Archiv für den Monat: März 2010

Gibt es den „Handyrichter“?

In der Zeitschriftenauswertung von LexisNexis wird über einen Beitrag von Wiesneth (RiAG) in DRiZ 2010, 46 berichtet. Er hält Bereitschaftsrichter angesichts vielfacher gesetzlicher Neuerungen für überfordert. In der Meldung von LexisNexis heißt es weiter:

„In den letzten 2,5 Jahren ist auf den amtsgerichtlichen Bereitschaftsdienst eine Unzahl gesetzlicher Neuerungen zugekommen, die zu einer erheblichen Belastung und Zuständigkeitserweiterung der Eilrichter geführt haben. Der Beitrag zählt zunächst die Einzelheiten auf: das TKÜG v. 01.01.2008, die örtliche Konzentration in Haft- und Unterbringungssachen (§ 162 StPO), die Eskalationshaft (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO), die Angleichung des Haft- und Unterbringungsverfahrens v. 20.7.2007, die Präzisierung der Wiederholungsgefahr durch das 2. ORRG v. 01.10.2009, das Beweisverwertungsverbot bei Zeugnisverweigerungsberechtigten (§ 160a Abs. 2, 2 StPO), die Neuregelung des § 64 StGB v. 20.07.2007 sowie neue Zuständigkeiten in Abschiebungs- und familienrechtlichen Betreuungs- und Unterbringungssachen. Im Weiteren folgen nähere Ausführungen zum neuen U-Haftrecht, zur notwendigen Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO), zur Belehrungspflicht (§ 115 Abs. 4 StPO), dem „nächsten Richter“ (§ 115a StPO), der Vorführfrist und zur neuen Rspr. betr. den Richtervorbehalt bei Blutprobenentnahme. Insgesamt beklagt der Verfasser die hohen Ansprüche an die jederzeitige Erreichbarkeit (sog. „Handyrichter„) und fordert entsprechende Rücksichtnahme bei der Geschäftsverteilung und personeller und sachlicher Ausstattung.“

Den Begriff „Handyrichter“ finde ich „gut“. 🙂 Er zeigt, dass die Technik bei der Justiz angekommen zu sein …………..scheint. 🙂

Volltext zur Entscheidung des OLG Frankfurt zur Poliscan Speed

Wir hatten vor einigen Tagen über die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 01.03.2010 – 2 Ss OWi 577/09 – berichtet, mit der das OLG das AG Dillenburg aufgehoben hatte, das wegen der mangelnden Überprüfbarkeit der Messung die Messung als nicht verwertbar angesehen hatte. Inzwischen liegt der Volltext vor. Sie finden ihn hier.

OLG Koblenz: In Rheinland-Pfalz geht es wie in Bayern, zumindest bei der Videomessung

Auch das OLG Koblenz hat sich zur Videomessung Gedanken gemacht. Danach soll die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (2 BvR 941/08) der Verwertung von Ergebnissen der Videoabstandsmessung in Rheinland-Pfalz nicht entgegenstehen; das OLG bezieht sich auf die Entscheidung des OLG Bamberg zum bayerischen Brückenabstandsmessverfahren. Da jedenfalls auf Autobahnen Anhaltekontrollen mit einem viel zu hohen Risiko für alle Beteiligten verbunden wären, seien auch Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit  der Identifizierungsaufnahme gegeben. Na ja: OLG Düsseldorf ist m.E. überzeugender.

Auch in Brandenburg darf „videogemessen werden“, sagt das OLG Brandenburg

In der Diskussion um die Vidoemessung hat sich jetzt auch das OLG Brandenburg zu Wort gemeldet. Es sieht in seinem Beschluss v. 22.02.2010 – 1 Ss (OWi) 23 Z/10 § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage an. Messverfahren war das ES 3.0. Die Leitsätze der Entscheidung, die ein Kollege vom OLG Brandenburg mir gerade übersandt hat, lauten:

  1. Gesetzliche Grundlage für die verdachtsabhängige Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen in Bußgeldsachen ist § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
  2. Der Anfangsverdacht für die Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit kann auch dann vorliegen, wenn die Auslösung des Messfotos nicht für jedes betroffene Fahrzeug durch den Messbeamten gesondert veranlasst wird, sondern auf einer vorab erfolgten Programmierung des Geschwindigkeitsmessgerätes auf einen bestimmten Grenzwert beruht.
  3. Die Herstellung von Messfotos zur Identitätsfeststellung bei Verkehrsordnungswidrigkeiten verstößt grundsätzlich nicht gegen den Subsidiaritätsgrundsatz (§ 100 h Abs. 1 Satz 1 a.E. StPO), weil die Geschwindigkeitsmessung und lichtbildgestützte Tatfeststellung im standardisierten Verfahren eine bewährte und besonders zuverlässige Möglichkeit zur Ermittlung der Identität der Tatverdächtigen bietet, die durch andere Maßnahmen nicht gleichermaßen gewährleistet und ersetzt werden kann.

Na ja, man kann es auch anders sehen und es wird ja – m.E. zu Recht – teilweise auch anders gesehen. Letztlich wird ein Weg an einer gesetzlichen Grundlage nicht vorbeigehen, wenn man den Wirrwarr und einen weiteren Rechtsprechungsmarathon vermeiden will.

Sehr schön an der Entscheidung ist der Hinweis auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. Es freut dann doch, dass dieses Buch auch bei den OLGs vorhanden ist.

Beweisverwertungsverbot nach Missachtung des Richtervorbehalts in Bayern angekommen

Wir diskutieren die Fragen des Richtervorbehalts und ein sich bei seiner Missachtung ggf. ergebendes Beweisverwertungsverbot ja nun schon gut drei Jahre. Nun ist endlich das Beweisverwertungsverbot auch in Bayern angekommen, jedenfalls war mir bislang eine Entscheidung aus dem Freistaat, in der ein BVV angenommen worden ist, nicht bekannt. Das OLG Nürnberg hat – wie ich jetzt erst durch die Übersendung der Entscheidung des in der Revision erfolgreichen Kollegen erfahren habe – diesen Schritt schon am 07.12.2009 getan (vgl. Beschl. in  1 St OLG Ss 232/2009). Allerdings ging auch wohl kein Weg daran vorbei. Denn wie soll man anders entscheiden, wenn der einschreitende Polizeibeamte selbst davon ausgeht, dass „Gefahr im Verzug“ nicht vorliegt, er aber dennoch wegen einer „damaligen Übung seiner Dienststelle“ keine richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung einholt. Das ist nichts anderes als: Das haben wir immer schon so gemacht.