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Bewährung III: Widerrufsklassiker, oder: Erneute Straffälligkeit und/oder Auflagenverstoß

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Die dritte Entscheidung ist dann eine LG-Entscheidung betreffend den Widerruf (§ 56f StGB). Sie stammt vom LG Berlin. Geschickt hat mir den LG Berlin, Beschl. v. 02.12.2020 – 510 Qs 90/20 der Kollege F. Glaser aus Berlin. Er geht um den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung in den Fällen erneuter Straffälligkeit und/oder eines Auflagenverstoßes. Also ein Klassiker 🙂 .

Das AG hatte widerrufen. Das LG hat den Widerruf gehalten:

„Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sind in zweifacher Hinsicht erfüllt.

1. Durch seine erneute Straffälligkeit hat der Beschwerdeführer gezeigt, dass sich die der Straf-aussetzung zugrunde liegende Erwartung, er werde keine Straftaten mehr begehen, als unzutreffend erwiesen hat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB).

Grundlage der zu treffenden Widerrufsentscheidung bilden nicht nur die zuletzt geahndeten Ver-gehen, sondern darüber hinaus das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers während der Bewährungszeit. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer bereits am 15. November 2017 und damit nur zwei Monate, nachdem das Urteil im Ausgangsverfahren, durch das ihm eine Strafaussetzung zur Bewährung gewährt worden war, Rechtskraft erlangt hatte, erneut straffällig wurde. Dieser frühe Bewährungsbruch stellt eine besonders gravierende Missachtung der mit der Verurteilung verbundenen Warnung dar. Dass er bereits Anlass für eine Verlängerung der Bewährungszeit gewesen ist, steht seiner Berücksichtigung im hiesigen Widerrufsverfahren nicht entgegen (vgl. KG, Beschluss vom 23. Oktober 2009 – 2 Ws 376-378/09). Am 11. April 2020 und damit ebenfalls innerhalb der Bewährungszeit hat er zwei weitere Straftaten begangen. Damit aber hat er gezeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, nicht erfüllt hat.

Bereits für sich genommen ist jede der neuerlichen Taten als Widerrufsgrund geeignet, wofür nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts jede in der Bewährungszeit begangene Straftat von einigem Gewicht reicht (vgl. jüngst KG, Beschluss vom 2. November 2020 – 2 Ws 79/19 m.w.N.). Die neuerlichen Straftaten, die Geldstrafen in Höhe von 60 bzw. 50 Tagessätzen nach sich zogen und keinesfalls Bagatelldelikte darstellen, erreichen das erforderliche Gewicht jeweils. Dies gilt auch, wenn man im Hinblick auf die ausgeurteilte Bedrohung der Darstellung des Beschwerdeführers folgen wollte, er hätte nicht mit einem Messer in der Hand vor der Tür des Zeugen pp. gestanden. Dass sich der Beschwerdeführer im Zuge der Auseinandersetzung vom 11: April 2020 selbst Verletzungen zugezogen hat, ist ein Umstand, der im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung zu finden hat, nicht jedoch im Rahmen einer Widerrufsentscheidung.

Im vorliegenden Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich das Gewicht einer Tat auch nach der bisherigen Delinquenz eines Verurteilten bemisst. Straftaten, die mit geringeren Geldstrafen geahndet wurden und sogar Bagatelldelikte können einen Widerruf begründen, wenn in ihnen „eine die Rechtsordnung negierende Einstellung zum Ausdruck kommt“ (vgl. KG, Beschluss vom 9. August 2010, 2 Ws 323/10 m.w.N.). Dies aber trifft auf den Beschwerdeführer zu, der vor der Verurteilung im hiesigen Ausgangsverfahren bereits zweimal in kurzen Abständen zu Geldstrafen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt werden musste. Weder die Verhängung von Geldstrafen noch die Verhängung von Bewährungsstrafen nebst Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin vermochten den Beschwerdeführer aber von neuerlicher Delinquenz abzuhalten.

Erst recht sind die neuerlichen Taten in ihrer Gesamtheit geeignet, den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zu rechtfertigen, wobei die Kammer gesehen hat, dass beide Taten am selben Tag begangen wurden und angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen ihnen im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung ein straffer Zusammenzug der Strafen geboten erscheint.

2. Daneben hat der Beschwerdeführer den Widerrufsgrund des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Er hat beharrlich gegen die ihm gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB erteilte Arbeitsauflage verstoßen. Dies hat grundsätzlich den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zur Folge, ohne dass es — anders als im Fall des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB — noch zusätzlich der Fest-stellung einer ungünstigen Legalprognose bedürft.

Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen beharrlichen Verstoßes gegen eine Auflage setzt in objektiver Hinsicht ein wiederholtes, andauerndes Verhalten voraus, das auf einer ablehnenden Haltung oder fehlendem Genugtuungswillen beruht. In subjektiver Hinsicht ist Ver-schulden erforderlich (vgl. KG, Beschluss vom 17. August 2012 – 2 Ws 339/12). Dieses scheidet aus, wenn der Verurteilte aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen außerstande war, die verlangten Leistungen zu erbringen.

Der Beschwerdeführer hat die — hinreichend bestimmte (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 4. April 2014 — 3 Ws 165/14 — Rdnr. 6 m.w.N.) — Arbeitsauflage innerhalb der ihm vom Amtsgericht Tier-garten gesetzten und mittlerweile verstrichenen Fristen nicht erfüllt. Trotz regelmäßiger Intervention seiner Bewährungshelferin hat er noch nicht einmal eine einzige der ihm auferlegten 250 Arbeitsstunden erbracht. Auch nach Mahnung durch das Amtsgericht Tiergarten, die weit nach Ablauf der ihm zur Ableistung der Arbeitsauflage gesetzten Frist erfolgte, unternahm der Beschwerdeführer keinerlei Anstrengungen; ein Vorstellungsgespräch im Mai 2020, das dazu diente, ihn in Arbeit zu vermitteln, versäumte er. Vor diesem Hintergrund, der einen Zeitraum von über zweieinhalb Jahren betrifft, muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt gewillt war, die ihm auferlegten Stunden gemeinnütziger Arbeit zu erbringen.

Entgegen dem Vortrag des Verteidigers ist dem Beschwerdeführer die Nichterbringung der ihm auferlegten Arbeitsstunden auch vorzuwerfen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beschwerdeführer zumindest teilweise leistungsfähig gewesen ist (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 56f Rdnr. 16 a.E.). Hiervon ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft auszugehen. Dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Juni 2018 (241 Ds 38/18) sowie den Berichten der Bewährungshelferin ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zumindest innerhalb des Zeitraums von Dezember 2017 bis Anfang Juli 2018 „Minijobs“ bei zwei Umzugsfirmen wahrgenommen hat. Dies aber bezeugt, dass der Beschwerdeführer in jenem Zeitraum durchaus zur Ableistung von Arbeitsstunden imstande war. Gleichwohl hatte er noch nicht einmal damit begonnen, auch nur eine der ihm auferlegten Arbeitsstunden abzuleisten. Dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht gewillt war, die Arbeitsstunden abzuleisten, spricht auch der Bericht der Bewährungshelferin vom 21. Juni 2018. Die Bewährungshelferin begründete darin den Umstand, dass der Beschwerdeführer zum Berichtszeitpunkt noch nicht mit dem Ableisten der Arbeitsstunden begonnen hatte, damit, dass er hierzu zunächst habe motiviert werden müssen und schließlich eine Entzündung im Schultergelenk geltend gemacht habe…….“

 

Bewährung II: Kettenverlängerung, oder: Sind/waren die Straftaten „neu“?

Bei der zweiten „Bewährungsentscheidung“, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.11.2020 – 1 Ws 137/20. Es geht um sog. Kettenverlängerung der Bewährungszeit. Also eine erste Verlängerung und dann später noch eine weitere. Bei dieser Konstellation muss man als Verteidiger immer sehr genau auf die Widerrufsgrundlagen schauen, vor allem, wenn es um „neue“ Straftaten geht. Da stellt sich dann immer die Frage: Sind die auch wirklich neu? Das war hier nicht der Fall:

„Vorliegend hat die Strafvollstreckungskammer Gründe für eine Bewährungszeitverlängerung darin gesehen, dass gegen den Beschwerdeführer durch die vorgenannten Strafbefehle des Amtsgerichts Potsdam vom 9. Juli 2019 und 14. Januar 2020 erneut Geldstrafen verhängt werden mussten und die Tatzeiten in der laufenden Bewährungszeit gelegen hatten.

Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Auf die dem Strafbefehl vom 09. Juli 2019 zugrundeliegenden Taten vom 16. Juni 2018 und 16. August 2018, mithin auf Taten, die der Verurteilte bereits in der ursprünglichen Bewährungszeit begangen hatte, konnte die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung nicht stützen, denn insoweit steht dem der Vertrauensschutz des Verurteilten entgegen.

Zwar werden in der „alten“ Bewährungszeit entstandene Widerrufsgründe durch einen auf Verlängerung der „alten“ Bewährungszeit lautenden Beschluss nach § 56 f Abs. 2 Nr. 2 StGB grundsätzlich nicht „verbraucht“ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.09.1990 – 1 Ws 759/90 -, juris). Allerdings kann nach einer Verlängerung der Bewährungszeit (vorliegend durch Beschluss vom 26. Juli 2019) die erneute Verlängerung der Bewährungszeit auf eine vor dem ersten Verlängerungsbeschluss erfolgte Nachverurteilung nur dann gestützt werden, wenn die neue Straftat dem Gericht bei der Entscheidung über die (erste) Bewährungsverlängerung nicht bekannt war (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. Januar 2018 – 2 Ws 47/18 – NdsRpfl 2018, 112, juris).

Vorliegend war dem Amtsgericht Potsdam bei Erlass des (Verlängerungs-)Beschlusses vom 26. Juli 2019 indes bekannt, dass der Beschwerdeführer am 16. Juni 2018 und am 16. August 2018 erneut straffällig geworden war, denn der Amtsrichter, der am 26. Juli 2019 über die Verlängerung der Bewährungszeit entschieden hat, hatte nur wenige Tage zuvor unter dem 9. Juli 2019 bezüglich dieser Taten selbst den Strafbefehl gegen den Beschwerdeführer erlassen. Auch wenn sowohl das amtsgerichtliche Anhörungsschreiben vom 05. Juni 2019 als auch der Beschluss vom 26. Juli 2019 ausdrücklich nur auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Potsdam vom 5. Februar 2019 (82 Ds 10/19) Bezug nehmen, durfte der Beschwerdeführer dennoch darauf vertrauen, dass das Amtsgericht Potsdam alle für die Entscheidung über einen Bewährungswiderruf oder eine Verlängerung der Bewährungszeit maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in seine Überlegungen miteinbezogen hat und dass sein, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Potsdam vom 9. Juli 2019 zugrunde liegendes strafbares Verhalten daher keine weiteren Konsequenzen mehr nach sich ziehen werde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09. März 2020 – 3 Ws 34/20 -, juris) .

b) Die Strafvollstreckungskammer konnte die Verlängerung der Bewährungszeit auch nicht auf die dem Strafbefehl vom 14. Januar 2020 zugrundeliegende Tat vom 15. Juli 2019 stützen, weil diese Tat zwischen dem Ablauf der ursprünglich bis zum 16. März 2019 festgesetzten Bewährungszeit und vor Erlass des Verlängerungsbeschlusses vom 26. Juli 2019 begangen worden ist und der Beschwerdeführer auch keine Kenntnis von einer (ersten) beabsichtigten Verlängerung der Bewährungszeit hatte (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2009 -2 Ws 176/09-, juris; KG Berlin, Beschluss vom 31. März 2011 -4 Ws 29/11- juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. April 2008 -3 Ws 331/08- juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. Januar 2007 – 1 Ws 41/07 -, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 06. Juli 2009 -1 Ws 251/09-, juris Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2013 -1 Ws 451/13 -, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2004 – 1 Ws 29/04 – juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06. Oktober 2011 – 1 Ws 151/11 – OLG Bamberg, Beschluss vom 24. März 2015 -22 Ws 19/15-, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2013 -III-3 Ws 19/13- juris; OLG Rostock, Beschluss vom 07. Dezember 2010 -I Ws 335/10-, juris). Eine Zustellung des hierauf bezüglichen gerichtlichen Anhörungsschreibens vom 05. Juni 2019 war mangels Vorhandenseins eines Briefkastens weder auf dem Postwege noch durch persönliche Übergabe durch die Polizei möglich…..“

Bewährung I: Widerruf von Strafaussetzung, oder: BVerfG zum Weisungsverstoß

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In die 22. KW. starte ich dann mit zwei Entscheidungen zu Bewährungsfragen.

Zunächst stelle ich den BVerfG, Beschl. v. 28.03.2019 – 2 BvR 252/19 – vor. Gegenstand der Entscheidung ist eine Verfassungsbeschwerde gegen den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen gröblichen und beharrlichen Verstoßes gegen eine Weisung, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

„1. a) Der wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln im Jahr 2015 vorbestrafte Antragsteller wurde mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 24. August 2017 wegen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 32 Fällen, in 15 Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit zwei Fällen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

2. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 hat das Amtsgericht Augsburg die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen und die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten angeordnet; die bisher erbrachten Leistungen von 1.000 Euro würden in Höhe von einem Monat gemäß § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB auf die Strafe angerechnet. Zur Begründung des Widerrufs führte das Gericht unter Verweis auf § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB aus, der Antragsteller habe die mit Beschluss vom 24. August 2017 erteilte Weisung, Urinproben zum Abstinenznachweis abzugeben, gröblich und beharrlich nicht erfüllt, was Anlass zur Besorgnis der Begehung neuer Straftaten gebe.

Der Antragsteller habe keinen der fünf Termine für eine Urinkontrolle wahrgenommen. Er habe dies damit begründet, dass er als selbständiger Monteur für Photovoltaikanlagen im gesamten süddeutschen Raum unterwegs sei. Er erhalte die Arbeitstermine regelmäßig kurzfristig mitgeteilt und habe daher die ebenfalls kurzfristig angesetzten Urinkontrolltermine nicht wahrnehmen können. Im Anhörungstermin sei ihm ein Abwarten bis Ende Oktober für die nächste Urinkontrolle zugesagt worden. Den neuen Termin am 3. Dezember 2018 habe er dennoch nicht wahrgenommen, da er sich bis Ende des Jahres im Raum Freiburg aufhalten werde.

3. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2018 legte der Antragsteller sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein. Darin verweist er insbesondere darauf, dass die Möglichkeit bestanden hätte, ihm einzuräumen, die Urinkontrolle jeweils an seinem Einsatzort durchzuführen. Ein gröblicher und beharrlicher Weisungsverstoß liege nicht vor, da es ihm aus beruflichen Gründen nicht möglich gewesen sei, die Termine zur Urinkontrolle wahrzunehmen, und er diese nicht ohne unverzügliche Rückmeldung habe verstreichen lassen. Im Übrigen stünden weniger einschneidende Maßnahmen als der Bewährungswiderruf, wie beispielsweise die Verlängerung der Bewährungszeit, zur Verfügung.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2019 hat das Landgericht Augsburg die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen. Das Beschwerdevorbringen entkräfte die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht. Das Landgericht trete den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei. Ganz am Rande sei zu bemerken, dass die Erfüllung von Auflagen eben nicht unter dem Vorbehalt schlechter Auftragslage stehe.“

StGB III: Widerruf der Bewährung, oder: Vertrauensgrundsatz

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Die dritte Entscheidung des Tages – bevor es dann ins lange Wochenende geht – stammt dann aus dem Bereich der Bewährung (§§ 56 ff. StGB). Der vorgestellte OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.03.2020 – 3 Ws 34/20 – hat eine Widerrufsproblematik zum Gegenstand, die in der Praxis m.E. nicht selten ist.

Und zwar: Der Verurteilte ist in mehreren Verfahren zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wird verlängert. Dann wird die Bewährung auf Antrag der Staatsanwaltschaft widerrufen, und zwar (auch) wegen einer der Verurteilungen, die zur Verlängerung der Bewährungszeit geführt haben. Das OLG sagt auf die Beschwerde – zutreffend: Geht nicht:

1. Gem. § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.

Vorliegend wurde der Beschwerdeführer innerhalb der Bewährungszeit mehrfach, auch einschlägig strafbar, so dass – wie oben dargelegt – die ursprünglich auf vier Jahre festgesetzte Bewährungszeit aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15.10.2015 auf insgesamt sechs Jahre verlängert wurde.

2. Soweit die Strafvollstreckungskammer nunmehr jedoch aufgrund des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 (25 Cs 203 Js 36094/18 – vgl. oben c) die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen hat, steht dem der Vertrauensschutz des Verurteilten entgegen.

Grundsätzlich kann zwar auch eine Verurteilung wegen eines eher geringfügigen Delikts (wie vorliegend den beiden Vergehen des Hausfriedensbruchs) zum Widerruf der Strafaussetzung führen, wenn – wie vorliegend – der Verurteilte bereits mehrfach bewährungsbrüchig war und die Taten zusammengenommen nicht (mehr) bedeutungslos sind (Fischer, StGB, 67. Aufl., Rdn. 8 a zu § 56 f).

Allerdings kann nach einer Verlängerung der Bewährungszeit (vorliegend durch Be-schluss vom 10.7.2019 – vgl. oben d) der Widerruf einer Strafaussetzung auf eine vor dem Verlängerungsbeschluss erfolgte Nachverurteilung nur dann gestützt werden, wenn die neue Straftat dem Gericht bei der Entscheidung über die Bewährungsverlängerung nicht bekannt war (OLG Celle, B. v. 23.1.2018 – 2 Ws 47/18 – Nds.Rpfl 2018, 112).

Vorliegend befand sich der seit 24.11.2018 rechtskräftige Strafbefehl vom 5.11.2018 bei der Akte, war dem Amtsgericht Mannheim bei Erlass des (Verlängerungs)Beschlusses vom 10.7.2019 bekannt und war auch in dem (vor Erlass des Verlängerungsbeschlusses) neu eingeholten BZR-Auszug vom 4.7.2019 enthalten. Auch wenn sowohl das amtsgerichtliche Anhörungsschreiben vom 5.6.2019 als auch der Beschluss vom 10.7.2019 ausdrücklich nur auf den Strafbefehl vom 12.4.2019 Bezug nehmen, durfte der Verurteilte dennoch darauf vertrauen, dass das Amtsgericht Mannheim alle für die Entscheidung über eine nochmalige Verlängerung der Bewährungszeit oder einen Bewährungswiderruf maßgeblichen Gesichtspunkte, somit auch die zeitlich vor Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 12.4.2019 liegende Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018, berücksichtigt und in seine Überlegungen miteinbezogen hat und dass sein, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 zugrunde liegendes strafbares Verhalten daher keine weiteren Konsequenzen mehr nach sich ziehen werde.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten war daher der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 4.2.2020 aufzuheben.

Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Aufgrund des dem Verurteilten zustehenden Vertrauensschutzes kam auch eine Verlängerung der Bewährungszeit vorliegend nicht mehr in Betracht. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass mit dem Verlängerungsbeschluss vom 10.7.2019 alle zuvor ergangenen neuen Straferkenntnisse verwertet worden waren.

Im Fall einer erneuten Strafbarkeit des Verurteilten nach Erlass des Verlängerungsbeschlusses vom 10.7.2019 steht die vorliegende Entscheidung einem eventuellen Bewährungswiderruf jedoch nicht entgegen.“

Nichts Besonderes, aber zur Auffrischung der Erinnerung an diese Konstellation mal ganz schön.

Bewährung III: Beharrliche Kontaktverweigerung, oder: Immer wieder vorwerfbar

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Den Abschluss im Bewährungsreigen macht dann das LG Münster mit dem LG Münster, Beschl. v. 21.12.2017 – 9 Qs 40/17, den mir der Kollege H. Urbanzyk aus Coesfeld geschickt hat. Der Verurteilte ist wegen Diebstahls und gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall sowie Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Bewährungszeit war auf 2 Jahre festgesetzt worden. Weil er sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzogen und dadurch Anlass zu der Besorgnis gegeben hatte, dass er erneut Straftaten begehen werde, hat das AG Coesfeld dem Verurteilten aufgegeben, 30 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten. Diese Auflage hat er fristgerecht erfüllt.
Mit dem angefochtenen Beschluss  hat das AG Coesfeld dann aber die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verurteilte habe keinen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer gehalten und trotz mehrerer schriftlicher Aufforderungen des Gerichts Gesprächstermine mit diesem nicht wahrgenommen. Außerdem sei er Vorladungen zu Anhörungsterminen nicht nachgekommen. Damit habe sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzogen.

Das LG sieht das anders:

„Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Verurteilte sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen werde.

Der Verurteilte leidet unter einer schweren emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ, wodurch er in seiner Lebensführung erheblich eingeschränkt ist. Das ergibt sich aus dem zwischenzeitlich in dem vorgenannten Strafverfahren (4 Ns — 82 Js 7351/16 — 42/16 LG Münster) eingeholten psychiatrisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie W. T. Aus diesem Grund steht der Verurteilte auch unter umfassender gesetzlicher Betreuung. Die Aufgabenkreise des Betreuers umfassen u.a. die Regelung des Postverkehrs sowie die Vertretung gegenüber Behörden. Ausweislich der in dem Betreuungsverfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahme des Kreismedizinaldirektors Dr. T. führt die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten zu Minderungen seiner sozialen Leistungsfähigkeit und der Selbstversorgung, weswegen er nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen. Auf dieser Grundlage kann das mangelhafte Kontaktverhalten des Verurteilten jedenfalls nicht als beharrlich eingestuft werden. Die Voraussetzungen des § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB erfordern, dass er immer wieder willentlich und verantwortlich den Einfluss des Bewährungshelfers unmöglich macht. Das kann aufgrund des hier vorliegenden Krankte eitsbildes nicht festgestellt werden.

Zusätzlich kann aufgrund der vorgenannten Diagnose nicht festgestellt werden, dass eine eventuelle negative Sozialprognose darauf beruht, dass der Verurteilte sich der Leitung und Weisung des Bewährungshelfers entzieht. Als Ursache dürfte vielmehr die vorliegende schwere Persönlichkeitsstörung zu Grunde zu legen sein.“