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Strafzumessung III: Festsetzung der Tagessatzhöhe, oder: Mitteilung der Schätzgrundlagen

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung des BayObLG betreffend die Verhängung einer Geldstrafe.

Es handelt sich um den BayObLG, Beschl. v. 18.10.2023 – 202 StRR 76/23. Das BayObLG hebt den Strafausspruch eine LG-Urteil wegen rechtsfehlerhafte Festsetzung der Tagessatzhöhe wegen fehlender Mitteilung der Schätzgrundlagen auf:

„Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO), wegen der jeweils wirksamen Berufungsbeschränkung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf die Bemessung der Tagessatzhöhe nur noch diese betreffende Revision des Angeklagten ist begründet. Die Berufungskammer hat die Tagessatzhöhe auf 50 Euro festgesetzt, ohne dies rechtsfehlerfrei zu begründen. Die Darlegungen beschränken sich auf den vagen Hinweis, dass der Angeklagte „zuletzt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, auch von Ersparnissen, lebte“. Weshalb sich hieraus unter Berücksichtigung des § 40 Abs. 2 StGB eine Tagessatzhöhe von 50 Euro ergeben soll, bleibt im Dunkeln.

1. Das Landgericht unternimmt nicht den Versuch, das nach § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB erzielbare Nettoeinkommen zu bestimmen, sondern schätzt ein solches in Höhe von 1.500 Euro pro Monat, ohne auch nur ansatzweise die konkreten Schätzgrundlagen, von denen es ausgeht, darzulegen. Dies stellt nicht nur ein einfach gesetzliches Begründungsdefizit dar, weil das Revisionsgericht nicht in die Lage versetzt wird, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung nachzuprüfen (OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2021 – III-1 RVs 50/21 bei juris; KG, Beschl. v. 19.11.2019 – [3] 121 Ss 143 = OLGSt StGB § 219a Nr 1; MüKo-StGB/Radtke 4. Aufl. § 40 Rn. 121), sondern auch einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 = wistra 2015, 388 = DAR 2015, 576 = NStZ-RR 2015, 335 = NZV 2016, 48 = NStZ-RR 2016, 46 = StV 2016, 554).

2. Das erzielbare Nettoeinkommen in Höhe von 1.500 Euro, das das Landgericht zugrunde gelegt hat, versteht sich auch nicht etwa von selbst. Die Berufungskammer hat von vornherein nicht in ihre Überlegungen eingestellt, dass das erzielbare Nettoeinkommen mit Blick auf die allgemein bekannte, äußerst prekäre Einkommenssituation in dem Heimatland des Angeklagten nicht mit der in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschenden durchschnittlichen Einkommenssituation gleichgesetzt werden kann.“