Archiv für den Monat: November 2010

Der BGH und die bestimmte Beweisbehauptung

Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Beweisantrag ist die bestimmte Beweisbehauptung (zum Inhalt des Beweisantrages Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 6. Aufl., 2010, Rn. 295 ff.). Gefährlich für einen Beweisantrag wird es immer, wenn es an der Stelle hapert. So hatte eine Strafkammer einen Beweisantrag mit der Bgründung: Beweisbehauptung nicht bestimmt genug, zurückgewiesen. Der BGH sagt in seinem Beschl. v. 27.10.2010 – 5 StR 359/10: Falsch, und führt dazu aus:

„Gleiches gilt hinsichtlich der Beweisbehauptung. Die in der Revisionsbegründung als mehrfaches Stürzen und Abstützen an der Wand präzisierten „Ausfallerscheinungen“ erfüllten – zumal angesichts der sofortigen Verfügbarkeit des Beweismittels – zum Zeitpunkt der Antragstellung als schlagwortartig verkürzte Bezeichnung weit verbreiteter und bekannter körperlicher Zustände unter Alkoholeinwirkung noch das beweisantragsrechtliche Bestimmtheitsgebot (vgl. BGH NStZ 2008, 52, 53 m.w.N.; vgl. auch BGH NStZ 2004, 99, 100; 2006, 585, 586).

3. Die Rüge ist auch begründet. Zwar ist die Anwendung der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in dem Antrag nicht ausdrücklich als Bedingung formuliert worden. Die Bewertung der Verknüpfung einer erheblichen Beeinflussung durch Alkohol, zu beweisen durch deutlich erhebliche motorische Ausfallerscheinungen, ergibt indes bei kontext- und interessengerechter Betrachtung die Anwendung des gemilderten Strafrahmens als Kern des Begehrens.

Wochenspiegel für die 48. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand…

Wir berichten:

  1. Zum Inbegriff der Hauptverhandlung, hier.
  2. Zum abirrenden Fussball hier.
  3. Zur Beiziehung von Akten aus anderen aus vom Verteidiger vorgetragenen Gründen, hier, Lächerlich?
  4. Zum Jugendstrafverfahren hier.
  5. Und immer wieder Kachelmann, hier und hier.
  6. Manchmal ist es besser, wenn man nichts sagt, könnte man auch zu dem Bericht der Kollegin Rueber schreiben: Wir überprüfen Stichwörter. Heute: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
  7. Interessant: Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, vgl. hier.
  8. Nintendo hinter Gittern?, vgl. hier.
  9. Zum Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung, hier.
  10. Die reduzierte Besetzung der großen StK, vgl. hier.

„Die Erfahrung und die „empfindliche Nase“ eines Polizeibeamten…

… reichen zur Feststellung einer bestimmten Menge von Alkohol im Blut des Angeklagten nicht aus.“ Darauf weist das OLG Hamm in seinem Beschl. v. 12.10.2010 – III 3 RVs 49/10, über den ich gerade in Zusammengang mit der verfahrensrechtlichen Problematik bereits berichtet habe (vgl. hier), hin.

Man fragt sich schon: Was ist denn eigentliche eine „empfindliche Nase“?

Ups, dann berichtige ich mal eben das Protokoll – OLG Hamm sagt: So nicht.

hatte sich wohl die Amtsrichterin in dem dem Beschl. des OLG Hamm v. 12.10.2010 – III 3 RVs 49/10 zugrundeliegenden Verfahren gedacht und war damit einem Antrag der GStA nachgekommen.

Aus dem Protokoll ergab sich nämlich nicht, dass in der Hauptverhandlung das Blutalkoholgutachten verlesen worden war. Zu diesem Antrag war der Verteidiger zwar gehört worden, im weiteren Berichtigungsverfahren hingegen dann nicht mehr, sondern das hatte die Amtsrichterin nach „Bad Oeynhausener“ Landrecht betrieben und – völlig abweichend von den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH niemanden mehr beteiligt – auch die Protokollführern nicht.

Das OLG sagt: So nicht und gibt dann gleich auch noch einen kleine Fortbildung in diesen Fragen. Die Rechtsprechung des BGH scheint sich bis zum AG Bad Oeynhausen wohl noch nicht herumgesprochen zu haben.

Was denn nun? Verständigung ja oder nein – Widerspruch im Protokoll?

Aufgrund der die Protollfragen in Zusammenhang mit einer Verständigung regelnden neuen Vorschrift des § 273 Abs. 1a StPO muss sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben, dass entweder eines Verständigung zustandegekommen ist (Abs. 1a Satz 1 und 2) oder, dass eine Verständigung nicht getroffen worden ist (sog. Negativattest in Abs. 1a S. 3). Sagt das Protokoll weder das eine noch das andere, ist es widersprüchlich und lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft. Diese zu erwartende Entscheidung kommt heute vom BGH in dem Beschl. v. 29.09.2010 – 2 StR 371/10, der, was die Bedeutung unterstreicht, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist.

In der Sache ging es (mal wieder) um einen Rechtsmittelverzicht, dessen Unwirksamkeit geltend gemacht worden ist. Wir befinden uns, wenn das Protokoll keine ausreichende Beweiskraft hat, im Freibeweisverfahren mit der Folge, dass – so auch der BGH – der Angeklagte, der sich auf die Unwirksamkeit eines von ihm erklärten Rechtsmittelverzichts wegen einer vorausgegangenen Verständigung beruft, wenn das Protokoll dazu schweigt, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung im Freibeweisverfahren zu ermöglichen, im einzelnen darlegen muss, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist.