Archiv der Kategorie: Fahrverbot

OWi I: Absehen vom Fahrverbot wegen langer Dauer, oder: Zweijahresfrist

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Und heute dann ein „OWi-Donnerstag“.

Ich starte mit einem Beschluss des OLG Brandenburg zum Fahrverbot: Das OLG hat im OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07.2024 – 1 ORbs 134/24 – zum Absehen vom Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer Stellung genommen, und zwar:

„b) Die auf die Sachrüge vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils hat Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht ergeben.

Insbesondere ist das Erkenntnis des Bußgeldgerichts, von der Verhängung des nach BKatV bei der hier vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung um 49 km/h indizierten Fahrverbots vermittels Kompensation durch eine Verdoppelung der Geldbuße abzusehen, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Der Verhängung des Fahrverbots steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Ordnungswidrigkeit bereits 22,5 Monate vor der angefochtenen Entscheidung des Bußgeldgerichts begangen worden war. Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90; BVerfGE 27, 36, 42). Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verloren haben, wenn seit dem Verkehrsverstoß ein erheblicher Zeitraum vergangen ist (vgl. KG StraFo 2007, 518 m. w. N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom nach der BKatV indizierten Fahrverbot rechtfertigen kann, ist eine Frage des Einzelfalls, die dem Tatrichter einen Beurteilungsspielraum eröffnet.

Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist der Sinn des Fahrverbots in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (vgl. OLG Hamm DAR 2012, 340; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168; OLG Bamberg DAR 2008, 651 m. w. N.; ständige Senatsrspr., vgl. statt vieler: Beschluss vom 05. Februar 2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 6/21; s. a. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, zu § 25 StVG, Rz. 24 m. zahlr. N.). Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und letzter tatrichterliche Verhandlung an, da der Tatrichter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren Rechtskraft nicht berücksichtigen kann und das Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob das Urteil des Bußgeldgerichts auch den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere die Verhängung und Begründung des Fahrverbots, betreffend Rechtsfehler aufweist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. März 2011- 3 RBs 70/10;OLG Oldenburg, Beschluss vom 03. August 2011- 2 BsSs 172/11; jeweils zitiert nach juris).Selbst ein Zeitablauf von zwei Jahren zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil führt nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot. Er beinhaltet lediglich einen Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung dazu, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch erfüllen kann, geboten ist. Bei einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es nach Auffassung des Senats besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; s. zum Ganzen auch: König in: Hentschel/Dauer/König a. a. O.).

Im vorliegenden Fall war die Zweijahresfrist bei der Entscheidung des Amtsgerichts noch nicht abgelaufen. Die Kompensation seines Wegfalls durch eine Verdoppelung der Geldbuße ist deshalb nicht zu beanstanden.“

Nichts Neues, sondern nur ein Reminder. Zum Fahrverbot kann man übrigens eine Menge erfahren in <<Werbemodus ein> Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024. Dort hat der Kollege Deutscher sehr schon – vielfach kopiert, aber nicht erreicht – ausgeführt. Bestellen kann man das Werk hier. <<Werbemodus aus>>

OWi III: Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, oder: Umfang der Verteidigervollmacht

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Und im dritten Posting habe ich dann noch etwas zum Umfang der Verteidigervollmacht, und zwar den OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.08.2024 – 2 ORbs 114/24.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 260 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das OLG hat die Beschränkung als wirksam angesehen:

„Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam:

Es kann dahinstehen, ob die Ermächtigung nicht bereits aus der dem Verteidiger erteilten Vertretungsvollmacht folgt. Auch die Rechtsprechung, die dieses ablehnt und zudem unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln nicht ausreichen lässt (so zum Beispiel Bayerisches Oberstes Landesgericht, ZfSch 2024, 229 f.), macht dann eine Ausnahme, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung eines konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war. So akzeptiert diese Rechtsprechung es als ausreichend, wenn ein Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, nachdem die Vollmacht im Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides erteilt worden ist, wobei dies sogar dann gelten soll, wenn der Bußgeldbescheid zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch nicht erlassen war (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a. a. O.).

Hier ist die Vollmacht erteilt worden nach „Anhörung im Bußgeldverfahren“ und berechtigte gemäß Ziffer 10 zur „Zurücknahme von Rechtsmitteln“.

In Fortentwicklung der vorgenannten Rechtsprechung, sieht der Senat unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es im Bußgeldverfahren gegen Urteile als Rechtsmittel lediglich die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gibt, die erteilte Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln auch für die Rechtsbeschwerde als ausreichend an. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid (s.o.) nicht einmal um ein Rechtsmittel handelt, sondern um einen Rechtsbehelf eigener Art (vgl. BT- Drucks. V/1269 S. 93.).

Unabhängig davon hat der Verteidiger des Betroffenen auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Betroffene mit der Beschränkung des Rechtsmittels „ausdrücklich einverstanden“ gewesen sei, so dass der Verteidiger über die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung verfügt hat.“

Und die Rechtsbeschwerde hatte dann auch Erfolg. Das OLG hat das Fahrverbot entfallen lassen:

„Vorliegend haben folgende Umstände den Senat zu dieser ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG ermöglichten eigenen Sachentscheidung veranlasst:

Der Betroffene ist 86 Jahre alt und hat keine Eintragungen im Register. Tatort war eine -wenn auch innerörtliche- Bundesstraße. Die Tatzeit war 23:50 Uhr.

Das Amtsgericht ist offenbar zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass dieser “dringend ein Krankenhaus aufsuchen musste“ und ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffenen unter Schmerzen gelitten hat.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene selbst nur über eine Rente von 312 € verfüge. Es ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffene „nicht gut laufen“ könne. Wie aber Taxifahrten zu den regelmäßigen Arztbesuchen bei einem Einkommen von 312 € bezahlt werden könnten, ist nicht ersichtlich, da die vom Amtsgericht aufgezeigte Möglichkeit einer Kreditaufnahme rein theoretischer Natur sein dürfte. Soweit das Amtsgericht auf ein höheres Einkommen der Ehefrau des Betroffenen abstellt, ist dieses für die gegen ihn zu verhängende Sanktion irrelevant.

Da somit im Hinblick auf die Tat als solche, als auch bezüglich der Auswirkungen eines Fahrverbotes auf den Betroffenen, bereits nach den getroffenen (knappen) Feststellungen, eine Reihe entlastender Umstände vorliegen, hat der Senat das Fahrverbot entfallen lassen. In Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Betroffenen hat er auch von einer Erhöhung der Geldbuße abgesehen.“

OWi III: Rentner brauchen keine Fahrerlaubnis, oder: Ausnahme und Erhöhung der Geldbuße

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Und dann zum Tagesschluss zwei Fahrverbotsentscheidungen, beide kommen vom AG Dortmund. Mit den Entscheidungen, die von dort kommen, habe ich häufig Probleme. Ihc erinnere nur an das AG Dortmund, Urt. v. 11.04.2024 – 729 OWi-251 Js 287/24-27/24  zum mal vom AG geänderten Grenzwert für den THC-Wert im Blut.

So auch hier. In der ersten Entscheidung, dem AG Dortmund, Urt. v. 11.04.2024 – 729 OWi-256 Js 414/24-34/24 – geht es um ein Fahrverbot für einen Rentner. Dazu meint das AG:

Rentner/Rentnerinnen sind grundsätzlich nicht auf eine Fahrerlaubnis angewiesen und können dementsprechend auch allein aus der Tatsache, nicht über eine Fahrerlaubnis für eine befristete Zeit verfügen zu können, keinerlei fahrverbotsrelevante Härten für sich geltend machen.

„Grundsätzlich nicht auf eine Fahrerlaubnis angewiesen“ ? Wirklich? Ich lasse das mal so stehen. Ist aber „ständige Rechtsprechung“ des AG. Ach so. Im Übrigen habe ich mir erlaubt den amtsgerichtlichen Leitsatz zu „verbessern“: Da hieß es nämlich „Rentner*innen„. Bitte nicht mit mir. Und nicht hier 🙂 .

Die zweite Entscheidung, das AG Dortmund, Urt. v. 07.03.2024 – 729 OWi-254 Js 2152/23 -148/23 – ist m.E. auch ein wenig „schräg“. Sie hat folgende (amtliche) Leitsätze:

1. Aus erzieherischen Gründen kann bei Geschwindigkeitsverstößen mit privaten PKW das anzuordnende Regelfahrverbot auf sämtliche Fahrzeugarten, mit Ausnahme der Fahrzeuge die unter Führerscheinklasse C fallen, beschränkt werden (hier: bei einem Müllwagenfahrer).

2. Eine Führerscheinklasse stellt eine Fahrzeugart i.S.d. § 25 StVG dar.

3. Das Ausnehmen einer Fahrzeugart im Rahmen des Fahrverbotes stellt kein teilweises Absehen vom Regelfahrverbot dar, so dass eine Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV in Gestalt einer Erhöhung der Geldbuße deswegen nicht stattfindet.

Die Leitsätze 1 und 2 sind ok, das ist gängige Rechtsprechung. Bei Leitsatz 3 habe ich Bedenken. Denn: Grundsätzlich erfasst ein Fahrverbot alle Fahrzeugarten, wovon nur ausnahmsweise zur Verhinderung unangemessener Folgen durch eine Beschränkung abgesehen werden kann. Es handelt sich damit auch hier um einen Fall des §§ 4 Abs. 4 BKatV, der die Möglichkeit der entsprechenden Erhöhung der Geldbuße nach sich zieht.

Und: Den Betroffenen hätte es sicher gefreut, wenn er aus dem Urteil erfahren hätte, wie lange denn nun das Fahrverbot dauern soll. Dazu steht weder etwas im Tenor noch in den Gründen.

Und auch hier <<Werbemodus an>>: Wer sich über Fahrverbotsfragen umfassend und zutreffend informieren will, der kann das beim Kollegen Deutscher in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, das mann hier bestellen kann. Musste sein. 🙂 <<Werbemodus aus>>.

OWi I: Absehen vom Fahrverbot, aber erhöhte Geldbuße, oder: Beschwer des Betroffenen?

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Heute dann ein wenig OWi, und zwar zunächst mit einer Entscheidung u.a. zum Fahrverbot, und zwar der OLG Schleswig, Beschl. v. 19.06.2024 – I ORbs 60/24.

Das AG hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h eine Geldbuße von 600,00 € festgesetzt. Es hat im Rechtsfolgenausspruch von der Verhängung des Regelfahrverbotes abgesehen und stattdessen die Geldbuße verdreifacht.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, welche er mit der allgemeinen Sachrüge begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Sie geht u.a. davon aus, dass es an einer Benachteiligung des Betroffenen durch die vom AG letztlich vorgenommene Festsetzung der Geldbuße fehle, da diese im Vergleich zum Fahrverbot das mildere Ahndungsmittel sei. Das hat das OLG anders gesehen:

„b) Auch im Rechtsfolgenausspruch ist der Betroffene nach Auffassung des Senates beschwert.

Zwar führt die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend aus, dass unter dem Aspekt des Verschlechterungsverbots eine (erhöhte) Geldbuße gegenüber einem Fahrverbot die mildere Sanktion ist und deshalb auch auf ein Rechtsmittel allein zugunsten eines Betroffenen bzw. bei Anwendung von § 301 StPO verhängt werden darf (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juli 2007 – 3 Ss OWi 360/07 –, juris). Dieser Rechtsgedanke beruht allerdings auf einer abstrakten Differenzierung zwischen Geldbuße und Fahrverbot als unterschiedliche Sanktionen. Dies ist zu unterscheiden von der Frage, ob die rechtsfehlerhafte Anwendung dieser Sanktionsmöglichkeiten den Betroffenen dann konkret beschwert, wenn von der härteren Sanktion gegen Erhöhung der milderen Sanktion abgesehen wird. Würde die Beschwer unter dem Gesichtspunkt verneint, dass „nur“ auf eine mildere Sanktion erkannt wurde und ließe man dabei außer Betracht, dass diese nachteilig erhöht wurde, wäre es dem Rechtsbeschwerdegericht stets verwehrt, den Rechtsfolgenausspruch in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu überprüfen, wenn das Tatgericht von der härteren Sanktion des Fahrverbotes abgesehen hat. Damit wäre dem Rechtsbeschwerdegericht auch nicht mehr möglich nachzuprüfen, ob das Tatgericht die Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot erkannt und dessen Bedeutung im Rechtsfolgenausspruch beachtet hat. Das sieht auch die Generalstaatsanwaltschaft offensichtlich nicht so, denn sie nimmt wirtschaftliche Erwägungen dahingehend vor, ob der Betroffene durch die Erhöhung der Geldbuße in der Gesamtschau beschwert ist und verneint dies im Ergebnis. Die diesbezüglichen Erwägungen sind jedoch hypothetisch und finden in den Urteilsgründen keine Stütze. Genau hieran zeigt sich aber, dass es dem Urteil umfassend an Feststellungen mangelt, die den Rechtsfolgenausspruch tragen könnten. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann nämlich eigene Erwägungen nicht anstelle des Tatrichters setzen. Dies folgt schon aus § 79 Abs. 6 OWiG, wonach eine eigene Entscheidung zwingend voraussetzt, dass die Feststellungen des Tatgerichts hierfür ausreichen.

Die Beschwer des Betroffenen liegt nach Auffassung des Senats schon darin, dass die Geldbuße signifikant erhöht, nämlich verdreifacht, worden ist. Denn hierin liegt eine wirtschaftliche Beschwer innerhalb der verhängten Sanktion, die den Betroffenen zu Unrecht benachteiligen kann. § 4 Abs. 4 BKatV regelt nämlich, dass bei einem Absehen vom Fahrverbot die Geldbuße angemessen (Hervorhebung durch den Senat) erhöht werden soll. Hierin kommt die Wechselwirkung beider Sanktionen zum Ausdruck, deren Beachtung für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar sein muss. Gleiches gilt für die innerhalb des Ermessensspielraums des Tatrichters maßgeblich zu berücksichtigenden Umstände, so u.a. die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen soweit sie entscheidungsrelevant sind. Auch wenn die Zumessungserwägungen des Tatrichters nur einer eingeschränkten Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen, hat das Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen, ob die tatrichterlichen Erwägungen ausreichend sind oder aber lückenhaft und in sich widersprüchlich. So liegt es hier. Mangels Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen kann der Senat nicht überprüfen, ob die Erhöhung der Geldbuße um das Dreifache angemessen im Sinne von § 4 Abs. 4 BKatV ist und der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot hinreichend Rechnung getragen wurde. Die Feststellung des Amtsgerichts „Die Verdreifachung der Regelgeldbuße erfolgte unter Berücksichtigung der Gesamtumstände.“ stellt eine inhaltslose Floskel dar, weil das Urteil sich zu diesen „Gesamtumständen“ nicht verhält. Auch im Rechtsfolgenausspruch war das Urteil daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.“

Unschön dann aber:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

Durchgreifenden Bedenken dürfte der Schuldspruch auch im Hinblick auf die Annahme von Fahrlässigkeit begegnen. Zunächst genügen die tatsächlichen Feststellungen zu der Beschilderung nicht, soweit das Amtsgericht lediglich ausgeführt hat, die zulässige Geschwindigkeit sei „in diesem Bereich“ beschränkt. Auch verhält sich das Urteil nicht dazu, ob der Betroffene die Beschilderung wahrgenommen oder aber (nur) übersehen hat. Angesichts von fünf einschlägigen Vorerkenntnissen im FAER, davon allein drei im Jahr 2022, und der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 32 km/h (ein Drittel der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) hatte das Amtsgericht allerdings erhebliche Veranlassung, eine vorsätzliche Tatbegehung durch den Betroffenen zu prüfen. Insoweit lässt das Urteil unter Ziffer II besorgen, dass sich der Tatrichter dieser Möglichkeit gar nicht bewusst war, weil Erwägungen hierzu vollständig fehlen.

Kann ein Fahrverbot aufgrund des insoweit geltenden Verschlechterungsverbots zwar nicht mehr angeordnet werden, so ist es dem Amtsgericht allerdings noch möglich, hinsichtlich der Schuldform neue Feststellungen zu treffen und die sich hierzu aufdrängenden Erwägungen anzustellen. Das Verschlechterungsverbot gilt für die Verurteilung wegen einer nachteiligen Schuldform nicht (KG, Beschluss vom 30. Januar 2023 – 3 ORbs 5/23122 Ss 138/22 -, bei BeckRS), so dass ggf. die Regelbuße nach § 3 Abs. 4a BKatV zwingend zu verdoppeln wäre.“

KCanG I: „Alter“ THC-Nachweisgrenzwert gilt fort, oder: Aber: 3,5 ng/ml Grenzwert bei Drogenfahrt kommt

Und heute dann auf in die neue Woche, und zwar auch am Pfingstmontag hier normales Programm. Ich starte in die Woche mit zwei Entscheidungen zum KCanG, zwei kleinere Sachen, aber ganz interessant.

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Den Starter mache ich mit dem BayObLG, Beschl. v. 02.05.2024 – 202 ObOWi 374/24, der zur Frage Stellung nimmt, welcher analytische THC-Nachweisgrenzwert bei Drogenfahrten nach § 24a Abs. 2 StVG bis zur etwaigen Einführung eines – neuen – gesetzlichen THC-Wirkungsgrenzwertes gilt.

Das BayObLG macht es richtig und sagt: Wir sind nicht Gesetzgeber:

„Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht nach derzeit unverändert gültiger Rechtslage keine Veranlassung, von dem nach ständiger obergerichtlicher Rspr. maßgeblichen sog. analytischen Nachweisgrenzwert für THC bzw. Cannabisprodukte von 1 ng/ml THC im Blutserum (vgl. neben OLG Bamberg, Beschl. v. 11.12.2018 – 3 Ss OWi 1526/18 = DAR 2019, 157 = Blutalkohol 56 [2019], 46 = VerkMitt 2019, Nr 17 und schon OLG Bamberg, Beschl. v. 27.02.2007 – 3 Ss OWi 688/05 = DAR 2007, 272 = ZfSch 2007, 287 = VRS 112 [2007], 262 = BA 44, 255 = OLGSt StVG § 24a Nr 10 = VM 2007 Nr 73 = VRR 2007, 270 u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 03.08.2021 – 5 Rbs 157/21 = Blutalkohol 58 [2021], 419 = ZfSch 2021, 708, jeweils m.w.N.) zugunsten einer gegebenenfalls de lege ferenda mit Blick auf § 44 KCanG v. 27.03.2024 [BGBl. 2024 I Nr. 109] gesetzlichen Implementierung eines höheren gesetzlichen Wirkungsgrenzwertes von 3,5 ng/ml im Rahmen des als abstraktes Gefährdungsdelikts ausgestalteten Tatbestandes des § 24a StVG abzuweichen (zur aktuellen Diskussion vgl. u.a. Felz ARP 2024, 92; Oglakcioglu/Sobota ZRP 2023, 194; Wagner NZV 2023, 385 und die „Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr“ [abrufbar unter: https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/cannabis-expertengruppe_langfassung.pdf?__blob=publicationFile]).“

Das hatte das AG Dortmund ja anders gesehen und sich als Gesetzgeber aufgespielt (hier das AG Dortmund, Urt. v. 11.04.2024 – 729 OWi-251 Js 287/24-27/24 und dazu: KCanG II: „Drogenfahrt“ nun bis 3,5 ng/ml THC erlaubt?, oder: Das AG Dortmund als Gesetzgeber?).

Aber: Die Frage wird sich dann – hoffentlich bald – erledigt haben. Denn inzwischen gibt es einen Gesetzesentwurf der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP im Bundestag (BT Drs. 20/11370). Der sieht vor, den Grenzwert des Cannabis-Wirkstoffs THC im Straßenverkehr anzuheben, und zwar von 1,0 ng/pro Milligramm Blutserum auf 3,5 ng. Das entspricht dem Vorschlag der Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), die nach § 44 KcanG eingesetzt war. Das geplante „Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes […]“ will also nun die entsprechenden Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) nun ändern und den neuen THC-Grenzwert gesetzlich festschreiben.

Bei einer Überschreitung dieses Grenzwertes droht nach dem neuen § 24a Abs. 1a StVG eine Geldbuße von 3.000 EUR und ein Fahrverbot.

Zudem soll – auch das entspricht dem Vorschlag der Kommission – § 24c StVG geändert werden. Danach handelt demnächst auch ordnungswidrig handelt, wer als sog. Fahranfänger die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung der Substanz Tetrahydrocannabinol steht.

Außerdem sind Änderungen in der FeV geplant.

Ging schneller, als ich erwartet habe. Manchmal klappt es eben doch. 🙂