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Entziehung der FE II: Vortrag aus dem Strafverfahren, oder: Achtung – BGH-Rechtsprechung gilt nicht

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Und dann habe ich hier das VG Karlsruhe, Urt. v. 18.01.2024 – 4 K 4372/22. Auch in dem Verfahren geht es um die Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar im Einzelnen um die Frage der Verwendung des  Vortrag des Verteidigers aus dem Strafverfahren.

Folgender Sachverhalt: Mit Schreiben vom 20. 07.2022 informierte das Polizeipräsidium K. das Landratsamt K. darüber, dass bei einer Mobilfunkauswertung auf dem Mobiltelefon des Klägers diverse Chatverläufe festgestellt worden seien, aus welchen hervorgehe, dass der Kläger im Zeitraum vom 27.03.2021 bis 01.12. 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben und offensichtlich auch selbst konsumiert habe. Aufgrund der Menge sei davon auszugehen, dass der Kläger einen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln betreibe. Im Rahmen der am 07.07.2022 durchgeführten Durchsuchung in der Wohnung des Klägers seien jedoch keine neuen Ermittlungsansätze gewonnen und der Tatverdacht des Handeltreibens sei nicht untermauert worden. Das Verfahren werde an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe abgegeben.

Mit Schreiben vom 11.08.2022 gab der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft Karlsruhe folgende Verteidigererklärung ab:

„Wie aus der Chatkorrespondenz erkennbar ist, handelt es sich vorliegend um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf. Aufgrund der im Chat genannten Preise und der Umstände des Erwerbs ist davon auszugehen, dass es sich hier um gestreckte Betäubungsmittel von eher minderer Qualität bzw. geringem Wirkstoffgehalt handelte. Mein Mandant gibt hierzu an, dass er seinerzeit bei pp. gearbeitet hatte. Das Arbeitsverhältnis verlief völlig unbefriedigend. Der vom Arbeitgeber ausgeübte Druck war für meinen Mandanten deutlich zu hoch. Das Arbeitsverhältnis wurde deshalb zum 31.12.2021 mit Aufhebungsvertrag beendet. Auch wenn mein Mandant dann bis zum 30.06.2022, mit Ausnahme einer 1½-monatigen Übergangsstelle, arbeitssuchend war, hat sich die Lebenssituation deutlich verbessert. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei pp. hat er den Konsum vollständig eingestellt. Bei der Durchsuchung wurden keine auf einen Konsum hindeutenden Gegenstände gefunden. Herr pp. befindet sich in einer gefestigten Lebenslage. Er ist verheiratet und seit 01.07.2022 in einem festen Arbeitsverhältnis im kaufmännischen Versand. Er erzielt ein Nettoeinkommen von durchschnittlich € 2.100. Schulden gibt es keine. Wegen der weiteren Vorgehensweise hält die Verteidigung ein Rechtsgespräch für sinnvoll. Eine fernmündliche Kontaktaufnahme durch den Unterzeichner wird angekündigt.“

Das Landratsamt hat dann im September 2022 dem Kläger, nachdem der wegen unerlaubten Erwerbs von BtM verurteilt worden war, die Fahrerlaubnis für alle ihm erteilten Klassen entzogen. Dagegen Widerspruch und  Klage. Die blieb ohne Erfolg:

„….

(2) Gemessen an diesen Maßstäben hat der Beklagte die Nichteignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu Recht angenommen. Der Konsum einer „harten Droge“ durch den Kläger steht angesichts der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gesammelten Chatprotokolle, der dort abgegebenen Verteidigererklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers und des daraufhin ergangenen Strafbefehls sowie unter Berücksichtigung seiner eigenen Angaben im Rahmen der behördlichen Anhörung zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 108 Abs. 1 VwGO).

So ergibt sich aus den im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens gesammelten Chatprotokollen und deren Auswertung durch die Polizei sowie dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Ettlingen vom 8. September 2022 (pp.), dass der Kläger im Zeitraum vom 27. März 2021 bis 1. Dezember 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben hat. Dies hat der Kläger bis heute nicht substantiiert in Abrede gestellt oder gar eine andere Interpretation dieser Chatverläufe dargelegt. Angesichts des Inhalts der Chatverläufe deutet, entsprechend der Auswertung durch die Polizei, alles darauf hin, dass der Kläger das Kokain – jedenfalls teilweise – auch selbst konsumiert hat. So schrieb er dort unter anderem: „Brauche dringend Zucker“, „ich würde mir gleich ein kleines Dessert holen gehen“, „ich brauch auch garnicht viel – ist wieder Überbrückung“, „sollen wir eins teilen?“, „zwei kleine Nachtische“, „glaub ich muss mir übel geben – Ja hab nur Schiss das du einpennst – Und ich am Ende nix hab“, „brauch erstmal ein Brett“.

Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Verteidigererklärung vom 11. August 2022 gegenüber der Staatsanwaltschaft auf eben jene Chatverläufe Bezug genommen und angegeben, dass aus der Chatkorrespondenz erkennbar sei, dass es sich vorliegend um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf gehandelt habe. Aufgrund der im Chat genannten Preise und der Umstände des Erwerbs sei davon auszugeben, dass es sich hier um gestreckte Betäubungsmittel von eher minderer Qualität bzw. geringem Wirkstoffgehalt gehandelt habe. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei pp. zum 31. Dezember 2021 habe der Kläger den Konsum vollständig eingestellt. Die Verteidigererklärung bezieht sich eindeutig auf sämtliche erworbenen Betäubungsmittel und damit auch auf das Kokain, dessen Erwerb durch den Kläger rechtskräftig feststeht. Es kommt daher für den Aussagegehalt der Erklärung vom 11. August 2022 entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht darauf an, dass der Begriff „Kokain“ dort nicht enthalten ist. Vielmehr hat er in seiner Verteidigererklärung auf die genannten Chatverläufe Bezug genommen und den dort dokumentierten Erwerb von Kokain mit Eigenkonsum gerechtfertigt. Damit wurde der Konsum der „harten Droge“ Kokain eingeräumt.

Angesichts des stimmigen Gesamtbildes aus der Verteidigererklärung und der dort in Bezug genommenen Chatverläufe genügt es im vorliegenden Verfahren nicht, einfach später einen eigenen Konsum pauschal zu bestreiten. Insbesondere spricht nichts dafür, dass die Angaben in der Verteidigererklärung unzutreffend sind. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass bei der Wohnungsdurchsuchung im Juli 2022 keine Hinweise auf Betäubungsmittel gefunden worden seien, so kann hieraus nichts für den Zeitraum bis Dezember 2021, auf den der Beklagte bezüglich des Konsums alleine abstellt, abgeleitet werden. Auch die Verteidigererklärung räumt lediglich einen Konsum bis Dezember 2021 ein, steht mithin nicht im Widerspruch zu dem Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung. Selbst wenn unterstellt würde, dass die in der Verteidigererklärung gemachten Angaben falsch oder zumindest missverständlich gewesen wären, wäre von einem um seine Glaubwürdigkeit im anschließenden Fahrerlaubnisentziehungsverfahren bemühten Betroffenen zu erwarten gewesen, so bald wie möglich die gemachten Angaben zu korrigieren und richtig zu stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 27).

Hier war dem Kläger bereits aufgrund des Anhörungsschreibens vom 26. August 2022 bekannt, dass ihm eine auf die Annahme des Beklagten, dass er Kokain konsumiert habe, gestützte Fahrerlaubnisentziehung drohen könnte. In Kenntnis dieses Umstands hat der Kläger in seiner Stellungnahme vom 8. September 2022 aber lediglich angegeben, dass „die Anschuldigungen“ bereits über neun Monate zurücklägen und er für seinen neuen Job auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Er sei bereit, einen Nachweis über seine Abstinenz zu liefern. Auch diese Einlassungen sprechen deutlich für einen Konsum des Klägers, zumal die zeitlichen Angaben zu den „Anschuldigungen“ mit denen der Verteidigererklärung zu dem Konsum übereinstimmen und das Angebot eines „Abstinenznachweises“ ebenfalls auf einen früheren, zwischenzeitlich beendeten Konsum hindeutet. Jedenfalls aber hat es der Kläger nicht für nötig erachtet, irgend-etwas Substanzielles vorzutragen, was geeignet gewesen wäre, den von der Fahrerlaubnisbehörde angenommenen und konkret beschriebenen Konsum auch nur ansatzweise in Zweifel zu ziehen, geschweige denn die Angaben in der Verteidigererklärung richtig zu stellen. Dieses Zögern lässt nur den Schluss zu, dass es nichts gab, was hier richtiggestellt hätte werden können. Es reicht, um den gegenüber den Strafverfolgungsbehörden – nach den Gesamtumständen – eindeutig eingeräumten eigenen Konsum von Kokain als nicht zutreffend hinzustellen, nicht aus, wenn ein solcher Konsum – wie hier erstmals in der Widerspruchsbegründung vom 27. Oktober 2022 – ohne erkennbaren Grund erst Monate später und dann auch nur weitgehend unsubstantiiert als nicht erwiesen dargestellt wird. Die von dem Kläger in seiner Klagebegründung gemachten Ausführungen sind insgesamt nicht geeignet, den vorherigen Nachweis des Eigenkonsums zu erschüttern. Er hat sich maßgeblich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt, ohne im konkreten Fall darzulegen, was die Motivation für eine Falschangabe in der Verteidigererklärung gegenüber der Staatsanwaltschaft gewesen sein sollte, wie die Chatverläufe sonst zu interpretieren sein könnten und was er mit dem erworbenen Kokain gemacht haben will, außer dieses selbst zu konsumieren. In der vorliegenden Konstellation hätte es dem Kläger aber oblegen, die in seine eigene Sphäre fallenden Umstände hinreichend detailliert, in sich schlüssig und auch im Übrigen glaubhaft vorzutragen, so dass ein abweichender Geschehensablauf als ernstlich möglich hätte in Betracht gezogen werden können. Denn gerade dann, wenn sich ein Beteiligter – wie hier – nicht klar und eindeutig zu Geschehnissen äußert, die seine eigene Lebenssphäre betreffen und über die er besser als der Verfahrensgegner Bescheid wissen muss, darf ein Gericht im Rahmen der sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Befugnis zur freien Beweiswürdigung das prozessuale Erklärungsverhalten des Beteiligten berücksichtigen (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung von Lebenssachverhalten aus der eigenen Sphäre: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 28; VG Würzburg, Beschluss vom 28. Februar 2014 – W 6 S 14.103 – juris, Rn. 27 f. m.w.N.). Die Klagebegründung behauptet aber nicht einmal ausdrücklich, dass der Kläger kein Konsument von Kokain war, sondern bezweifelt nur den Nachweis des Konsums.

Die von dem Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Bedeutung von Verteidigererklärungen führt hier zu keiner abweichenden Beurteilung. Demnach handele es sich bei einer schriftlichen Verteidigererklärung grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgebe, und nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Ihrer Bedeutung nach sei sie einem Parteivorbringen im Zivilprozess vergleichbar. Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung habe das Gericht daher zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukomme, da es sich um schriftliches, situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handele (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2020 – 2 StR 69/19 – juris).

Diese zum Strafprozessrecht ergangene Rechtsprechung kann jedoch nicht ohne Weiteres auf das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsgerichtsprozess übertragen werden. Da die Fahrerlaubnisbehörde präventiv zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Gesundheit, Leben und Eigentum einer Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer handelt, darf sie nach § 24 LVwVfG im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens alles, was ihr zur Kenntnis gelangt, heranziehen, um die Allgemeinheit vor Gefahren durch ungeeignete Kraftfahrer zu schützen. Mit dem Anspruch der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung strafprozessual gewonnener Erkenntnisse gehindert wären. § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG begründet dementsprechend die umfassende Pflicht der Polizei, der Fahrerlaubnisbehörde Informationen über Tatsachen zu übermitteln, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gefahrenprognose aufgrund von Feststellungen aus Ermittlungsergebnissen der Polizei und der Staatsanwaltschaft getroffen wird, sofern diese Fakten einer eigenständigen, nachvollziehbaren Bewertung unterworfen werden. Dabei können die gegenüber einer staatlichen Stelle erfolgten eigenen Bekundungen des Betroffenen zu seinem Betäubungsmittelkonsum selbst bei einem etwaigen Verstoß gegen strafprozessuale Bestimmungen grundsätzlich im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens berücksichtigt werden und unterliegen keinem Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 25 f., m.w.N.).

Diese zu eigenen Einlassungen des Beschuldigten entwickelte Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung der Kammer angesichts ihrer tragenden Begründung, die Fahrerlaubnisbehörde handele präventiv zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Gesundheit, Leben und Eigentum einer Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer und habe daher alle verfügbaren Erkenntnisquellen – auch aus dem Strafverfahren – heranzuziehen, auf eine entsprechende Verteidigererklärung, die – wie hier – im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für den Kläger abgegeben wird, übertragen, weshalb sich dieser grundsätzlich an deren Inhalt festhalten lassen muss und diesen allenfalls durch substantiiertes Vorbringen erschüttern kann. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Verteidigererklärung – wie hier – im strafrechtlichen Verfahren durch den dort Beschuldigten unwidersprochen geblieben und auf dieser Grundlage eine rechtskräftige Verurteilung – hier durch den Strafbefehl – erfolgt ist. Denn mit rechtskräftigem Abschluss des Straf(befehls)verfahrens hat der Beschuldigte die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnete Möglichkeit, der Verteidigererklärung zu widersprechen, ungenutzt gelassen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein strafprozessual beachtliches Verwertungsverbot für die Verteidigererklärung nicht festzustellen ist und im Übrigen auch der Bundesgerichtshof nicht von einem Verwertungsverbot oder einer „Wertlosigkeit“ der Verteidigererklärung, sondern „lediglich“ von deren vermindertem Beweiswert ausgeht.“

Alte Sünden, oder: Altes Recht bricht neues Recht

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Nach dem VG Freiburg, Beschl. v. 28.7.2016 – 4 K 1916/16 (dazu: „Standfest“ bzw. „handfester Beweis“, oder: Wo ist die (Viagra)Tablette?) eine weitere Entscheidung aus dem Fahrerlaubnisrecht, und zwar das schon etwas ältere VG Karlsruhe, Urt. v. 29.01.2016 – 9 K 275/15, der sich mit dem Fahreignungs-Bewertungssystems (Stichwort: Punktereform 20149 befasst. Es geht um die Frage der Zulässigkeit einer Verwarnung nach neuem Recht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) in Zusammenhang mit Eintragungen nach altem Recht. Im Grunde genommen ein ganz einfacher 🙂 Sachverhalt: Das KFB benachrichtigt die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 29.02.2012, dass auf die Klägerin in das VZR acht Punkte eingetragen seien. Daraufhin spricht die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 21.03.2012 gegenüber der Klägerin eine Verwarnung gemäß §§ 4 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Satz 4 StVG a.F. i aus und wies sie auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Nach dieser Verwarnung wird eine weiterer Verstoß in das VZR mit 3 Punkten eingetragen. Zum 01.05.2014 rechnete das KFB den bis dahin erreichten Punktestand von elf Punkten im VZR auf der Grundlage des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG in der seit dem 01.05.2014 geltenden Fassung um und ordnete die Klägerin mit einem Punktestand von fünf Punkten in das neue Fahreignungs-Bewertungssystem (FABS) ein. Aufgrund eines weiteren Verkehrsverstoeßs ergeht dann eine weitere registerpflichtige Entscheidung mit einem Punkt. Die Fahrerlaubnisbehörde spricht jetzt eine Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG in der ab dem 01.05.2014 geltenden Fassung aus und räumte der Klägerin die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ein. Und darum streitet man jetzt in Zusammenhang mit  der erhobenen Gebühr in Höhe von 18,90 €.

Das VG sagt: Alles richtig. Denn: Eine Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG in der seit dem 01.05.2014 geltenden Fassung (2. Stufe des Fahreignungs-Bewertungssystems) setzt nicht voraus, dass zuvor eine Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. (1. Stufe des Fahreignungs-Bewertungssystems) ergangen ist, wenn der Betreffende bereits auf der 1. Stufe des früheren Punktsystems gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG in der bis zum 30.04.2014 geltenden Fassung verwarnt worden ist. Dazu aus dem VG Karlsruhe, Urt. v. 29.01.2016 – 9 K 275/15:

„Der Verwarnung nach der 2. Stufe des Fahreignungs-Bewertungssystems gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG steht – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG entgegen. Danach darf die Behörde eine Maßnahme nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StVG erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen und der Punktestand verringert sich entsprechend (§ 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG). Zwar ist die Klägerin nicht gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG in der seit dem 01.05.2014 geltenden Fassung nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem ermahnt worden. Jedoch wurde ihr gegenüber nach dem vor der Reform geltenden Punktsystem bereits die seinerzeit anwendbare Maßnahme der 1. Stufe, namentlich die Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F., ergriffen. Gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG n.F. wird die am 01.05.2014 erreichte Stufe für Maßnahmen nach dem (neuen) Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber bei der Umstellung auf das neue Fahreignungs-Bewertungssystem gerade nicht bezweckt hat, dass diejenigen Fahrerlaubnisinhaber, die bereits eine Maßnahmenstufe erreicht hatten, durch die Umstellung quasi auf die 1. Stufe „zurückfallen“ und alle zunächst nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. ermahnt werden müssen. Jeder, der sich im bisherigen dreistufigen Punktsystem in einer Maßnahmenstufe befunden hat, wird in die entsprechende Maßnahmenstufe des neuen ebenfalls dreistufigen Fahreignungs-Bewertungssystems überführt und ausgehend von der bereits erreichten Stufe bei weiteren Zuwiderhandlungen und daraus folgendem Erreichen der jeweils nächsten Stufe behandelt (vgl. BT-Drucksache 17/12636 S. 50). Insoweit überlagern die Übergangsbestimmungen des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG die Regelungen des § 4 Abs. 6 StVG jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen nach altem Recht nicht nur punktemäßig eine Stufe des Punktsystems erreicht war, sondern die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahme der entsprechenden Stufe auch ergriffen hatte. So liegt der Fall auch hier, da die Klägerin bereits auf der 1. Stufe des alten Systems verwarnt worden war. Ein erneutes Ergreifen der Maßnahme der 1. Stufe – jetzt die Ermahnung – war nach alledem nicht erforderlich (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.06.2015 – 11 CS 15.814 -, […] Rn. 9 sowie entsprechend zur Zulässigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis <3. Stufe> ohne vorherige erneute Verwarnung <2. Stufe> VG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2015 – 5 K 3762/15 -, […] Rn. 18 f.).“

„Gassenschank“ erlaubt, oder: Keine trockenen Tankstellen

entnommen wikimedia.org Urheber joho345

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So, einen Beitrag habe ich noch – vielleicht für alle die ganz interessant, die noch nicht für die nächtliche Party eingekauft haben bzw. den Alkohol (immer) erst nachts einkaufen wollen/müssen. Das kann dann ggf. Probleme an der „Tanke“ geben, wenn für die nämlich ein nächtliches Verkaufsverbot besteht. Ein solches hatte die Stadt Bruchsal in Baden-Württemberg für eine Tankstelle erlassen, die mit einer Verkaufsstelle betrieben wurde. Für die war allerdings früher eine Gaststättenerlaubnis ohne Betriebszeitbeschränkung erteilt worden. In der „Tanke“ wurden daher auch nach 22.00 Uhr verschiedene alkoholische Getränke (Bier, Wein, Cognac etc.) verkauft. Die Stadt Bruchsal hatte darin einen Verstoß gegen das am 01.03.2010 in Kraft getretene nächtliche Alkoholverkaufsverbot in § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg gesehen und den Verkauf von alkoholischen Getränken in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr verboten

Das hat das VG Karlsruhe im VG Karlsruhe, Urt. v. 26.03.2014 – 4 K 684/12 – anders gesehen und das nächtliche Verkaufsverbot aufgehoben (vgl. hier die PM). Ausschlaggebend war für das VG, dass die Tankstelle eine Gaststättenerlaubnis mit unbegrenzter Betriebszeit hatte. Und – aus der PM:

„Es handle sich im vorliegenden Fall um einen gemischten Betrieb, bei dem die Schankwirtschaft neben dem in demselben Raum betriebenen Einzelhandel ihre rechtliche Eigenständigkeit behalte mit der Folge, dass der sogenannte Gassenschank weiterhin erlaubt bleibe. Voraussetzung hierfür sei nicht, dass der Verkaufsbereich des Tankstellenshops vom Gaststättenbereich räumlich abgegrenzt sei. Eine räumliche Abgrenzung sei mit Blick auf die Gefahren, denen der Gesetzgeber mit dem Alkoholverkaufsverbot entgegentreten wolle, unerheblich. Die Regelungen über den Gassenschank könnten auch nicht im Wege einer einschränkenden Auslegung nur auf sogenannte typische Gaststätten angewendet werden, in denen der Umsatz mit den anwesenden Gästen im Vordergrund stehe, der Verkauf in Form des Gassenschanks aber nur untergeordnete Bedeutung habe. Es bestehe nämlich keine Gesetzeslücke. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Problematik des sogenannten Gassenschanks durchaus gesehen und habe Gaststätten einschließlich Gassenschank bewusst aus dem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot ausgenommen. Dem Gesetzgeber habe auch bewusst sein müssen, dass von den ca. 1850 Tankstellen im Land eine nicht unerhebliche Anzahl über eine Gaststättenerlaubnis verfüge. Das Verwaltungsgericht würde daher seine Kompetenzen überschreiten, wenn es „frei schöpferisch“ Tankstellen mit dazugehöriger Gaststättenerlaubnis vom Gassenschank ausnehmen würde. Es sei vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, die Belange des Gastgewerbes (einschließlich der Belange der Inhaber von Tankstellen mit dazugehöriger Gaststättenerlaubnis) mit den ordnungsrechtlichen Belangen abzuwägen, die für ein nächtliches Alkoholverbot sprächen.“

Schöner Begriff: „Gassenschank“ kannte ich bisher nicht….

Stellenbesetzung am BGH: Fischer : Tolksdorf – (vorläufig) 2 : 0

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Heute ist dann der Tag der Nachrichten: Nicht vorenthalten will ich in dem Zusammenhang unseren Lesern das Ergebnis der zweiten Runde im BGH-Richterstreit beim VG Karlsruhe.

Das VG Karlsruhe meldet mit seiner PM v. 18.01.2013: Stellenbesetzung am Bundesgerichtshof erneut vorläufig gestoppt. Damit steht es (vorläufig): 2 : 0 für Fischer. In der PM heißt es:

Mit einem soeben den am Verfahren Beteiligten bekanntgegebenen Beschluss hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die beabsichtigte Ernennung einer Richterin am Bundesgerichtshof zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof vorläufig gestoppt.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist ein Richter am Bundesgerichtshof, der sich, ebenso wie eine vom Gericht zum Verfahren beigeladene Richterin am Bundesgerichtshof, auf eine Mitte letzten Jahres – nach Eintritt des Vorsitzenden des 4. Strafsenats in den Ruhestand – frei gewordene Vorsitzendenstelle an diesem Gericht beworben hatte. Nach Einholung dienstlicher Beurteilungen aller Bewerber beabsichtigte die Bundesministerin der Justiz, dem für die Ernennung zuständigen Bundespräsidenten die Ernennung der Beigeladenen zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof vorzuschlagen. Der Antragsteller machte geltend, die über ihn vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs erstellte dienstliche Beurteilung sei rechtsfehlerhaft, weshalb auch die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen keinen rechtlichen Bestand haben könne. Zur Verhinderung der Ernennung der Beigeladenen sei ihm vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren. 

Ein gleichartiges sogenanntes Konkurrentenstreitverfahren hatte der Antragsteller bereits im Jahr 2011 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe anhängig gemacht, als es um die Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenats ging. Auch damals sollte der Antragsteller nicht zum Zuge kommen. Mit Beschluss vom 24.10.2011 – 4 K 2146/11 – hatte die damals zuständige 4. Kammer des Verwaltungsgerichts auf Antrag des Antragstellers die Stellenbesetzung vorläufig gestoppt.Eine neue Auswahlentscheidung ist in Bezug auf dieses Auswahlverfahren noch nicht ergangen. 

Die für den neuerlichen Eilantrag zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts hat diesem Antrag entsprochen und eine einstweilige Anordnung erlassen, mit welcher der Bundesrepublik Deutschland untersagt wird, die Beigeladene zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof zu ernennen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist. Zur Begründung heißt es: 

Die dem Auswahlverfahren zugrundegelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 31.05.2012 bilde keine taugliche Auswahlgrundlage, da sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand an rechtserheblichen Fehlern leide. So sei diese Beurteilung bereits zu unbestimmt und letztlich widersprüchlich. Der Antragsteller werde darin für das Amt eines Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof „nach wie vor für (noch) sehr gut geeignet“ erachtet. Der einschränkende Zusatz „(noch)“ sei mit Blick auf die Formulierung „nach wie vor“ widersprüchlich; denn in einer nur wenige Monate zurückliegenden Beurteilung, an die die aktuelle Beurteilung im Übrigen anknüpfe, werde dem Antragsteller noch ein uneingeschränktes „sehr gut geeignet“ bescheinigt. 

Abgesehen davon dürften sowohl die aktuelle Beurteilung als auch die vorherige Beurteilung an erheblichen Defiziten in der Sachverhaltsermittlung und -darlegung sowie daraus folgend auch ihrer Nachvollziehbarkeit leiden. Noch im Jahr 2010 und so auch bereits im Jahr 2008 sei der Antragsteller im Gesamturteil als „besonders geeignet“ (also mit der höchsten Bewertungsstufe) beurteilt worden. Ausschlaggebender Grund für die Herabstufung auf „sehr gut geeignet“ sei ausweislich der vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs in der Beurteilung hierfür gegebenen Begründung allein seine geänderte Einschätzung der für eine erfolgreiche Wahrnehmung des Vorsitzendenamtes erforderlichen persönlichen Eigenschaften des Antragstellers, insbesondere mit Blick auf dessen soziale Kompetenz für einen Senatsvorsitz.Der Antragsteller neige dazu, andere seine intellektuelle Überlegenheit spüren zu lassen, in Einzelfällen auch dadurch, dass er dem Gegenüber schlicht die Kompetenz abspreche. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Präsidenten aus der ihm inzwischen mitgeteilten Sichtweise von Senatskollegen des Antragstellers und werde dadurch belegt, dass sich drei der früheren Mitglieder des Senats eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller – zumal als Vorsitzendem – nicht hätten vorstellen können und vom Präsidium auf ihren Wunsch anderen Senaten zugewiesen worden seien. 

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Präsident des Bundesgerichtshofs diese gegenüber früheren Bewertungen erheblich geänderte Einschätzung persönlicher Charaktereigenschaften des Antragstellers nicht ausreichend nachvollziehbar gemacht. In Anbetracht dessen, dass dem Antragsteller in seinem Berufsleben zuvor durchgängig eine ausgeprägte und außergewöhnlich hohe soziale Kompetenz im kollegialen Umgang bescheinigt worden sei, bleibe die aktuelle und vorangegangene Beurteilung die für eine solche Verschlechterung erforderliche eingehende und nachvollziehbare Begründung schuldig, zumal der Präsident des Bundesgerichtshofs auch von Stellungnahmen der damaligen Vorsitzenden des Antragstellers aus dem Jahr 2010 diametral abweiche. Es fehle an Darlegung belastbarer Tatsachen, auf deren Grundlage eine solche (nicht auszuschließende) negative Entwicklung – im vorliegenden Fall quasi aus heiterem Himmel – angenommen werden könnte. Der Präsident des Bundesgerichtshofs berufe sich auf von ihm angestellte Ermittlungen durch (vertrauliche) Gespräche und die Einholung von zum Teil schriftlichen Auskünften bei Kolleginnen und Kollegen des Antragstellers. Der genaue Inhalt der erhaltenen mündlichen oder schriftlichen Auskünfte und ihr jeweiliger Urheber seien aber weder in der dienstlichen Beurteilung noch als sonstiger Bestandteil der Personalakte offen gelegt. Dies dürfte nicht ausreichend sein. 

Spreche danach nach derzeitigem Erkenntnisstand vieles dafür, dass die dienstliche Beurteilung des Antragstellers keinen Bestand haben werde, sei auch der Ausgang des vorliegenden Besetzungsverfahrens als offen anzusehen und die begehrte einstweilige Anordnung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung zu erlassen. 

Der Beschluss vom 17.01.2013 (1 K 2614/12) ist nicht rechtskräftig. Die Bundesrepublik Deutschland und die Beigeladene können innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.“

Nun ja: Ist schon ein wenig (?) peinlich für den BGH-Präsidenten u.a. zu lesen:

„..In Anbetracht dessen, dass dem Antragsteller in seinem Berufsleben zuvor durchgängig eine ausgeprägte und außergewöhnlich hohe soziale Kompetenz im kollegialen Umgang bescheinigt worden sei, bleibe die aktuelle und vorangegangene Beurteilung die für eine solche Verschlechterung erforderliche eingehende und nachvollziehbare Begründung schuldig, zumal der Präsident des Bundesgerichtshofs auch von Stellungnahmen der damaligen Vorsitzenden des Antragstellers aus dem Jahr 2010 diametral abweiche. Es fehle an Darlegung belastbarer Tatsachen, auf deren Grundlage eine solche (nicht auszuschließende) negative Entwicklung – im vorliegenden Fall quasi aus heiterem Himmel – angenommen werden könnte.“