Archiv für den Monat: Juli 2015

Für eine Zahlungserleichterung muss man nicht in die Hauptverhandlung

© AKS- Fotolia.com

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§ 411 Absatz 1 Satz 3 StPO sieht die Möglichkeit einer Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss vor, wenn der Einspruch auf die Höhe der Tagessätze beschränkt ist. Der Wortlaut bezieht sich allerdings nur auf die „Höhe der Tagessätze“. Das AG Kehl hat im AG Kehl, Beschl. v. 17.06.2015 – 3 Cs 208 Js 18057/14 – das jetzt erweiternd ausgelegt auf die Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl auf die Gewährung einer Zahlungserleichterung. Mit m.E. überzeugender Begründung:

„Allerdings ist diese Vorschrift dahingehend auszulegen, dass das Beschlussverfahren auch dann Anwendung findet, wenn der Einspruch nur zum Zweck der Erreichung einer Zahlungserleichterung nach § 42 StGB oder einer Änderung einer solchen Zahlungserleichterung zu Gunsten des Angeklagten eingelegt wird. Denn mit dem Beschlussverfahren soll eine – gerade auch im Interesse des Angeklagten liegende – Verfahrensvereinfachung erzielt werden, wenn es lediglich um die Anpassung der Rechtsfolgen an die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten geht (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 411, Rn. 9a). Wenn damit schon eine Anpassung der Höhe der Tagessätze ohne Hauptverhandlung ermöglicht wird, muss dies erst recht für die alleinige Entscheidung über die Gewährung einer Zahlungserleichterung nach § 42 StGB gelten. Dass Zahlungserleichterungen bei einem Beschluss nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO gewährt werden können, mit dem die Tagessatzhöhe bestimmt wird, ist allgemein anerkannt und gängige Praxis, zumal Zahlungserleichterungen zusammen mit der Verhängung der Geldstrafe durch Urteil oder Strafbefehl zu gewähren sind, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 42, Rn. 6). Es liefe deshalb der gesetzgeberischen Intention des § 411 Absatz1 Satz 3 StPO zuwider, würde man eine Hauptverhandlung nur für die Entscheidung über die Gewährung einer Zahlungserleichterung für erforderlich halten, selbst wenn die nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO notwendigen Zustimmungen zum Beschlussverfahren vorliegen.“

Hat natürlich gebührenrechtliche Konsequenzen. Denn, wenn man den § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO erweiternd auslegt, wird man das auch für die Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 4 VV RVG tun müssen.

Die Polizei dein Freund und Helfer – „Zuhause sicher“

Diebstahl.pngNun, jetzt muss ich dann aber doch mal eine Lanze brechen – ja, nicht immer nur meckern über die Polizei, sondern auch mal loben. 🙂 Also:

Bei uns im Haus ist vor 1 1/2 Wochen eingebrochen worden. Zum Glück nicht in unsere Wohnung, aber eben bei einem Nachbarn. Am hellichten Tag, Samstagsvormittags zwischen ca. 8.30 Unr und 13.30 Uhr. Einbruch in der 1. Etage über das Treppenhaus.

Natürlich ist man dann sehr sensibilisiert. Nicht nur der Nachbar, bei dem eingebrochen worden ist, sondern eben alle. Und jetzt – das Kind ist in den berühmten Brunnen gefallen – kümmert man sich um Einbruchschutz.

Die Beratung hatten wir vorhin hier im Haus. Dauer knapp 2 1/2 Stunden, kompetent und gut – über das „Kommissariat Vorbeugung“ des Polizeipräsidiums Münster. Ergebnis: Es ist viel zu tun, packen wir es an. Ich hatte gedacht, unser „Home“ wäre dann doch schon mehr „castle“. Ist es dann aber leider doch nicht – zumindes noch nicht genug.

Und das werden wir dann mit dem Netzwerk 🙂 „Zuhause sicher“ ändern. Wohnungseingangstür, Fenster, Balkon- und Terrassentüren – wir kommen. Wird nicht  ganz billig. Aber sollte sich lohnen. Denn: Der letzte Einbruch bei uns direkt liegt jetzt gut 25 Jahre zurück. Wenn ich höre, dass statistisch alle 32,5 Jahre in meine Wohnung eingebrochen wird, sind wir bald wieder dran. Dem wollen wir dann doch – im wahrsten Sinne des Wortes – einen Riegel vorschieben.

Fazit: Besten Dank an das „Kommissariat Vorbeugung“. Wir freuen uns dann auf den „Kontrollbesuch“ :-).

0,4 g bzw. 0.7 g Marihuanazubereitungen = geringe Menge => Absehen von Strafe

© macrovector - Fotolia.com

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Was ist bei „Marihuanazubereitungen“ ein geringe Menge? Die Antwort auf die Frage, die für den Angeklagten von entscheidender Bedeutung sein kann, gibt uns jetzt (noch einmal) der OLG Hamm, Beschl. v. III-2 RVs 30/15.  Das AG Iserlohn hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen u.a. zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt worden. Nach den Feststellungen des AG befand sich der Angeklagte anlässlich von Polizeikontrollen am 11.04.2014 im Besitz von 0,4 g Marihuana und am 22.04.2014 im Besitz von 0,7 g Marihuana. Das OLG hebt auf, weil es Ausführungen zu § 29 Abs. 5 BtMG vermisst:

„Das angefochtene Urteil ist im Strafausspruch rechtsfehlerhaft, da dem Senat anhand der insoweit lückenhaften Strafzumessungserwägungen die Prüfung nicht möglich ist, ob das Berufungsgericht ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit eines Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG keinen Gebrauch gemacht hat. Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift nicht erörtert.

Bei dem Marihuana, welches nach den Feststellungen des Landgerichts Hagen am jeweiligen Tattag im Besitz des Angeklagten vorgefunden wurde, handelt es sich in beiden Fällen um eine sehr kleine Menge, die – nach den getroffenen Feststellungen naheliegend – zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt war. Sie stellt eine „geringe Menge“ i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG dar.

Als eine „geringe Menge“ im Sinne der vorgenannten Gesetzesbestimmung ist eine Menge anzusehen, die zum einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch geeignet ist (vgl. Weber, BtMG, 4.  Aufl., 29 Rdnr. 1801). Bei Cannabis wird die durchschnittliche Konsumeinheit mit 15 mg THC angesetzt, so dass der Grenzwert für die „geringe“ Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG 45 mg (= 0,045 g) THC beträgt. Wird der Wirkstoffgehalt – wie vorliegend – nicht festgestellt, wird zum Teil in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ein Cannabisgemisch mit einer Gewichtsmenge von bis zu 6 Gramm als „geringe Menge“ i.S.d. § 29 Abs. 5 StGB angesehen, weil sich unter Annahme einer äußerst schlechten Konzentration von 0,8 % aus 6 g Haschisch noch drei Konsumeinheiten gewinnen lassen (vgl. Weber, a.a.O., § 29 Rdnr. 1811 u. 1812 m.w.N.; Körner, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 28 Rdnr. 39 m.w.N.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.10.2008 — Ss 355/08 -; BeckRS 2008, 22472). Stellt man auf die Richtlinien zur Anwendung des § 31 a Abs. 1 BtMG gemäß dem Runderlass des Justizministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19.05.2011 — JMBL.. NRW S. 106 — ab, so ist von einer geringe Menge zum Eigenverbrauch gemäß Ziffer II. 1. der Richtlinien bei Cannabisprodukten bis zu einer Gewichtsmenge von 10 g auszugehen.

Die Marihuanazubereitungen mit einem Nettogewicht von 0,4 g bzw. 0,7 g, die bei dem Angeklagten vorgefunden worden sind, lagen daher erheblich unter den vorgenannten Grenzmengen für Cannabisprodukte von 6 g bzw. 10 g. Das Amtsgericht hat sich dennoch nicht erkennbar mit der Anwendung der Vorschrift des § 29 Abs. 5 BtMG, bei der es sich um eine Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Übermaß-verbotes handelt (vgl. Körner, a.a.O., § 29 Randziffer 3 m.w.N.), befasst. Hierzu hätte vorliegend jedoch insbesondere auch deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht vorbestraft ist und über den festgestellten strafbaren Betäubungsmittelbesitz hinausgehend konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Fremdgefährdung — etwa durch die nahe liegende Möglichkeit der Abgabe von Betäubungsmitte n an Dritte oder durch Beschaffungskriminalität — nicht ersichtlich sind. Entgegenstehende Feststellungen sind zumindest nicht getroffen. Auch ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Dauerkonsumenten handelt. Allein die Feststellung des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen reicht für eine solche Annahme nicht aus.“

Kleine Anmerkung an den Leser, der vielleicht ein wenig verwirrt ist, dass das OLG vom „LG Hagen“ und vom „Berufungsgericht“ spricht: Kann schon mal passieren, dass man übersieht, dass es sich um eine Sprungrevision gehandelt hat 🙂 .

Kann der Nebenkläger eine falsche Kostengrundentscheidung anfechten?

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Ohne Kostengrundentscheidung klappt das nicht mit der Kostenerstattung. Daher ist bei „Kostenerstattungsfragen“ immer meine erste „Rückfrage“: Haben Sie denn eine Kostengrundentscheidung zu Ihren Gunsten? Und häufig stellt sich dann heraus, dass das (leider) nicht der Fall ist. Manchmal kann man dann noch etwas retten und die Kostengrundentscheidung, in der z.B. ein Verfahrensbeteiligter „übersehen“ worden ist, nach § 464 Abs. 3 StPO anfechten. Häufig läuft die Beschwerdefrist ja nicht bzw. es ist Wiedereinsetzung zu gewähren, weil über die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung nicht belehrt worden ist.

Ein wenig schwieriger wird es, wenn es sich um den Nebenkläger handelt. Dann ergibt sich nämlich die Frage: Steht der Anfechtung durch den Nebenkläger nicht ggf. § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO entgegen? Mit der Frage hatte sich vor kurzem das OLG Hamburg zu befassen.Das AG hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Angeklagten auferlegt. Die hiergegen vom Angeklagten unbeschränkt geführte Berufung hat dieser dann vor Beginn der Berufungshauptverhandlung zurückgenommen. Durch Beschluss des LG hat dieses dem Angeklagten die in der Berufungsinstanz entstandenen Verfahrenskosten und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen nach Rücknahme der Berufung auferlegt, den Nebenkläger und seine Kosten/Auslagen aber übersehen. Dagegen richtete sich das Rechtsmittel des Nebenklägers. Mit Erfolg, denn dazu heißt es im OLG Hamburg, Beschl. v. 09.06.2015 – 1 Ws 69/15:

„c) Der Zulässigkeit steht auch nicht § 464 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Hierzu müsste die Beschwerde schon nach der Art der Entscheidung schlechthin unzulässig oder der Rechtsmittelführer grundsätzlich nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt sein (vgl. nur KK/Gieg, 7. Aufl., § 464 Rn. 8 m.w.N.). So lag es hier aber nicht. Das Urteil der Berufungskammer über die unbeschränkt eingelegte Berufung des Angeklagten wäre für den Nebenkläger grundsätzlich mit der Re-vision anfechtbar gewesen (§ 401 StPO). Etwas anderes kann für die Anfechtbarkeit der Hauptentscheidung und die damit einhergehende Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auch dann nicht gelten, wenn das Rechtsmittel in der Berufungsinstanz zurückgenommen worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12. Juli 2001 — 2 Ws 141/2001, BeckRS 2001, 30193309; KG, Beschl. v. 26. Mai 2000 — 3 Ws 112/00, BeckRS 2000, 05184).“

Antwort auf die Frage in der Überschrift also: Ja, er kann 🙂 .

„Liebesverhältnis“ zu einem Strafverteidiger, ab in die Zivilkammer, aber dann: Gehe zurück auf Los

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Gestern hatte ich bereits zu Besetzungsfragen gepostet, und zwar zum BGH, Beschl. v. 12.05. 2015 – 3 StR 569/14 (vgl. dazu Einzelzuweisung? Der Faux pas des OLG kostet die Staatskasse richtiges Geld). Nicht ganz so schlimm 🙂 ist m.E. die Geschichte, die zur der Aufhebung eines Urteils wegen einer Beteiligung an einem Mord geführt hat durch den BGH, Beschl. v. 21.05.2015- 4 StR 577/14. Allerdings: Schön ist sie auch nicht.

Das Verfahren „spielt“ in Bielefeld. Nach Eingang der Anklageschrift  bei der 10. Strafkammer des Landgerichts hatte die der Strafkammer angehörende Richterin W. der Vorsitzenden mitgeteilt, dass sie ein Liebesverhältnis zu einem als Strafverteidiger tätigen Partner der Rechtsanwaltssozietät unterhalte, der auch der Verteidiger des Angeklagten angehörte. Hiervon unterrichtete die Vorsitzende das Präsidium des Landgerichts. Dieses erließ einen (10. Änderungsbeschluss zur Geschäftsverteilung für das Landgericht Bielefeld, nach dem die betreffende Richterin aus der 10. Strafkammer ausschied und einer Zivilkammer zugewiesen wurde. Gleichzeitig wurden der 10. Strafkammer zwei Richter (mit 1,8 AK) zugewiesen. Zur Begründung wurde auf eine Überlastung der 10. Strafkammer „wegen unerwartet hoher Eingänge“ verwiesen.

Am 03.08.2012 wurde erstmals mit der Hauptverhandlung begonnen. Am 2. Hauptverhandlungstag rügte der Verteidiger des Angeklagten S. die Besetzung der Schwurgerichtskammer. Daraufhin erließ am 15.08.2012 das Präsidium einen weiteren Beschluss, in dem der Beschluss vom 28. Juni 2012 klarstellend dahin ergänzt wurde, dass das Ausscheiden von Richterin W. aus der 10. Strafkammer vor dem Hintergrund ihrer engen persönlichen Beziehung zu einem Strafverteidiger aus einer Rechtsanwaltskanzlei, deren Mitglieder „sehr häufig“ vor dem LG Bielefeld in Strafsachen auftreten, erfolgt sei. Durch einen Verbleib der Richterin in der 10. Strafkammer sei ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei. Daher halte das Präsidium einen Verbleib der Richterin im Strafbereich vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 15.03. 2012 (Az. V ZB 102/11) nicht für möglich. Bei der Umsetzung der Richterin verblieb es.

Nach Aussetzung der Hauptverhandlung wurde mit dieser am 31. August 2012 erneut begonnen. Der Verteidiger des Angeklagten S. rügte rechtzeitig wiederum die Besetzung des Schwurgerichts mit der Begründung, die Beschlüsse des Präsidiums zur Umsetzung der Richterin W. seien nicht mit § 21e Abs. 3 GVG vereinbar. Die Schwurgerichtskammer wies den Besetzungseinwand zurück.

Dem BGH passt das Ganze nicht. Nicht das „Liebesverhältnis“, sondern die Art und der Weise der Dokumentation:

b) Den vorgenannten Dokumentationsanforderungen genügt der Be-schluss des Präsidiums des Landgerichts vom 15. August 2012 nicht. Zur Begründung der Besetzungsänderung in der 10. Strafkammer wird dort lediglich ausgeführt, dass Mitglieder der Kanzlei Dr. R. und Partner „sehr häufig“ vor dem Landgericht Bielefeld in Strafsachen auftreten und daher durch den Ver-bleib von Richterin am Landgericht W. in der 10. Strafkammer ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet sei, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei.

Anhand dieser Begründung des Präsidiumsbeschlusses kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob tatsächlich die Effizienz der Arbeitsweise in der 10. Strafkammer im laufenden Geschäftsjahr durch eine mögliche Verhinderung der Richterin infolge – nach Einschätzung des Präsidiums – begründeter Ablehnungsanträge in einer Weise in Frage gestellt sein konnte, dass eine – nur unter den engen Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG zulässige – unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans gerechtfertigt war. Es fehlt bereits an einer Darlegung der Anzahl der Verfahren, in denen aufgrund einer Beteiligung der Kanzlei Dr. R. und Partner Befangenheitsanträge drohen konnten. Darüber hinaus fehlt – was für die Einschätzung der Begründetheit möglicher Befangenheitsgesuche von Bedeutung gewesen wäre – jegliche Mitteilung dazu, ob der Rechtsanwalt, zu dem die aus der Strafkammer ausge-schiedene Richterin eine Beziehung unterhielt, im Zeitpunkt der Änderung der Geschäftsverteilung selbst in einem vor der Schwurgerichtskammer anhängigen Verfahren als Verteidiger oder Nebenklägervertreter tätig war. Die Begründung ist auch nicht durch das Präsidium des Landgerichts bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand nach § 222b StPO nachgeholt worden (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1734, 1735; BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 277 f.).

Erst in dem Beschluss der 10. Strafkammer vom 2. Oktober 2012, mit dem diese den Besetzungseinwand vom 31. August 2012 zurückgewiesen hat, wird ausgeführt, es sei der Kammer bekannt, dass Rechtsanwalt Dr. R. zum Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses zur Geschäftsverteilung für das Landgericht Bielefeld nach eigener Erklärung bereits in vier zur Hauptverhandlung anstehenden Schwurgerichtssachen mandatiert sei; nach der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin vom 3. September 2012 handelte es sich hingegen nur um drei Verfahren.

Der Senat kann auf der Grundlage dieser Begründungen nicht überprüfen, ob im Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses vom 28. Juni 2012 tatsächlich die Wahrscheinlichkeit bestand, dass im verbleibenden 2. Halbjahr des Ge-schäftsjahres 2012 in einer so großen Anzahl von Verfahren vor der 10. Strafkammer zum Vertretungsfall führende Befangenheitsanträge gestellt werden konnten, dass die Änderung der laufenden Geschäftsverteilung zur Gewährleistung der Effizienz der Arbeit der Strafkammer nicht bis zum folgenden Geschäftsjahr aufgeschoben werden konnte.“

Ergebnis: Geh zurück auf Los ……