Archiv für den Monat: August 2010

Glasklar eine gefährliche Körperverletzung

Man ist ja immer wieder erstaunt, welche Mittel eingesetzt werden, um einen anderen zu verletzten. So auch im Beschl. des BGH v. 17.10.2010 – 3 StR 10/10, wo in Zusammenhang mit einem Raubdelikt Glasreinigungssspray verwendet worden ist. Der BGH dazu:

„Die Feststellungen tragen aber die zum schweren Raub in Tateinheit stehende Verurteilung wegen des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung. Das von dem Angeklagten verwendete Glasreinigungsspray war nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall – Sprühen ins Gesicht – geeignet, erhebliche Körperverletzungen zumindest an den Augen der Opfer herbeizuführen. Dies zeigt der Umstand, dass die der Zeugin R. im Fall II. 2. der Urteilsgründe zugefügte Augenverletzung eine Einlieferung in die Augenklinik und anschließend eine dreimonatige Behandlung mit Augentropfen erforderlich machte.“

Ist doch glasklar, oder?

Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg

Der Beschl. des LG Düsseldorf v. 22.07.2010 – 11 Qs 86/10 ist Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn wegen eines Verstoßes gegen § 81a StPO bei der Blutentnahme ein Beweisverwertungverbot angenommen wird, zwar eine Schlacht gewonnen ist, aber noch nicht der Krieg. Denn natürlich kann ggf. aus anderen Beweisanzeichen auf Fahrunsicherheit des Beschuldigten geschlossen werden. Das hat das LG Düsseldorf – ebeno wie vor einiger Zeit das OLG Celle und auch das LG Berlin- getan. Wird leider häufig übersehen.

M.E. muss der Verteidiger den Beschuldigten über diese Möglichkeit aufklären, wenn andere Beweismittel vorliegen. Denn dann nützt die Schlacht um das Beweisverwertungsverbot nicht viel.

Wochenspiegel für die 33. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Zu berichten ist über:

  1. Eine Neuregelung für Behindertenparkausweise, vgl. hier.
  2. Punkte abfragen in Flensburg.
  3. Die ungeliebte Beifahrerin, es kommt immer auf den Blickwinkel an.
  4. Bußgeldkatalog 2011.
  5. Zum Filmen eines Polizeieinsatzes hier
  6. Das Notebook in der Hauptverhandlung spielte hier noch mal eine Rolle.
  7. Zum provozierten Verkehrsunfall hier.
  8. Zur Sicherungsverwahrung dann (endlich) die Vorlage zum BGH, hier.
  9. Darf man auf dem Motorrad Musik hören?
  10. Der Besitz von kinderpornografischen Schriften

BGB-AT meets Strafverfahren, oder: Die vom Verteidiger selbst unterzeichnete Vollmacht, zulässig oder nicht

Der Kollege Feltus hat gestern berichtet, dass er sich in einem Verwaltungsverfahren selbst eine schriftliche Vollmacht ausgestellt hat, nachdem die Verwaltungsbehörde die Vorlage einer solchen angefordert hatte (vgl. hier den Beitrag und auch hier den des Kollegen Melchior). Im Anschluss an seinen Beitrag ist in den Kommentaren eine heiße Diskussion entbrannt, ob das zulässig ist.

M.E. ja, die Regelungen des BGB-AT stehen m.E. nicht entgegen und m.E. gilt auch für den dort einschlägigen § 14 Abs. 1. Satz 2 VerwfG nicht anderes als im Strafverfahren. Ich mache es mir einfach und zitiere zum Strafverfahren aus dem eindeutigen Beschluss des BayObLG (länger ist es also schon her) v. 07.11.2001 – 5 St RR 285/01 – (BayObLGSt 2001, 153 = VRS 101, 436 = wistra 2002, 160 =  NZV 2002, 199 = NStZ 2002, 277). Das LG hatte die Berufung der nicht erschienenen Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Nach Auffassung des LG lagen die Voraussetzungen, unter denen sich die Angeklagte durch einen Vertreter vertreten lassen konnte, nicht vor, weil der Verteidiger nur eine unterzeichnete Vollmachtsurkunde vorlegte, die er aufgrund mündlich erteilter Vollmacht der Angeklagten für diese mit seinem Namen unterzeichnet hatte. Das BayObLG führt aus:

Ist das Verfahren, wie hier, durch einen Strafbefehl eingeleitet worden, so kann sich der Angeklagte nach § 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO auch in der Berufungsverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Ein solcher Vertretungsfall lag hier vor.

Daß die dem Gericht vorgelegte Vollmacht aufgrund mündlich erteilten Auftrags der Vollmachtgeberin vom Bevollmächtigten für die Angeklagte mit seinem Namen unterzeichnet worden war, ist unschädlich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Vollmachtsurkunde nach mündlicher Ermächtigung durch den Angeklagten auch von einem Dritten unterzeichnet werden kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 234 Rn. 5). Dabei macht es keinen rechtlich bedeutsamen Unterschied zur vorliegenden Fallgestaltung, daß bei der in den Urteilsgründen zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20.11.1962 (Bay 62, 282) eine Büroangestellte, mithin eine Dritte, vorliegend aber der zur Vertretung Bevollmächtigte selbst die schriftliche Vollmacht unterzeichnet hat. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist, daß der Vollmachtgeber einen anderen ermächtigen kann, für ihn, den Vollmachtgeber, die Vollmachtsurkunde zu unterzeichnen, und daß eine derartige Ermächtigung, die grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf (§ 167 BGB), auch mündlich erteilt werden kann.

Es schadet auch nicht, daß Assessor Jürgen Z. die Vollmachtsurkunde nicht mit dem Namen der Angeklagten, sondern mit seinem Namen für die Angeklagte unterzeichnet hat; denn die von ihm gewählte Unterzeichnung „Für Tania Z.: Jürgen Z.“ läßt zweifelsfrei erkennen, daß der Unterzeichner aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung der Angeklagten für diese nicht als bloßes Werkzeug, sondern als Vertreter im Willen handelte.

Bedenken dahingehend, daß bei einer Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde durch die mit der Verteidigung zu beauftragende Person diese sich im Wege eines Insichgeschäfts die Verteidigervollmacht selbst erteilt, greifen nicht durch. Zutreffend weist die Revision insoweit darauf hin, daß zwischen der Erteilung der Vollmacht und der hierüber zu erstellenden Vollmachtsurkunde zu unterscheiden ist. Der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht, die das Gesetz in den §§ 234, 411 Abs. 2 Satz 1 StPO verlangt, kommt nur eine Nachweisfunktion gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll, zu. Dieser Nachweis ist im Fall des § 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 1 StPO gegenüber dem für die Entscheidung zuständigen Berufungsgericht zu erbringen. Dagegen ist die Erteilung der Vollmacht selbst, wie allgemein nach § 167 BGB, formfrei. Dies gilt grundsätzlich auch für die Beauftragung des Wahlverteidigers (Kleinknecht/Meyer-Goßner Vor § 137 Rn. 9), wobei im vorliegenden Fall noch hinzukommt, daß Assessor Z bereits durch Beschluß des Amtsgerichts Landsberg a. Lech vom 1.10.1999 gemäß § 138 Abs. 2 StPO mit Genehmigung des Gerichts, die sich auf das ganze Verfahren erstreckt (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 138 Rn. 14), zum Verteidiger der Angeklagten bestellt worden war.

Wie die Verteidigerbestellung selbst, ist auch die davon zu trennende Ermächtigung zur Ausstellung der schriftlichen Vollmacht des § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO für den urkundlichen Nachweis der Vertretungsvollmacht formfrei. Sie konnte daher, wie geschehen, Assessor Z. auch mündlich erteilt werden.“

M.E kann man es deutlicher (und schöner) nicht schreiben: Das Unterzeichnen der schriftlichen Vollmacht durch den bereits Bevollmächtigten ist zulässig.

Nichts Neues aus dem Südwesten zum Beweisverwertungsverbot bei der Blutentnahme – oder doch ein bißchen?

Der Verteidiger des Betroffenen im Verfahren 1 SsBs 2/10 hat mir gerade den Beschluss des OLG Zweibrücken vom 16.08.2010 geschickt, in dem das OLG Zweibrücken erstmals zum Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) Stellung genommen hat.

Das OLG lehnt eine Beweisverwertungsverbot ab, im Grunde weitgehend mit der schon aus anderen OLG-Beschlüssen bekannten Argumentation. Insoweit also nichts Neues. Interessant ist aber der Hinweis des OLG darauf, dass man in Zukunft nach dieser Entscheidung anders entscheiden könnte. Ähnlich hatte ja vor einiger Zeit schon das KG argumentiert.

Und: Das OLG weist – m.E. zutreffend – darauf hin, dass es eine Vorlage zum BGH wohl kaum geben wird. Es handelt sich bei diesen Verfahren um Einzelfallentscheidungen. Da scheidet eine Vorlage aus.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.08.2010 – 1 SsBs 2/10