung, denn:

„Der Verteidiger, der sich für den Betroffenen eingelassen hat, rügt im Wesentlichen die mangelnde Nachprüfbarkeit der Messung, die einer rechtsstaatlichen Überprüfung nicht standhalte. Hier werden insbesondere angeführt, dass kein überprüfbarer Beweis der richtigen Messwertgewinnung durch das verwendete Messgerät möglich sei, keine nachträgliche Richtigkeitskontrolle der Geschwindigkeitsmessung möglich sei, dass Messgerät keine zuverlässige, nachträgliche Richtigkeitskontrolle der Zuordnung der abgelichteten Fahrzeuge zulasse. Es sei nicht nachprüfbar, aus welchen Einzelmesswerten der Geschwindigkeitswert gebildet worden sei; in welcher Entfernung vor dem Messgerät sich das Fahrzeug bei der Messwertbildung befunden habe, auf welchem Fahrstreifen das Fahrzeug dabei gefahren sei, wie groß der Winkel zwischen Fahrbahnlängsachse und Bewegungsrichtung gewesen sei, ob das Fahrzeug eine Bogenfahrt ausgeführt habe, wie viele Objekte sich gleichzeitig innerhalb der Messstrecke befunden hätten.

Die PTB-Anforderungen 18.11 Abschnitt 3.5.4,die laute:“ Das Registrierbild muss die Zone der Messwertentstehung abbilden“ erfülle das Messgerät nicht.

Das Gericht teilt die bestehenden Zweifel bezüglich des vorliegend verwendeten Messgerätes. Dieses dürfte derzeit nicht geeignet sein, eine ausreichend sichere und nachvollziehbare Messung durchzuführen. Daran ändert auch die Aussage aus dem vorliegenden Sachverständigengutachten nichts, was letztendlich die aus technischer Sicht ermittelte Geschwindigkeit nicht in Zweifel zieht.

Detaillierte Unterlagen über die Funktionsweise des Messsystems werden derzeit nicht zur Verfügung gestellt, weder von der Herstellerfirma noch von der PTB.

Eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle eines Geschwindigkeitsmesswertes ist nicht möglich. Diesbezüglich wird auch auf die Entscheidungen des Amtsgerichtes Berlin-Tiergarten, 13.06.2013¬(318 Owi)3034 Js-OWi 489/13 (86/13) bzw. des Amtsgerichtes Dillenburg, 02.10.2009- 3OWi 2 Js 54432/09-716) verwiesen.“

Also: AG Berlin-Tiergarten u.a. lassen grüßen, dazu dann hier: AG Tiergarten: Poliscan Speed? Mich überzeugt das Messverfahren auch nicht. oder hier: AG Herford – Poliscan Speed? – “Mich überzeugt dieses Messverfahren nicht”, oder hier: Na bitte, geht doch: Poliscan Speed ist nicht standardisiert…. „Erfrischend“ zu sehen, dass und wie die AG den OLG, die von einer standardisierten/verwertbaren Messung ausgehen, nicht im Gleichschritt folgen.

Verkehrstherapeutische Maßnahme – bringt sie was?

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Der Kollege Sydow hat in seinem Blog ja schon über das von ihm erstrittene AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 13.09.2012 – 2.2 Ds 458 Js 33194/12 (231/12) -berichtet (vgl. hier), das er mir freundlicher Weise übersandt hat, so dass ich es hier auch einstellen kann.

Es behandelt einen der Fälle, in denen das AG von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt abgesehen hat, weil der Angeklagte an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme teilgenommen hat. Es kann sich also lohnen, an der Stelle „nachzuarbeiten´“. Allerdings muss er Mandant sich dann“intensiv engagiert“ haben.

Der Leitsatz:

„Von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis kann abgesehen werden, wenn der Beschuldigte in zwar kurzer aber auch sehr intensiver Zeit engagiert und höchstmotiviert an einer umfangreichen verkehrstherapeutischen anerkannten Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen und sich zur Weiterführung einschließlich Urinkontrollen vertraglich verpflichtet hat (§§ 69, 69a StGB).“

 

Kauf der Bedienungsanleitung? – Nein, dem steht die Unschuldsvermutung entgegen!

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Einige AG hatten in der letzten Zeit in die Diskussion um die Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – Stichwort: Bedienungsanleitung – mit dem Argument eingegriffen, dass der Betroffene sich ja beim Hersteller des Messgerätes eine Bedienungsanleitung kaufen könne und ihm deshalb von der Verwaltungsbehörde die Bedienungsanleitung nicht zur Verfügung gestellt werden müsse (siehe hier AG Wetzlar, Beschl. v. 4. 1. 2012 – 45 OWi 21/11; AG Wuppertal, Urt. v. 17. 10. 2011 – 12 OWi 135/11). Die Argumentation ist in meinen Augen falsch. So jetzt auch der AG Königs Wusterhausen, Beschl. v.31.07.2012 – 2.4 OWi 401/12:

„Zum herausragenden und rechtsstaatlichen Recht gehört es, dass der Betroffene, der straf-rechtlicher oder ordnungsrechtlicher Verfolgung unterliegt, sich umfassend gegen den staatlichen Eingriff zur Wehr seien können muss. Hierzu muss er Kenntnis von allen die Entscheidung begründenden Tatsachen haben. Hierzu gehört insbesondere auch die Gewinnung der Beweise, wozu im Falle Stützung einer Entscheidung auf Messergebnisse durch Geräte die Kenntnis von der Bedienungsanleitung gehört, weil auf der Grundlage dieser die Behörden die Messergebnisse zu erarbeiten haben. Bedarf es einer Bedienungsanleitung, um den Behördenmitarbeitern die ordnungsgemäße Bedienung eines Gerätes zu ermöglichen, so muss der der staatlichen Verfolgung unterliegende die Möglichkeit erhalten, zu überprüfen, ob die Behördenmitarbeiter den Anweisungen der Bedienungsanleitung gefolgt sind. Das aber wiederum setzt die Kenntnis der Bedienungsanleitung voraus. Der Betroffene ist auch keines­wegs, wie die Behörde meint, verpflichtet, sich die Bedienungsanleitung von der Herstellerfirma zu beschaffen, insbesondere nicht, hierfür auch noch Kosten aufzuwenden, Bis zum Beweis des Gegenteils — im Falle eines Bußgeldverfahrens mithin mit Rechtskraft des Bußgeldbescheides — gilt wie im Strafverfahren die Unschuldsvermutung. Behörde und gegebe­nenfalls Gericht haben dem Betroffenen die den Bußgeldbescheid tragende Verfehlung mit einer Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, die vernünftigen Zweifeln an. der Schuld Schweigen gebietet. Nicht der Betroffene hat sich zu entlasten. Zur Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils gehört allerdings auch, dem Betroffenen alles zugänglich zu machen, was die hoheitliche Maßnahme trägt, damit er sich angemessen wehren und den Behörden, seinerseits aufzeigen kann, dass die Beweisführung mangelhaft ist.“