Archiv für den Monat: September 2009

OLG Celle: Zum zweiten Mal Beweisverwertungsverbot nach/bei der Blutentnahme

Da ist mal wieder ein OLG mit einem Beweisverwertungsverbot wegen des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO. Das OLG Celle hat mit folgenden Leistsätzen entschieden:

„1. Die Strafverfolgungsbehörden müssen zur Tagzeit grundsätzlich versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolgs gemäß § 81a Abs. 2 StPO ist mit Tatsachen zu begründen, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind. Bei hohen Atemalkoholwerten (hier: 3,08 g ‰) ist in der Regel hinreichend Zeit zur Einholung einer zumindest fernmündlichen richterlichen Anordnung.

2. Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Eilanordnungskompetenz des § 81a Abs. 2 StPO kann im Einzelfall zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Dies ist insbesondere bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder dem Vorliegen eines besonders schweren Fehlers zu bejahen.“

Beschl. v. 06.08.2009 – 32 Ss 94/09

In der Sache hat das OLG ein Beweisverwertungsverbot angenommen und das wie folgt begründet:

„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Blutprobe nicht von einem Richter, sondern von dem ermittelnden Polizeibeamten angeordnet wurde. Dieser war davon ausgegangen, dass bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr wegen Gefahr im Verzug stets eine Anordnung durch Polizeibeamte ausreiche und deshalb eine richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung von vornherein nicht nötig sei. Dies gelte unabhängig von der Tageszeit.

Darin liegt ein grober Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81a Abs. 2 StPO. Der ermittelnde Polizeibeamte hielt sich generell für anordnungsbefugt. Er hat keine Überlegungen dazu angestellt, ob die Anordnung der Blutentnahme im konkreten Fall einem Richter vorbehalten war, welche Umstände im konkreten Einzelfall die von ihm pauschal unterstellte Gefahr im Verzug begründeten und wodurch seine Anordnungskompetenz ausnahmsweise eröffnet war. Die Anordnung erfolgte somit unter willkürlicher Missachtung des in § 81a Abs. 2 StPO postulierten Richtervorbehalts. Anhaltspunkte dafür, dass der Polizeibeamte einer irrtümlichen Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterlag oder dass er von einer konkreten Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Einholung einer richterlichen Anordnung oder einer fehlenden Erreichbarkeit eines Richters am Freitagnachmittag ausgegangen wäre, liegen nicht vor. Die pauschale Annahme, bei Verdacht von Trunkenheitsdelikten stets zur Anordnung einer Blutprobe berechtigt zu sein, begründet die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts.“

Es bleibt also Bewegung in der dieser Streitfrage.

OLG denkt betriebswirtschaftlich :-)

Da ist mal eine erfreuliche Entscheidung, und zwar des OLG Karlsruhe zum Mobiltelefon, oder man könnte auch sagen: Das OLG hat betriebswirtschaftlich gedacht.

Hintergrund ist die Verurteilung durch das AG, an der das OLG im Hinblick auf die Beweiswürdigung einiges auszusetzen hatte.  Die Betroffene hatte sich dahin eingelassen, sie habe nicht telefoniert, bestätigt wurde das von ihrer Mutter, die bekundet hatte, sie habe telefoniert. Das AG stützt sich auf die Angaben des „Gemeindevollzugsbeamten“, der direkte Sicht auf die Betroffene gehabt habe. Das reichte dem OLG nicht.  Es hat nun aber nicht aufgehoben und zurückverwiesen, sondern eingestellt, „weil eine etwaige Ahndung der Tat unter Berücksichtigung des weiteren Verfahrensverlaufs in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Tat und den damit verbundenen zusätzlichen Belastungen für die Betroffene stünde (vgl. auch Thüringer Oberlandesgericht VRS 113, 368 f.).“. Eingestellt auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen hat. Wann liest man das schon mal.

Beweggrund war sicherlich auch, dass sich in einem Ermittlungsverfahren gegen die Mutter der Betroffenen, das inzwischen eingestellt ist (§ 170 Abs. StPO), sich in einem Augenscheinstermin „Zweifel an der Wahrnehmbarkeit des vom Gemeindevollzugsbeamten geschilderten Verkehrsverstoßes ergeben haben“. Das riecht/roch nach Freispruch.

Wer es nachlesen will: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.08.2009 – 1 Ss 135/08

U-Haft: Teufelskreis?

Jeder Verteidiger in Haftsachen kennt das Problem: Der Mandant wird am Anfang des Verfahrens in U-Haft genommen, dann wird im weiteren Verlauf der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Das Problem, das dann entsteht ist: Wie lässt sich für den Fall der Verurteilung eine Invollzugsetzung des Haftbefehls verhindern? Man ist zwar von der Unschuld des Mandanten überzeugt, man merkt aber in der Hauptverhandlung, dass der Wind aus einer anderen Richtung bläst. Also berät und belehrt man den Mandanten, dass er mit einer Verurteilung rechnen muss, obwohl man von der Unschuld überzeugt ist. Der Mandant kommt auch weiterhin zur Hauptverhandlung. Dann wird er verurteilt: 6,5 Jahre und natürlich wird der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt. Fluchtgefahr wegen der hohen Strafe und der Hinweis darauf, dass das Schreiben an den Mandanten, in dem man auf die Verurteilungsgefahr hingewiesen habe, „keinen Beleg dafür [sei], dass er tatsächlich mit einer Verurteilung und einer solchen Strafe rechnete, wenn dies schon sein Verteidiger bis nach Ende der Beweisaufnahme nicht tat“. Und: „Jedenfalls widerspricht dieses Schreiben „dem gesamten Einlassungs- und Verteidigungsverhalten des Angeklagten und den Darlegungen seines Verteidigers …..“ So ausgeführt im Beschluss des OLG München v. 07.09.2009 – 3 Ws 745/09.

Da fragt man sich, was soll ich eigentlich als Verteidiger noch tun. Weise ich den Mandanten nicht auf die Verurteilungsgefahr hin, wird mir/ihm entgegengehalten, er habe die Verfahrenssituation nicht gekannt, weise ich ihn auf den „stürmischen Wind“ aus der Kammer hin, dann heißt es (verklausuliert): Alles nur vorgeschoben, um argumentieren zu können…

Man nennt so etwas wohl Teufelskreis.

Es wird immer doller: Anruf einer Straßenverkehrsbehörde

Es wird wirklich immer doller. Da hatte ich doch gerade den Anruf eines Mitarbeiters einer Verwaltungsbehörde, der folgendes Anliegen/Auskunftsbegehren hatte: Die Verwaltungsbehörde habe bei einem Autovermieter nachgefragt, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt Fahrer eines Pkw gewesen sei. Für die Auskunft wolle der Autovermieter nun 8 € berechnen. Ob das denn gehe und ob das rechtens sei? Und: Ob ich dazu etwas in meinen Büchern geschrieben hätte, worauf man sich berufen (?) könne.
Vorweg: Habe ich nicht :-).

Aber: Ich habe den Anrufer gefragt, wo denn das Problem sei. Denn er verlange doch vom Autovermieter eine Leistung, zu deren Erbringung der m.E. nicht verpflichtet sei (wo denn die Ermächtigungsgrundlage sei, um gegen den im Fall der Weigerung vorzugehen; Antwort: schweigen).  Und wenn ich mir den Zeitaufwand überlege, komme die Verwaltungsbehörde noch gut weg. Denn schon die Aktenversendungspauschale sei mit 12 € höher.  Irgendwie hatte ich den Eindruck, er verstand mich nicht.  🙂

Was lesen (Amts)Richter eigentlich – oder: So bitte nicht

Man ist ja dann doch erstaunt, wenn man manche (amtsgerichtlichen) Entscheidungen liest und man fragt sich dann, welche gebührenrechtliche Literatur lesen (Amts)Richter eigentlich? So ist es mir ergangen beim Lesen des mir erst jetzt bekannt gewordenen Beschlusses des AG Bochum vom 23.01.2009 – 37 Ds 64 Js 1006/06 -75/07. Wenn man den liest, kann die Antwort nur lauten: Offenbar überhaupt keine.

In der Sache geht es um Voraussetzungen für das Entstehen des gebührenrechtlichen Haftzuschlags aus Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG. Dazu stellt das AG darauf ab, dass für sein Entstehen „tatsächliche Erschwernisse“ erforderlich seien. Die sieht das AG aber nicht, da der RA mit dem Inhaftierten ja nur korrespondiert habe. Hätte sich das AG in der Frage aber vielleicht mal in Rechtsprechung und Literatur informiert, dann hätte es unschwer feststellen können, dass die von ihm entschiedene Frage in der gesamten Rechtsprechung und Literatur anders gesehen wird. Alle OLG, die bisher zu der Frage der Erschwernisse Stellung genommen haben, haben nämlich zutreffend darauf abgestellt, dass es auf deren tatsächliches Vorliegen nicht ankommt (KG, Beschl. v. 10.11.2006 – 4 Ws 166/06, www.burhoff.de; Beschl: v. 12. 12. 2006, 3 Ws 213/06; www.burhoff.de; KG RVGreport 2007, 462 = StraFo 2007, 483 ; OLG Celle StraFo 2008, 443 = AGS 2008, 490 = StRR 2009, 38 = NStZ-RR 2008, 392; OLG Hamm StRR 2009, 39 = RVGreport 2009, 149; s.a. AG Hanau, Beschl. v. 19. 5. 2009, 50 Ds 4200 Js 20340/07b; aus der Lit. s. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 18. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 44; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2007, Vorbem. 4 VV Rn. 87; Anw-Komm-RVG/N. Schneider, 4. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 43). Das ist ja auch gerade der Unterschied zur Vorgängerregelung des § 83 Abs. 3 BRAGO, die als Ermessensvorschrift ausgebildet war (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 221). Das sollte dem AG nunmehr mehr als fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des RVG eigentlich nicht entgangen sein. Zumindest hätte es aber seine abweichende Auffassung begründen müssen und nicht nur apodiktisch die Abweichung in den Raum stellen dürfen. Es hätte die juristische Öffentlichkeit ja schon interessiert, welche besseren (?) Argumente das AG Bochum gefunden hat. M.E. gibt es keine.

Für den Verteidiger im Übrigen eine missliche Situation, da er, da der Beschwerdewert des § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG nicht erreicht ist/war, ein Rechtmittel nicht hat/hatte. Insgesamt kann man m.E. nur das Fazit ziehen: So bitte nicht.