Raub I: Gewahrsamsbruch/Gewahrsamsbegründung, oder: Wenn der „Beraubte“ die Wohnung verlassen hat

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Ich stelle – wie man aus der Überschrift ersehen kann – heute dann StGB-Entscheidungen vor. Da aber alle drei mit dem Raubtatbestand (§§ 249 ff. StGB) zu tun haben, heute mal nicht unter „StGB“, sondern unter „Raub“. Ist mal etwas anderes :-). Und: Alle drei stammen vom BGH.

Den Opener macht das BGH, Urt. v. 04.05.2022 – 6 StR 628/21. Die Angeklagten waren vom LG jeweils des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beihilfe zum versuchten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden.

Grundlage waren folgende Feststellungen des LG:

„Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen berichtete eine unbekannte männliche Person den Angeklagten, dass der Geschädigte H. Betäubungsmittel verkaufe und diese sowie Bargeld fertig verpackt in einem Rucksack in seiner Wohnung vorrätig halte. Die Angeklagten kamen mit dem Unbekannten überein, in dessen Auftrag den Rucksack zu erbeuten und ihm auszuhändigen. Sie wussten, dass H. den Rucksack nicht widerstandslos herausgeben würde. Deshalb verabredeten sie mit dem Unbekannten, H. durch Schläge gefügig zu machen. Den Angeklagten war gleichgültig, wieviel Betäubungsmittel und Bargeld sie erbeuten würden. Ihre Vorstellung richtete sich allerdings auf eine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln. Für die Durchführung der Tat erwarteten sie von dem Unbekannten eine Entlohnung.

Der Unbekannte fuhr die Angeklagten zu dem Mehrfamilienhaus, in dem H. wohnte, und beschrieb ihnen die Lage der Wohnung im zweiten Obergeschoss. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend sollte er im Auto warten und die Beute nach der Tat entgegennehmen. Die Angeklagten betraten das Haus und gingen zu der Wohnung des Geschädigten. G. trug schwarze Handschuhe, die auf der Oberseite mit Quarzsandeinlagen verstärkt waren, um die Wucht der Schläge zu verstärken. R. wusste dies und billigte deren Einsatz. Er selbst trug Lederhandschuhe und hatte unter anderem ein Klappmesser eingesteckt, was G. jedoch nicht bekannt war. Einer der Angeklagten hatte außerdem ein Bündel Kabelbinder dabei, um H. gegebenenfalls zu fesseln.

H. öffnete arglos seine Wohnungstür. G. drängte ihn in die Wohnung und schlug ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch er ins Taumeln geriet, aber nicht zu Boden ging. Währenddessen schloss R. die Tür mit dem innen im Schloss steckenden Schlüssel ab. Als H. um Hilfe rief, hielt ihm R. den Mund zu. Es kam zu einer Rangelei, in deren Verlauf H. zu Boden ging. R. versuchte, ihn dort zu fixieren. Währenddessen durchsuchte G. die Wohnung. In der Küche fand er zwei Rucksäcke der Marken Omexon und Adidas. Im OmexonRucksack befanden sich 2.218,50 Euro, 22 MDMA-Tabletten und 57,7 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Gramm THC. G. nahm die Rucksäcke an sich und steckte den Omexon-Rucksack in den Adidas-Rucksack.

Währenddessen wurden die in der darunterliegenden Wohnung wohnende Schwester des Geschädigten S. und deren Freund C. auf H. s Hilferufe aufmerksam. Sie eilten zu dessen Wohnung und versuchten, die Tür mit einem Zweitschlüssel zu öffnen, was aber wegen des innen im Schloss steckenden Schlüssels nicht gelang. C. und S. begaben sich auf den Balkon der Wohnung des Geschädigten, von wo aus sie einen Teil des Geschehens in der Wohnung beobachten konnten. Als die Angeklagten bemerkten, dass C. auf den Balkon geklettert war, um H. zu Hilfe zu kommen, gelang es diesem, sich von R. loszureißen und die Balkontür zu öffnen. Daraufhin wollten die Angeklagten fliehen. G. lief aus der Wohnung nach unten. Er konnte das Gebäude aber nicht verlassen, weil die Mutter des Geschädigten die Hauseingangstür abgeschlossen hatte. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen G. und dem Bruder des Geschädigten, der G. bis zum Eintreffen der Polizei festhielt. R. war noch in der Wohnung von C. ergriffen und zur Hauseingangstür gebracht worden.“

Die StA hatte dagegen Revision eingelegt und geltend gemacht, dass die Angeklagten aufgrund dieser Feststellungen nicht des vollendeten besonders schweren Raubes ( § 249 Abs. 1 , § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ) und des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ( § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ) schuldig gesprochen worden sind.

Dem ist der BGH gefolgt:

„a) Die zur Vollendung eines Raubes führende Wegnahme ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Das ist der Fall, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Maßgeblich sind insoweit die Anschauungen des täglichen Lebens. Danach genügt bei leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen als Wegnahmehandlung. Hat der Täter einen solchen Gegenstand an sich gebracht, erlangt er jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft darüber, wenn er den umschlossenen Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers verlassen hat. Die Beobachtung des Tathergangs bzw. alsbaldige Entdeckung des Täters und seine Festnahme stehen der Tatvollendung nicht entgegen. Dadurch wird lediglich die Rückgabe der Sache an den bisherigen Gewahrsamsinhaber ermöglicht; bereits gesicherter Gewahrsam des Täters ist für die Vollendung der Wegnahme nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08 , BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 12 ; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09 , NStZ 2011, 158).

Danach hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten den Gewahrsam des Geschädigten H. an den beiden Rucksäcken sowie den darin befindlichen Betäubungsmitteln und dem Bargeld spätestens zu dem Zeitpunkt gebrochen und neuen Gewahrsam begründet, als der Angeklagte G. die Wohnung H. s verlassen hatte und zur Hauseingangstür hinuntergelaufen war. Dass die Angeklagten auf frischer Tat betroffen wurden und G. das Haus wegen der verschlossenen Haustür nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern lediglich deren Beendigung durch die Sicherung der Beute.

b) Aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen erlangten die Angeklagten durch die Tat zugleich die Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wobei sie mit den Quarzhandschuhen, der Angeklagte R. darüber hinaus mit dem Klappmesser, bewusst Gegenstände mit sich führten, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt waren ( § 30a 2 Nr. 2 BtMG ).“

Der BGH hat deshalb die Schuldsprüche geändert und die Strafaussprüche aufgehoben. Insoweit: Auf ein Neues.

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