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Fristsetzung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar, oder: Fristverlängerung einer angemessen Frist?

Frist Termin

Im zweiten Posting dann etwas zur Fahrerlaubnis auf Probe.

Gestriiten wird in einem Verfahren, das mit dem BayVGH, Beschl. v. 22.04.2025 – 11 CS 25.327 – geendet hat, um die die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Am 09.09.2022 erteilte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller eine Fahrerlaubnis auf Probe der Klassen AM, B, und L. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 13.10.2023, dem Antragsteller zugestellt am 18.10.2023, forderte sie ihn auf, innerhalb von drei Monaten ab Zustellung der Anordnung an einem Aufbauseminar für Fahranfänger teilzunehmen und nach erfolgreichem Abschluss eine Teilnahmebestätigung vorzulegen. Zu Grunde lag dem ein rechtkräftiger Bußgeldbescheid wegen einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 40 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft am 03.02.2023.

Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 19.03.2024 an die Vorlage der Teilnahmebescheinigung erinnert und zur Entziehung der Fahrerlaubnis angehört hatte, wandte sich der Antragsteller erstmals mit E-Mail vom 28.03.2024 an die Behörde. Ihm sei die Teilnahme an einem Aufbauseminar bisher aus persönlichen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Bei der für ihn nächstgelegenen Fahrschule gebe es kein Seminar bis Ende April/Anfang Mai 2024. Er werde sich unverzüglich melden, sobald der Termin feststehe.

Mit E-Mail vom 02.04.2024 lehnte die Antragsgegnerin die begehrte Fristverlängerung ab. Die gesetzte Frist sei bereits am 18.01.2024 verstrichen, eine Rückmeldung erst nun erfolgt. Am selben Tag übersandte der Antragsteller eine Bestätigung über die Anmeldung zu einem Aufbauseminar bei einer anderen Fahrschule mit Terminen vom 29.04. bis 16.05.2024.

Mit Bescheid vom 23.04. 2024 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Anordnung des Sofortvollzugs, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben. Dagegen die Klage und zugleich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das VG abgelehnt hat. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die keinen Erfolg hatte.

„…

Ferner hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Frist zur Vorlage der Teilnahmebescheinigung nicht zu verlängern, nicht zu beanstanden ist. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen dringt nicht durch.

a) Der angegriffene Beschluss hat zutreffend zu Grunde gelegt, dass von einer Behörde gesetzte Fristen nach Ermessen, dessen Ausübung gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO), verlängert werden können (Art. 37 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG). Sind solche Fristen – wie hier – bereits abgelaufen, können sie auch rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolgen bestehen zu lassen (Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG). Folglich hat das Verwaltungsgericht zu Recht in den Blick genommen, ob die Nichtverlängerung unter Berücksichtigung persönlicher und sachlicher Gründe unbillig wäre (vgl. dazu auch BayVGH, B. v, 28.6.2024 – 11 CS 24.454 – juris Rn. 22; Mattes in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 48; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 31 VwVfG Rn. 31 f.). So kann es im Fall der unverschuldeten Versäumung einer Frist zur Teilnahme an einem Aufbauseminar liegen, wenn der Betroffene rechtzeitig eine Fristverlängerung beantragt, gleichzeitig substantiiert die Hinderungsgründe darlegt sowie erkennbar den Willen äußert, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren. Für die nachträgliche Verlängerung der Frist ist darüber hinaus darzulegen, weshalb der Fahranfänger an einer vorherigen Mitteilung der Hinderungsgründe innerhalb der Frist gehindert war (vgl. OVG SH, B. v, 31.3.2021 – 5 MB 39/20NJW 2021, 1771 = juris Rn. 13; Trésoret in Freymann/Wellner, jurisPK-StVR, Stand 14.4.2025, § 2a StVG Rn. 209 ff.; Derpa in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 2a StVG Rn. 42). Liegen diese Voraussetzungen vor und wird die Fahrerlaubnis auf Probe gleichwohl unter Ablehnung der Fristverlängerung entzogen, kann dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (vgl. OVG SH a.a.O.; Trésoret a.a.O. Rn. 210). Wirtschaftliches Unvermögen zur Finanzierung des Aufbauseminars ist insoweit dabei allerdings grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. Trésoret a.a.O. Rn. 209; Derpa a.a.O.).

b) Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Verweigerung einer Fristverlängerung hier nicht unbillig und die Entziehung der Fahrerlaubnis folglich nicht unverhältnismäßig ist. Die dreimonatige Frist zur Teilnahme an dem Aufbauseminar erscheint üblich und nicht von vornherein zu kurz bemessen (vgl. zu einem Richtwert von 2 bis 3 Monaten auch Trésoret, a.a.O. § 34 FeV Rn. 40). Der Antragsteller hat ferner, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm die fristgerechte Teilnahme an einem Aufbauseminar aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen wäre. Insbesondere ein Mangel an Seminarangeboten ist nicht dargetan worden. Dazu hätte er substantiiert vortragen müssen, sich bei allen geeigneten Seminarstellen im Umkreis, wozu hier jedenfalls die gesamte Landeshauptstadt München als örtlicher Zuständigkeitsbereich der handelnden Fahrerlaubnisbehörde gehört, erfolglos um eine Teilnahme bemüht zu haben (vgl. OVG LSA, B. v, 3.6.2022 – 3 M 48/22 – juris Rn. 6; Trésoret a.a.O. § 2a StVG Rn. 210.1). Ein derart substantiiertes Vorbringen ist innerhalb der gesetzten Frist, abgesehen davon aber auch im gerichtlichen Verfahren nicht erfolgt. Wenn die Beschwerde einwendet, die Anbieter der Seminare müssten abwarten, bis sich eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern angemeldet habe (vgl. dazu auch § 34 Abs. 1 Satz 1 FeV), genügt dies den genannten Anforderungen offensichtlich nicht. Sofern sie auf Schwierigkeiten aufgrund fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache hinweist, ist kein Bezug zu der Situation des Antragstellers erkennbar und kommt es darauf schon deswegen nicht an. Ferner fehlt jeglicher Vortrag dazu, warum der Antragsteller etwaige Hinderungsgründe nicht innerhalb der gesetzten Frist geltend gemacht, sondern erst mehr als zwei Monate nach deren Ablauf und auf die Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis hin.

c) Ebenfalls ohne Erfolg wirft der Antragsteller ein, die Fristsetzung habe keinen tiefgreifenden inneren Sinn. Das Gesetz geht davon aus, dass sich ein Fahranfänger bereits bei einer der in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Zuwiderhandlungen in der Probezeit nicht bewährt hat und die weitere Teilnahme am fahrerlaubnispflichtigen Straßenverkehr in diesem Fall die vorherige Korrektur der Fehlverhaltensweisen voraussetzt (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 14, 19; VG Karlsruhe, B. v, 13.2.2008 – 9 K 4351/07 – juris Rn. 6; Trésoret a.a.O. § 2a StVG Rn. 201). Ferner hält es der Gesetzgeber für notwendig, bei Fahranfängern, die durch Verkehrsverstöße auffällig geworden sind, die darin zum Ausdruck kommende mangelnde Erfahrungsbildung bzw. Risikobereitschaft alsbald zu korrigieren. Dies ergibt sich auch aus der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar (§ 2a Abs. 6 StVG) sowie der Gesetzesbegründung dazu. Ein möglichst enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Verkehrsverstoß und Aufbauseminar ist nach seiner Vorstellung von erheblicher Bedeutung für deren Wirksamkeit (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 20). Demnach erscheint es hier zwar nicht zwingend, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nach Vorlage der Anmeldung zu dem (nach Bescheiderlass erfolgreich absolvierten) Aufbauseminar keine weitere Frist eingeräumt hat. Ihre Entscheidung dagegen ist jedoch auch nach dem vorgenannten Zweck der Fristsetzung nicht unbillig und gerichtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als die Anmeldung zu einem Aufbauseminar noch nichts darüber besagt, dass dieses auch zeitnah erfolgreich abgeschlossen wird (vgl. dazu auch § 37 Abs. 2 FeV; Koehl in Hentschel/König, § 37 FeV Rn. 1).

d) Weiter geht der Vorwurf fehl, die Entziehung der Fahrerlaubnis habe den Charakter eines „Racheaktes“ bzw. einer Ahndung. Die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar ist nicht gegen den Willen des Fahranfängers vollstreckbar. § 2a Abs. 3 StVG sieht daher als verfahrensrechtliche Konsequenz aus der Nichtbefolgung der Anordnung die (zwingende) Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde vor (vgl. Trésoret, a.a.O. § 2a StVG Rn. 201). Dies verleiht der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar den erforderlichen Nachdruck und ist Ausdruck davon, dass die Probezeit für den Fahranfänger eine Zeit der Bewährung ist, in der besondere Anforderungen an sein Verkehrsverhalten und auch an seine aktive Teilnahme an behördlich angeordneten Maßnahmen gestellt werden (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 20). Sie dient folglich nicht der Vergeltung, sondern verfolgt als Maßnahme der Gefahrenabwehr den Zweck, künftigen Verkehrsverstößen vorzubeugen (vgl. VG Göttingen, U.v. 3.4.2013 – 1 A 92/11NJW 2013, 2697 = juris Rn. 18)….“

Fahrerlaubnis auf Probe, oder: Anordnung eines Aufbauseminars

Führerschein und Nachschulung

Im Kessel Buntes heute dann mal wieder zwei Entscheidungen aus der verkehrsverwaltungsrechtlichen Ecke.

Ich beginne mit dem VG Würzburg, Beschl. v. 28.04.2020 – W 6 S 20.510. Es geht um die Rechtmäßigkeit der Anordnung eines Aufbauseminars für Fahranfänger wegen eines Verkehrsverstoßes während der Probezeit. Die Betroffene hatte einen Verkehrsunfall verursacht. Sie hatte aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit, bei regennasser Fahrbahn, die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und war nach rechts von der Fahrbahn abgekommen. Dafür war eine Geldbuße in Höhe von (zunächst) 145 EUR verhängt worden.

Wegen dieses Unfalls hatte die Verwaltungsbebörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet. Dagegen wurde geltend gemacht, es liege kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 und § 3 StVO vor. Zwar habe der Bußgeldbescheid eine Indizwirkung, jedoch sei auch im Verwaltungsverfahren eine vollständige Beweisaufnahme notwendig. Das hat das VG im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO anders gesehen:

„2.1 Rechtsgrundlage für die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar ist § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde für den Inhaber einer Fahrerlaubnis, gegen den wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 – 3 Buchstabe a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen ist, die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei dieser Maßnahme an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden (§ 2a Abs. 2 Satz 2 StVG). Die Probezeit verlängert sich um zwei Jahre (§ 2 Abs. 2a StVG). Nach § 34 Abs. 2 FeV erfolgt die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar gemäß § 2a Abs. 2 StVG (§ 35 FeV) schriftlich unter Angabe der Verkehrszuwiderhandlungen, die zu der Anordnung geführt haben; dabei ist eine angemessene Frist zu setzen. Die schriftliche Anordnung ist bei der Anmeldung zu einem Aufbauseminar dem Kursleiter vorzulegen. Nach § 37 FeV ist über die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 35 FeV vom Seminarleiter eine Bescheinigung zur Vorlage bei der Fahrerlaubnisbehörde auszustellen.

2.2 Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach dem vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Auszug aus dem Fahreignungsregister hat die Antragstellerin während der Probezeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen, die rechtskräftig geahndet wurde. Der Vorfall vom 11. Juni 2019 ereignete sich innerhalb der ursprünglich bis zum 6. September 2019 laufenden Probezeit. Die Zuwiderhandlung ist auch eine schwerwiegende. Nach § 34 Abs. 1 FeV erfolgt die Bewertung der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe nach Anlage 12 zur FeV. Nach Abschnitt A Nr. 2.1 der Anlage 12 zur FeV handelt es sich bei Ordnungswidrigkeiten (§§ 24, 24a, 24c StVG) im Falle von Verstößen gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung über die Geschwindigkeit (vorliegend Unfall aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit bei schlechten Sicht- oder Wetterverhältnissen gemäß § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 2 i.V.m. § 49 StVO, § 24 StVG; 8.1 BKat) um schwerwiegende Zuwiderhandlungen. Die Einstufung hat der Verordnungsgeber selbst vorgenommen und wird von der Antragstellerin auch nicht in Frage gestellt. Die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit ist auch nach § 28 Abs. 3 Nr. 3a bb StVG (Geldbuße von mindestens 60,00 EUR) in das Fahreignungsregister einzutragen.

2.2.1 Mit der Einwendung, die Antragstellerin habe mangels Sorgfaltspflichtverletzung keine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 StVO begangen, kann sie nicht durchdringen.

Nach § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde bei Maßnahmen nach den Nrn. 1 bis 3 des § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebunden. Der Fahrerlaubnisbehörde ist ebenso wie dem Gericht die Nachprüfung untersagt, ob der Inhaber der Fahrerlaubnis auf Probe die Straftat oder Ordnungswidrigkeit auch tatsächlich begangen hat. Eine nochmalige Prüfung der eingetragenen Ordnungswidrigkeit erfolgt weder im behördlichen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die Maßnahmen nach § 2a Abs. 2 StVG sind ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände der jeweiligen Zuwiderhandlung zwingend anzuordnen, diese Bindung gilt ausnahmslos. Nur diese Auslegung der Regelung wird dem Zweck des Gesetzes gerecht, die Fahrerlaubnisbehörde und die Gerichte von der Nachprüfung ordnungswidrigkeitenrechtlicher Entscheidungen zu befreien. Auch für Gerichte, die die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde beurteilen, besteht damit die Bindung an die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Entscheidungen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 20.4.1994 – 11 C 44/92NJW 1995, 70 f.), wonach Verkehrsbehörden bei Anordnungen nach § 2a Abs. 2 StVG (a.F.) nicht an die darin enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen gebunden sind, wenn gewichtige Anhaltspunkte gegen deren Richtigkeit sprechen, ist durch die Neufassung des Gesetzes überholt (VG Würzburg, U. v. 23.5.2018 – W 6 K 17.1335 und U. v. 1.8.2018 – W 6 K 18.386).

Selbst bei Anwendung der Rechtsprechung des BVerwG zur alten Rechtslage (vgl. U. v. 20.4.1994 – 11 C 44/92NJW 1995, 70 f.) bestünde im vorliegenden Falle keine Veranlassung für eine vom zugrundeliegenden Bußgeldbescheid abweichende Beurteilung des Vorfalls am 11. Juni 2019. Nach dieser Rechtsprechung musste der Betroffene die rechtskräftige Entscheidung insoweit gegen sich gelten lassen, als sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit, insbesondere Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO, ergeben. Dies ist jedoch hier nicht der Fall, denn die Antragstellerin gibt selbst an, dass sie den Unfall verursacht hat, die Sicht- und Wetterverhältnisse gut gewesen seien und trotz regennasser Fahrbahn kein Aquaplaning geherrscht habe. Im Unfallbericht der Polizei vom 16. Juli 2019 ist festgehalten, dass die Antragstellerin aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit bei regennasser Fahrbahn die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatte, von der Fahrbahn abkam und der Pkw auf der Fahrertüre in Endstellung vorgefunden wurde; ihr Pkw erlitt hierbei einen wirtschaftlichen Totalschaden und wurde abgeschleppt. Allein aufgrund physikalischer Naturgesetze spricht dies bereits für eine überhöhte Geschwindigkeit. Zudem kennt die Antragstellerin die Kurve – in welcher eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h gilt – nach eigenen Angaben gut, da sie dort nahezu täglich mit dem Pkw unterwegs ist. Es ist es weder plausibel noch irgendwie glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin tatsächlich wie behauptet mit höchstens 45 – 50 km/h in die Kurve eingefahren wäre und damit keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen haben könnte. Neue Tatsachen oder Beweismittel, die dies in Frage stellen, wurden nicht vorgelegt.

2.2.2 Entscheidet sich der Betroffene, kein Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid einzulegen, sondern ihn zu bezahlen und damit im Ergebnis die zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit anzuerkennen, muss er sämtliche sich daraus ergebenden Folgen gegen sich gelten lassen. Ausweislich der eindeutigen Vorgaben des Gesetzgebers ist die Frage, ob die Antragstellerin den geahndeten Verstoß am 11. Juni 2019 in vorwerfbarer Weise begangen hat, vorliegend nicht mehr zu klären……“

Aufhebung der Sperrfrist, oder: Erfolgreiches Aufbauseminar der DEKRA

entnommen wikimedia.org
Urheber Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium des Innern

Ist gegen den Verurteilten nach Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verhängt worden, kann diese ggf. nach 3 69a Abs. 7 StGB abgekürzt oder aufgehoben werden. Mit den Voraussetzungen hat sich das LG Berlin im LG Berlin, Beschl. v. 29.09.2017 – 520 Qs 72/17 – und die noch bestehende Sperrfrist bei einem Verurteilten, dem die Fahrerlaubnis seit September 2016 entzogen war, aufgehoben.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Antrag des Verurteilten auf Aufhebung der Sperrfrist zu Unrecht abgelehnt. Nach § 69a Abs. 7. Satz 1 StGB kann das Gericht die Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufheben, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Insoweit müssen erhebliche neue Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, der Verurteilte besitze nunmehr entgegen der Prognose des erkennenden Gerichts das für einen Kraftfahrer unerlässliche Verantwortungsbewusstsein und werde die Allgemeinheit in Zukunft nicht mehr gefährden (KG Berlin, Beschluss vom 4. Dezember 2001 — 1 AR 1512/015 Ws 763/01 mwN.). Eine neue Tatsache zugunsten des Verurteilten kann insoweit die erfolgreiche Teilnahme an einem Nachschulungskurs für alkoholauffällige Kraftfahrer oder einer Verkehrstherapie sein (vgl. Fischer, § 69a Rn. 42 mwN.).

Der Beschwerdeführer hat durch die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nachgewiesen, an einem Aufbauseminar der DEKRA teilgenommen zu haben. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung erstmals verurteilt wurde, er zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten und die einzige weitere Eintragung im Fahreignungsregister eine Ordnungswidrigkeit wegen überhöhter Geschwindigkeit am 6. Februar 2015 betrifft.

Angesichts dieser Umstände besteht nunmehr hinreichender Grund zu der Annahme, dass der Beschwerdeführer, der seit dem 28. August 2008 in Besitz einer Fahrerlaubnis war, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. „

Das (zu) großzügige AG Landstuhl – Absehen vom Fahrverbot auch bei einem Unbelehrbaren?

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Ich habe ein „weites Herz für Betroffene“ und bin – daraus habe ich nie einen Hehl gemacht – der Auffassung, dass beim ersten Verkehrsverstoß nicht gleich die Keule Fahrverbot geschwungen werden muss, sondern eine massive Erhöhung der Geldbuße ausreicht. Aber das AG Landstuhl, Urt. v. 11.09.2014 – 2 OWi 4286 Js 11751/13 geht mir dann doch etwas weit. Denn das AG hat bei einem m.E. „unbelehrbaren“ Betroffenen dennoch vom Fahrverbot abgesehen. Unbelehrbar? Nun, wie anders will man einen Betroffenen bezeichnen, der nach einer (bereits angeordneten) Teilnahme an einem Aufbauseminar innerhalb von zwei Jahren insgesamt noch dreimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen verurteilt worden ist. Und da soll es dann jetzt die Teilnahme an einem Aufbauseminar mit drei Einzelsitzungen (!!!) bringen. Das AG meint ja:

„In einer Reihe von jüngst ergangenen Urteilen wurde bei der Teilnahme an einer verkehrserzieherischen Maßnahme die Anordnung eines Fahrverbotes für entbehrlich halten (AG Bernkastel-Kues, Urt. v. 21.10.2013 – 8 OWi 8142 Js 18729/13; AG Mannheim, Beschl. v. 31.07.2013 – 22 OWi 504 Js 8240/13; AG Niebüll, Urt. v. 24.07.2013 – 6 OWi 110 Js 7682/13 (23/13); AG Traunstein, Urteil vom 14.11.2013 – 520 OWi 360 Js 20361/13 (2) jeweils zitiert nach juris). Teilweise war die dogmatische Herleitung des Ergebnisses nicht belastbar, aber in den genannten Entscheidungen zeigt sich aber die klare und begrüßenswerte Tendenz, das Bemühen des Betroffenen zur Vermeidung der Denkzettelfunktion eines Urteils mit Fahrverbot durch Teilnahme an einer verkehrserzieherischen Maßnahme zu honorieren. Je nach Fallgestaltung haben die zitierten Gerichte das Fahrverbot entfallen lassen, reduziert oder gegen Erhöhung der Geldbuße von der Anordnung abgesehen. Zutreffend wird zwar teilweise auf die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen, dass alleine die Teilnahme an einem Aufbauseminar (für das alte Register nach § 4 Abs. 8 StVG) nicht zu einem Wegfall des Fahrverbotes führen kann (z.B. AG Celle, Urt. v. 31.03.2001 – 22 OWi 822 Js 918/01 – 54/01 – ZfSch 2001, 520; OLG Bamberg, Beschl. v. 17.03.2008 – 2 Ss OWi 265/08VRS 114, 379; OLG Saarbrücken, Beschl. v 12.02.2013 – Ss (B) 14/13 (9/13 OWi)). Dass aber generell die Nachschulung schon früher herangezogen wurde, um vom Fahrverbot abzusehen, steht ebenso fest (AG Bad Segeberg, Beschl. v. 05.07.2005 – 8 OWi 361/04; AG Rendsburg, Beschl. v. 01.12.2005 – 17 OWi 555 Js-OWi 20236/05 (136/05) – NZV 2006, 611; AG Recklinghausen, Urt. v. 08.09.2006, zit. bei Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Aufl., S. 299). Das hier entscheidende Gericht hält lediglich den Wegfall des Fahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße für angezeigt und dogmatisch vertretbar. Insbesondere ist die kritische Position von König (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 25 StVG Rn. 25) zu berücksichtigen. Dieser stellt darauf ab, dass dem Bußgeldrecht keine erzieherische Komponente innewohnt und der Tatcharakter maßgeblich für die Ahndung des Betroffenen sei. Dementsprechend ist der Wegfall der Erforderlichkeit des Fahrverbotes bei Teilnahme an einem verkehrserzieherischen Seminar nicht gegeben, wohl aber die Möglichkeit nach § 4 Abs. 4 BKatV. Denn die Denkzettelfunktion ist bei dem Betroffenen durch die Teilnahme an einer verkehrspsychologisch begründeten Einzelmaßnahme bereits auf den richtigen Weg gebracht und angesichts der schon getätigten zeitlichen und monetären Aufwendungen dürfte eine nochmalige Erhöhung der Geldbuße samt dem Eindruck des Verfahrens in der Regel genügen, das Absehen vom Fahrverbot nach § 4 Abs. 4 BKatV zu bejahen. Es handelt sich hier auch nicht um einen „Intensivtäter“. Denn singulär fahrverbotsrelevante Verstöße waren im Register zum Entscheidungszeitpunkt gerade nicht vorhanden. Insofern konnte das Gericht davon ausgehen, dass die Besinnungs- und Belehrungsfunktion des Fahrverbotes durch ein Seminar weiterhin erreicht werden konnte.

 Zum anderen sind frühere Voreintragungen mit Fahrverbotsbezug inzwischen getilgt, sodass es sich hier quasi wieder um das erste Fahrverbot für den Betroffenen handelt und deshalb auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nichts gegen eine Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV spricht, zumal bei einem selbständigen Handwerker.“

Nun, kann man so sehen, muss man aber nicht. Den Betroffenen wird die Entscheidung freuen, zumal sie offenabr auch rechtskräftig geworden ist. Mich hätte allerdings schon interessiert, was das OLG Zweibrücken dazu sagt.

Genug ist genug, oder: Drei Monate Mindestsperrfrist reichen

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Der Angeklagte ist wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,14 Promille zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem wurde ein Sperrfrist von sechs Monaten verhängt. Die hat das AG Dresden jetzt im AG Dresden, Beschl. v. 11.08.2014 – 215 Cs 701 Js 18067/14 – auf die Mindestsperrfrist von drei Monaten reduziert, nachdem der Angeklagte erfolgreich an einem Aufbauseminar teilgenommen hat.

„PP. ist nicht einschlägig vorbestraft. Seine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug 1,14 Promille im Mittelwert. Über seinen Verteidiger hat er ein Tellnahmezertiflkat über ein besonderes Aufbauseminar vorgelegt. Darin wird bestätigt, dass er in der Zeit vom 05.07.2014 bis 09.07.2014 an einem besonderen Aufbauseminar (Modell NAFAPlus) teilgenommen hat. Durch die leitende Diplompsychologin wird ihm in diesem Zertifikat betätigt, dass er engagiert an den Kurssitzungen teilgenommen und die Gruppengespräche für eine selbstkritische Diskussion seiner Vorgeschichte genutzt hatte. Der Verurteilte hat die auslösenden Bedingungen für die alkoholbeeinflusste Verkehrsteilnahme mit Hilfe der Gruppe und des Kursleiters reflektiert und Wissen im Bereich der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und alkoholisierter Verkehrsteilnahme erworben. Er hat sich Informationen zu Alkoholkonsum und dessen Auswirkung auf die psychische und physische Leistungsfähigkeit und damit auf die Verkehrssicherheit erarbeitet und konnte eine Motivation zur konsequenten Trennung von Alkoholkonsum und Straßenverkehrsteilnahme aufbauen und bestärken. Es wurde empfohlen, die Sperrfrist nach § 69a Abs. 7 StGB vorzeitig aufzuheben.

Bei Verkehrsteilnehmern, die mit einer Blutalkoholkonzentration von bis zu 1,8 Promille und erstmals einschlägig auffällig geworden sind, wird die erfolgreiche Teilnahme an einem geeigneten Nachschulungskurs regelmäßig zu einer Verkürzung der Sperrfrist führen, soweit nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen eine solche Entscheidung sprechen (vgl. LG Hildesheim DAR 2004, 110). Aus dem Nachschulungszertifikat ist auch ersichtlich, dass diese durch einen amtlich anerkannten Seminarleiter nach § 38 Abs. 6 FeV durchgeführt wurde.“