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Gebühren nach Rücknahme des Strafbefehlsantrags, oder: Entsteht ggf. auch die „Befriedungsgebühr“?

Daumen

Das zweite Posting ist dann auch ein „Noch-einmal-Posting“. Denn es geht noch einmal um die Gebühren des Verteidigers nach Rücknahme des Strafbefehlsantrags. Darüber habe ich ja schon häufiger berichtet.

Dem dazu ergangegen LG Gießen, Beschl. v. 04.11.2024 – 7 Qs 147/24 – liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Rechtsanwalt hat den Beschuldigten in einem gegen diesen geführten Verfahren wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs vertreten. Gegen den Mandanten war in einem Strafbefehl des AG vom 12.04.2021 eine Geldstrafe festgesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 21.04.2021 zeigte der Beschwerdeführer unter beigefügter Vollmacht vom 21.04.2021 die Verteidigung des Mandanten an, beantragte Akteneinsicht und legte gleichzeitig Einspruch gegen den Strafbefehl ein.

Mit Schriftsatz vom 01.02.2022 hat der Rechtsanwalt für den Beschuldigten zu den Tatvorwürfen Stellung genommen und beantragt, die Klage gemäß § 411 Abs. 3 StPO zurückzunehmen sowie das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, da das seinem Mandanten vorgeworfene Verhalten keine Straftat darstelle. Unter dem 23.02.2022 nahm die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage nach Maßgabe des § 411 Abs. 3 S. 1 StPO unter Bezugnahme auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen des Rechtsanwalts zurück. Mit Schreiben vom 29.03.2022 und 16.05.2022 erkundigte sich der Rechtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft nach dem Sachstand und verwies darauf, dass das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ohne Verzögerungen einzustellen sei und dieses nicht in der Schwebe gehalten werden dürfe. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 01.02.2022 Bezug genommen. Mit Verfügung vom 24.08.2022 hat die Staatsanwaltschaft dann das Verfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das AG hat am 01.02.2023 die notwendigen Auslagen des Beschuldigte der Staatskasse auferlegt.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung hat der Rechtsanwalt die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG, die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG und eine Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren nach Nr. 4104 VV RVG sowie die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht. Die Vertreterin der Staatskasse hat ablehnend Stellung genommen. Nach ihrer Auffassung soll die Nr. 4104 VV RVG nicht entstanden sein, weil der Verteidiger keine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren ausgeübt habe.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts hatte Erfolg:

„Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG ist in Höhe von 181,50 € netto entstanden.

Die Gebühr Nr. 4104 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang u.a. des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht. Der Beschwerdeführer wurde hier zwar erstmals nach Eingang des Antrages auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht für den Mandanten tätig.

Nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wird ein Verfahren jedoch nach Rücknahme des Antrags auf Erlass des Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 411 Rn. 8). War der Verteidiger bereits zuvor tätig, kann er die Gebühr für das vorbereitende Verfahren nach Nr. 4104 VV RVG nicht erneut verdienen (§ 15 Abs. 2 RVG), da es sich insoweit um dieselbe Angelegenheit handelt. War der Anwalt dagegen — wie hier — im vorbereitenden Verfahren noch nicht tätig, dann verdient er mit der „Zurückversetzung“ des Verfahrens in das Ermittlungsverfahren nunmehr die dortige Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV-RVG, wenn er entsprechend tätig wird.

Nicht einheitlich beurteilt wird hingegen die Frage, welche Anforderungen an das erneute Tätigwerden des Verteidigers in diesem Stadium zu stellen sind, und ob hierunter auch eine Tätigkeit fallen kann, welche zugleich die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG auslöst. Das Landgericht Nürnberg-Fürth geht diesbezüglich (wohl) davon aus, dass es nach der Rücknahme des Strafbefehls zunächst erneuter Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft bedarf und erst ein hierauf reagierendes Verhalten des Verteidigers die Verwirklichung des Tatbestands des Nr. 4104 VV RVG begründen kann und daher ein etwaiges Gespräch des Verteidigers mit seinem Mandanten oder der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens hierfür nicht genügt, sondern gebührenrechtlich vielmehr in Nr. 4141 VV RVG als die dort erforderliche Mitwirkung abgegolten ist (vgl. LG Nürnberg-Fürth Beschl. v. 13.10.2020 — 7 Qs 56/20, BeckRS 2020, 28998 Rn.10-12).

Die vorgenannte Auffassung teilt die Kammer jedoch nicht. Vorliegend hat der Beschwerdeführer in dem „wiederaufgelebten“ Ermittlungsverfahren, also nach Rücknahme der öffentlichen Klage am 23.02.2022, gegenüber der Staatsanwaltschaft auf die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hingewirkt und diese erneut unter Verweis auf die zuvor dargelegte Rechtsauffassung beantragt. Insoweit handelt es sich zutreffend auch um eine Mitwirkung i.S. der Nr. 4141 VV RVG. Das RVG honoriert auf diesem Weg Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Terminsgebühr führen (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV 4141 Rn. 1, 2.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum dieser Umstand verhindern sollte, dass zusätzlich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VVRVG ausgelöst werden kann. Diesbezügliche Anhaltspunkte sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr gilt, dass die Verfahrensgebühr Nr. VV 4104 RVG grundsätzlich unabhängig von der Wertigkeit oder dem Umfang der Tätigkeit entsteht. Die Verfahrensgebühr entsteht für alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts, also zum Beispiel auch für Besprechungen/Telefonate mit dem Mandanten, die sich gerade nicht aus der Verfahrensakte ergeben. Es werden insoweit keine hohen Anforderungen gestellt (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV 4104 Rn. 6, 7). Daher überzeugt es nicht, diese Anforderungen deshalb und nur für den Fall zu stellen, weil es sich hier nicht um ein „originäres“, sondern vielmehr um ein nachträgliches/ zurückversetztes Ermittlungsverfahren handelt. Demzufolge dürften bereits die Entgegennahme der Mitteilung über die Rücknahme des Strafbefehlsantrags und die daraufhin stattfindende Besprechung oder Unterrichtung des Mandanten hinsichtlich des weiteren Verfahrensverlaufs genügen, um die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG auszulösen.

In der Folge kann die Entgeltpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen auch in diesem Verfahrensstadium zusätzlich eingefordert werden, da Nr. 7002 Anm. 1 VV RVG vorgibt, dass diese in jeder Angelegenheit gefordert werden kann und § 17 Nr. 10 RVG klarstellt, dass das Ermittlungsverfahren/vorbereitende Verfahren und das erstinstanzliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind.“

Zutreffend: So z.B. auch: LG Bamberg, Beschl. v. 8.11.2023 – 13 Qs 79/23, AGS 2023, 556 ; LG Berlin, RVGreport 2017, 106 = AGS 2017, 80) und ja grds. auch das LG Nürnberg-Fürth im zitierten LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.10.2020 – 7 Qs 56/20, AGS 2021, 174. Nur bei der Nr. 4141 VV RVG irrt das LG Nürnberg-Fürth aus den dargelegten Gründen.

Abgeltungsbereiche Grund-/Verfahrensgebühr, oder: Grundkenntnissemangel beim LG Koblenz/LG Siegen

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Und dann Gebühren. Zunächst hier mit zwei „unschönen“ Entscheidungen. Die eine kommt vom LG Koblenz, die andere stammt vom LG Siegen.

Es geht noch einmal um das Zusammenspiel von Grundgebühr und Verfahrensgebühr in Zusammenhang mit der Erstreckung. Im LG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2024 – 3 Qs 45/24 – wird nach Verbindung und Erstreckung – zum Sachverhalt bitte im Volltext nachlesen – um die Grund- und Verfahrensgebühr in mehreren der hinzuverbundenen Verfahren gestritten. Die waren nur zum Teil festgesetzt worden. Das AG hatte das damit begründet, dass es sich zum Teil um jeweils eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne gehandelt. Darüber hinaus habe der Verteidiger in drei verfahren auch keine Tätigkeit entfaltet. Die allgemein gehaltene Formulierung, er bestelle sich für alle weiteren Verfahren, stelle keine auch für diese Verfahren eine  gebührenauslösende Tätigkeit des Verteidigers dar. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger Erinnerung eingelegt, die durch das AG zurückgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verteidigers hatte nur teilweise Erfolg:

„Das zulässige Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG entsteht nach Übernahme des Mandats und soll den Aufwand für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgelten. Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren nach Nr. 4104 VV RVG soll dagegen nach der Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information abgelten. Die Verfahrensgebühr entsteht zwar nach Anmerkung 1 zu Nr. 4100 VV RVG neben der Grundgebühr. Abgegolten werden mit ihr im vorbereitenden Verfahren allerdings nur Tätigkeiten nach der Erstinformation des Rechtsanwalts, d.h. alle Tätigkeiten nach erstem Mandantengespräch und erster Akteneinsicht. Die erste Akteneinsicht ist dagegen bereits von der Grundgebühr umfasst. Wird das Verfahren nach erfolgter Erstinformation zu einem anderen Verfahren verbunden, besteht für die Annahme einer neben der Grundgebühr stets entstehenden Verfahrensgebühr (Nr. 4104) daher kein Raum (OLG Celle, Beschluss vom 26.01.2022, 2 Ws 19/22, juris Rn. 18 m.w.N.).

Danach steht dem Beschwerdeführer über die für das führende Verfahren zuerkannten Gebühren hinaus ein Anspruch auf die Grundgebühr in den Verfahren zu den Fallakten 2, 4 und 5 zu. In diesen Verfahren ist der Pflichtverteidiger durch Stellung eines Akteneinsichtsgesuchs tätig geworden. Eine über die Beantragung und Durchführung der Akteneinsicht hinausgehende Tätigkeit ist für keines der hinzuverbundenen Verfahren dargetan. Die Verfahrensgebühr ist daher nicht entstanden. Darüber hinaus kann der Pflichtverteidiger die insoweit entstandene Post- und Telekommunikationspauschale verlangen.

Da die Verbindung des Verfahrens 2040 Js 82971/23 (Fallakte 2) noch vor der Beiordnung des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger erfolgte, ergibt sich der Gebührenanspruch für die vorangehende Tätigkeit des Beschwerdeführers insoweit bereits aus § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG. Für die Verfahren 2040 Js 14516/23 (Fallakte- 4)und 2040 Js 14518/23 (Fallakte 5)folgt er gemäß § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG aus dem Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 11.06.2024 (131. 83 d.A.).“

Die Entscheidung zeigt mal wieder: Manche lernen es nie. Denn: Hinsichtlich des Verhältnisses und zum Anfall von Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und der Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV RVG, macht das LG allerdings einen Fehler, den auch schon vor kurzem das LG Siegen gemacht hat (LG Siegen, Beschl. v. 19.2.2024 – 10 Qs 4/24 – dazu gleich mehr) und der auch dem OLG Celle in dem vom LG zitierten Beschluss unterlaufen ist (OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22). Gerade die Bezugnahme des LG auf die letzte Entscheidung zeigt, wie schnell falsche Ansichten ein „Eigenleben“ entwi-keln. Das insbesondere, wenn sie offenbar ohne nähere Prüfung übernommen werden, wofür m.E. spricht, dass das LG keine anderen Entscheidungen und/oder Kommentare zitiert, sondern sich nur auf die – an dieser Stelle – falsche OLG-Entscheidung bezieht.

Daher noch einmal: Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr – hier die Nr. 4104 VV RVG für das vorbereitende Verfahren – entstehen nach der Anm. zur Nr. 4100 VV RVG immer nebeneinander (vgl. Burhoff AGS 2021, 433). Voraussetzung für das Entstehen der/dieser Gebühren des Rechtsanwalts sind von ihm für den Mandanten erbrachte Tätigkeiten. Dazu stellt das LG auf die Akteneinsichtsgesuche des Pflichtverteidigers ab und meint, da der Pflichtverteidiger (offenbar) weitere Tätigkeiten nicht erbracht hat, sei die Verfahrensgebühr nicht entstanden bzw. deren Anwendungsbereich nicht erreicht. Dabei übersieht es aber, dass die jeweilige Verfahrensgebühr als sog. Betriebsgebühr immer mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts entsteht und daneben zugleich die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Diese honoriert (nur) den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie ist eine Art Verfahrensgebühr mit dem Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BR-Drucks. 517/12, S. 439 = BT-Drucks. 1771471, S. 281; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn 26 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Es ist nicht so, wovon offenbar das LG ausgeht, dass, wenn der Verteidiger nur Tätigkeiten erbringt, die vom Anwendungsbereich dieser Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG erfasst werden, die Verfahrensgebühr – hier die Nr. 4104 VV RVG – wieder wegfällt. Vielmehr verlagert sich die Problematik in den Bereich der Bemessung der Verfahrensgebühr, die ggf., wenn weitere Tätigkeiten „zum Betreiben des Geschäfts„ nicht erbracht werden, nur in Höhe der Mindestgebühr anfällt (so zutreffend LG Hagen, Beschl. v. 23. 4.2018 – 43 Qs 14/18). Die hätten hier also in den in den Verfahren Fallakten 2, 4 und 5 also mindestens auch noch fest-gesetzt werden müssen.

Ob und welche Tätigkeiten der Verteidiger erbracht hat, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen; ich folge dem LG allerdings darin, dass dass die angeführten pauschalen Formulierungen in Schreiben in anderen gegen den Beschuldigten gerichteten Verfahren nicht ausreichen dürften. Dazu muss der Verteidiger vortragen, sollte sich das nicht aus der Akte ergeben. Ein Mandantengespräch oder ähnliches reicht. Beim Pflichtverteidiger entsteht dann aber die gesetzliche Gebühr als Festbetragsgebühr.

Ich hoffe, dass das jetzt aber auch reicht. Aber: Offenbar nich. Denn ähnlich hatte ich auch zu dem oben angeführten LG Siegen, Beschl. v. 19.02.2024 – 10 Qs 4/24  – kommentiert (Erstreckung II: Voraussetzungen der Erstreckung, oder: Grundkenntnisse fehlen beim LG Siegen/der StA Siegen) und dem Einsender vorgeschlagen, gegen die falsche Entscheidung des LG Gegenvorstellung einzulegen – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.  Aber leider ist sie gestorben. Das LG weiß es im LG Siegen, Beschl. v. 19.09.2024 – 10 Qs 4/24, mit dem die Gegenvorstellung zurückgewiesen worden ist, nach wie vor besser und man setzt noch einen drauf, wenn man ausführt:

„Soweit sich der Vortrag des Verteidigers zu seinen Tätigkeiten in den allgemeinen Behauptungen erschöpft, sich in Akten eingearbeitet zu haben und Besprechungen mit der Mandantin geführt zu haben, begründet dies weder die Geltendmachung einer Grundgebühr, noch einer Verfahrensgebühr. Der Vortrag des Verteidigers ist unsubstantiiert und kann nicht nachvollzogen werden. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass Tätigkeiten – abgesehen von Akteneinsichten – nicht aktenkundig sein müssen. Entscheidend ist, ob der Verteidiger die Tätigkeiten erbracht hat. Da er sich tatsächlich vor der Verbindung der Verfahren in die Akten nicht hat einarbeiten können und seine Anträge vorrangig auf eine Beiordnung zielten, hätte es ergänzender Ausführungen auch zu den Besprechungen mit der Mandantin bedurft. Trotz Nachfragen erfolgte dies nicht, so dass Gebührenansprüche nicht festgestellt werden konnten.“

Was soll er denn bitte im Hinblick auf seine Schweigepflicht noch vortragen? Alles mehr als unschön.

OWi I: Keine Schätzungen beim Nachfahren, oder: Gründe (auch) bei Geschwindigkeitsüberschreitung

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Heute dann ein OWi-Tag, ein bisschen habe ich. Nichts Besonderes, aber immerhin 🙂 .

Hier zunächst zwei Entscheidungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung. Die eine befasst sich mehr allgemein mit den Urteilsgründe, in der anderen geht es um die Schätzung der Geschwindigkeit. Also:

Zunächst die Gründe, und zwar hat sich dazu das OLG Naumburg im OLG Naumburg, Beschl. v. 04.10.2024 – 1 ORbs 201/24 – geäußert:

„2. Die Feststellungen zum Schuldspruch beruhen nicht auf einer tragfähigen Grundlage; die Angaben hierzu genügen nicht, um dem Senat eine Überprüfung zu ermöglichen.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass sich die Vorwürfe aus dem Bußgeldbescheid vom 07.11.2022, mit dem dem Betroffenen vorgeworfen wird, am 24.08.2022 um 9:19 Uhr auf der BAB 36 km 41,5 auf Höhe Ilsenburg in Richtung Abbenrode als Führer des Kleintransporters pp. die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h überschritten, die Zulassungsbescheinigung Teil I und den vorgeschriebenen Führerschein nicht mitgeführt zu haben, obwohl er die durch Verkehrszeichen 274 angeordnete erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h hätte erkennen können und müssen, im Rahmen der Hauptverhandlung bestätigt haben (UA S. 2).

Dabei beruhen die Feststellungen zur Person des Betroffenen auf dessen schriftlicher Einlassung sowie auf dem verlesenen FAER vom 08.04.2024; die Feststellungen zur Sache auf dem in Augenschein genommenen Messvideo, auf dem der Kleintransporter mit einer Geschwindigkeit von 128 km/h abzüglich eines nicht genannten Toleranzwertes zu erkennen ist (UA S. 2), sowie der im Rahmen der Hauptverhandlung ausgewerteten Unterlagen, insbesondere der Eichbescheinigung, der Lebensakte des Messgerätes und der Bedienungsberechtigung der Messbeamten, zudem auf den Vermerk der Polizeibeamten auf der Bescheinigung über die maßgebliche Verkehrskontrolle des Betroffenen.

Kein Hinweis findet sich in den Gründen dazu, dass der Betroffene eingeräumt hat, zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt den maßgeblichen Transporter geführt zu haben.

Zudem fehlen – worauf die Rechtsbeschwerde ebenfalls zutreffend hinweist – Angaben zum konkret angewandten Messverfahren, insbesondere ob ein sog. standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen ist. Auch zur konkreten Höhe des zugrunde gelegten Toleranzwertes werden Ausführungen vermisst.

Eine Nachprüfung anhand der Urteilsgründe ist dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich. Schon deshalb kann das Urteil keinen Bestand haben. „

Und dann das AG Dortmund, Urt. v. 17.10.2024 – 729 OWi-267 Js 1305/24-100/24 – mit folgendem Leitsatz:

Kann bei einer Geschwindigkeitsfeststellung durch Nachfahren mit einem Polizeifahrzeug mit nicht geeichtem Tacho in einem 1,5 km langen Tunnel nur eine Geschwindigkeit von vielleicht 135, 140 oder 145 km/h bei gleichbleibendem oder sich vergrößerndem Verfolgungsabstand von nicht festzustellender Länge („vielleicht 50 m, vielleicht auch 200 m“) festgestellt werden, so liegen keine ausreichenden Feststellungen vor, die nach hergebrachten Maßstäben eine Messung durch Nach-fahren darstellen. Insbesondere ist in einem solchen Fall auch eine Verdoppelung der eigentlich zu gewährenden Toleranz von 20 % nicht ausreichend, die Messung “ret-ten“ zu können.

 

Haft III: Wenn die Angeklagte in der HV ausbleibt, oder: Kein Haftbefehl, wenn Erscheinen demnächst sicher

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas aus der landgerichtlichen Spruchpraxis, nämlich den LG Oldenburg, Beschl. v. 22.11.2024 – 4 Qs 332/24. Thematik: Sicherungshaftbefehl nach § 230 StPO.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten, dem Ehemann der Beschwerdeführerin, mit zwei Anklageschriften zur Last, insgesamt sieben Betrugstaten begangen zu haben, wobei er in sechs Fällen gewerbsmäßig und in fünf Fällen mit dem weiteren Angeklagten G. gemeinschaftlich gehandelt habe. Durch die eine Anklage wird zudem dem Angeklagten P.B. und der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer der Taten eine Beihilfe zur Last gelegt.

Das AG hat unter dem 15.04.2024 einen Termin zur Hauptverhandlung mit allen vier Angeklagten auf den 19.09.2024, 10:00 Uhr, anberaumt sowie Fortsetzungstermine auf den 10.10.2024, 09:00 Uhr, den 17.10.2024, 09:00 Uhr, den 07.11.2024, 09:00 Uhr, und den 28.11.2024, 09:00 Uhr, festgelegt. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Ladung der Beschwerdeführerin zur Hauptverhandlung und zu den Fortsetzungsterminen unter der Zustellanschrift pp., dem Angeklagten C.D., der ebenfalls unter dieser Anschrift gemeldet ist, am 19.04.2024 persönlich übergeben worden.

Zum Hauptverhandlungstermin am 19.09.2024 erschien die Beschwerdeführerin pünktlich. Nicht erschienen war indes der Mitangeklagte P.B., gegen den, nach einem erfolglosen polizeilichen Vorführversuch, im Termin ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO ergangen ist. Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung am 19.09.2024 ist die Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den bereits anberaumten Termin am 10.10.2024 bestimmt worden.

Aufgrund einer Mitteilung des Bewährungshelfers des Angeklagten C.D. und unter Weiterleitung von Unterlagen, die ihm der Angeklagte C.D. überreicht habe, erhielt das AG am 08.10.2024 davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann auf den 10.10.2024 um 15:00 Uhr und den 16.10.2024 um 11:00 Uhr in einer Nachlasssache – in Serbien – zu zwei Terminen geladen worden seien. Bestandteil der übermittelten Dokumente war u. a. eine Abschrift der in serbischer Sprache verfassten undatierten Ladung im Original sowie eine Übersetzung hiervon in die deutsche Sprache vom 26.09.2024. Aus der übersetzten Ladung ergibt sich neben den Terminsstunden die Mitteilung an die beiden Adressaten, dass deren persönliche Anwesenheit zu den Terminen zwingend erforderlich sei und die vorzulegenden Ausweisdokumente nicht durch eine bevollmächtigte Person, sondern nur durch Erben oder gesetzliche Vertreter eingereicht werden können. Eines der Dokumente war darüber hinaus mit der Behauptung versehen, dass die Beschwerdeführerin und der Mitangeklagte C.D die weiteren Termine „selbstverständlich“ wahrnehmen würden.

Zum Fortsetzungstermin am 10.10.2024 um 09.00 Uhr erschien die Beschwerdeführerin nicht. Der anwesende Verteidiger des C.D. teilte für den Angeklagten C.D. u. a. mit, dass dieser sich in Serbien befinde, um die Nachlassangelegenheit wahrzunehmen, weil die Gefahr bestünde, dass der Erbanspruch verfallen könnte. Die Höhe des möglichen Anspruchs sei dem Verteidiger aber nicht bekannt. Der Angeklagte C.D. werde nicht kommen. Die Verteidigerin der Beschwerdeführerin schloss sich diesen Ausführungen an und erklärte für die Beschwerdeführerin das Gleiche.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG daraufhin um 09:32 Uhr gegen die Beschwerdeführerin noch im Termin vom 10.10.2024 einen auf § 230 Absatz 2 StPO gestützten Haftbefehl erlassen. Dagegen die Beschwerde, die Erfolg hatte:

„2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Haftbefehl ist in materieller Hinsicht zu beanstanden. Dabei kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen, weil die Anordnung von Haft gemäß § 230 Abs. 2 StPO jedenfalls nicht erforderlich war und damit unverhältnismäßig ist. Im Einzelnen:

….

b) Nach Ansicht der Kammer lagen aber im Zeitpunkt seiner Anordnung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Cloppenburg am 10.10.2024 die materiellen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht vor. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin für ihr Ausbleiben im Termin vom 10.10.2024 hinreichend entschuldigt war. Denn die Anordnung von Haft war jedenfalls nicht erforderlich und ist damit unverhältnismäßig.

aa) Gemäß § 230 Abs. 2 StPO ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wenn das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist und soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

bb) Die Beschwerdeführerin war zu dem auf den 10.10.2024 anberaumten Hauptverhandlungstermin durch Zustellung im Wege der Übergabe der Ladung an einen in der Wohnung der betreffenden Person befindlichen erwachsenen Familienangehörigen (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), ordnungsgemäß geladen worden. Ladungen dieser Art wird im normalen Geschäftsgang ein Hinweis auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten im Sinne des § 216 Abs. 1 StPO beigefügt. Anhaltspunkte dafür, dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen sein könnte, liegen nicht vor, insbesondere wurde Entsprechendes auch von der Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus auf die Folgen ihres unentschuldigten Ausbleibens sowohl durch einen Hinweis der Vorsitzenden am Schluss des Hauptverhandlungstermins vom 19.09.2024 und darüber hinaus durch Schreiben vom 08.10.2024 weitere Male hingewiesen worden ist, schadet nicht, ist aber ohne Belang. Die Beschwerdeführerin ist im Termin vom 10.10.2024 auch ausgeblieben, da sie zur festgesetzten Terminsstunde sowie nach Ablauf einer hinreichenden Wartefrist nicht im Sitzungssaal anwesend war.

cc) Es kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen.

Die Kammer weist insoweit darauf hin, dass zur Entschuldigung eines Angeklagten jeder Umstand dient, der ihn – wie beispielsweise Krankheit oder Gefangenschaft – am Erscheinen vor Gericht gegen seinen Willen hindert oder bei Abwägen aller Gesichtspunkte ergibt, dass dem Angeklagten aus seinem Fernbleiben billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 16). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Angeklagte – wie hier – sein Ausbleiben mitteilt und insoweit um Entschuldigung oder Verständnis bittet, sondern allein darauf, ob er entschuldigt ist, also ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens unter Abwägung aller Umstände des Falles billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann oder nicht (BVerfG, NJW 2007, 2318; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 230 StPO, Rn. 16 m. w. N.).

Das Gericht entscheidet hierüber im Freibeweis, wobei aber nur solche Beweise heranzuziehen sind, die sofort zur Verfügung stehen. Genügend entschuldigt ist das Ausbleiben zwar nur, wenn es glaubhaft erscheint, dass den Angeklagten kein Verschulden trifft (siehe insgesamt Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 21 m. w. N.). Allerdings ist bei der Auslegung zugunsten des Angeklagten eine weite Auslegung geboten (BGHSt 17, 391 [397]). Maßgebend ist, ob dem Angeklagten nach den Umständen des Falles wegen des Ausbleibens billigerweise ein Vorwurf zu machen ist oder nicht (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 23 m. w. N.). Eine insoweit durch die Rechtsprechung angenommene Fallgruppe kann generell die Regelung beruflicher oder privater Angelegenheiten sein, jedenfalls dann, wenn sie unaufschiebbar und von solcher Bedeutung sind, dass dem Angeklagten das Erscheinen billigerweise nicht zugemutet werden kann, sodass die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung ausnahmsweise zurücktreten muss (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 28 m. z. N. aus d. Rspr.). Hierunter können auch drohende wirtschaftliche Verluste fallen (OLG Düsseldorf, NJW 1960, 1921). Eine derartige Konstellation könnte ggf. auch der Verlust der Erbschaft darstellen.

dd) Der Erlass eines Haftbefehls war im Zeitpunkt seiner Anordnung aber unverhältnismäßig.

(1) In das hohe Rechtsgut der persönlichen Freiheit darf der Staat nur dann und nur insoweit eingreifen, als dies unerlässlich ist, um die künftige Teilnahme eines Angeklagten an einem Hauptverhandlungstermin mit Sicherheit zu erreichen. Ist nach den bekannt gewordenen Umständen zu erwarten, dass der Angeklagte zum neuen Hauptverhandlungstermin von selbst erscheinen wird, etwa, weil der für sein Ausbleiben angeführte Grund sich nur auf den gegenwärtigen Termin bezog, so ist es meist nicht erforderlich, und damit auch nicht zulässig, präventiv die Teilnahme an dem künftigen Termin durch Zwangsmittel sicherzustellen. Gleiches gilt, wenn das Erscheinen des Angeklagten mit der erforderlichen Sicherheit durch ein milderes Mittel erreichbar ist (BVerfGE 32, 87; OLG Hamburg, Beschl. v. 04.06.2020 – 2 Ws 72/20, Rn. 20).

Der Grundsatz, dass das mildeste Mittel anzuwenden ist, gilt auch für die Auswahl der in § 230 Abs. 2 StPO nebeneinander angedrohten Zwangsmittel. Dem an erster Stelle genannten Vorführungsbefehl gebührt als dem weniger einschneidenden Eingriff in die persönliche Freiheit stets der Vorrang vor dem Haftbefehl (BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318). Letzterer darf nur angeordnet werden, wenn das mildere Mittel entweder bereits erfolglos ausgeschöpft ist oder nach Würdigung aller Umstände der Zweck der Norm, die Durchführung der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten zu ermöglichen, andernfalls nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit erreichbar wäre. So liegt es etwa, wenn zu befürchten ist, dass der Angeklagte sich einer Vorführung durch Fernbleiben von seiner Wohnung entziehen würde (siehe hierzu insgesamt OLG Hamburg, Beschl. v. 04.06.2022 – 2 Ws 72/20, Rn. 21 m. w. N.).

(2) Diesen hohen Verhältnismäßigkeitsanforderungen hielt der Haftbefehl im Zeitpunkt seines Erlasses nicht stand.

Das mildere Mittel der Vorführungsanordnung war zwar für den Termin vom 10.10.2024 von vorne herein aussichtslos und damit gescheitert, weil sich die Beschwerdeführerin nach der Vorankündigung und den Angaben der Verteidigerin nicht an ihrer Wohnanschrift befand und eine Vorführung damit von vorne herein aussichtslos und fehlgeschlagen war. Dass dies für den Termin am 17.10.2024, jedenfalls aber zu den Terminen vom 07.11.2024 und vom 28.11.2024, aber ebenfalls der Fall sein würde, ist nicht ersichtlich.

Nach den bekannt gewordenen Umständen war bei Erlass des Haftbefehls nach Ansicht der Kammer vielmehr sogar hinreichend sicher zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin zu dem künftigen Hauptverhandlungstermin am 17.10.2024, jedenfalls aber zu den Terminen vom 07.11.2024 und vom 28.11.2024, sogar von selbst erschienen wäre. Denn sie war schon zu dem ersten Verhandlungstermin – im Gegensatz zu dem Mitangeklagten Bruns – pünktlich erschienen. Nur aufgrund dessen Ausbleibens konnte am 19.09.2024 nicht in der Sache verhandelt werden. Auch hat die an einer festen Wohnanschrift gemeldete Beschwerdeführerin bereits schriftlich ihre Absicht bekundet, zu den weiteren Verhandlungs-terminen „selbstverständlich“ zu erscheinen. Dafür, dass sie insoweit nicht Wort halten würde, ergeben sich für die Kammer vor dem Hintergrund ihres Erscheinens im ersten Hauptverhandlungstermin keine Anhaltspunkte, zumal sie ihre Abwesenheit – unabhängig davon, ob man dies als Entschuldigungsgrund gelten lassen wollte oder nicht – vorab angekündigt und hierfür einen jedenfalls nachvollziehbaren – zeitlich befristeten – Grund genannt hat, der ihre Anwesenheit in Serbien lediglich am 10.10.2024 und am 16.10.2024 erfordert habe.

Aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit hätte das Amtsgericht auf ihre künftige Zuverlässigkeit im Umgang mit justiziellen Verpflichtungen schließen müssen, sodass der Erlass eines Haftbefehls zur Erreichung des verfassungslegitimen Zwecks der Anwesenheit der Beschwerdeführerin während weiterer Hauptverhandlungstermine zwar geeignet, aber nicht erforderlich gewesen ist. Da der Erlass des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht erforderlich war, ist er unverhältnismäßig und der Beschluss materiell unrechtmäßig.“

Erfolgreiches Rechtsmittel gegen Ordnungsmittel, oder: Gibt es eine Kostenentscheidung?

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Im zweiten Posting geht es um den AG Koblenz, Beschl. v. 11.10.2024 – 30 AR 8/24 – und die Frage: Muss es im Beschwerdeverfahren des Ordnungsmittelverfahrens der StPO eine Kostenentscheidung geben. In der Rechtsprechung ist nicht abschließend geklärt, wer die notwendigen Auslagen eines erfolgreichen Rechtsmittels gegen eine Entscheidung in einem Ordnungsmittelverfahren der StPO trägt. Das AG Koblenz hat dazu nun Stellung genommen.

In dem Fall war im Ermittlungsverfahren war durch die Staatsanwaltschaft die zeugenschaftliche Vernehmung einer Zeugin durch eine Polizeidirektion angeordnet worden. Nachdem die Zeugin einer Ladung nicht nachgekommen war, erließ die Staatsanwaltschaft einen Vorführbefehl für die Zeugin und verhängte ein Ordnungsgeld von 200 EUR. Später wurde die Zeugin durch die Polizei persönlich zu Hause angetroffen und macht dann schließlich ihre Aussage. Die Staatsanwaltschaft hielt an ihrer Ordnungsgeldentscheidung fest und versuchte, diese in der Folge erfolglos zu vollstrecken. Sie beantragte dann, gegen die Zeugin Ordnungshaft festzusetzen. Daraufhin meldete sich der Rechtsanwalt für die Zeugin und beantragte Abweisung der beantragten Ordnungshaft und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Ordnungsgeldentscheidung. Das AG hat die Ordnungsgeldentscheidung aufgehoben und den Antrag auf Ordnungshaft zurückgewiesen. Es hat zudem die Kosten des „Beschwerdeverfahren“ der Staatskasse auferlegt. Dazu sagt es:

„Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (entgegen BGH, Beschluss vom 12.06.2007, VI ZB 4/07, und BAG, Beschluss vom 20.08.2007, 3 AZB 50/05). Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist der Rechtsgedanke aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 StPO, mittels dessen die planwidrige Lücke in der Prozessordnung geschlossen wird (Anschluss an BFH, st. Rspr., vgl. Beschluss vom 07.03.2007, X B 76/06).“

Ist m.E. richtig und wird im Übrigen, wenn man eine Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren als eine Ermittlungsmaßnahme i.S. des § 473a StPO ansieht, durch die Regelung des § 473a StPO, der durch das 2. Opferrechtsreformgesetz eingeführt worden ist, bestätigt.

Und dann stellt sich die ebenso interessante Frage, wie der der den Zeugen vertretende Rechtsanwalt abrechnet.. Dazu gilt: Bei der Vertretung des Zeugen im „Beschwerdeverfahren“ handelt es sich um eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, und zwar um „eine andere nicht in Nummer 4300 oder 4301 erwähnten Beistandsleistung“. Abgerechnet wird also nach Nr. 4302 VV RVG (s. auch Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4301 VV Rn 10). Dabei wird man ggf. die Frage diskutieren können/müssen, ob nicht mehrere Angelegenheiten vorliegen, und zwar hier ggf. „Beschwerde“ gegen den Ordnungsgeldbeschluss und Antrag auf Abweisung des Ordnungshaftverfahrens. Voraussetzung ist aber, dass dem Tätigwerden des Rechtsanwalts jeweils ein Einzelauftrag zugrunde liegt (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn 55 ff.).