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Mutiert der Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO (in Berlin) zum Geschäftsstellenvorbehalt?

Über eine ggf. – gelinde gesagt – eigenwillige/besondere Art der Einhaltung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO in Berlin berichtet ein Berliner Kollege. Ein weiterer Berliner Kollege spricht vom „Geschäftsstellenvorbehalt„.

Die dort dargelegte Verfahrensweise ist/wäre sicherlich erschreckend, wenn der anwesende Richter nicht auf das Verhalten der Geschäftstellenbeamtin reagiert hätte, was er wohl offensichtlich mehr als deutlich getan hat (leider teilt der Kollege hier nicht mit, wie). Und man kann nur hoffen, dass die Polizeibeamten die Bestätigung, dass der Richter anwesend sei, nicht gleich als Anordnung der Blutentnahme aufgefasst und das in der Akte dann dokumentiert haben.

Allerdings: Man fragt sich aber doch, was der Anruf dann eigentlich sollte, wenn man sich mit dem Namen des Richters zufrieden gegeben hat? Wahrscheinlich werden die Berliner Kollegen doch mal in dem ein oder anderen Fall hinterfragen müssen, was genau abgelaufen ist. Sonst mutiert in Berlin der Richtervorbehalt wirklich…

OLG Celle: Zum zweiten Mal Beweisverwertungsverbot nach/bei der Blutentnahme

Da ist mal wieder ein OLG mit einem Beweisverwertungsverbot wegen des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO. Das OLG Celle hat mit folgenden Leistsätzen entschieden:

„1. Die Strafverfolgungsbehörden müssen zur Tagzeit grundsätzlich versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolgs gemäß § 81a Abs. 2 StPO ist mit Tatsachen zu begründen, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind. Bei hohen Atemalkoholwerten (hier: 3,08 g ‰) ist in der Regel hinreichend Zeit zur Einholung einer zumindest fernmündlichen richterlichen Anordnung.

2. Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Eilanordnungskompetenz des § 81a Abs. 2 StPO kann im Einzelfall zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Dies ist insbesondere bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder dem Vorliegen eines besonders schweren Fehlers zu bejahen.“

Beschl. v. 06.08.2009 – 32 Ss 94/09

In der Sache hat das OLG ein Beweisverwertungsverbot angenommen und das wie folgt begründet:

„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Blutprobe nicht von einem Richter, sondern von dem ermittelnden Polizeibeamten angeordnet wurde. Dieser war davon ausgegangen, dass bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr wegen Gefahr im Verzug stets eine Anordnung durch Polizeibeamte ausreiche und deshalb eine richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung von vornherein nicht nötig sei. Dies gelte unabhängig von der Tageszeit.

Darin liegt ein grober Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81a Abs. 2 StPO. Der ermittelnde Polizeibeamte hielt sich generell für anordnungsbefugt. Er hat keine Überlegungen dazu angestellt, ob die Anordnung der Blutentnahme im konkreten Fall einem Richter vorbehalten war, welche Umstände im konkreten Einzelfall die von ihm pauschal unterstellte Gefahr im Verzug begründeten und wodurch seine Anordnungskompetenz ausnahmsweise eröffnet war. Die Anordnung erfolgte somit unter willkürlicher Missachtung des in § 81a Abs. 2 StPO postulierten Richtervorbehalts. Anhaltspunkte dafür, dass der Polizeibeamte einer irrtümlichen Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterlag oder dass er von einer konkreten Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Einholung einer richterlichen Anordnung oder einer fehlenden Erreichbarkeit eines Richters am Freitagnachmittag ausgegangen wäre, liegen nicht vor. Die pauschale Annahme, bei Verdacht von Trunkenheitsdelikten stets zur Anordnung einer Blutprobe berechtigt zu sein, begründet die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts.“

Es bleibt also Bewegung in der dieser Streitfrage.