Schlagwort-Archive: Raub

StGB III: Gewaltsame Entwendung eines BVB-Fanschals, oder: Zueignungsabsicht?

Bild von jorono auf Pixabay

Und dann habe ich zum Schluss des Tages noch das AG Dortmund, Urt. v. 07.11.2023 – 767 Ls-530 Js 101/23 -67/23.

Das AG hat den Angeklagten wegen Raubes (§ 249 StGB) und wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt und dazu folgende Feststellungen getroffen:

„Am 08.04.2023 besuchte der Angeklagte das Fußballbundesligaspiel zwischen Borussia Dortmund und Union Berlin im Westfalenstadion in Dortmund. Der Angeklagte war in einer größeren Fangruppe angereist. Am Stadion bemerkte er den Zeugen B, welcher einen keine 15 Euro teuren mit Vereinsfarben versehenen gelb-schwarzen BVB-Schal mit der sich für Dortmunder Fanverhältnisse ausreichend reimenden Aufschrift „Mein Herz pumpt. Mein Herz schlägt. Du bist alles was, in mir lebt“ trug. Der Zeuge hatte den Schal um seinen Hals gelegt. Der Angeklagte schubste den Zeugen aus einem spontanen Entschluss heraus mehrfach, rammte ihm dann schmerzhaft ein Knie in den Bauchbereich, wodurch sich der Zeuge bückte und der Angeklagte den Schal des Zeugen an sich nehmen konnte. Der Angeklagte machte sich von hier aus auf den Weg ins Stadion zu den anderen mitgereisten Union Berlin-Fans. Er präsentierte den Schal als Trophäe und steckte den Schal dann ein. Im Laufe des Bundesligaspiels befand sich der Angeklagte somit mit dem Schal im Stadion, hatte den Schal im linken Jackenärmel versteckt und fühlte mehrfach, ob der Schal noch im Ärmel vorhanden war. Er zog dann den Schal heraus und steckte ihn in eine mitgeführte kleine Umhängetasche. In der 65. Spielminute konnte der Angeklagte von der Polizei im Stadion mit dem Schal angetroffen werden. Der Angeklagte hatte vor, sich nach Spielende des Schals noch im Stadion zu entledigen.

Der Angeklagte war später mit der außergerichtlichen Einziehung des Schals und die Übergabe an den Zeugen B einverstanden.

Der Zeuge B hatte auch nach dem Spiel noch Schmerzen im Bauchbereich. Er hat jedoch keine weiteren schwerwiegenden Folgen des Vorfalls davongetragen.“

Grundlage der Verurteilung war u.a. das Geständnis des Angeklagten, die Aussage des Geschädigten und die Inaugenscheinnahme eines Videos zum Verhalten des Angeklagten, das den Angeklagten im Stadion während des Anschauens des Fußballspiels zeigte. Hier war – so das AG – erkennbar, dass der Angeklagte immer wieder kontrollierend in seinen linken Jackenarm griff, um das Vorhandenseins des Schals zu prüfen. Schließlich war erkennbar, dass der Angeklagte den Schal zusammengedrückt aus seinen linken Ärmel zog und in eine rechtsseitig an seinen Körper sich befindende kleine Umhängetasche steckte.

Auf der Grundlage hat das AG dann Raub gemäß § 249 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Körperverletzung (§§ 223, 230 StGB) angenommen und führt dazu aus:

„Angesichts der glaubhaften Einlassung, des videografierten Verhaltens des Angeklagten („Verstecken des Schals, Umlagern in Tasche“) und der Dauer der Gewahrsamsaufrechterhaltung bis zur 65. Minute (also über die Halbzeitpause hinweg) hat das Gericht nach Maßgabe der Entscheidungen des BGH v. 27.1.2011 – 4 StR 502/10, HRRS 2011, Nr. 375 und des OLG Nürnberg v. 7.11.2012 – 1 St OLG Ss 258/12, openjur 2012, 130662 die für § 249 StGB nötige Zueignungsabsicht bejahen können.“

Ich denke, das lässt sich halten/vertreten. Was mich an dem Urteil stört, ist die Formulierung: „einen keine 15 Euro teuren mit Vereinsfarben versehenen gelb-schwarzen BVB-Schal mit der sich für Dortmunder Fanverhältnisse ausreichend reimenden Aufschrift „Mein Herz pumpt. Mein Herz schlägt. Du bist alles, was in mir lebt“ Ich frage mich, was bringt für die Verurteilung das „Merkmal“ „mit der sich für Dortmunder Fanverhältnisse ausreichend reimenden Aufschrift „Mein Herz pumpt. Mein Herz schlägt. Du bist alles was in mir lebt…“ M.E. nichts. Das hätte man getrost weglassen können. Daher habe ich auch diesen Teil des vom AG vorgeschlagenen „amtlichen“ Leitsatzes, der lautete: „Mein Herz pumpt. Mein Herz schlägt. Du bist alles, was in mir lebt“ reimt sich in Dortmund.“ beim Einstellen der Entscheidung gestrichen. Das ist mit zu albern.

StGB III: Abgrenzung Raub/räuberische Erpressung, oder: Gegeben oder genommen?

Bild von Simon auf Pixabay

Und zum Tagesschluss dann der – schon etwas ältere – BGH, Beschl. v. 22.02.2023 – 6 StR 44/23 – zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, also ein Klassiker.

Das LG hat die Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Dagegen die Revision, die zu einer Änderung der schuldsprüche führt:     .

„1. Die Schuldsprüche halten in den Fällen 1, 3 und 4 rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen entnahm der Angeklagte W.  Bargeld aus der Kasse einer Spielothek, die ein Mitarbeiter entriegelt hatte, nachdem ihn der Angeklagte S.    unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe zur Herausgabe von Geld aufgefordert hatte (Fall 1). Anlässlich eines weiteren Überfalls auf eine Tankstelle forderte der Angeklagte S. erneut unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe die Herausgabe von Geld, woraufhin eine Mitarbeiterin die Schublade mit Bargeld auf den Tresen stellte, die er leerte. Der Angeklagte W.  wartete im Fahrzeug (Fall 3). Nachdem beide Angeklagten einen Getränkemarkt betreten hatten, forderte der Angeklagte S. unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe Geld und Zigaretten, die ihm übergeben wurden. Zudem entnahm der Angeklagte aus einem Regal weitere Zigarettenschachteln (Fall 4).

b) Die Wertung des Landgerichts, in allen Fällen liege eine Vermögensverfügung vor, begegnet in den Fällen 1 und 3 durchgreifenden Bedenken.

aa) Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten. Wird dieser gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er dagegen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung, mithin einer Weggabe, genötigt, so ist – sofern eine Absicht rechtswidriger Bereicherung gegeben ist – eine räuberische Erpressung anzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09; vom 12. August 2021 – 3 StR 474/20).

bb) Davon ausgehend liegt weder im Fall 1 noch im Fall 3 eine Vermögensverfügung seitens des Verletzten vor. Das mit Waffeneinsatz erzwungene Verhalten der Mitarbeiter hat nur zu einer Gewahrsamslockerung, nicht aber zu einer Gewahrsamsübertragung geführt (vgl. zur Entriegelung einer Kasse BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013 – 4 StR 186/13). Es hat lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme eröffnet, aber noch keinen neuen Gewahrsam der Angeklagten begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10; NStZ-RR 2011, 80; vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17).

c) Zudem ist im Fall 4 im Hinblick auf die seitens des Angeklagten W.  entnommenen Zigaretten tateinheitlich der Tatbestand des schweren Raubes verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2021 – 6 StR 15/21; Beschluss vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10, aaO; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 43).

2. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird durch die Schuldspruchänderung nicht verletzt; dieses schließt das Risiko einer Verschärfung des Schuldspruchs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. September 2015 – 2 StR 71/15; vom 27. Juli 2010 – 4 StR 165/10; vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19). § 265 StPO steht dem ebenfalls nicht entgegen, weil die im Wesentlichen geständigen Angeklagten sich nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Auf den Strafausspruch hat die Schuldspruchänderung wegen des unveränderten Unrechtsgehalts und gleichbleibender Strafrahmen keinen Einfluss.“

Ich glaube, ich wäre bei den Feststellungen gelich zum „Raub“ gekommen 🙂 .

Raub III: Bewaffnete Wegnahme eines Mobiltelefons, oder: Wurde das Messer „verwendet“?

Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

Und dann stelle ich als dritte Entscheidung noch das BGH, Urt. v. 27.04.2022 – 5 StR 18/22 – vor. Das LG hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„1. Im Rahmen einer heftigen und lautstarken Diskussion mit dem Geschädigten am frühen Abend des 3. Februar 2021 an einer Straßenbahnhaltestelle zog der Angeklagte ein ungefähr 30 Zentimeter langes Küchenmesser und hielt es zunächst versteckt. Während des Streits nahm er es vor seinen Körper, woraufhin der Geschädigte zurückwich und verstummte. Der Angeklagte versuchte mehrfach, dem Geschädigten dessen Mobiltelefon aus der Hand zu reißen. Der Geschädigte konnte das Telefon jedoch zunächst festhalten. Letztlich gelang es dem Angeklagten, dem Geschädigten das Gerät zu entreißen, um es für sich zu behalten. Anschließend flüchtete er. Das Messer und das Mobiltelefon wurden wenig später bei der Durchsuchung seines Zimmers unter der Bettwäsche gefunden. Nachdem der Angeklagte auf ein Polizeirevier gebracht worden war, wurden in seiner Jackentasche 0,22 Gramm Cannabis sichergestellt.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten nicht wegen besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt, weil nicht zu klären gewesen sei, ob der Angeklagte das Messer bei der Wegnahme des Mobiltelefons „noch verwendete“. Ein Augenzeuge habe zwar beobachtet, dass der Angeklagte während des Streits ein Messer hielt. Nachdem der Angeklagte es vor seinen Körper genommen hatte, habe er es aber nicht mehr gesehen. Eine Augenzeugin habe zwar die Wegnahme, nicht aber das Messer wahrgenommen. Da sich der – für die Strafkammer nicht greifbare – Geschädigte in seiner polizeilichen Vernehmung hierzu nicht geäußert habe, sei zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er das Messer bei der Wegnahme „nur noch weiter mit sich geführt, aber nicht verwendet“ habe.

Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil hatte Erfolg:

„….Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhält ( § 261 StPO ), soweit es sich nicht von einem Verwenden des Messers bei der Tat im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu überzeugen vermocht hat.

1. Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht Zweifel an dem Vorliegen eines den Angeklagten belastenden Sachverhalts (hier: Verwirklichung eines Qualifikationstatbestandes) nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich deshalb darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2021 – 5 StR 127/21 mwN).

2. Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht. Sie ist widersprüchlich und offenbart, dass das Landgericht überspannte Anforderungen an die tatgerichtliche Überzeugungsbildung gestellt hat.

a) Seine Zweifel an einem Verwenden des Messers bei der Tat hat das Landgericht auch darauf gestützt, dass sich der Geschädigte, der in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden konnte, in seiner (früheren) Vernehmung „hierzu nicht geäußert“ habe. Dies ist indes nicht damit in Einklang zu bringen, dass der Geschädigte bei seiner polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach der Tat angegeben hat, der Angeklagte habe ihm das Mobiltelefon entrissen und das Messer schräg nach unten gehalten, wodurch er sich bedroht gefühlt habe. Beides ist nicht ohne weiteres miteinander vereinbar und hätte daher weiterer Erörterung bedurft. In diesem Punkt waren die Angaben des Zeugen – ausweislich der Urteilsgründe – auch „konstant“, sodass jedenfalls insoweit der Verweis der Strafkammer auf einen „sich … wechselhaft einlassenden Geschädigten“ nicht verfängt.

b) Die Strafkammer hat an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt. Denn es sind keine tatsächlichen Umstände ersichtlich, dass der Angeklagte, der dem Geschädigten im Rahmen des Streits nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen das Messer vorgehalten hatte, die von dem Messereinsatz ausgehende drohende Wirkung bei der sich ohne jede Zäsur anschließenden Wegnahme des Mobiltelefons nicht aufrechterhalten, sondern für den Geschädigten ersichtlich beendet haben könnte. Dies gilt umso mehr, als selbst der Angeklagte ein solches Geschehen nicht behauptet hat. Es ist aber weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2021 – 5 StR 127/21 mwN).“

Und weil der BGH so „nett“ ist, gibt es noch ein wenig kostenlose Fortbildung:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

….

b) Die Abfassung der Urteilsgründe gibt Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Beweiswürdigung keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen soll, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2017 – 3 StR 145/17 ). Den gesetzlichen Anforderungen ( § 267 1 Satz 2 StPO ) an eine aus sich heraus verständliche Beweiswürdigung genügt es, klar und bestimmt die für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen einer strukturierten, verstandesmäßig einsichtigen Darstellung hervorzuheben. Als Ergebnis einer wertenden Auswahl des Tatgerichts zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem ist das Beweisergebnis daher nur so weit zu erörtern, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist. Eine Dokumentation des Ermittlungsverfahrens und der Beweisaufnahme ist damit ebenso wenig angezeigt wie die Angabe eines Belegs für jede Feststellung, mag diese in Bezug auf den Tatvorwurf auch noch so unwesentlich sein (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2020 – 2 StR 380/19 , NStZ-RR 2020, 259 [BGH 02.04.2020 – 1 StR 28/20] mwN).

Raub I: Gewahrsamsbruch/Gewahrsamsbegründung, oder: Wenn der „Beraubte“ die Wohnung verlassen hat

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Ich stelle – wie man aus der Überschrift ersehen kann – heute dann StGB-Entscheidungen vor. Da aber alle drei mit dem Raubtatbestand (§§ 249 ff. StGB) zu tun haben, heute mal nicht unter „StGB“, sondern unter „Raub“. Ist mal etwas anderes :-). Und: Alle drei stammen vom BGH.

Den Opener macht das BGH, Urt. v. 04.05.2022 – 6 StR 628/21. Die Angeklagten waren vom LG jeweils des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beihilfe zum versuchten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden.

Grundlage waren folgende Feststellungen des LG:

„Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen berichtete eine unbekannte männliche Person den Angeklagten, dass der Geschädigte H. Betäubungsmittel verkaufe und diese sowie Bargeld fertig verpackt in einem Rucksack in seiner Wohnung vorrätig halte. Die Angeklagten kamen mit dem Unbekannten überein, in dessen Auftrag den Rucksack zu erbeuten und ihm auszuhändigen. Sie wussten, dass H. den Rucksack nicht widerstandslos herausgeben würde. Deshalb verabredeten sie mit dem Unbekannten, H. durch Schläge gefügig zu machen. Den Angeklagten war gleichgültig, wieviel Betäubungsmittel und Bargeld sie erbeuten würden. Ihre Vorstellung richtete sich allerdings auf eine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln. Für die Durchführung der Tat erwarteten sie von dem Unbekannten eine Entlohnung.

Der Unbekannte fuhr die Angeklagten zu dem Mehrfamilienhaus, in dem H. wohnte, und beschrieb ihnen die Lage der Wohnung im zweiten Obergeschoss. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend sollte er im Auto warten und die Beute nach der Tat entgegennehmen. Die Angeklagten betraten das Haus und gingen zu der Wohnung des Geschädigten. G. trug schwarze Handschuhe, die auf der Oberseite mit Quarzsandeinlagen verstärkt waren, um die Wucht der Schläge zu verstärken. R. wusste dies und billigte deren Einsatz. Er selbst trug Lederhandschuhe und hatte unter anderem ein Klappmesser eingesteckt, was G. jedoch nicht bekannt war. Einer der Angeklagten hatte außerdem ein Bündel Kabelbinder dabei, um H. gegebenenfalls zu fesseln.

H. öffnete arglos seine Wohnungstür. G. drängte ihn in die Wohnung und schlug ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch er ins Taumeln geriet, aber nicht zu Boden ging. Währenddessen schloss R. die Tür mit dem innen im Schloss steckenden Schlüssel ab. Als H. um Hilfe rief, hielt ihm R. den Mund zu. Es kam zu einer Rangelei, in deren Verlauf H. zu Boden ging. R. versuchte, ihn dort zu fixieren. Währenddessen durchsuchte G. die Wohnung. In der Küche fand er zwei Rucksäcke der Marken Omexon und Adidas. Im OmexonRucksack befanden sich 2.218,50 Euro, 22 MDMA-Tabletten und 57,7 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Gramm THC. G. nahm die Rucksäcke an sich und steckte den Omexon-Rucksack in den Adidas-Rucksack.

Währenddessen wurden die in der darunterliegenden Wohnung wohnende Schwester des Geschädigten S. und deren Freund C. auf H. s Hilferufe aufmerksam. Sie eilten zu dessen Wohnung und versuchten, die Tür mit einem Zweitschlüssel zu öffnen, was aber wegen des innen im Schloss steckenden Schlüssels nicht gelang. C. und S. begaben sich auf den Balkon der Wohnung des Geschädigten, von wo aus sie einen Teil des Geschehens in der Wohnung beobachten konnten. Als die Angeklagten bemerkten, dass C. auf den Balkon geklettert war, um H. zu Hilfe zu kommen, gelang es diesem, sich von R. loszureißen und die Balkontür zu öffnen. Daraufhin wollten die Angeklagten fliehen. G. lief aus der Wohnung nach unten. Er konnte das Gebäude aber nicht verlassen, weil die Mutter des Geschädigten die Hauseingangstür abgeschlossen hatte. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen G. und dem Bruder des Geschädigten, der G. bis zum Eintreffen der Polizei festhielt. R. war noch in der Wohnung von C. ergriffen und zur Hauseingangstür gebracht worden.“

Die StA hatte dagegen Revision eingelegt und geltend gemacht, dass die Angeklagten aufgrund dieser Feststellungen nicht des vollendeten besonders schweren Raubes ( § 249 Abs. 1 , § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ) und des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ( § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ) schuldig gesprochen worden sind.

Dem ist der BGH gefolgt:

„a) Die zur Vollendung eines Raubes führende Wegnahme ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Das ist der Fall, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Maßgeblich sind insoweit die Anschauungen des täglichen Lebens. Danach genügt bei leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen als Wegnahmehandlung. Hat der Täter einen solchen Gegenstand an sich gebracht, erlangt er jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft darüber, wenn er den umschlossenen Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers verlassen hat. Die Beobachtung des Tathergangs bzw. alsbaldige Entdeckung des Täters und seine Festnahme stehen der Tatvollendung nicht entgegen. Dadurch wird lediglich die Rückgabe der Sache an den bisherigen Gewahrsamsinhaber ermöglicht; bereits gesicherter Gewahrsam des Täters ist für die Vollendung der Wegnahme nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08 , BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 12 ; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09 , NStZ 2011, 158).

Danach hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten den Gewahrsam des Geschädigten H. an den beiden Rucksäcken sowie den darin befindlichen Betäubungsmitteln und dem Bargeld spätestens zu dem Zeitpunkt gebrochen und neuen Gewahrsam begründet, als der Angeklagte G. die Wohnung H. s verlassen hatte und zur Hauseingangstür hinuntergelaufen war. Dass die Angeklagten auf frischer Tat betroffen wurden und G. das Haus wegen der verschlossenen Haustür nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern lediglich deren Beendigung durch die Sicherung der Beute.

b) Aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen erlangten die Angeklagten durch die Tat zugleich die Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wobei sie mit den Quarzhandschuhen, der Angeklagte R. darüber hinaus mit dem Klappmesser, bewusst Gegenstände mit sich führten, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt waren ( § 30a 2 Nr. 2 BtMG ).“

Der BGH hat deshalb die Schuldsprüche geändert und die Strafaussprüche aufgehoben. Insoweit: Auf ein Neues.

StGB I: Wenn die „Druckgaswaffe“ nicht funktioniert, oder: Das Opfer wehrt sich mit einem Wischmopp

Bild von Ryan McGuire auf Pixabay

Heute stelle ich dann mal wieder StGB-Entscheidungen vor, und zwar einen BGH-Beschluss und dann zwei landgerichtliche Entscheidungen zu Tatbeständen, mit denen man nicht so häufig zu tun hat.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 09.12.2021 – 4 StR 366/21. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

„Der Angeklagte plante einen Überfall auf einen Imbiss. Hierbei wollte er seiner Forderung, die Tageseinnahmen ausgehändigt zu erhalten, mithilfe einer geladenen Druckgaswaffe – die einer scharfen Schusswaffe vom Typ „Glock 17“ täuschend echt nachempfunden war und die er für funktionsfähig hielt – Nachdruck verleihen.

Wie geplant betrat der maskierte Angeklagte spät abends mit der Waffe, die mit Stahlkugelmunition vom Kaliber 4,5 mm bestückt war, das Ladenlokal, in dem er nur einen mit Reinigungsarbeiten beschäftigten Mitarbeiter ausmachen konnte. Diesen forderte der Angeklagte unter Vorhalt der Waffe mehrfach auf, ihm Geld herauszugeben, sonst werde er schießen. Der unbeeindruckte Mitarbeiter entgegnete ihm, er solle dies doch tun. Daraufhin betätigte der Angeklagte den Abzug der Waffe. Ob eine Kugel aus dem Lauf austrat und welche Geschwindigkeit sie erreichte, war nicht festzustellen. Möglicherweise enthielt die in der Waffe installierte Gaskartusche zu wenig Treibgas für eine (druckvolle) Schussabgabe.

Nachdem der Mitarbeiter keine Schusswirkung bei sich festgestellt hatte, schlug er den Angeklagten mit einem Wischmopp in das Gesicht. Sodann entriss er ihm die Waffe und schlug sie ihm wiederholt auf den Kopf. Nunmehr ging der Inhaber des Imbisses den Angeklagten ebenfalls an, nahm ihn von hinten in den „Schwitzkasten“ und zog ihm die Maske vom Gesicht. Der Angeklagte ergriff aus einem Getränkekasten eine Bierflasche und schlug hiermit den Inhaber, der ihn infolgedessen aus seinem Griff entweichen ließ. Der Angeklagte floh daraufhin ohne Beute.“

Das LG hat den im Übrigen freigesprochenen Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagtem, die der BGH verworfen hat:

„Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Insbesondere ist auch die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung ( §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 , § 22 StGB ) – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – rechtsfehlerfrei.

a) Die Qualifikation des Verwendens einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte zielt das Verwenden auf den Einsatz als Nötigungsmittel bei der Verwirklichung des Grundtatbestands des Raubes. Es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2018 – 2 StR 200/17 Rn. 14; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09 Rn. 8 und vom 8. Mai 2008 – 3 StR 102/08 Rn. 5). Bei einer räuberischen Erpressung muss der Täter ein solches Tatmittel in dieser Weise einsetzen, um die Herausgabe der angestrebten Beute zu erzwingen.

Nach diesen Maßgaben stand der im Zweifel unzureichende Gasdruck und die darin begründete Funktionsuntüchtigkeit der verwendeten Druckgaswaffe zwar einer vollendeten Tat nach §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB von vorneherein entgegen, nicht aber deren (untauglichem) Versuch. Der Angeklagte wollte nach seinem gemäß § 22 StGB maßgeblichen konkreten Tatplan (vgl. BGH, Urteile vom 6. Februar 2020 – 3 StR 305/19 Rn. 11 und vom 9. Juli 1954 – 1 StR 677/53 , BGHSt 6, 251, 256 ; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 22 Rn. 2a, 8 mwN) eine objektiv gefährliche Waffe als Nötigungsmittel einsetzen, um die Tageseinnahmen des Imbisses zu erhalten. Zu dieser Tat unter den vorgestellten Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzte er unmittelbar an, indem er das Ladenlokal betrat und die nach seinem Vorstellungsbild geladene Druckgaswaffe als Drohmittel benutzte.

b) Ein „Teilrücktritt“ von dem qualifizierenden Umstand (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 6. März 2019 – 5 StR 526/18 Rn. 12 und vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07 Rn. 9), d. h. dem Verwenden der Waffe bei der Tat, scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aus.“