Und dann am Donnerstag noch einmal StPO-Entscheidungen.
Den Opener mache ich mit zwei Beschlüssen des LG Halle zur Durchsuchung. Im LG Halle, Beschl. v. 27.09.2024 – 4 Qs 13/24 jug – ging es mal wieder/noch einmal um die Frage des erforderlichen und ausreichenden Anfangsverdacht für eine Durchsuchung in einem KiPo-Verfahren. Das LG hat den verneint.
Ausgangspunkt der Ermittlungen war in dem Verfahren eine Mitteilung des NCMEC vom 31.10.2022, ausweislich derer eine Person mit Sitz in Sachsen-Anhalt unter Nutzung der Email-Adresse „Kpp.“ am 19.09.2021 um 05:07:37 Uhr MESZ vier Videodateien mit kinderpornographischen Inhalten über „Dropbox“ in das Internet hochgeladen habe. Der für die Email-Adresse zuständige Provider habe auf polizeiliche Anfrage mitgeteilt, dass diese zur Tatzeit an Kpp. vergeben gewesen sei. Im selben Haushalt wohnten M., S. und Ko. Aufgrund der namentlich passenden Email-Adresse sei letzterer als Beschuldigter zu führen.
Am 26.06.2024 sollte dann die Durchsuchungsmaßnahme durchgeführt werden. Der Beschuldigte wohnte aber nicht mehr unter der in dem Durchsuchungsbeschluss angegebenen Anschriftm, gestattete jedoch die Durchsuchung seiner neuen Wohnung. Hierbei wurden eine Festplatte, ein Mobiltelefon, ein PC, ein Tablet und zwei USB-Sticks sichergestellt.
Das LG führt zur Begründung seines Beschlusses, mit dem die Rechtswidrigkeit der Durchsuchsanordnung festgestellt wird, aus:
„Die Beschwerde ist auch begründet. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 26. März 2024 war rechtswidrig.
Gemäß § 102 StPO kann eine Durchsuchung bei dem einer Straftat Verdächtigen auf Antrag u.a. angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) sind daran jedoch strenge Maßstäbe geknüpft. Erforderlich ist der Anfangsverdacht einer bereits begangenen Straftat, d.h. zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Verdächtige eine bestimmte Straftat begangen hat. Neben dem Tatverdacht erfordert der erhebliche Eingriff der Durchsuchung in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen eine besondere Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme muss geeignet im Hinblick auf den verfolgten Zweck sein, sie muss erforderlich in dem Sinne sein, dass weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen, und schließlich muss sie in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Kammer bereits Bedenken, ob zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ein hinreichender Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten vorlag. Zwar lässt die ermittelte Email-Adresse durchaus den Schluss auf den Beschuldigten zu. Dass nur er ausschließlich Zugriff auf diesen Email-Account hatte, geht aus den Ermittlungen jedoch nicht hervor. Es erscheint nicht fernliegend, dass auch andere Familienmitglieder die benannte Email-Adresse hätten nutzen können, zumal die Email-Adresse ausweislich der Auskunft des zuständigen Providers an die Kundenkennung der Mutter des Beschuldigten vergeben war.
Mit Rücksicht auf den daher allenfalls geringen Tatverdacht ist die beantragte Durchsuchung im vorliegenden Fall nicht mehr als verhältnismäßig anzusehen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung noch zum Auffinden von Beweismitteln hätten führen können, lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung nicht vor. Gegen die Auffindewahrscheinlichkeit spricht bereits der erhebliche Zeitablauf: Die maßgeblichen Videodateien wurden am 19. September 2021 hochgeladen, mithin zweieinhalb Jahre vor dem Erlass des Durchsuchungsbeschlusses. Dafür, dass der Beschuldigte noch weiteres kinderpornographisches Material besessen hat, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dagegen spricht, dass seit dem 31. Oktober 2022, dem Datum des „CyberTipline Reports“ des NCMEC, keine weiteren Auffälligkeiten des bislang auch nicht vorbestraften Beschuldigten dokumentiert sind. Das Amtsgericht hatte hierzu in dem angegriffenen Beschluss lediglich aufgeführt, dass „davon auszugehen“ sei, „dass der Beschuldigte nach wie vor im Besitz der benannten Inhalte ist“. Angaben dazu, aufgrund welcher Umstände das Amtsgericht zu diesem Schluss gekommen ist, werden nicht mitgeteilt und sind nicht ersichtlich.
Lediglich klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung im vorliegenden Fall nicht die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten in der pp. Straße pp. zur Folge hat. Diese erfolgte nicht auf der Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses vom 26. März 2024, da dieser sich auf die Wohnung in der pp. bezog. Die Durchsuchung in der pp. wurde ausweislich des Durchsuchungsberichts des Kriminalbeamten pp. durch den Beschuldigten freiwillig gestattet.“
Die Staatsanwaltschaft hat dann noch Gegenvorstellung erhoben, sich aber beim LG im LG Halle, Beschl. v. 15.11.2024 – 4 Qs 13/24 jug – eine Abfuhr geholt, denn:
Gegenvorstellungen gegen gerichtliche Entscheidungen, welche nicht mehr mit einem Rechtsmittel angefochten werden können, sind grundsätzlich ausgeschlossen.