Archiv für den Monat: August 2020

OWi III: Wiederaufnahme im Bußgeldverfahren, oder: Was sind neue Tatsachen

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Und als dritte Entscheidung dann ein Bereich, in dem man als Verteidiger im OWi-Verfahren wahrscheinlich nicht so häufig zu tun hat: Wiederaufnahme des Verfahrens. Es handelt sich um den LG Trier, Beschl. v. 20.05.2020 – 1 Qs 34/20 -, über den der Kollege Gratz auch schon berichtet hat.

Zur Last gelegt wurde dem Betroffenen mit dem Bußgeldbescheid eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Das AG hatte auf den Einspruch des Betroffenen Hauptverhandlung bestimmt. Zur Hauptverhandlung am 15.07.2019 erschien lediglich der Verteidiger, der Betroffene nicht. Das AG hat den Einspruch des Betroffenen verworfen.Ein Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen blieb erfolglos. Durch Beschluss des OLG Koblenz ist auch die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG als unbegründet verworfen wordne..

Und dann:

„Mit Schreiben vom 8. April 2020 hat der Verurteilte über seine Verteidigerin beantragt, das gegen ihn geführte Bußgeldverfahren wiederaufzunehmen und ihn freizusprechen. Es lägen neue Tatsachen bzw. Beweismittel vor, dass er das Fahrzeug nicht geführt habe. Hierzu benennt er die Zeugen pp, pp und pp und gibt die Zeugenaussagen wieder. Zudem liege eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin (pp) vor, dass er gemäß Auswertung seiner Einloggdaten seines elektronischen Chips am 11. Oktober 2018 von 17:47 Uhr bis 05:56 Uhr im Dienst gewesen sei. Das Schreiben könne als Urkunde verlesen und die zuständige Mitarbeiterin der Personalabrechnung Frau pp, als Zeugin gehört werden. Schließlich sei auch seine Einlassung, dass er sich in der Zeit im Dienst befunden habe, als neue Tatsache zu werten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Antragsschreiben Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Betroffenen auf Wiederaufnahme des Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluss vom 27. April 2020 als unzulässig verworfen, da kein geeignetes Beweismittel angeführt worden sei. Der Betroffene sei der ihm obliegenden gesteigerten Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Es sei nicht ersichtlich, warum er die Tatsachen und Beweismittel nicht schon gegenüber der Verwaltungsbehörde bekannt gegeben habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen, die am 4. Mai 2020 beim Amtsgericht eingegangen ist. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt der Beschwerde Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Wiederaufnahmeantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt es jedoch bereits an „neuen Tatsachen oder Beweismitteln“.

Im Fall des § 359 Nr. 5 StPO (i.V.m. § 85 Abs. 1 OWiG) ist auf Grund des Urteils oder des sonstigen Akteninhalts die Neuheit der Tatsachen bzw. Beweismittel zu prüfen. Tatsachen sind nicht deshalb neu, weil sie in dem Urteil nicht erwähnt sind. Ergeben sie sich aus den Akten, so spricht das dafür, dass sie dem Gericht bekannt waren (KK-StPO/Schmidt, 8. Aufl. 2019, StPO § 368 Rn. 8 mwN).

Die Entscheidung über die Frage der Neuheit setzt einen Vergleich voraus zwischen dem, was Gegenstand des ursprünglichen Bußgeldverfahrens war, und dem, was nun für das Wiederaufnahmeverfahren an Tatsachen und Beweismitteln vorliegt. Entscheidender Zeitpunkt, ab dem sich Neuheit ergeben kann, ist der Erlass des Urteils, soweit es in Rechtskraft erwächst. Bei Beschlüssen ohne vorangegangene Hauptverhandlung sowie bei Strafbefehlen ist der Akteninhalt entscheidender Anknüpfungspunkt, wobei auch erkennbar unberücksichtigte Akteninhalte als neu anzusehen sind (BeckOK StPO/Singelnstein, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 359 Rn. 24-28). Gleiches gilt für Bußgeldbescheide.

Neu sind solche Tatsachen, die bei der Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts nicht berücksichtigt wurden. Der Grund der Nichtberücksichtigung ist dabei grundsätzlich unerheblich. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Gericht die Tatsachen aus dem Akteninhalt hätte kennen und berücksichtigen müssen oder ob der Angeklagte die Tatsache zwar kannte, aber (ggf. sogar absichtlich) nicht vorgebracht hat (BeckOK StPO/Singelnstein, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 359 Rn. 24-28).

Beweismittel sind neu, wenn sie vom Gericht erkennbar nicht berücksichtigt wurden. Dies kann jedoch nicht schon daraus geschlossen werden, dass eine Auseinandersetzung mit Beweisergebnissen im Urteil nicht stattgefunden hat (BeckOK StPO/Singelnstein, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 359 Rh. 24-28).

Zwar weist die Verteidigerin zutreffend darauf hin, dass bei Bußgeldbescheiden, die ohne Hauptverhandlung rechtskräftig werden, für die Frage der Neuheit grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt waren die benannten Beweismittel nicht bekannt.

Vorliegend hat der Betroffene jedoch gegen den Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt und anschließend vor dem Einspruchstermin die Fahrereigenschaft bestritten und den Zeugen … als Fahrer benannt. Zudem hat er als weitere Zeugen … und … benannt. Das Amtsgericht hat dies auch zur Kenntnis genommen und die Zeugen … und … zum Einspruchstermin geladen.

Die Zeugen wurden zwar letztlich nicht gehört. Dies jedoch nur deshalb nicht, da der Angeklagte zum Einspruchstermin unentschuldigt nicht erschienen ist.

Für einen solchen Fall muss für die Frage der Neuheit der Zeitpunkt der Verwerfung des Einspruchs maßgeblich sein, auch wenn die Zeugen im Termin nicht gehört wurden. Anderenfalls könnten die Vorschriften über das – zeitlich begrenzte – Wiedereinsetzungsverfahren durch das – zeitlich grundsätzlich unbegrenzte – Wiederaufnahmeverfahren umgangen werden.

Was das Bestreiten der Fahrereigenschaft angeht, so stellt dies ohnehin keinen neuen Tatsachenvortrag im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO dar und wäre entsprechend in dem originär vorgesehenen Rechtsbehelf, des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vorzubringen und zu prüfen gewesen. Das nachträgliche Bestreiten der dem Bußgeldbescheid zugrundeliegenden Tatsachen vermag einen Wiederaufnahmeantrag nicht zu rechtfertigen, da ansonsten das Wiederaufnahmeverfahren zu einer zeitlich unbefristeten Rechtsbeschwerde umfunktioniert würde (LG Köln Beschl. v. 21.3.2017- 105 Qs 36/17, BeckRS 2017, 112849 Rn. 2).

Damit bleibt für die Frage der Neuheit nur das Schreiben der als Zeugin benannten Mitarbeiterin der Personalabrechnung, Frau pp.

Insoweit fehlt es jedoch an der für ein Wiederaufnahmeverfahren erforderlichen Beweiseignung, denn der Umstand, dass der elektronische Chip des Verurteilten zur Tatzeit an der Arbeitsstelle eingeloggt war, bedeutet nicht zwingend, dass der Verurteilte tatsächlich zur Tatzeit dort anwesend war. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass eine andere Person den Verurteilten mit dem Chip eingeloggt hat, um etwa eine unentschuldigte Abwesenheit zu vertuschen. Zum anderen könnte sich der Verurteilte auch nach dem Einloggen für eine gewisse Zeit wieder entfernt haben, ohne sich zwischendurch auszuloggen, oder regulär in dieser Zeit eine dienstliche Fahrt vorgenommen haben, denn auch in diesem Fall hätte sich der Verurteilte „im Dienst“ befunden. Eine Angabe über den Ort der Dienstausübung ist damit nicht verbunden. Bei einem Wachdienst ist es sogar üblich, dass die Arbeitgeber sich nicht ständig am Firmensitz aufhalten.

Hier hätte der Betroffene näher darlegen müssen, warum aus dem Umstand, dass er sich im Dienst befand, gefolgert werden soll, dass er nicht am Tatort gewesen sein kann. Dies ist nicht geschehen. Auf seine gesteigerte Darlegungspflicht war er durch das Amtsgericht auch bereits hingewiesen worden.

Nach alledem ist die sofortige Beschwerde als unbegründet mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 S.1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zu verwerfen.“

OWi II: Ablehnung eines Beweisantrages, oder: Anforderungen an die Rechtsbeschwerde

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Als zweite Entscheidung stelle ich heute dann den OLG Köln, Beschl. v. 24.04.2020 – III-1 RBs 114/20 – vor. In ihm hat das OLG zu den den Darlegungsanforderungen der Rüge, ein Beweisantrag sei entgegen §§ 77 Abs. 3 OWiG, 244 Abs. 6 S. 1 StPO nicht beschieden worden, Stellung genommen:

„Die Rüge, das Tatgericht habe einen Beweisantrag entgegen §§ 244 Abs. 6 StPO, 77 Abs. 3 OWiG nicht beschieden, versagt. Sie ist nicht im Sinne von §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO ordnungsgemäß ausgeführt.

a) Mit der Rechtsbeschwerdebegründung wird folgender in der Hauptverhandlung gestellter Antrag mitgeteilt:

„Zum Beweis der Tatsache, dass die Messung fehlerhaft ist, beantrage ich, das Reparaturbuch und die Lebensakte der im vorliegenden Verfahren eingesetzten Messanlagen, die gerätespezifische Bedienungsanleitung, eine Kopie der digitalen Falldaten im geräte-spezifischen Format mit dem dazugehörigen öffentlichen Schlüssel, das Auswerteprogramm und die gesamte Messreihe einzuholen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einholung eines Beschilderungsplanes“

Diesen Antrag hat das Tatgericht ausweislich der Urteilsgründe – wie sich aus der Nennung von § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG in diesem Kontext ergibt – jedenfalls insoweit als Beweisantrag gewertet, als mit diesem die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt wurde. Die Antragsbegründung, die „umfangreich“ gewesen sei, wird mit der Rechtsbeschwerdebegründung nicht wiedergegeben.

b) Das Vorbringen genügt den Darlegungsanforderungen insgesamt nicht:

Allerdings besteht in Rechtsprechung und Schrifttum keine Einigkeit darüber, ob es in dem Falle, dass eine Verletzung von §§ 244 Abs. 6 StPO, 77 Abs. 3 OWiG gerügt werden soll, der Wiedergabe auch der Antragsbegründung bedarf oder ob es bei der Benennung von Beweismittel und Beweistatsache sein Bewenden haben kann.

aa) Im Schrifttum wird zumeist ohne weitere Differenzierung verlangt, der Beschwerdeführer müsse angeben, in welcher Form und mit welchem Inhalt der Antrag dem Gericht unterbreitet worden sei (KK-StPO-Krehl, 8. Auflage 2019, § 244 Rz. 226; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Auflage 1998, Rz. 616), es sei die Mitteilung des Beweisantrags erforderlich (KK-OWiG-Senge, 5. Auflage 2018, § 77 Rz. 53; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage 2019, § 244 Rz. 106; LR-StPO-Becker, 27. Auflage 2019, § 244 Rz. 377).

Soweit der aufgeworfenen Frage Beachtung geschenkt wird, wird teils vertreten, es genüge die Mitteilung von Beweistatsache und Beweismittel (so ausdrücklich SK-StPO-Frister, 5. Auflage 2015, § 244 Rz. 255; Krause StV 1984, 483 [488]; unklar OLG Stuttgart NJW 1968, das einerseits vom „Beweisthema“ spricht, andererseits die Darlegung verlangt, es sei „ein formgerechter Antrag gestellt worden“), teils wird die Mitteilung auch der Begründung verlangt (so: MüKo-StPO-Trüg/Habetha, § 244 Rz. 406 [„vollständig“] und Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Auflage 2013, Rz. 307 [„in vollem Wortlaut“ gerade im Falle der Nichtbescheidung]). Der Senat muss diese Rechtsfrage auch anlässlich des vorliegenden Falles nicht abschließend entscheiden. Er muss daher auch nicht zu – freilich nicht entscheidungstragenden – Rechtsauffassung des OLG Hamburg Stellung beziehen, wonach es im Falle der behaupteten Verletzung von § 244 Abs. 6 StPO der Wiedergabe des Beweisantrags überhaupt nicht bedürfe (OLG Hamburg JR 1963, 473):

Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass eine (inhaltlich) fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen im Fall des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG nicht selbständig gerügt werden, sondern nur mit der Aufklärungsrüge (st. Senatsrechtsprechung, s. nur SenE v. 18.12.2013 – III-1 RBs 304/13 -; SenE v. 08.03.2016 – III-1 RBs 86/16 -; SenE v. 11.03.2016 – III-1 RBs 93/16 -; SenE v. 18.07.2017 – III-1 RBs 202/17 -; SenE v. 12.07.2018 – III-1 RBs 175/18 -; SenE v. 26.04.2019 – III-1 RBs 146/19 -; SenE v. 13.03.2020 – III-1 RBs 81/20 -). Daher gehört zur ordnungsgemäßen Ausführung der Rüge neben der Angabe der Inhalte von Beweisantrag und Ablehnungsbeschluss die Angabe der Tatsachen, welche die Fehlerhaftigkeit der Ablehnung ergeben (SenE v. 29.02.2000 – Ss 108/00 Z -; SenE v. 11.04.2000 – Ss 170/00 Z -; SenE v. 13.10.2000 – Ss 404/00 B -; SenE v. 15.02.2005 – 8 Ss-OWi 126/04 -; SenE v. 14.01.2010 – 83 Ss-OWi 100/09 -; SenE v. 24.10.2013 – III-1 RBs 290/13 -). Ferner ist mitzuteilen, welche – dem Betroffenen günstige – Tatsache die unterlassene Beweisaufnahme ergeben hätte, wobei es nicht genügt, ein günstiges Ergebnis lediglich als möglich hinzu­stellen (SenE v. 25.09.2002 – Ss 318/02 Z -; SenE v. 28.01.2003 – Ss 1/03 B -; SenE v. 03.08.2010 – III-1 RBs 192/10 -; SenE v. 26.04.2019 – III-1 RBs 146/19 -) und welche Umstände den Tatrichter zu einer solchen Beweiserhebung hätten drängen oder den Gebrauch des Beweismittels zumindest hätten nahe legen müssen (SenE v. 06.11.2001 – Ss 429/01 B -; SenE v. 08.02.2002 – Ss 34/02 B -; SenE v. 14.01.2010 – 83 Ss-OWi 100/09 -; SenE v. 03.08.2010 – III-1 RBs 192/10 -; s. insgesamt jüngst SenE v. 27.03.2020 – III-1 RBs 101/20).

Die Tatsachen, die das Tatgericht zu der begehrten Beweiserhebung hätten drängen müssen, ergeben sich hier – wie regelmäßig im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht – nicht bereits aus der Benennung von Beweisthema und Beweismittel. Da die Rechtsbeschwerdebegründung auch über die fehlende Antragsbegründung hinaus nicht dazu ausführt, welche Umstände den Gebrauch des Beweismittels zumindest hätte nahelegen müssen, ist der Senat nicht in die Lage versetzt zu beurteilen, ob das Urteil auf der Nichtbescheidung des Beweisantrags beruhen kann. So verhält es sich auch hinsichtlich der weiter mit dem Antrag begehrten tatrichterlichen Aufklärungsbemühungen.“

Das hat also nicht gereicht. Im Rechtsfolgenausspruch hat das OLG dann aber aufgehoben. Darauf komme ich noch mal zurück.

OWi I: Nicht ausreichende Beweiswürdigung, oder: Schlechtes Lichtbild

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Am heutigen Donnerstag dann mal wieder drei Entscheidungen zum Verkehrsrecht.

Ich starte mit dem OLG Celle, Beschl. v. 09.04.2020 – 1 Ss (OWi) 4/20 – zu der Dauerbrennerthematik: Anforderungen an die Urteilsgründe und Täteridentifizierung.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. In der Beweiswürdigung hat das AG ausgeführt, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft nicht in Abrede gestellt habe und die Feststellungen auf den glaubhaften Bekundugen des Zeugen PHK pp. sowie dem Inhalt der verlesenen Urkunden und der Inaugenscheinnahme der zu den Akten gelangten Lichtbildern beruhen würden. Der Betroffene sei bei Inaugenscheinnahme der in Bezug genommenen Lichtbilder eindeutig als Fahrer zu identifizieren.

Das OLG hat aufgehoben:

„Das Urteil ist —auch eingedenk des Umstandes, dass an die Urteilsgründe in Bußgeldverfahren keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind- bereits deshalb aufzuheben, weil die Beweiswürdigung in Bezug auf die getroffenen Feststellungen lückenhaft ist; diese vermag daher dieselben nicht in einer für das Rechtsbeschwerdegericht rechtlich überprüfbaren Weise zu tragen. So müssen die schriftlichen Urteilsgründe nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, sondern neben anderem auch erkennen lassen, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder diese für widerlegt ansieht (vgl. OLG Gelle, Beschluss vom 27. September 2019 -2 Ss Owi 260/19-; OLG Bamberg, Beschluss vom 9. Juli 2009 -3 Ss OWi 290/09- juris). Es bedarf einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe der wesentlichen Grundzüge der Einlassung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Februar 2017 -2 (10) SsBs 740/16-AK 265/16, DAR 2017, 395). Jedenfalls dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung dieser Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat, stellt diese Säumnis einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Oktober 2016 -1 Ss 55/06- juris).

Vorliegend lässt sich aus dem Urteil nicht entnehmen, ob sich der Betroffene in der Hauptverhandlung überhaupt geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Aus der Beweiswürdigung lässt sich lediglich erkennen, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft nicht in Abrede gestellt hat. Ob der Betroffene, und wenn ja in welcher Weise, sich zum Vorwurf eingelassen hat, bleibt letztlich offen. Folglich verhält sich das Urteil auch nicht dazu, ob der Tatrichter eine etwaige Einlassung, und ggf. in welchem Umfang, für widerlegt angesehen hat.

Das Urteil war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, §§ 353 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG und die Sache zur neuen Entscheidung —auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens- an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

Nach Auffassung des Senats ist das vom Verkehrsverstoß vom 5. Juli 2018 gefertigte Frontfoto nicht uneingeschränkt zur Identifizierung der Betroffenen geeignet. Die Kinnpartie wird durch das Lenkrad verdeckt, die Augenpartie einschließlich der Augenbrauen durch eine große Sonnenbrille. Das linke Ohr ist gar nicht, das rechte aufgrund der Verpixelung nur teilweise indivi¬dualisierbar erkennbar. Der Haaransatz ist durch die aufgeklappte Sonnenblende nur zu erahnen.

Angesichts dessen wird der Tatrichter näher darlegen müssen, warum er, unabhängig von einer Bezugnahme, trotz der eingeschränkten Bildqualität den Betroffenen als Fahrer identifizieren kann (vgl. OLG Hamm NZV 2006, 162). Die — auf dem Foto erkennbaren — charakteristischen Merkmale der Betroffenen, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind in einem solchen Fall zu benennen und zu beschreiben (BGH NJW 1996, 142). Dies fehlt im angefochtenen Urteil.“

M.E. vom OLG „großzügig“. Denn: „Nicht in Abrede gestellt“ hätte sicherlich manch anderem OLG „gereicht“.

StPO III: Wiedereinsetzung gegen die Berufungsverwerfung, oder: Wenn die Wiedereinsetzungsgründe verbraucht sind

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Und zum Tagesschluss dann noch eine KG-Entscheidung. Das KG hat im KG, Beschl. v. 06.07.2020 – 3 Ws 160/20 – zu einer Frage betreffend die Wiedereinsetzung bei einer Abwesenheitsverwerfung der Berufung (§ 329 StPO) Stellung genommen. Es geht um die „Qualität“ des Wiedereinsetzungsvorbringens:

„Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 4. November 2019 wegen versuchten Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 14. Mai 2020 verworfen, weil der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung nicht erschienen war. Den gegen das Verwerfungsurteil gerichteten Wiedereinsetzungsantrag hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss verworfen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten ist nach §§ 329 Abs. 7, 44, 45 StPO zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit zutreffender Begründung verworfen. Der Angeklagte hat keinen im Wiedereinsetzungsverfahren zu beachtenden Grund vorgebracht, der seine Terminsäumnis als im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 StPO unverschuldet erscheinen ließe.

Dabei kann im hiesigen Wiedereinsetzungsverfahren dahinstehen, ob der Angeklagte unverschuldet verhandlungsunfähig war. Denn gegen eine Verwerfungsurteil kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn Entschuldigungsgründe geltend gemacht werden, die dem Berufungsgericht nicht bekannt waren und auch nicht bekannt sein mussten, als es die Berufung verwarf, vgl. KG, Beschluss vom 24. August 2016 – 4 Ws 117/16 – m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Februar 2020 – 4 Ws 29/20 – [juris]). Daher ist anerkannt, dass ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO jedenfalls nicht auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht bereits in seinem Verwerfungsurteil als zur Entschuldigung nicht genügend gewürdigt hat (vgl. KG NStZ-RR 2006, 183). Solche Tatsachen sind für das Wiedereinsetzungsverfahren „verbraucht“. Für sie ist die Revision das allein geeignete Rechtsmittel. Diese strikt unterschiedliche Behandlung von Wiedereinsetzungs- und Revisionsgründen rechtfertigt sich schon durch die Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs. 2 GG). Denn die Wiedereinsetzung führt zu demselben Spruchkörper zurück, die Revision zu einem anderen (vgl. KG, Beschlüsse vom 28. Januar 2009 – 2 Ws 647/08 – m. w. N. und vom 24. August 2016 – 4 Ws 117/16 –).

Die durch den Angeklagten im Wiedereinsetzungsverfahren vorgebrachten Tatsachen sind im Berufungsurteil bereits ausführlich gewürdigt worden. Der Angeklagte hatte die Verlegung des Termins zur Berufungshauptverhandlung beantragt, weil er zwei Tage zuvor eine Operation zur Linsentransplantation habe und in der Folge eine Woche arbeitsunfähig sei. Ermittlungen des Kammervorsitzenden ergaben, dass der Angeklagte den Operationstermin in Kenntnis des Gerichtstermins vereinbart hatte, ohne dass dieser Zeitpunkt medizinisch indiziert gewesen wäre. Denn, so heißt es im Verwerfungsurteil, der Angeklagte „hätte die Operation unproblematisch eine oder mehrere Wochen später durchführen können“.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten stützt sich auf diesen Sachverhalt. Der Angeklagte beharrt darauf und bekräftigt im Wiedereinsetzungsverfahren lediglich, durch die Augenoperation entschuldigt gewesen zu sein. Dieser Gesichtspunkt ist aber durch das Verwerfungsurteil gewürdigt worden und damit im Rechtssinne verbraucht.“

StPO II: Urteilsformel „Wir machen das jetzt so: Freispruch“

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Köln. Das hat im OLG Köln, Beschl. v. 31.03.2020 -III 1 Rvs 58/20  über einen in meinen Augen „leicht atypischen“ Sachverhalt entschieden, und zwar.

Am 15.01.2020 hat vor dem AG Köln – Schöffengericht – die Hauptverhandlung gegen die drei An­geklagten stattgefunden; verfahrensgegenständlich sind Taten vom 13.10.2018, die die Staatsanwaltschaft gemäß Anklage vom 04.06.2019 als Raub und Freiheitsberaubung angeklagt hat. Das Hauptverhandlungsprotokoll vom 15.01.2020 weist folgenden Eintrag auf:

„Die Schöffen signalisieren nach Blickkontakt mit dem Richter ihre Zustimmung. Der Vorsitzende Richter erklärt sodann: Dann machen wir das so: Freispruch.“

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Ausspruch ein Rechtsmittel eingelegt, das am 16.01.2020 beim AG eingegangen ist. Der Vorsitzende des Schöffengerichts ist ausweislich seines Aktenvermerks vom 03.02.2020 der Ansicht, es sei kein rechtswirksames Urteil ergangen; er beabsichtigt, einen neuen Hauptverhandlungstermin zu bestimmen. Diesen Aktenvermerk hat er der Staatsanwaltschaft „U.m.A. unter Hinweis auf obigen Vermerk zur Kenntnis und ggf. Stellungnahme“ übersandt. Wann die Akte bei der Staatsanwaltschaft eingegangen ist, ist nicht aktenkundig. Mit Verfügung vom 18.02.2020 hat die Staatsanwaltschaft um Absetzung des Urteils gebeten und Ausführungen dazu gemacht, dass nach ihrer Auffassung das Gericht ein (freisprechendes) Urteil verkündet habe. Mit Verfügung vom 05.03.2020 hat der Vorsitzende an seiner Rechtsauffassung festgehalten, bei der Staatsanwaltschaft „angefragt“ ob an dem Rechtsmittel festgehalten wird und um Spezifizierung als Berufung oder Revision gebeten. Ein schriftliches Urteil ist bislang nicht abgesetzt worden. Mit Verfügung vom 10.03.2020 hat die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel als Revision bezeichnet. Der Vorsitzende des Schöffengerichts hat die Akte im Hinblick darauf (unmittelbar) dem Senat vorgelegt.

Das OLG hat die Akten zurückgegeben und meint:

„Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.

Zwar hat das Amtsgericht in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2020 ein rechtswirksames Urteil verkündet, gegen das die Staatsanwaltschaft fristgerecht „Rechtsmittel“ eingelegt hat. Da das Urteil aber bisher nicht wirksam zugestellt wurde, wurde auch die Revisionsbegründungsfrist, innerhalb derer eine Spezifizierung des Rechtsmittels erfolgen kann, nicht in Gang gesetzt. Die Akte ist daher an das Amtsgericht zurückzugeben, damit die Zustellung bewirkt werden kann.

1. Das freisprechende Erkenntnis des Amtsgerichts vom 15. Januar 2020 stellt ein rechtwirksames Urteil dar, gegen das ein Rechtsmittel statthaft ist.

Wesentlicher Teil der Urteilsverkündung ist die Verlesung der Urteilsformel; fehlt sie, so liegt kein Urteil im Rechtssinne vor (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage, § 268 Rn. 5 m.w.N.). Demnach enthält die Urteilsformel den eigentlichen Urteilsausspruch. § 173 Abs. 1 GVG bezeichnet sie sogar als das „Urteil“. Ist die Formel nicht verkündet, so liegt deshalb kein Urteil im Rechtssinne vor (vgl. BGHSt 8, 41 ff, zitiert nach juris, Rn. 8).

Ausweislich des Sitzungsprotokolls, welchem nach § 274 StPO formelle Beweiskraft zukommt, hat der Vorsitzende des Schöffengerichts in der Hauptverhandlung eine Urteilsformel verkündet. Zwar verstieß die Verfahrensweise des Tatrichters gegen die Verfahrensvorschrift des § 268 Abs. 2 S 1 StPO, weil – wie sich aus dem von ihm selbst niedergelegten Aktenvermerk vom 3. Februar 2020 ergibt – der Tenor nicht zuvor schriftlich niedergelegt und nicht durch Verlesung verkündet wurde.  Eine verkündete Urteilsformel begründet jedoch auch dann ein rechtswirksames und damit rechtsmittelfähiges Urteil, wenn eine Urteilsformel verkündet wird, die zuvor nicht oder nicht vollständig schriftlich niedergelegt wurde (vgl. so wohl in der Tendenz auch Beck-OK-Peglau, § 268 Rn. 4: „fraglich“). Der Sinn und Zweck des Erfordernisses, die Urteilsformel zunächst zu verschriftlichen und sodann zu verlesen, besteht darin, die Übereinstimmung zwischen der verkündeten Urteilsformel und der protokollierten und in das schriftliche Urteil übergehenden Formulierung zu sichern (vgl. RGSt 16, 347, 349). Diese Sicherungs- und Beweiszwecke führen aber nach Auffassung des Senats nicht dazu, dieses in der Prozessordnung vorgesehene Erfordernis als konstitutiv für die Rechtswirksamkeit eines Urteils anzusehen. Denn das Gericht hat, indem es einen Tenor verkündet hat, eine Entscheidung über den Anklagegenstand treffen wollen und tatsächlich getroffen, eine solche Entscheidung ausgesprochen und schließlich protokolliert. Einen Grund, darin gleichwohl ein „Nichts“, mithin eine „nichtige“ richterliche Entscheidung zu sehen, ist nicht erkennbar. Gegen ein konstitutives Erfordernis in diesem Sinne spricht – im Sinne einer Kontrollüberlegung – im Übrigen auch, dass die Strafprozessordung keinerlei Regelungen enthält oder Vorgaben dazu macht, an welcher Stelle eine Verschriftlichung vor Verlesung zu erfolgen hat bzw. dass eine solche etwa zum Gegenstand der Akte gemacht werden müsste.

Auch wenn die von dem Vorsitzenden des Schöffengerichts verkündete Urteilsformel „Wir machen das jetzt so: Freispruch“ einen umgangssprachlichen und von üblichen Tenorformulierungen deutlich abweichenden Wortlaut hat, war für alle Verfahrensbeteiligten – die im Übrigen auch zuvor übereinstimmend „Freispruch“ beantragt hatten – der verkündete Ausspruch in seinem Sinngehalt eindeutig. Die Angeklagten sind damit in erster Instanz rechtswirksam freigesprochen worden.

2. Das hiergegen gerichtete „Rechtsmittel“ der Staatsanwaltschaft ist unter dem 16. Januar 2020 rechtzeitig eingelegt worden. Eine Behandlung als (Sprung)Revision und Entscheidung hierüber durch den Senat als Revisionsgericht kann aber derzeit nicht erfolgen, weil die Frist zur Begründung einer Revision mangels Zustellung des Urteils noch nicht in Gang gesetzt worden ist und damit auch nicht abgelaufen sein kann.

Solange sich der Beschwerdeführer nicht endgültig und verbindlich für die Wahl der Revision entscheidet, ist das von ihm eingelegte Rechtsmittel eine Berufung (BGHSt 33, 183, 189 = NJW 1985, 2960, 2961; SenE v. 15.10.1991 – Ss 481/91 – = NStZ 1992, 204, 205; OLG Köln 3. StrS MDR 1980, 690 = VRS 59, 436). Die endgültige Wahl zwischen Berufung und Revision muss bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO getroffen werden (BGHSt 40, 398; Meyer-Goßner, a.a.O., § 335 Rn. 3). Dies setzt denknotwendig voraus, dass eine Revisionsbegründungsfrist überhaupt in Gang gesetzt wurde.

Die Frist zur Begründung der Revision, die auch maßgeblich ist für die Spezifizierung eines zunächst unbenannt eingelegten Rechtsmittels, ergibt sich aus § 345 Abs. 1 StPO.  Danach beginnt die Monatsfrist regelmäßig mit der Zustellung des schriftlichen Urteils. Nach § 275 Abs. 1 StPO ist das schriftliche Urteil, sofern es nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen ist, unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muss spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilgründe nicht mehr geändert werden. Dementsprechend genügt für den Fristbeginn die Zustellung der Urteilsformel, wenn Gründe nicht vorhanden sind oder wenn Gründe verloren gegangen sind, die nicht wiederhergestellt werden können (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 345 Rn. 5).

Der – ungewöhnliche und von der Prozessordnung nicht vorgesehene – Fall, dass es keine Urteilsgründe gibt (und nach Ablauf von fünf Wochen nach Verkündung auch nicht mehr geben kann), weil der Vorsitzende rechtsirrig die Auffassung vertritt, er habe gar kein Urteil gesprochen und daher davon absieht, schriftliche Urteilsgründe zur Akte zu bringen, ist nach Auffassung des Senats mit Blick auf den Beginn der Revisionsbegründungsfrist entsprechend zu behandeln, d.h. maßgeblich ist die Zustellung der Urteilsformel. Auch eine solche ist aber bisher nicht erfolgt. Zwar hat der Vorsitzende des Schöffengerichts unter dem 3. Februar 2020 die Übersendung der Hauptakte „zur Kenntnis- und Stellungnahme“ an die Staatsanwaltschaft verfügt, dies jedoch formlos und nicht unter Hinweis auf und nach Maßgabe des insoweit einschlägigen § 41 StPO. Darin vermag der Senat schon deswegen keine förmliche Zustellung zu erkennen, weil  entgegen § 41 Abs. 1 S 2 StPO der „Tag der Vorlegung“ von der Staatsanwaltschaft nicht auf der Urschrift vermerkt wurde, so dass sich der Tag des Fristbeginns auch nicht feststellen lässt.

Ist die Revisionsbegründungfrist nicht in Gang gesetzt, konnte das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft durch die nachfolgende Verfügung vom 10. März 2020 – deren Eingang bei Gericht sich ebenfalls nicht aus der Akte ergibt – auch nicht verbindlich und rechtswirksam zur Revision bestimmt werden. Damit wirkt es sich nicht aus, dass der Senat den Zuschriften der Staatsanwaltschaft bis heute keine zulässige Revisionsbegründung in Gestalt einer zulässig erhobenen Verfahrens- oder Sachrüge entnehmen kann.

3. Der Senat gibt die Sache daher an das Amtsgericht zur Bewirkung einer förmlichen Zustellung der Urteilsformel zurück.

Für die weitere Verfahrensweise regt der Senat an, den Übergang zur Sprungrevision zu überdenken. Würde das Rechtsmittel fristgerecht zur Revision bestimmt und würde die Staatsanwaltschaft – was bisher nicht erfolgt ist – die Revision nach Maßgabe des § 344 Abs. 2 StPO zulässig begründen, würde dies nach den Regelungen des § 349 StPO die Durchführung einer mit erheblichen Kosten verbundenen Revisionshauptverhandlung erforderlich machen, die nach derzeitigem Sachstand ohne Sachprüfung schon deshalb zur Urteilsaufhebung führen könnte, weil das Urteil keine schriftlichen Gründe hat. Auch um weitere zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, erscheint es daher sachgerechter, das Rechtsmittel in der Tatsacheninstanz als Berufung durchzuführen.“