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Fristsetzung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar, oder: Fristverlängerung einer angemessen Frist?

Frist Termin

Im zweiten Posting dann etwas zur Fahrerlaubnis auf Probe.

Gestriiten wird in einem Verfahren, das mit dem BayVGH, Beschl. v. 22.04.2025 – 11 CS 25.327 – geendet hat, um die die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Am 09.09.2022 erteilte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller eine Fahrerlaubnis auf Probe der Klassen AM, B, und L. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 13.10.2023, dem Antragsteller zugestellt am 18.10.2023, forderte sie ihn auf, innerhalb von drei Monaten ab Zustellung der Anordnung an einem Aufbauseminar für Fahranfänger teilzunehmen und nach erfolgreichem Abschluss eine Teilnahmebestätigung vorzulegen. Zu Grunde lag dem ein rechtkräftiger Bußgeldbescheid wegen einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 40 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft am 03.02.2023.

Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 19.03.2024 an die Vorlage der Teilnahmebescheinigung erinnert und zur Entziehung der Fahrerlaubnis angehört hatte, wandte sich der Antragsteller erstmals mit E-Mail vom 28.03.2024 an die Behörde. Ihm sei die Teilnahme an einem Aufbauseminar bisher aus persönlichen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Bei der für ihn nächstgelegenen Fahrschule gebe es kein Seminar bis Ende April/Anfang Mai 2024. Er werde sich unverzüglich melden, sobald der Termin feststehe.

Mit E-Mail vom 02.04.2024 lehnte die Antragsgegnerin die begehrte Fristverlängerung ab. Die gesetzte Frist sei bereits am 18.01.2024 verstrichen, eine Rückmeldung erst nun erfolgt. Am selben Tag übersandte der Antragsteller eine Bestätigung über die Anmeldung zu einem Aufbauseminar bei einer anderen Fahrschule mit Terminen vom 29.04. bis 16.05.2024.

Mit Bescheid vom 23.04. 2024 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Anordnung des Sofortvollzugs, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben. Dagegen die Klage und zugleich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das VG abgelehnt hat. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die keinen Erfolg hatte.

„…

Ferner hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Frist zur Vorlage der Teilnahmebescheinigung nicht zu verlängern, nicht zu beanstanden ist. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen dringt nicht durch.

a) Der angegriffene Beschluss hat zutreffend zu Grunde gelegt, dass von einer Behörde gesetzte Fristen nach Ermessen, dessen Ausübung gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO), verlängert werden können (Art. 37 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG). Sind solche Fristen – wie hier – bereits abgelaufen, können sie auch rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolgen bestehen zu lassen (Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG). Folglich hat das Verwaltungsgericht zu Recht in den Blick genommen, ob die Nichtverlängerung unter Berücksichtigung persönlicher und sachlicher Gründe unbillig wäre (vgl. dazu auch BayVGH, B. v, 28.6.2024 – 11 CS 24.454 – juris Rn. 22; Mattes in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 48; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 31 VwVfG Rn. 31 f.). So kann es im Fall der unverschuldeten Versäumung einer Frist zur Teilnahme an einem Aufbauseminar liegen, wenn der Betroffene rechtzeitig eine Fristverlängerung beantragt, gleichzeitig substantiiert die Hinderungsgründe darlegt sowie erkennbar den Willen äußert, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren. Für die nachträgliche Verlängerung der Frist ist darüber hinaus darzulegen, weshalb der Fahranfänger an einer vorherigen Mitteilung der Hinderungsgründe innerhalb der Frist gehindert war (vgl. OVG SH, B. v, 31.3.2021 – 5 MB 39/20NJW 2021, 1771 = juris Rn. 13; Trésoret in Freymann/Wellner, jurisPK-StVR, Stand 14.4.2025, § 2a StVG Rn. 209 ff.; Derpa in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 2a StVG Rn. 42). Liegen diese Voraussetzungen vor und wird die Fahrerlaubnis auf Probe gleichwohl unter Ablehnung der Fristverlängerung entzogen, kann dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (vgl. OVG SH a.a.O.; Trésoret a.a.O. Rn. 210). Wirtschaftliches Unvermögen zur Finanzierung des Aufbauseminars ist insoweit dabei allerdings grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. Trésoret a.a.O. Rn. 209; Derpa a.a.O.).

b) Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Verweigerung einer Fristverlängerung hier nicht unbillig und die Entziehung der Fahrerlaubnis folglich nicht unverhältnismäßig ist. Die dreimonatige Frist zur Teilnahme an dem Aufbauseminar erscheint üblich und nicht von vornherein zu kurz bemessen (vgl. zu einem Richtwert von 2 bis 3 Monaten auch Trésoret, a.a.O. § 34 FeV Rn. 40). Der Antragsteller hat ferner, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm die fristgerechte Teilnahme an einem Aufbauseminar aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen wäre. Insbesondere ein Mangel an Seminarangeboten ist nicht dargetan worden. Dazu hätte er substantiiert vortragen müssen, sich bei allen geeigneten Seminarstellen im Umkreis, wozu hier jedenfalls die gesamte Landeshauptstadt München als örtlicher Zuständigkeitsbereich der handelnden Fahrerlaubnisbehörde gehört, erfolglos um eine Teilnahme bemüht zu haben (vgl. OVG LSA, B. v, 3.6.2022 – 3 M 48/22 – juris Rn. 6; Trésoret a.a.O. § 2a StVG Rn. 210.1). Ein derart substantiiertes Vorbringen ist innerhalb der gesetzten Frist, abgesehen davon aber auch im gerichtlichen Verfahren nicht erfolgt. Wenn die Beschwerde einwendet, die Anbieter der Seminare müssten abwarten, bis sich eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern angemeldet habe (vgl. dazu auch § 34 Abs. 1 Satz 1 FeV), genügt dies den genannten Anforderungen offensichtlich nicht. Sofern sie auf Schwierigkeiten aufgrund fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache hinweist, ist kein Bezug zu der Situation des Antragstellers erkennbar und kommt es darauf schon deswegen nicht an. Ferner fehlt jeglicher Vortrag dazu, warum der Antragsteller etwaige Hinderungsgründe nicht innerhalb der gesetzten Frist geltend gemacht, sondern erst mehr als zwei Monate nach deren Ablauf und auf die Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis hin.

c) Ebenfalls ohne Erfolg wirft der Antragsteller ein, die Fristsetzung habe keinen tiefgreifenden inneren Sinn. Das Gesetz geht davon aus, dass sich ein Fahranfänger bereits bei einer der in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Zuwiderhandlungen in der Probezeit nicht bewährt hat und die weitere Teilnahme am fahrerlaubnispflichtigen Straßenverkehr in diesem Fall die vorherige Korrektur der Fehlverhaltensweisen voraussetzt (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 14, 19; VG Karlsruhe, B. v, 13.2.2008 – 9 K 4351/07 – juris Rn. 6; Trésoret a.a.O. § 2a StVG Rn. 201). Ferner hält es der Gesetzgeber für notwendig, bei Fahranfängern, die durch Verkehrsverstöße auffällig geworden sind, die darin zum Ausdruck kommende mangelnde Erfahrungsbildung bzw. Risikobereitschaft alsbald zu korrigieren. Dies ergibt sich auch aus der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar (§ 2a Abs. 6 StVG) sowie der Gesetzesbegründung dazu. Ein möglichst enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Verkehrsverstoß und Aufbauseminar ist nach seiner Vorstellung von erheblicher Bedeutung für deren Wirksamkeit (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 20). Demnach erscheint es hier zwar nicht zwingend, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nach Vorlage der Anmeldung zu dem (nach Bescheiderlass erfolgreich absolvierten) Aufbauseminar keine weitere Frist eingeräumt hat. Ihre Entscheidung dagegen ist jedoch auch nach dem vorgenannten Zweck der Fristsetzung nicht unbillig und gerichtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als die Anmeldung zu einem Aufbauseminar noch nichts darüber besagt, dass dieses auch zeitnah erfolgreich abgeschlossen wird (vgl. dazu auch § 37 Abs. 2 FeV; Koehl in Hentschel/König, § 37 FeV Rn. 1).

d) Weiter geht der Vorwurf fehl, die Entziehung der Fahrerlaubnis habe den Charakter eines „Racheaktes“ bzw. einer Ahndung. Die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar ist nicht gegen den Willen des Fahranfängers vollstreckbar. § 2a Abs. 3 StVG sieht daher als verfahrensrechtliche Konsequenz aus der Nichtbefolgung der Anordnung die (zwingende) Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde vor (vgl. Trésoret, a.a.O. § 2a StVG Rn. 201). Dies verleiht der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar den erforderlichen Nachdruck und ist Ausdruck davon, dass die Probezeit für den Fahranfänger eine Zeit der Bewährung ist, in der besondere Anforderungen an sein Verkehrsverhalten und auch an seine aktive Teilnahme an behördlich angeordneten Maßnahmen gestellt werden (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 20). Sie dient folglich nicht der Vergeltung, sondern verfolgt als Maßnahme der Gefahrenabwehr den Zweck, künftigen Verkehrsverstößen vorzubeugen (vgl. VG Göttingen, U.v. 3.4.2013 – 1 A 92/11NJW 2013, 2697 = juris Rn. 18)….“

Fahrerlaubnisentziehung I: Fahrerlaubnis auf Probe, oder: Entziehung nach Verzicht und Wiedererteilung

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Und dann heute „Kessel Buntes Tag“, und zwar mit zwei Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis (auf Probe).

Zunächst stelle ich das BVerwG, Urt. v. 10.10.2024 – 3 C 3/23 – vor. In dem Verfahren wird um die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers gestritten.

Dem Kläger war erstmals am 30.07.2014 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden. Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle und einer weiteren Kontrolle aus Anlass von Verkehrsverstößen wurde dann der Konsum von Cannabis festgestellt. Deshalb und wegen der Verkehrsverstöße wurde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten führte zu einer negativen Beurteilung seiner Fahreignung. Hierauf verzichtete er mit Schreiben vom 14.04.2015 auf seine Fahrerlaubnis.

Auf der Grundlage eines nunmehr positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens und der Vorlage einer Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar erteilte die Beklagte dem Kläger am 22.07.2020 erneut die Fahrerlaubnis der Klasse B. Am 24.09.2020 überfuhr der Kläger eine bereits länger als eine Sekunde rote Ampel. Der deshalb erlassene Bußgeldbescheid wurde rechtskräftig. Die Beklagte ordnete hierauf erneut die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an und stützte ihre Anordnung auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Nachdem der Kläger das von ihm verlangte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hatte, entzog sie ihm mit Bescheid vom 09.03.2021 die Fahrerlaubnis. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben. Die erneute Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens könne nicht auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG gestützt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gelte die Bestimmung nur nach einer vorausgegangenen Entziehung der Fahrerlaubnis, nicht aber im Falle eines Verzichts. Ihre analoge Anwendung scheide aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit einer Umgehung gesehen, innerhalb des § 2a StVG aber Entziehung und Verzicht nicht in allen Fällen gleichgestellt. Im Umkehrschluss bleibe es hier grundsätzlich bei den Maßnahmen nach § 2a Abs. 2 StVG. Ein Versehen liege auch angesichts der Beratungen in verschiedenen Ausschüssen des Deutschen Bundestags und des Bundesrates fern. Zudem sprächen gute Gründe dafür, im Regelungskontext von § 2a Abs. 5 Satz 4 und 5 StVG die Entziehung nicht mit dem Verzicht gleichzustellen. Der Verzicht könne aus unterschiedlichen Gründen erfolgen, weshalb nicht unterstellt werden könne, eine Umgehung sei beabsichtigt. Im Einzelfall könne auf der Grundlage von § 2a Abs. 4 Satz 1 StVG die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden. Ein differenziertes Vorgehen sei schlüssig und wegen der Eingriffsintensität der Untersuchung verfassungsrechtlich geboten.

Das OVG hat das Urteil des VG geändert und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Fahrerlaubnis des Klägers zu Recht entzogen. Sie habe auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen, da er das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt habe. Die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens habe auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in analoger Anwendung gestützt werden können. Die Vorschrift sei in Fällen eines Verzichts jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn der Fahrerlaubnisinhaber vor der Neuerteilung an einem Aufbauseminar teilzunehmen hatte. Es bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Das Recht der Fahrerlaubnis auf Probe habe zunächst an keiner Stelle zwischen Fahrerlaubnisentziehung und -verzicht unterschieden. Es habe vorgesehen, dass nach einer Fahrerlaubnisentziehung vor der Neuerteilung der Nachweis über die Teilnahme an einem Nachschulungskurs zu erbringen sei. Aufbauend darauf habe es geregelt, dass in der neu beginnenden Probezeit der Maßnahmenkatalog des § 2a Abs. 2 StVG keine Anwendung finde und stattdessen die zuständige Behörde im Falle einer erneuten relevanten Zuwiderhandlung in der Regel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen habe (§ 2a Abs. 5 Satz 1 bis 3 StVG a. F.). Das sei von dem Gedanken getragen gewesen, dass eine Wiederholung des Nachschulungskurses nicht sinnvoll sei. Aus dem Änderungsgesetz vom 24.04.1998 (BGBl. I S. 747) ergebe sich, dass dies uneingeschränkt auch nach einem Verzicht gelten solle. Der Gesetzgeber habe einen weitgehenden Gleichlauf der Verlusttatbestände klarstellen wollen. Er habe geregelt, dass eine neue Probezeit auch nach einem Verzicht beginne und der Nachweis der Teilnahme an einem Aufbauseminar (vormals: Nachschulungskurs) erbracht werden müsse, wenn deren Anordnung wegen des Verzichts unterblieben oder ihr nicht nachgekommen worden sei (§ 2a Abs. 5 Satz 2 StVG). Ein sachlicher Unterschied der Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach einer Entziehung und einem Verzicht bestehe nicht mehr. Die Verknüpfung zwischen den Voraussetzungen für die Neuerteilung und den Rechtsfolgen für die neue Probezeit erforderten eine Gleichbehandlung. Aus der analogen Anwendung von § 2a Abs. 5 Satz 4 StVG folge die Anwendung von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Anderenfalls komme es bei einer erneuten Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar zu einer sinnwidrigen Verlängerung der Probezeit auf sechs Jahre (§ 2a Abs. 2a Satz 1 StVG). Die Analogie überzeuge auch aufgrund der Ziele und Wertungen des Gesetzgebers. Danach seien bei einem Fahranfänger, der sich in der ersten Probezeit nicht bewähre und trotz Teilnahme an einem Aufbauseminar erneut relevante Zuwiderhandlungen begangen habe, frühzeitig ernsthafte Zweifel an der Fahreignung gegeben. Denkbar unterschiedliche Motive eines Verzichts seien in der Regel nicht bedeutsam. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, dass sein Regelungsregime nicht unterlaufen werde. Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sei auch im Verzichtsfall verhältnismäßig, zumal sie nur in der Regel zu erfolgen habe und damit atypischen Konstellationen Rechnung getragen werden könne. Der Analogie stehe nicht entgegen, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung im Einzelfall gegebenenfalls auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden könne. Denn diese sehe die Anordnung nicht als Regelfall vor und setze andere – strengere – Tatbestandsmerkmale voraus (§ 2a Abs. 4 Satz 1 StVG). Auch das Änderungsgesetz vom 19.03.2001 (BGBl. I S. 386) bestätige, dass der Gesetzgeber die Gefahr der Umgehung gesehen und eine Gleichbehandlung gewollt habe. Angesichts der mitunter komplexen Regelungsstruktur des § 2a StVG mit verschachtelten Verweisungsketten sei naheliegend, dass der Regelungsbedarf in § 2a Abs. 5 Satz 4 und 5 StVG übersehen worden sei. Danach habe die Beklagte die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in entsprechender Anwendung stützen können. Dessen Voraussetzungen seien gegeben und auch im Übrigen sei die Anordnung nicht zu beanstanden.

Dagegen die Revision des Klägers, die keinen Erfolg hatte. Ich stelle hier nur den Leitsatz des BVerwG ein und verweise wegen der Einzelheiten der Begründung auf den verlinkten Volltext:

Gegenüber dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe, der nach der Begehung von mindestens einer schwerwiegenden oder zwei weniger schwerwiegender Zuwiderhandlung(en) im Sinne von § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG auf die Fahrerlaubnis verzichtet und der nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis in der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung(en) begeht, hat die zuständige Fahrerlaubnisbehörde wie im Falle einer vorangegangenen Fahrerlaubnisentziehung in entsprechender Anwendung des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in der Regel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.

Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe (§ 2a StVG), oder: Bindungswirkung eines Straferkenntnisses

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Und dann als zweite Entscheidung der VG Karlsruhe, Beschl. v. 23.01.2025 – 9 K 7272/24 – auch zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Problematik hier: Bindungswirkung eines rechtskräftigen Straferkenntnisses. Es geht um eine Fahrerlaubnis auf Probe, also § 2a StVG.

Auch hier nur die Leitsätze, nämlich:

1. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfte auch bei einer Maßnahme nach § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG an eine rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit tatbestandlich gebunden sein. Der Ausschluss von § 2a Abs. 2 StVG in § 2a Abs. 5 Satz 4 StVG dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass (lediglich) der gestufte Maßnahmenkatalog nach § 2a Abs. 2 Satz 1 nicht zur Anwendung kommen soll.

2. Im Anwendungsbereich von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG dürfte eine unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis ohne vorherige Anordnung der Beibringung eines Gutachtens allenfalls unter ganz besonderen (atypischen) Umständen (hier verneint) in Betracht kommen.

Wirksame Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe?, oder: Zu kurze Fristsetzung?

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Im zweiten Posting geht es dann um die Entziehung einer Fahrerlaubnis auf Probe.

Ergangen ist der VG Gießen, Beschl. v. 09.12.2024 – 6 L 4196/24.GI – im Verfahren betreffend den vorläufigen Rechtsschutz. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

„Am 18. Juni 2022 beging der Antragsteller eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h, die mit einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro geahndet wurde (Bl. 13 der Behördenakte – BA –).

Mit Schreiben vom 5. Januar 2023 (Bl. 14 der BA) verwarnte der Antragsgegner den Antragsteller und legte ihm nahe, freiwillig bis zum 6. März 2023 an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Diese Verfügung wurde dem Antragsteller gegen Postzustellungsurkunde übermittelt; die Zustellung erfolgte am 7. Januar 2023 (Bl. 18 der BA). Im Januar 2023 überwies der Antragsteller unter Angabe des entsprechenden Kassenzeichens die Verwaltungskosten von 22,00 Euro an den Antragsgegner (Bl. 39 der BA).

In der Folgezeit beging der Antragsteller weitere Verkehrszuwiderhandlungen; verbotswidriges Parken auf dem Gehweg in Köln am 13. April 2024 und eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h am 13. Juni 2024 (Bl. 25, 26 der BA). Daraufhin hörte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 25. September 2024 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG an und gab ihm Gelegenheit, sich gemäß § 28 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz – HVwVfG – bis zum 10. Oktober 2024 zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Oktober 2024 machte der Antragsteller geltend, ihm sei eine Verwarnung nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG nie zugegangen. Er habe lediglich an einem Aufbauseminar teilgenommen. Die nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG notwendige schriftliche Verwarnung mit der Anregung, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, sei von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ausgestellt und ihm nicht zugeleitet worden. Dies sei aber für die Entziehung nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG notwendig, weshalb ihm auf dieser rechtlichen Grundlage die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden könne. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers wies der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2024 auf die Zustellung der Verwarnung vom 5. Januar 2023 am 7. Januar 2023 mit Postzustellungsurkunde und den Umstand hin, dass der Antragsteller auch die darin festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von 22,00 Euro bezahlt hat (Bl. 40 der BA). Zugleich übermittelte der Antragsgegner den Scan der Verwarnung inklusive Postzustellungsurkunde an den Bevollmächtigten des Antragstellers und verlängerte die Frist zur Stellungnahme.

Mit weiterem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 14. Oktober 2024 wurde sodann geltend gemacht, eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG sei nicht möglich, da der Tatbestand dieser Vorschrift nicht erfüllt sei. Es fehle an der Setzung einer Zweimonatsfrist. Das am 7. Januar 2023 zugestellte und vom Antragsteller frühestens am 8. Januar 2023 zur Kenntnis genommene Schriftstück sehe eine Frist bis zum 6. März 2023 vor, dies sei allerdings keine zweimonatige Frist.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid anzuordnen, hatte teilweise Erfolg. Es hat festgestellt, dass der von dem Antragsteller erhobene Widerspruch gegen verfügte Anordnung der Ablieferung des Führerscheins aufschiebende Wirkung hat. Es hat außerdem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, soweit dem Antragsteller die Entziehung des Führerscheins im Wege der Ersatzvornahme für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins angedroht wurde. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.

Wegen der Einzelheiten bitte den Volltext lesen. Hier – auch nur – die Leitsätze, nämlich:

1. Ist offensichtlich, dass die unwesentlich zu kurz bemessene Frist die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, nicht beeinflusst hat, so ist diese Verletzung von Verfahrensvorschriften auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, bei erneuter Verkehrszuwiderhandlung die Fahrerlaubnis zu entziehen.

2. Im Rahmen des § 46 VwVfG ist dabei ausschließlich das Kausalverhältnis zwischen der unwesentlich zu kurz bemessenen Frist und deren Einfluss auf die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, zu betrachten.

3. Insoweit ist im Licht des Zwecks der Fristbestimmung nur zu fragen, ob eine fehlerhafte Fristbestimmung offensichtlich keinen Einfluss auf die Überlegung und Willensentschließung zur Teilnahme an der nahegelegten Beratung hatte.

Fahrerlaubnis auf Probe nach Entziehung der FE, oder: Auffälligkeiten in der Probezeit

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Im „Kessel Buntes“ an diesem Samstag mal wieder zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen.

Zunächst hier – kurz – der VG Düsseldorf, Beschl. v. 05.04.2022 – 6 L 55/22 –, also in Zusammenhang mit der Fahrerlaubnis auf Probe. Es geht in dem umfangreich _ VG eben 🙂 – um den § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Danach muss die Behörde in den Fällen der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach Entziehung in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.

Dazu das VG in dem entschiedenen Fall mit folgendem Leitsatz:

§ 2a Abs. 5 Satz 5 StVG ist nicht auf eine einmalige Anwendung beschränkt. Er greift vielmehr auch dann ein, wenn zuvor bereits ein positives MPU-Gutachten vorgelegt wurde und der Fahrerlaubnisinhaber danach während der laufenden verlängerten Probezeit eine bzw. zwei Zuwiderhandlungen im Sinne des § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG begangen hat.

Rest bitte selbst lesen. Ist aber eine ganze Menge 🙂 .