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Strafzumessung II: Verhängung der Höchststrafe, oder: Rechtfertigung in den Urteilsgründen?

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Im zweiten Posting des Tages dann der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 05.09.2023 – 3 StR 217/23 -, in dem der BGH noch einmal zur Begründung der Verhängung der Höchststrafe Stellung genommen hat.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die Verhängung der Höchststrafe hat der BGG beanstandet:

„2. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht innerhalb des Strafrahmens des § 30a Abs. 1 BtMG mildernd das Geständnis des Angeklagten nebst „Aufklärungsbemühungen“, die Sicherstellung der Betäubungsmittel und die zeitweilige Beobachtung von Bandenmitgliedern durch die Ermittlungsbehörden gewertet. Zudem sei die Haftempfindlichkeit des Angeklagten aufgrund nur beschränkter Deutschkenntnisse und infolge einer Rheumaerkrankung leicht erhöht. Schärfend hat die Strafkammer demgegenüber die besonders große Menge der gehandelten harten Droge Heroin, das Gewicht der Tatbeiträge des Angeklagten, seine Stellung in der Bandenhierarchie, die professionelle, gefahrerhöhende Vorgehensweise der Gruppe sowie das Nachtatverhalten in Form der Bedrohung des deutschen Tatgehilfen berücksichtigt.

Trotz der Strafmilderungsgründe hat das Landgericht den Angeklagten mit der Höchststrafe belegt. Es hat dies, die Strafzumessungserwägungen abschließend, darauf zurückgeführt, dass den Strafschärfungsgründen, insbesondere der Überschreitung des „Heroin-Grenzwertes“ um „mehr als das 30.000-fache“ und den vom Angeklagten erbrachten wesentlichen Tatbeiträgen, ein besonders großes Übergewicht zukomme und sich die weitaus weniger gewichtigen mildernden Gesichtspunkte somit nicht auswirkten.

II.

Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen; im Übrigen bleibt ihr der Erfolg versagt.

1. Die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ohne eingehendere Begründung erschließt sich nicht, weshalb die Strafkammer den Fall als derart außergewöhnlich eingestuft hat, dass sie ihn mit der höchsten Strafe geahndet hat, die für den Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgesehen ist.

a) Strafen, die sich der oberen Strafrahmengrenze nähern oder sie sogar erreichen, bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die das Abweichen vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5; vom 11. November 2014 – 3 StR 455/14, juris Rn. 5; Urteil vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 136/21, juris Rn. 8; ferner Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1445, alle mwN). Maßstab sind das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut und der Grad seiner schuldhaften Beeinträchtigung (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 136/21, juris Rn. 12). Das Vorliegen einzelner Milderungsgründe schließt die Verhängung der Höchststrafe dabei keineswegs aus; diese bedarf aber – auch und gerade dann – sorgfältiger Begründung unter Berücksichtigung aller Umstände (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, juris Rn. 23; s. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 2 StR 619/82, NStZ 1983, 268, 269; Beschlüsse vom 30. August 1983 – 5 StR 587/83, StV 1984, 152; vom 17. Juli 2007 – 5 StR 172/07, juris Rn. 8).

b) Eine solche Begründung, die diesen besonderen Sorgfaltsanforderungen genügt und damit das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe rechtfertigt, lassen die Urteilsgründe vermissen.

Das Landgericht hat zunächst für sich genommen rechtsfehlerfrei strafschärfend gewertet, dass sich das urteilsgegenständliche Umsatzgeschäft auf eine besonders große Menge einer harten Droge bezog und der maßgebliche Grenzwert in einem äußerst hohen Maß überschritten ist. Bei Betäubungsmitteldelikten prägen Art und Menge des Rauschgifts den Unrechtsgehalt der Tat; sie sind deshalb nicht nur „bestimmende Umstände“ (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), sondern regelmäßig vorrangig in die Abwägung einzustellen. Diese Gesichtspunkte sind allerdings nicht allein entscheidend und isoliert zu betrachten. Die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach den §§ 46 ff. StGB verlieren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nicht ihre Bedeutung. Danach ist auch bei Rauschgiftgeschäften die Strafe nach dem Maß der individuellen Schuld zuzumessen. Eine reine „Mengenrechtsprechung“ wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 14. November 2019 – 3 StR 242/19, juris Rn. 6; vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 136/21, juris Rn. 7, jeweils mwN).

Hier lassen die Darlegungen der Strafkammer besorgen, dass sich das Landgericht bei der Festsetzung der Freiheitsstrafe auf die Obergrenze des Strafrahmens nahezu ausschließlich von dem äußerst hohen Maß der Grenzwertüberschreitung („mehr als 30.000-fache“) hat leiten lassen (zu dessen Gewichtung im Verhältnis zur Gefährlichkeit des Rauschgifts vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 – 1 StR 181/19, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 45 Rn. 7 ff.). Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Als Rechtfertigung für die Verhängung des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe explizit genannt hat das Landgericht neben dem Faktor der Grenzwertüberschreitung allein das Gewicht der vom Angeklagten erbrachten Tatbeiträge. Eine solche maßgebende hohe Bedeutung dieser Tatanteile im Rahmen des abgeurteilten Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird in den Urteilsgründen indes nicht nachvollziehbar dargetan (zum Bezugspunkt der Banden- als [typischerweise] organisierter Kriminalität vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 – 6 StR 329/21, juris Rn. 6). Innerhalb des verfahrensgegenständlichen Handelsgeschehens, das von Drogenankauf, -transport, -verkauf und Geldtransfer geprägt war, trug der Angeklagte zwar im Grundsatz die Verantwortung für die beiden erstgenannten Bereiche. Es war gleichwohl der niederländische Mittäter, der den Kontakt zu den drei deutschen Gehilfen herstellte und die Baufahrzeuge sowie die Gerätschaften für deren Umbau in die Halle nach G.   verbrachte. Ebenso wenig lässt die Stellung des Angeklagten in der Bandenhierarchie – er befand sich auf einer Stufe mit diesem einzigen Mittäter über derjenigen der Gehilfen – den Fall ohne Weiteres als überaus gravierend erscheinen; seine Gewinnbeteiligung betrug nur ein Viertel.

bb) Der verbleibende der beiden entscheidenden unrechts- und schulderhöhenden Gesichtspunkte, das durch die festgestellte Wirkstoffmenge bedingte Maß der Grenzwertüberschreitung, kann nicht unabhängig von der Sicherstellung des von dem Umsatzgeschäft erfassten Heroins gewertet werden.

Die vollständige Sicherstellung der tatbetroffenen Betäubungsmittel ist – ebenso wie das Geständnis (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 502/13, wistra 2014, 180 Rn. 3; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 679 ff.) – ein „bestimmender“ Milderungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – 3 StR 483/16, StraFo 2017, 117). Denn das Betäubungsmittelgesetz bezweckt den Schutz der Volksgesundheit; die Gesundheitsgefahr realisiert sich aber nicht, falls die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangen. Der Erfolgsunwert und damit das Gewicht der Strafschärfungsgründe der besonders großen Menge und der besonders gefährlichen Droge werden dadurch regelmäßig relativiert.

Aus dem Urteil geht nicht hervor, dass sich die Strafkammer bei der Bestimmung des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe dieses Zusammenhangs bewusst war. Unter den gegebenen Umständen wäre dies im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Begründung der verhängten Höchststrafe auch mit Blick auf die weiteren Milderungsgründe erforderlich gewesen.

cc) Nach allem begegnet die Wertung, dass ein „besonders großes Übergewicht der Strafschärfungsgründe“ vorliegt, das zur Bedeutungslosigkeit aller Milderungsgründe für das Ergebnis der Strafzumessung führt, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.“

Strafzumessung I: Bemessung der Jugendstrafe, oder: Anrechnung von vollstrecktem Beugearrest

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Und heute dann mal wieder Strafzumessungsentscheidungen.

Zunächst hier zum JGG der BGH, Beschl. v. 19.09.2023 – 3 StR 216/23 – zur Anrechenbarkeit von vollstrecktem Beugearrest bei Verhängung einer neuen Einheitsjugendstrafe.

Das LG hat den Angeklagten unter Einbeziehung eine Urteils des AG aus Oktober 2020 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Diebstahls, versuchten Diebstahls in zwei Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln und Hausfriedensbruchs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Auf die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat der BGH den Strafausspruch ergänzt.

„Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch ist allein insofern rechtsfehlerhaft, als das Landgericht die Prüfung der Anrechnung von in dem Verfahren des einbezogenen Urteils vollstreckten Arrestzeiten nach § 31 Abs. 2 Satz 2 JGG verabsäumt hat. Bei dieser Ermessensentscheidung wäre über den – im Antrag des Generalbundesanwalts zutreffend benannten – verbüßten mit diesem Urteil festgesetzten Freizeitarrest von zwei Tagen hinaus allerdings auch ein verbüßter Beugearrest von einer Woche zum Gegenstand der Prüfung zu machen gewesen; diese Maßnahme hatte das Amtsgericht Wesel nachträglich durch Beschluss vom 18. August 2021 gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 JGG angeordnet, weil der Angeklagte eine mit dem Urteil erteilte Auflage schuldhaft nicht erfüllt hatte (zur gleichgelagerten Frage der Einbeziehung eines unerledigten Beugearrestes in eine neue Einheitsjugendstrafe vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 3 StR 177/09, juris Rn. 2; für eine Anrechenbarkeit weiterhin LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189 f.; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26, § 31 Rn. 51; NK-JGG/Ostendorf, 11. Aufl., § 31 Rn. 23; Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, 2. Aufl., § 26 Rn. 13; Schady, ZIS 2015, 593, 596 ff.; aA BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; Brunner/Dölling, JGG, 14. Aufl., § 31 Rn. 39).

Entscheidend für eine grundsätzliche Anrechenbarkeit auch von Beugearresten spricht trotz aller Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Arrestformen die Erwägung, dass hierdurch dem Einheitsprinzip am besten Rechnung getragen wird (vgl. LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26). Dieses soll eine verhältnismäßige jugendstrafrechtliche Sanktion, die auf den aktuell erzieherisch erforderlichen Einwirkungsbedarf abgestimmt ist, sicherstellen und eine Mehrheit sich womöglich widersprechender oder miteinander unverträglicher Sanktionen verhindern (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 31 Rn. 3; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 3; Streng, Jugendstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 266; Beulke/Swoboda, Jugendstrafrecht, 16. Aufl., Rn. 279, 281). Das Gegenargument, der Beugearrest sei aufgrund seiner abweichenden Rechtsnatur nicht anrechnungsfähig (vgl. Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.), überzeugt indessen nicht. Die formalen Umstände, dass derselbe außerhalb des Urteils durch Beschluss verhängt wird und unmittelbar ein anderes Sanktionsbedürfnis erfüllen soll, besagen nicht, dass er als mit der durch Urteil bestimmten Weisung oder Auflage untrennbar verbundene, mithin akzessorische Maßnahme (vgl. Schady, ZIS 2015, 593, 597; vgl. auch LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190: „aus Anlass einer Tat“) bei der Bestimmung der verhältnismäßigen jugendstrafrechtlichen Sanktion keine Berücksichtigung finden darf.

Der Senat holt die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG erforderliche Anrechnungsentscheidung nach und ordnet, um jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, die Anrechnung beider verbüßten Arrestzeiten auf die erkannte Einheitsjugendstrafe an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2013 – 4 StR 409/13, juris Rn. 2; vom 15. März 2016 – 4 StR 15/16, juris Rn. 2).

Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Verkehrsrecht I: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und in die 2. KW., zu deren Beginn ich möglichst wenig Behinderungen durch die „Bauernproteste“ wünsche, starte ich dann mit verkehrsrechtlichen Entscheidungen.

Ich beginne hier mit zwei OLG-Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, einer der derzeitigen verkehrsrechtlichen Dauerbrenner. Ich stelle, da ich zu den damit zusammenhängenden Fragen ja schon häufiger berichtet habe, hier allerdings nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen vor. Die Einzelheiten dann bitte den verlinkten Volltexten entnehmen:

1. Für Führer eines als Elektrokleinstfahrzeug einzuordnenden E-Scooters kann zur Bestimmung der absoluten Fahruntüchtigkeit jedenfalls der für Fahrradfahrer geltende BAK-Grenzwert herangezogen werden.

2. Die Nutzung eines solchen E-Scooters an sich kann weder ein Absehen von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB begründen noch ist sie stets als mildernder Umstand für die An-nahme eines Ausnahmefalles von dieser zu werten. Ob ausnahmsweise von der Regelvermutung abzusehen ist, hängt jeweils von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab.

Ausführungen, die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Betrachtung der Besonderheiten von sog. E-Scootern beschränken und die Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermissen lassen, werden den Anforderungen an die Begründung eines Abweichens vom Regelfall betreffend die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter nicht gerecht.

 

 

 

 

Strafzumessung III: Festsetzung der Tagessatzhöhe, oder: Mitteilung der Schätzgrundlagen

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung des BayObLG betreffend die Verhängung einer Geldstrafe.

Es handelt sich um den BayObLG, Beschl. v. 18.10.2023 – 202 StRR 76/23. Das BayObLG hebt den Strafausspruch eine LG-Urteil wegen rechtsfehlerhafte Festsetzung der Tagessatzhöhe wegen fehlender Mitteilung der Schätzgrundlagen auf:

„Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO), wegen der jeweils wirksamen Berufungsbeschränkung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf die Bemessung der Tagessatzhöhe nur noch diese betreffende Revision des Angeklagten ist begründet. Die Berufungskammer hat die Tagessatzhöhe auf 50 Euro festgesetzt, ohne dies rechtsfehlerfrei zu begründen. Die Darlegungen beschränken sich auf den vagen Hinweis, dass der Angeklagte „zuletzt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, auch von Ersparnissen, lebte“. Weshalb sich hieraus unter Berücksichtigung des § 40 Abs. 2 StGB eine Tagessatzhöhe von 50 Euro ergeben soll, bleibt im Dunkeln.

1. Das Landgericht unternimmt nicht den Versuch, das nach § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB erzielbare Nettoeinkommen zu bestimmen, sondern schätzt ein solches in Höhe von 1.500 Euro pro Monat, ohne auch nur ansatzweise die konkreten Schätzgrundlagen, von denen es ausgeht, darzulegen. Dies stellt nicht nur ein einfach gesetzliches Begründungsdefizit dar, weil das Revisionsgericht nicht in die Lage versetzt wird, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung nachzuprüfen (OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2021 – III-1 RVs 50/21 bei juris; KG, Beschl. v. 19.11.2019 – [3] 121 Ss 143 = OLGSt StGB § 219a Nr 1; MüKo-StGB/Radtke 4. Aufl. § 40 Rn. 121), sondern auch einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 = wistra 2015, 388 = DAR 2015, 576 = NStZ-RR 2015, 335 = NZV 2016, 48 = NStZ-RR 2016, 46 = StV 2016, 554).

2. Das erzielbare Nettoeinkommen in Höhe von 1.500 Euro, das das Landgericht zugrunde gelegt hat, versteht sich auch nicht etwa von selbst. Die Berufungskammer hat von vornherein nicht in ihre Überlegungen eingestellt, dass das erzielbare Nettoeinkommen mit Blick auf die allgemein bekannte, äußerst prekäre Einkommenssituation in dem Heimatland des Angeklagten nicht mit der in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschenden durchschnittlichen Einkommenssituation gleichgesetzt werden kann.“

Strafzumessung II: Strafe beim sexuellen Missbrauch, oder: Doppelverwertung und psychologische Betreuung

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Und im zweiten Posting dann eine Entscheidung vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 26.09.2023 – 2 StR 336/23 – mal wieder zum Doppelverwertungsverbot.

Das LG hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in sechs Fällen und sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision hatte hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg:

„2. Allerdings hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO).

Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Nicht bedenkenfrei unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbots nach § 46 Abs. 3 StGB sind schon die zu Lasten des Angeklagten gewerteten Strafzumessungserwägungen im Fall 1 der Urteilsgründe, bei der Tat sei es „ohne langsame Annäherungsversuche direkt zum Oralverkehr mit der jungen Geschädigten gekommen“ (UA S. 14) und der Angeklagte habe „mit ihr als völlig unbedarftem Kind als erste Missbrauchshandlung den Oralverkehr“ vorgenommen (UA S. 17).

Zudem hat das Landgericht sowohl bei der Prüfung, ob in den Fällen 1 und 2 sowie 4 bis 7 der Urteilsgründe ein minder schwerer Fall nach § 176 a Abs. 4 StGB a.F. vorliegt, als auch bei der konkreten Strafzumessung bei sämtlichen Einzeltaten jeweils zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass die Geschädigten infolge des erlebten Missbrauchs der psychologischen Betreuung bedürfen (UA S. 14 f.). Dabei hat es nicht beachtet, dass festgestellte Tatfolgen einer Serie von Sexualdelikten nur dann bei der Einzelstrafbemessung mit ihrem vollen Gewicht berücksichtigt werden können, wenn sie unmittelbare Folge allein einzelner Taten sind; sind sie Folge mehrerer Taten einer Tatserie, können sie strafzumessungsrechtlich nur einmal bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt  werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 1 StR 369/21 -, NStZ-RR 2022, 170;  Senat, Beschluss vom 18. Februar 2021 – 2 StR 7/21 -, juris Rn. 4, jeweils mwN).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die rechtlich bedenklichen strafschärfenden Erwägungen die Bemessung der Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst haben. Die Einzelstrafaussprüche und damit auch die daraus gebildete Gesamtstrafe – auch wenn deren Höhe nicht unangemessen ist – können daher keinen Bestand haben.“

Dem schließt sich der Senat an. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; jedoch können die Feststellungen aufrecht erhalten bleiben, da nur ein Wertungsfehler vorliegt.“