Archiv der Kategorie: Strafrecht

Verkehrsrecht I: Straßenverkehrsgefährdung, oder: Flucht vor Polizeikontrolle

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Heute gibt es dann einen „Verkehrsrechts-Donnerstag“.

An dem macht der BGH, Beschl. v. 19.06.2024 – 4 StR 73/24 – den Opener. Das LG hatte den Angeklagten auch wegen (vorsätzlicher) Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB verurteilt. Insoweit hat der BGH aufgehoben:

2. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten A. hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand. Die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB im Fall II.4. der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen.

a) Nach diesen steuerte der Angeklagte im öffentlichen Straßenverkehr einen Mietwagen, in dessen Besitz er unrechtmäßig gelangt war und der außer ihm mit drei weiteren Insassen besetzt war. Als das Fahrzeug einer Polizeikontrolle unterzogen werden sollte, flüchtete der Angeklagte mit stark überhöhter Geschwindigkeit und unter Missachtung von Verkehrsregeln. Während seiner Fluchtfahrt hielt er es für möglich, dass seine gefährliche Fahrweise zu einem Unfall und damit zu einer Verletzung seiner Mitinsassen führen könnte, ordnete deren Gesundheit jedoch seinem Fluchtziel unter. Im Bereich einer rechtwinklig verlaufenden Linkskurve, wo die Einsicht in die nach links weiterführende Straße durch eine „heckenähnliche Anpflanzung verschiedener Bäume“ am Straßenrand fast vollständig verdeckt war, befand sich eine Verkehrsinsel, über die ein Fahrradweg führte. Dort kam der Angeklagte „aufgrund seiner grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrweise in Form einer nach wie vor deutlich überhöhten Geschwindigkeit“ von der Fahrbahn ab und der von ihm gesteuerte Mietwagen kollidierte mit dem Bordstein der Verkehrsinsel, wodurch beide rechte Reifen des Fahrzeugs beschädigt wurden. Der Angeklagte verlor die Kontrolle über dieses, so dass es beinahe zu der Kollision mit einem weiteren Verkehrsteilnehmer gekommen wäre. Er setzte seine Flucht gleichwohl fort, konnte kurz darauf aber von der Besatzung des ihn verfolgenden Polizeiwagens gestellt werden, wobei eine Polizeibeamtin verletzt wurde.

b) Diese Feststellungen belegen die Voraussetzungen einer (vorsätzlichen) Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB nicht. Denn sie ergeben nicht, dass der von dem Straftatbestand vorausgesetzte Gefahrerfolg eingetreten und gerade durch die Tathandlung bewirkt worden ist.

aa) Die Vorschrift des § 315c Abs. 1 StGB setzt in allen Tatvarianten eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus. Dies ist nach gefestigter Rechtsprechung der Fall, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, es sei „noch einmal gut gegangen“ (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen nur BGH, Beschluss vom 2. Februar 2023 – 4 StR 293/22 Rn. 5 mwN).

Hieran gemessen fehlt es an Feststellungen, die den tatbestandsmäßigen Gefährdungserfolg belegen. Das Landgericht hat in seiner rechtlichen Würdigung darauf abgestellt, dass der Kontrollverlust des Angeklagten über das Fahrzeug dessen Kollision mit dem Bordstein der Verkehrsinsel zur Folge gehabt habe, was zum Platzen zweier Reifen geführt „und damit Leib und Leben der Fahrzeuginsassen in die konkrete Gefahr einer Verletzung gebracht“ habe. Dabei hat das Landgericht zwar zutreffend angenommen, dass die Mitfahrer des Angeklagten A.    – anders als das von ihm geführte fremde Fahrzeug – vom Schutzbereich des § 315c Abs. 1 StGB erfasst waren, denn sie hatten nach den Feststellungen weder in die Rechtsgutsgefährdung eingewilligt noch waren sie tatbeteiligt (vgl. zu beiden Tatobjekten nur BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 435/12 Rn. 5 f. mwN). Letzteres würde auch dann gelten, wenn der festgestellte Umstand, dass einer der Mitfahrer das Geschehen mit seinem Mobiltelefon filmte, die Annahme einer psychischen Beihilfe tragen sollte; denn diese würde eine Tatbeteiligung jedenfalls der weiteren Mitinsassen des Fahrzeugs nicht begründen können.

Allerdings kann den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden, dass das Kollisionsgeschehen an der Verkehrsinsel oder eine andere während der Fahrt eingetretene Situation die Fahrzeuginsassen in eine den obigen Anforderungen entsprechende Schadensnähe brachte, sie also nicht nur abstrakt, sondern konkret an Leib oder Leben gefährdet waren. Feststellungen dazu, welche körperliche Wirkung der Anstoß des Fahrzeugs an den Bordstein der Verkehrsinsel – der zwar zu einem Reifenschaden führte, die Fahrtauglichkeit des Mietwagens aber nicht aufhob – auf die Mitfahrer des Angeklagten hatte, hat das Landgericht nicht getroffen.

bb) Ungeachtet dessen kann den Urteilsgründen auch nicht entnommen werden, dass ein etwaiger Gefährdungserfolg gerade auf der Tathandlung des § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB beruhte. Diese hat die Jugendkammer zwar rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Urteilsgründe ergeben ohne weiteres, dass der Angeklagte A.   im Bereich der Verkehrsinsel grob verkehrswidrig und rücksichtslos zu schnell fuhr und – in ihrem Gesamtzusammenhang – auch dass es sich hierbei um eine unübersichtliche Stelle im Sinne der Strafvorschrift handelte. Der objektive Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB („und dadurch“) setzt aber darüber hinaus voraus, dass die konkrete Gefahr in einem inneren Zusammenhang mit den Risiken steht, die von der unübersichtlichen Stelle typischerweise ausgehen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 – 4 StR 130/19 Rn. 16 mwN). Dieser Gefahrverwirklichungszusammenhang ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts nicht. Danach kam der Angeklagte im Bereich der Kurve, in der sich die Verkehrsinsel befand, aufgrund seiner deutlich überhöhten Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab und kollidierte mit dem Bordstein. Dass diese Kollision durch die Unübersichtlichkeit der Unfallstelle – etwa durch ein hieraus resultierendes Übersehen der Verkehrsinsel – wenigstens mitverursacht wurde, ist damit nicht festgestellt.

cc) Der Senat schließt aus, dass in einem zweiten Rechtsgang hinsichtlich des Eintritts einer konkreten Gefahr im Sinne von § 315c Abs. 1 StGB und ihrer Verursachung noch ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die zur Annahme einer Strafbarkeit des Angeklagten nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB führen. Er lässt daher die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs im Wege der Schuldspruchänderung analog § 354 Abs. 1 StPO entfallen.“

Strafe III: Tagessatzhöhe beim Strafgefangenen, oder: Tagessatzhöhe beim Arbeitslosen

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Und dann zum Tagesschluss noch zwei AG-Entscheidungen zur Tagessatzhöhe.

Hier kommt zuerst der AG Amberg, Beschl. v. 20.06.2024 – 9 Cs 171 Js 12721/23 – zur Tagessatzhöhe bei einem Strafgefangenen:

„Im Hinblick auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten ist die Höhe des Tagessatzes mit 1,00 EUR festzusetzen. Der Angeklagte erhält lediglich Taschengeld in unter-schiedlicher Höhe, auf welches mangels Tätigkeit abzustellen ist. Im Februar 2024 erhielt er Taschengeld für Januar i.H.v. 41,99 EUR und im März 2024 (für Februar 2024) ein solches i.H.v. 43,02 EUR unter Berücksichtigung des Eigengeldes. Um die regelmäßig schlechte finanzielle Ausgangssituation von Strafgefangenen nach Strafhaftende nicht weiter zu verschlechtern und die Resozialisierungschancen nicht weiter zu reduzieren, sollte bei Strafgefangenen stets die Tagessatzanzahl gewählt werden, die am untersten Ende des unter Schuldgesichtspunkten noch Vertretbaren liegt. Die vom Angeklagten durch den unfreiwilligen Aufenthalt in der Justizvollzugs-anstalt ersparten Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung außer Ansatz (zum Ganzen MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, StGB § 40 Rn. 79). Das Gericht setzt damit die Tagessatzhöhe auf 1,00 EUR fest.“

Und als zweite Entscheidung der AG Pirna, Beschl. v. 17.07.2024 – 23 Cs 962 Js 64817/23 – zur Tagessatzhöhe bei einem Arbeitslosen. Das AG hat den Tagessatz auf 5,00 EUR/Tag festgesetzt:

„Bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte derzeit in Tschechien Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich umgerechnet ca. 175,–Euro erhält.“

Strafe II: Viele Vorstrafen und schneller Rückfall, oder: Keine Bewährung

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Und dann mal wieder etwas zur Bewährung, und zwar den BGH, Beschl. v. 23.05.2024 – 4 StR 42/24. Nichts Besonderes, aber immerhin 🙂 .

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung und „vorsätzlicher“ Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat, und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hatte einen Teilerfolg, soweit das LG den Angeklagten wegen Körperverletzung verurteilt hatte. Insoweit fehlte es an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses (§ 203 StPO). Die diesem Tatvorwurf zugrundeliegende Anklageschrift hatte das LG im Hauptverhandlungstermin zur Hauptverhandlung zugelassen, allerdings nur in der „Spruchbesetztung“. Infolgedessen war ist der Eröffnungsbeschluss nicht wirksam, was ein im Revisionsverfahren nicht behebbares Verfahrenshindernis zur Folge hatte.

Die erfolgte hatte die Neufassung des Schuld- und Strafausspruchs durch den BGH zur Folgem der zur Bewährungsentscheidungs ausführt:

„Die Entscheidung der Strafkammer über die (versagte) Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung kann hingegen bestehen bleiben. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht zur Begründung der negativen Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB auch auf den Umstand abgehoben hat, dass der Angeklagte die – der Einstellung unterliegende – Körperverletzungstat im Rahmen einer Untersuchungshaft begangen hat. Es kann dahinstehen, ob diese Erwägung außer Betracht bleiben muss, nachdem der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts die Verurteilung wegen dieser Tat mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hat, oder ob das an sich rechtsfehlerfrei festgestellte Körperverletzungsgeschehen hierdurch lediglich insoweit entfallen ist, als es Grundlage der Verurteilung wegen der Tat zu II.B der Urteilsgründe war, für die Aussetzungsentscheidung wegen der verbleibenden Einzelstrafe betreffend die andere prozessuale Tat (II.A der Urteilsgründe) jedoch weiter herangezogen werden kann. Denn der Senat schließt angesichts der weiteren vom Landgericht angeführten Prognosegesichtspunkte jedenfalls aus, dass es für die Entscheidung des Landgerichts, die Strafvollstreckung nicht zur Bewährung auszusetzen, tragend war und diese ohne die Berücksichtigung der Körperverletzungstat anders ausgefallen wäre. Die Strafkammer hat ihre Prognoseentscheidung maßgeblich auf die Vielzahl von Vorstrafen, die Hafterfahrung des Angeklagten sowie den Umstand gestützt, dass er die hier gegenständliche versuchte räuberische Erpressung weniger als ein Jahr nach seiner letzten Haftentlassung, ersichtlich unbeeindruckt von der Haft, beging.“

Strafe I: Die besonderen persönliche Merkmale, oder: Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“

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Und dann auf zu Strafzumessungsentscheidungen bzw. Entscheidungen, die mit Strafe zu tun haben.

Ich stelle dazu zunächst den zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten BGH, Beschl. v. 05.02.2024 – 3 StR 470/23 – vor. Es geht um das Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB.

Das LG hatte den Angeklagten im Juni wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf seine Revision hatte der BGH mit Beschluss vom 08.03.2022 (3 StR 398/21, NStZ-RR 2022, 133) das Urteil im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.

Im zweiten Rechtsgang hatte das Landgericht Aurich den Angeklagten mit Urteil vom 19.09.2022 auf Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu derselben Freiheitsstrafe wie zuvor verurteilt. Auf seine Revision hatte der BGH mit Beschluss vom 11.01.2023 (3 StR 445/22, NStZ 2024, 154) das Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer eines anderen LG zurückverwiesen.

Nunmehr hat dieses LG den Angeklagten im dritten Rechtsgang zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel war unbegründet:

„Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum noch allein in Rede stehenden Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Das Landgericht hat insbesondere rechtsfehlerfrei den sich aus den §§ 153, 26 StGB ergebenden Strafrahmen zu Grunde gelegt und keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Denn das die Strafbarkeit begründende und vom Angeklagten als Anstifter nicht verwirklichte Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB, sondern ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet (vgl. ohne ausdrückliche Erörterung BGH, Urteile vom 18. März 1976 – 4 StR 77/76, BGHSt 27, 74, 76; vom 18. Oktober 1978 – 2 StR 368/78, BGHSt 28, 155, 156; vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342; Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 – 2 StR 478/13, NJW 2014, 1403; vom 29. August 2017 – 4 StR 116/17, juris Rn. 7 f.).“

Das begründet der BGH umfangreich. Die Einzelheiten bitte im Volltext nachlesen.

Hier nur noch der Leitsatz des BGH; nämlich:

Das die Strafbarkeit begründende Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB, sondern ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet.

KCan I: Neufestsetzung von Strafe und Bewährung, oder: Verwertung von „alten“ ANOM-Daten

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In die 35 KW. geht es dann mit KCanG-Entscheidungen. Allerdings habe ich heute nicht ganz so viel wie sonst. Das verwundert sicherlich, wenn man die Homepage des BGH im Auge hat und verfolgt, was sich dort zu den Fragen tut. Derzeit gibt es reichlich Entscheidungen des BGH, allerdings letztlich immer zu denselben Fragen, wie vor allem: Milderes Gesetz und Neufestsetzung der Strafe. Die kann man nicht alle vorstellen. Ich stelle hier heute allerdings auch einige Entscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe vor.

Im Einzelnen:

Der OLG Schleswig, Beschl. v. 01.08.2024 – 1 Ws 123/24 äußert sich noch einmal zur Zuständigkeit für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB mit folgendem Leitsatz:

1. Für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist das erkennende Gericht zuständig.
2. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern folgt nicht aus der Verweisung in Art. 313 Abs. 5 EGStGB, da § 462a StPO auch nach der Einführung des Konsumcannabisgesetzes von dieser Verweisung nicht erfasst wird.

Auch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 Ws 101/24 – nimmt zur Frage der Neufestsetzung der Strafe Stellung, und zwar im Hinblick auf Strafaussetzung zur Bewährung:

Eine nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB veranlasste Neufestsetzung der Strafe erfordert bei Festsetzung einer aussetzungsfähigen Strafe auch eine neue Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung.

Und dann habe ich den AG Mannheim, Beschl. v. 06.08.2024 – 2 Ls 302 Js 14819/21 -, auch zur Neufestsetzung mit folgendem Leitsatz:

Mit der Formulierung „zugleich“ in Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist (lediglich) Tateinheit, nicht aber Handlungseinheit gemeint.

Und dann noch etwas Verfahrensrechtliches, und zwar mal wieder Verwertbarkeit von Daten, die durch die Überwachung von Messengerdiensten vor dem 01.04.2024 gewonnenen worden sind, nach dem 01.04.2024 – Stichwort: Katalogtat. Dazu äußert sich der OLG Saarbrücken, Beschl. v.  13.08.2024 – 1 Ws 152/24:

    1. Die Verwertbarkeit von Daten, die über den Kryptomessengerdienst ANOM gewonnen wurden, richtet sich nach denselben Grundsätzen (BGHSt 67, 29) wie die Verwertbarkeit von Daten des Anbieters EncroChat.
    2. Die Daten dürfen in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, aufgrund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Die Straftat muss auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein.
    3. Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen ist auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse abzustellen. Liegt demnach aufgrund der zum 1.4.2024 durch das Cannabisgesetz in Kraft getretenen Neuregelungen zum Verwertungszeitpunkt keine Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO mehr vor, scheidet die Verwertbarkeit der ANOM-Chatprotokolle aus und dürfen diese zur Begründung eines dringenden Tatverdachts nicht herangezogen werden.