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OWi III: Neue(re) Technik führt zu neuen Problemen, oder: (Ordnungswidriger) Betrieb einer Drohne

Bild von Lars Nissen auf Pixabay

Und hier dann eine Entscheidung, zu der der Satz passt: Neue(re) Technik führt zu neuen Problemen/Entscheidungen. Es geht in dem AG Schwerin, Urt. v. 05.04.2023 – 113 Js 799/23 OWi – nämlich um den Betrieb einer Drohne. Dazu hatte ich, wenn ich micht richtig erinnere, hier im Blog bisher noch keine Entscheidung.

Das AG stellt Folgendes fest:

„Die Hauptverhandlung hat folgende Feststellungen ergeben:

Der Betroffene nutze am 22.12.2021 gegen 18:14 Uhr in 17438 Wolgast, im Bereich der Straßen Am Fischmarkt / Oberwallstraße (B111) / Am Kai eine Drohne vom Typ DJI Mini 2, die mit einer Kamera ausgestattet war. Der Betroffene war im Besitz einer Haftpflichtversicherung mit dem Namen „P“ mit der Versicherungsschein-Nummer X bei der N AG, die insbesondere Sach- und Personenschäden bis 50 Mio. Euro, bei einem maximalen Auszahlungsbetrag je geschädigter Person bis zu 15 Mio. Euro, sowie Vermögensschäden bis 50 Mio. Euro, umfasste. An der Drohne war keine Registrierungsnummer angebracht. Der Betroffene steuerte die Drohne über eine Fernsteuerung von der Straße Am Fischmarkt von einem Punkt aus, der sich etwa 20 bis 40 m nördlich von der Oberwallstraße (B111) befindet. Die Oberwallstraße (B111) verläuft von Südwesten nach Nordosten in dem Bereich. Im östlichen Bereich verläuft unmittelbar angrenzend und parallel zur Straße der Peenestrom / Achterwasser. Die Drohne flog zunächst im Bereich südlich der Oberwallstraße (B111) / Am Kai. Dieser Bereich wird im Osten durch den Peenestrom / Achterwasser und im Süden/Südosten durch Bahnschienen umgrenzt. Die Straße Am Kai verläuft von der Oberwallstraße (B111) abgehend Richtung Südosten in dem Bereich. Die westliche Straßenseite Am Kai verläuft fast parallel in einem Abstand von etwa 35 m bis 50 m zum Peenestrom / Achterwasser. Im westlichen Bereich Am Kai befindet sich in einem Abstand von 15 m zur Oberwallstraße (B111) ein begrünter Halbkreis. Von dessen westlichstem Punkt aus befindet sich östlich der Peenestrom / Achterwasser in einem Abstand von etwa 60 m und im Südosten Bahnschienen in einem Abstand von etwa 60 bis 70 m. Die Bahnschienen queren die Straße Am Kai und verlaufen südsüdwestlich in nordnordöstliche Richtung in einem Abstand von etwa 30 m bis 80 m zur Oberwallstraße (B111). In diesem Bereich befand sich zugleich eine Versammlung mit über 1.000 Teilnehmenden, die zum Teil eng beieinanderstanden. Während des Rückholmanövers der Drohne aus dem südlichen Bereich der Oberwallstraße (B111) zum Betroffenen im nördlichen Bereich der Oberwallstraße (B111) überflog die Drohne die Oberwallstraße (B111).

Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass die Drohne nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet war und der notwendige Abstand zu der Bundesfernstraße, der Bundeswasserstraße und der Bahnanlage nicht eingehalten war und dass er die Bundesfernstraße und die Menschenansammlung nicht hätte überfliegen dürfen.“

Auf der Grundlage verurteilt es den Betroffenen wegen

„fahrlässigen Verstoßes gegen die Kennzeichnungspflicht eines Flugmodells

in Tateinheit mit dem fahrlässigen Betrieb eines Flugmodells über und innerhalb eines seitlichen Abstands von 100 Metern zu einer Bundesfernstraße

in Tateinheit mit dem fahrlässigen Betrieb eines Flugmodells innerhalb eines seitlichen Abstands von 100 Metern zu einer Bundeswasserstraße

in Tateinheit mit dem fahrlässigen Betrieb eines Flugmodells innerhalb eines seitlichen Abstands von 100 Metern zu einer Bahnanlage

in Tateinheit mit dem fahrlässigen Überfliegen einer Menschenansammlung mit einem Flugmodell zu einer Geldbuße von 1.250,00 Euro verurteilt.“

Die Liste der angewendeten Vorschriften“ erspare ich mir – ist reichlich lang. Ebenso stelle ich die umfangreichen Gründe nicht ein, sondern verweise insoweit auf den verlinkten Volltext.

Was ich mir allerdings nicht erspare, ist die Frage: Wer sagt dem AG, dass die festgestellten Handlungen nicht „bußgeldbewährt“ sind, sondern „bußgeldbewehrt“? Oder sind da Rechtschreib-Änderungen an mir vorbeigegangen? Ob sich das AG Urteil „…. bewährt“ (hat), zeigt dann ggf. erst eine Rechtsbeschwerde beim OLG Rostock 🙂 .

„Entschädigung für Fußballfans nach Polizeigewalt bei Münchner Derby“, oder: Kennzeichnungspflicht?

entnommen wikimedia.org
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Ich eröffne den Reigen der Postings in der 3. KW mit zwei Hinweisen auf EGMR-Entscheidungen. Zunächst der Hinweis auf das EGMR, Urt. v. 09.11.2017 – 47274/15. Da liegt mir aber bislang nur die Pressemitteilung des EGMR vor. Einen Volltext in deutscher Sprache habe ich noch nicht. Es gibt bislang nur die englische Version. In der PM heißt es:

„Entschädigung für Fußballfans nach Polizeigewalt bei Münchner Derby

Der EGMR hat Deutschland wegen einer unzureichenden Untersuchung von Zusammenstößen zwischen Polizisten und Münchner Fußballfans verurteilt und den beiden klagenden Fans eine Entschädigung von jeweils 2.000 Euro zugesprochen.

In dem Fall ging es um mutmaßliche Polizeiübergriffe gegen Fußballfans nach einem Spiel in München am 09.12.2007 sowie um den Vorwurf der Beschwerdeführer, die beide als Zuschauer an dem Spiel teilnahmen, dass die Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Übergriffe gegen sie nicht sorgfältig geführt worden seien.

Da die Polizei für das Fußballspiel mit einem erhöhten Risiko von Ausschreitungen rechnete, waren über 200 Polizeibeamte im Einsatz. Nach Ende des Spiels bildeten Beamte eine Kette, um einen Teil der Zuschauer vorübergehend am Verlassen eines Stadionbereichs zu hindern und so Auseinandersetzungen rivalisierender Fans zu verhindern. Nach Angaben eines der Beschwerdeführer kam es nach der Öffnung der Polizeisperre zu Übergriffen der Polizei gegen Zuschauer. Er selbst sei von einem Polizisten mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen worden und habe eine Platzwunde erlitten, die eine notärztliche Behandlung erfordert habe. Der zweite Beschwerdeführer gibt an, dass ein Polizist ihm Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht habe; später sei er außerdem mit einem Schlagstock auf den Arm geschlagen worden. Nach Medienberichten über den Polizeieinsatz wurde ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Beide Beschwerdeführer erstatteten Strafanzeige gegen die verantwortlichen Polizeibeamten, ohne genaue Angaben zur Identität der Verantwortlichen zu machen, da die an dem Einsatz beteiligten Beamten Schutzhelme mit Visier sowie Uniformen ohne Namensschilder oder sichtbare Identifikationsnummern getragen hatten. Das Verfahren wurde im September 2008 eingestellt, die Ermittlungen aber nach Beschwerde der Beschwerdeführer wieder aufgenommen. Im August 2009 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren erneut ein, mit der Begründung, der Sachverhalt habe nicht weiter aufgeklärt werden können. Zudem kam die Staatsanwaltschaft aufgrund der Ermittlungen zu der Einschätzung, die Aggression sei nicht von den Polizeibeamten, sondern von einzelnen Fangruppen ausgegangen. Der Antrag der Beschwerdeführer auf gerichtliche Anordnung der Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde abgewiesen und ihre Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Vor dem EGMR machten die Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 3 (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geltend, sowohl aufgrund der behaupteten Gewaltanwendung durch die Polizei als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, aufgrund der Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden, die unzureichend gewesen sei.

Der EGMR hat einstimmig entschieden, dass keine Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund der behaupteten Gewaltanwendung durch die Polizei vorliegt. Zugleich hat er, ebenfalls einstimmig, eine Verletzung von Art. 3 EMRK in verfahrensrechtlicher Hinsicht, aufgrund der Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden, festgestellt. Der EGMR hat den beiden Fußballfans eine Entschädigung von jeweils 2.000 Euro und die Erstattung der Kosten i.H.v. 6.575,41 Euro zugesprochen.“

Wie gesagt: Der Volltext liegt noch nicht in deutscher Übersetzung vor. Man kann also m.E. noch nicht sagen, ob der EGMR nun tatsächlich, wie es an einigen anderen Stellen geheißen hat, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte gefordert hat. Mal abwarten.

Wochenspiegel für die 24. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. immer noch über Kachelmannhier, hierhier und hier (immer noch kein Ende?),
  2. Über die Bedeutung der Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, s. auch hier.
  3. ein wenig über die Strafbarkeit bei kino.to, vgl. auch hier.
  4. Über Messfehler bei ESO ES 1.0, vgl. auch hier.
  5. Über ein Knastranking.
  6. Über die Beschlagnahmefähigkeit von Domains, vgl. auch hier.
  7. Über die Kennzeichnungspflicht von Polizisten in Brandenburg,
  8. Über Medikamente für den Selbstmord und den EGMR.
  9. Über das „Karriermodell Dogendealer„,
  10. und über den Hund und den Briefträger.

Wochenspiegel für die 49. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. Immer wieder noch mal über Kachelmamn, vgl. hier, hier und hier.
  2. Zum übereilten Geständnis hier.
  3. Natürlich war die Winterreifenpflicht ein Thema, vgl. hier, hier, hier und hier.
  4. Zur „Wertigkeit“ von Strafrecht, hier. Wozu auch dieses passt.
  5. Um Redewendungen ging es mal wieder hier.
  6. Das übereilte Geständnis, hier.
  7. Karate für Staatsanwälte, war hier das Thema.
  8. Die Kennzeichnungspflicht für Berliner Polizisten, hier.
  9. Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Post, hier.
  10. Zum Rotlichtverstoß, hier.

Wochenspiegel für die 48. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand…

Wir berichten:

  1. Zum Inbegriff der Hauptverhandlung, hier.
  2. Zum abirrenden Fussball hier.
  3. Zur Beiziehung von Akten aus anderen aus vom Verteidiger vorgetragenen Gründen, hier, Lächerlich?
  4. Zum Jugendstrafverfahren hier.
  5. Und immer wieder Kachelmann, hier und hier.
  6. Manchmal ist es besser, wenn man nichts sagt, könnte man auch zu dem Bericht der Kollegin Rueber schreiben: Wir überprüfen Stichwörter. Heute: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
  7. Interessant: Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, vgl. hier.
  8. Nintendo hinter Gittern?, vgl. hier.
  9. Zum Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung, hier.
  10. Die reduzierte Besetzung der großen StK, vgl. hier.