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Alte Sünden, oder: Altes Recht bricht neues Recht

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Nach dem VG Freiburg, Beschl. v. 28.7.2016 – 4 K 1916/16 (dazu: „Standfest“ bzw. „handfester Beweis“, oder: Wo ist die (Viagra)Tablette?) eine weitere Entscheidung aus dem Fahrerlaubnisrecht, und zwar das schon etwas ältere VG Karlsruhe, Urt. v. 29.01.2016 – 9 K 275/15, der sich mit dem Fahreignungs-Bewertungssystems (Stichwort: Punktereform 20149 befasst. Es geht um die Frage der Zulässigkeit einer Verwarnung nach neuem Recht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) in Zusammenhang mit Eintragungen nach altem Recht. Im Grunde genommen ein ganz einfacher 🙂 Sachverhalt: Das KFB benachrichtigt die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 29.02.2012, dass auf die Klägerin in das VZR acht Punkte eingetragen seien. Daraufhin spricht die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 21.03.2012 gegenüber der Klägerin eine Verwarnung gemäß §§ 4 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Satz 4 StVG a.F. i aus und wies sie auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Nach dieser Verwarnung wird eine weiterer Verstoß in das VZR mit 3 Punkten eingetragen. Zum 01.05.2014 rechnete das KFB den bis dahin erreichten Punktestand von elf Punkten im VZR auf der Grundlage des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG in der seit dem 01.05.2014 geltenden Fassung um und ordnete die Klägerin mit einem Punktestand von fünf Punkten in das neue Fahreignungs-Bewertungssystem (FABS) ein. Aufgrund eines weiteren Verkehrsverstoeßs ergeht dann eine weitere registerpflichtige Entscheidung mit einem Punkt. Die Fahrerlaubnisbehörde spricht jetzt eine Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG in der ab dem 01.05.2014 geltenden Fassung aus und räumte der Klägerin die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ein. Und darum streitet man jetzt in Zusammenhang mit  der erhobenen Gebühr in Höhe von 18,90 €.

Das VG sagt: Alles richtig. Denn: Eine Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG in der seit dem 01.05.2014 geltenden Fassung (2. Stufe des Fahreignungs-Bewertungssystems) setzt nicht voraus, dass zuvor eine Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. (1. Stufe des Fahreignungs-Bewertungssystems) ergangen ist, wenn der Betreffende bereits auf der 1. Stufe des früheren Punktsystems gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG in der bis zum 30.04.2014 geltenden Fassung verwarnt worden ist. Dazu aus dem VG Karlsruhe, Urt. v. 29.01.2016 – 9 K 275/15:

„Der Verwarnung nach der 2. Stufe des Fahreignungs-Bewertungssystems gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG steht – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG entgegen. Danach darf die Behörde eine Maßnahme nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StVG erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen und der Punktestand verringert sich entsprechend (§ 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG). Zwar ist die Klägerin nicht gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG in der seit dem 01.05.2014 geltenden Fassung nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem ermahnt worden. Jedoch wurde ihr gegenüber nach dem vor der Reform geltenden Punktsystem bereits die seinerzeit anwendbare Maßnahme der 1. Stufe, namentlich die Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F., ergriffen. Gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG n.F. wird die am 01.05.2014 erreichte Stufe für Maßnahmen nach dem (neuen) Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber bei der Umstellung auf das neue Fahreignungs-Bewertungssystem gerade nicht bezweckt hat, dass diejenigen Fahrerlaubnisinhaber, die bereits eine Maßnahmenstufe erreicht hatten, durch die Umstellung quasi auf die 1. Stufe „zurückfallen“ und alle zunächst nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. ermahnt werden müssen. Jeder, der sich im bisherigen dreistufigen Punktsystem in einer Maßnahmenstufe befunden hat, wird in die entsprechende Maßnahmenstufe des neuen ebenfalls dreistufigen Fahreignungs-Bewertungssystems überführt und ausgehend von der bereits erreichten Stufe bei weiteren Zuwiderhandlungen und daraus folgendem Erreichen der jeweils nächsten Stufe behandelt (vgl. BT-Drucksache 17/12636 S. 50). Insoweit überlagern die Übergangsbestimmungen des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG die Regelungen des § 4 Abs. 6 StVG jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen nach altem Recht nicht nur punktemäßig eine Stufe des Punktsystems erreicht war, sondern die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahme der entsprechenden Stufe auch ergriffen hatte. So liegt der Fall auch hier, da die Klägerin bereits auf der 1. Stufe des alten Systems verwarnt worden war. Ein erneutes Ergreifen der Maßnahme der 1. Stufe – jetzt die Ermahnung – war nach alledem nicht erforderlich (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.06.2015 – 11 CS 15.814 -, […] Rn. 9 sowie entsprechend zur Zulässigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis <3. Stufe> ohne vorherige erneute Verwarnung <2. Stufe> VG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2015 – 5 K 3762/15 -, […] Rn. 18 f.).“

Punktereform: Tattagprinzip auch bei Tilgungsfristen?

FAERDie Punktereform ist nun mehr als ein Jahr alt und man trifft derzeit vornehmlich (noch) auf Entscheidungen, die sich mit der Übergangsregelung befassen bzw. „in deren Dunstkreis tätig sind. So auch der VGH Bayern, Urt. v. 15.04.2015, 11 BV 134/15, der sich u.a. auch mit dem (neu eingeführten) Tattagsprinzip befasst. Der Beschluss lässt sich in etwa wie folgt zusammenfassen:

Für die Tilgungsfristen für Ordnungswidrigkeiten findet das (neue) Tattagprinzip keine Anwendung. Der Beginn der Tilgungsfrist ist in § 29 Abs. 4 StVG so geregelt, dass diese erst mit Rechtskraft zu laufen beginnt. Das Tattagprinzip findet demgegenüber nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG nur auf die Berechnung des Punktestands Anwendung. Wird eine vor der Rechtsänderung zum 01.05.2014, aber erst danach im Fahreignungsregister eingetragenen Zuwiderhandlung begangen, erfolgt die Berechnung des Punktestands am Tattag durch Umrechnung des nach altem Recht bestehenden Punktestands nach der Tabelle des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG und Addition der nach neuem Recht neu hinzukommenden Punkte.

Ist alles nicht so ganz einfach und man kann schnell den Überblick verlieren.

P.S. Ausnahmsweise mal ein Link zu open.jur, da meine Homepage derzeit nicht erreichbar ist 🙁 . Nachdem die HP dann wieder erreichbar, geht der Link auch zu meiner HP. Vielen Dank open.jur für das Asyl. 🙂

Wenn Verwaltungsgerichte zweifeln – hier an der Übergangsregelung der „Punktereform“

FAERDie zum 01.05.2014 in Kraft getretene Punktereform kommt allmählich in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte an. Ich war dazu schon vor einigen Tagen auf den VG Freiburg, Beschl. v. 20.06.2014 – 5 K 1143/14 – gestoßen, zu dem ich bloggen wollte. Hat sich erledigt. Ich kann besser gleich die inzwischen dazu vorliegende Rechtsmittelentscheidung des VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 02.09.2014, Az.: 10 S 1302/14 nehmen, der die Entscheidung des VG Freiburg bestätigt hat.

In der Sache geht es um eine interessante Frage aus dem Übergangsrecht, nämlich: Kann das das Erreichen bzw. Überschreiten der 18 Punkte-Schwelle nach altem Recht mit der Bewertung von 5 Punkten für eine Verwarnung unter Strafvorbehalt wegen fahrlässiger Körperverletzung begründet werden? Denn die Übergangsregelung in § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG ordnet die Löschung von Eintragungen ab dem 01.05. 2014 an, wenn diese nach dem neuen Recht nicht mehr zu speichern wären.

Das Verhältnis dieser Löschungsregelung zum Tattag-Prinzip, welches besagt, dass spätere Tilgungen wegen Zeitablauf, nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn einmal 18 Punkte nach altem Recht erreicht waren bzw. 8 Punkte nach neuem Recht erreicht werden, erscheint sowohl dem VGH als auch dem VG unklar und in den Übergangsregelungen in § 65 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG n.F. möglicherweise nicht bedacht. Im Unterschied zur Tilgung früherer Verkehrsverstöße erfolge eine Löschung nach § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG nicht wegen eines Zeitablaufs, sondern wegen der Wertung des Gesetzgebers, dass bestimmte früher eintragungspflichtige Verkehrsverstöße nicht mehr für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen erheblich sein sollen. Dies könnte – so die beiden Entscheidungen –  dafür sprechen, eine solche Löschung gem. § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG n.F. abweichend vom Tattagprinzip zu berücksichtigen. Denn es leuchtet nicht ohne weiteres ein, dass ein nicht mehr eintragungswürdiger Verkehrsverstoß letztlich den Ausschlag für eine Entziehung der Fahrerlaubnis geben können soll.

Deshalb – so der VGH:

„Nach alldem bestehen Zweifel, ob das materielle Recht gebietet, bei der Widerspruchsentscheidung auch in der vorliegenden Konstellation auf den Zeitpunkt der Tatbegehung abzustellen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedenfalls nicht ohne weiteres zu Lasten des Antragstellers zu beantworten und bedürfen einer Klärung im Verfahren der Hauptsache (ebenso für die Prozesskostenhilfe: Sächs.OVG, Beschluss vom 31.07.2014 – 3 B 152/14 – juris; für die Anwendung des im Zeitpunkt der Entziehungsverfügung geltenden Rechts, aber wohl nur aufgrund des Wegfalls des Widerspruchsverfahrens: OVG NRW, Beschluss vom 28.07.2014 – 16 B 752/14 – juris).“

Heute im Vermittlungsausschuss II: Auch Peter Ramsauer hat Glück – Punktereform durch

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Auch Peter Ramsauer hat heute Glück J. Im Vermittlungsausschuss ist seine Punkterefom – wenn auch mit Abstrichen durch. In der der dazu gerade herein gekommenen BR-Pressemitteilung 168 / 2013 heißt es:

 Streit um Punktekatalog beigelegt.

„Bund und Länder haben ihren Streit um die Reform des Punktekatalogs für Verkehrsverstöße rasch beigelegt. Nur wenige Tage nach der Anrufung durch den Bundesrat beschloss der Vermittlungsausschuss heute einen Einigungsvorschlag. Er sieht unter anderem Änderungen an dem neu konzipierten Fahreignungsseminar vor und greift damit Anliegen der Länder auf. Die Seminarteilnahme soll künftig nicht mehr verbindlich, sondern freiwillig sein. Verkehrssünder können damit einen Punkt abbauen statt wie vom Bundestag vorgeschlagen zwei Punkte. Der Vermittlungsausschuss formuliert klarere Regeln für die behördliche Qualitätssicherung des Seminars und Änderungen beim Datenschutz der Teilnehmer.

Außerdem schlägt er vor, in einer Verordnung festzulegen, wie das Fahreignungsseminar inhaltlich und zeitlich gestrafft werden kann, um die Kosten zu senken. Ebenfalls im Verordnungsweg sollen auch Verkehrsverstöße wie das Zuparken von Rettungswegen und Feuerwehrzufahrten sowie Fahrerflucht durch Punkte geahndet werden.

Im Gegenzug bleibt es unverändert bei dem vom Bundestag beschlossenen 3-Punkte-System zur Differenzierung der Verkehrsverstöße. Um die Umsetzung der Reform vorbereiten zu können, soll das Gesetz erst neun Monate nach Verkündung in Kraft treten.

Wenn Bundestag und Bundesrat den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses bestätigen, kann das Gesetzgebungsverfahren noch vor der parlamentarischen Sommerpause abgeschlossen werden: Der Bundestag befasst sich voraussichtlich noch in dieser Woche, der Bundesrat am 5. Juli 2013 mit dem geänderten Gesetz.“

Tag der Entscheidungen in Berlin: RVG und Punktereform auf der TO im Bundestag

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Heute steht in zwei wichtigen Reformvorhaben der Tag der Entscheidungen an. In Berlin berät der Bundestag, und zwar über

Nachdem es erst so aussah, als werde die RVG-Reform platzen (vgl. hier: RVG-Sensation: Ist das 2. KostRMoG/Sind die RVG Änderungen geplatzt?), bin ich jetzt ganz hoffnungsfroh. Denn die 2. und 3. Lesung und damit die Beschlussfassung steht noch auf der Tagesordnung des Bundestages vom heutigen Tag.

Da heißt es unter TOP 18:

„18.a) Zweite und dritte Beratung Bundesregierung

Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG)
– Drs 17/11471 (neu) –

Zweite und dritte Beratung BR

Stärkung des Erfolgsbezugs im Gerichtsvollzieherkostenrecht
17/5313, 17/13537

 b) Beratung BeschlEmpf u Ber (6.A)

zum Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kostenrechtsmodernisierung bei Vertretung in Asylverfahren und Übersetzungsleistungen nachbessern
– Drs 17/12173, 17/….. –

c) Zweite und dritte Beratung Bundesregierung

Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts 
– Drs 17/11472, 17/13538

Zweite und dritte Beratung Bundesrat

Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz – PKHBegrenzG)
– Drs 17/1216, 17/13538 –

Zweite und dritte Beratung Bundesrat

Änderung des Beratungshilferechts
– Drs 17/2164, 17/13538 –
(TOP 18a+c, Reden zu Protokoll, 18b abgesetzt)“

Sieht doch ganz hoffnungsvoll aus, oder? Denn, wenn das Gesetz geplatz wäre, würde es wohl nicht mehr auf der TO stehen. Nun müssen wir uns nur noch gedulden, was kommt, also ob es im Rechtsausschuss noch Änderungen gegeben hat. Die Beschlussvorlage habe ich egsucht, aber bislang nicht gefunden.

Und: Gedulden müssen wir uns, denn wenn ich richtig gerechnet habe, wird er BT über den TOP 18 wohl erst in den Abendstunden entscheiden, so nach 20.00 Uhr. Geredet wird dazu aber nicht mehr. Die Reden werden zu Protokoll gegeben.

Nachtrag um 13.05 Uhr: Vgl. auch hier: RVG-Reform – es bleibt heute spannend. Geht es in den Vermittlungsausschuss?