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Wieder „Verteidigerfehler Verfahrensrüge“ – mein Gott, ist das denn so schwer?

Dass die Revisionsgerichte die Hürden zur ordnungsgemäßen Begründung einer Verfahrensrüge durch eine strenge – sicherlich an manchen Stellen zu strenge – Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (zu) hoch legen, wird allgemein beklagt und ist sicherlich auch nicht von der Hand zu weisen. Andererseits wage ich die Behauptung, dass Verteidiger nicht selten aber auch selbst an einem Misserfolg ihrer Revision schuld sind. Nämlich dann, wenn – in meinen Augen einfachste – revisionsrechtliche Vorgaben nicht beachtet werden.

Ein Beispiel dafür, wie man es nicht bzw. wie man es falsch macht, ist der BGH, Beschl. v. 12.03.2013 – 2 StR 34/13, bei dessem ersten Lesen ich nur gedacht habe: Mein Gott, ist das denn so schwer?

Der BGH listet unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des GBA die Mängel auf. Gerügt war die (unzulässige) Ablehnung von Beweisanträgen und außerdem erhoben war die Aufklärungsrüge. Schenken wir uns den allgemeinen, alsseits (hoffentlichen) bekannten Vorspann des BGH zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge. Konkret führt der BGH zu den Rügen aus:

1. In der Revisionsbegründungsschrift (Bl. 739-741) sind die vom Revisionsführer gestellten Beweisanträge auf Vernehmung der Zeugen G. , E. und T. (vgl. Bl. 527-529) sowie die entsprechenden Ableh-nungsbeschlüsse der Strafkammer (vgl. Bl. 638-640) nicht vollständig wiedergegeben. Der Revisionsführer hat diese weder durch wörtliche oder inhaltliche Wiedergabe noch durch die Einfügung von Abschriften oder Ablichtungen zum Gegenstand seiner Revisionsbegründung gemacht. Das Revisionsgericht kann daher nicht allein aufgrund der Be-gründungsschrift prüfen, ob die Antragsablehnung durch die Strafkammer – sollte das tatsächliche Vorbringen zutreffen – rechtsfehlerfrei erfolg-te.

2. Eine zulässig erhobene Aufklärungsrüge setzt voraus, dass der Revi-sionsführer eine bestimmte Beweistatsache, ein bestimmtes Beweismittel und die Umstände angibt, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der ver-missten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (BGHR StPO, § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7 mwN). Der Revisionsbegründung ist keine dieser Voraussetzungen zu entnehmen: Der Beschwerdeführer bezeichnet weder eine bestimmte Tatsache („zu ermitteln, ob…“) noch gibt er ein Beweismittel oder die Umstände an, warum sich die Straf-kammer zu der vermissten Beweiserhebung über die etwaige Betreuung der Kinder durch Wo. hätte gedrängt sehen müssen.“

Ja, noch Fragen? M.E. eindeutig Verteidigerfehler. Denn die Begründungsanforderungen sollten/müssen bekannt sein, wenn man Revisionsrecht betreibt. Und die Fehler führen dann auch noch zu einem vollständigen Misserfolg der Revision und nicht nur zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge. Denn die Sachrüge war auch nicht erhoben, was in meinen Augen ein ganz erheblicher Fehler ist. Dazu dann kurz und trocken der BGH:

„Die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt, da die Sachrüge nicht erhoben ist, zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (vgl. mwN Senat, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 299/09, NStZ 2010, 97).“

Fazit: Man sollte vielleicht weniger über die Formenstrenge des BGH klagen und die dadurch gewonnene Zeit in die Aneignung von (einfachem) Revisionsrecht investieren.

 

Begründung der Verfahrensrüge – offenbar für manche Verteidiger doch (zu) schwer? Selbst Klassiker.

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Dass es nicht einfach ist, eine Verfahrensrüge den Vorgaben des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend – bzw. dem entsprechend, was die obergerichtliche Rechtsprechung aus der Vorschrift gemacht hat, – zu begründen, ist klar. Aber ich frage mich immer wieder, wenn ich die Rechtsprechung des BGH sehe, ob eigentlich so viele Verfahrensrügen schon an den formellen Vorgaben scheitern müssen oder ob die Hürde nicht doch hätte übersprungen werden können/müssen. Das gilt vor allem dann, wenn es um im Grunde Klassiker aus dem Bereich geht, was man m.E. immer daran erkennt, dass zu den vom BGH vermissten Ausführungen obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt, die der BGH dann „locker“ zitiert. So auch im BGH, Beschl. v. 08.01.2013, 1 StR 602/12. Dort war in einem Vergewaltigungsverfahren die Verletzung der gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht wegen des Unterbleibens der Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Glaubhaftigkeit der Aussage der geschädigten Zeugin gerügt worden. Diese Rüge scheitert bereits im formellen Bereich an zwei Punkten, und zwar:

„Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift – entgegen der Erwiderung der Revision vom 27. Dezember 2012 – zutreffend aufgezeigt hat, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die gesetzlich nicht geregelte Untersuchung von Zeugen auf ihre Glaubwürdigkeit einer Einwilligung der Betroffenen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1989 – 4 StR 201/89, BGHSt 36, 217, 219; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 1 StR 284/04; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 1 StR 498/04, NJW 2005, 1519; Senge in KK-StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 9 mwN). Das Vorliegen einer entsprechenden Zustimmung der zu begutachtenden Person muss von der Revision dargetan werden (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 1 StR 284/04). Daran fehlt es vorliegend.Die Revision teilt, worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, zudem nicht sämtliche von der Verteidigung während des Strafverfahrens gestellten Anträge auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens und die daraufhin ergangenen Entscheidungen der Strafkammer mit. Dessen hätte es aber vorliegend bedurft, um den gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu entsprechen. Danach müssen die notwendigen Angaben zum Verfahrensgeschehen so umfassend sein, dass dem Revisionsgericht im Sinne einer vorweggenommenen Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten die Beurteilung ermöglicht wird, festzustellen, ob der behauptete Verfahrensverstoß vorliegt (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 25. März 1998 – 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 344 Rn. 21 mwN). Um dem zu entsprechen, muss bei einer auf die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO gestützten Rüge regelmäßig angegeben werden, welche Umstände das Tatgericht zu weiterer Aufklärung hätten drängen müssen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 11. September 2003 – 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690, 691; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 52 mwN). Damit das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, zu überprüfen, ob sich der Tatrichter zu der begehrten Aufklärung hätte gedrängt sehen müssen, bedarf es grundsätzlich auch der Mitteilung des Inhalts darauf gerichteter Beweisanträge und der Entscheidungen des Tatgerichts über diese Anträge. Denn gerade aus dem Inhalt der gerichtlichen Entscheidungen ergeben sich Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob die Amtsaufklärungspflicht eine weitergehende Beweiserhebung erforderte oder nicht. Angesichts dessen hätte die Revision die in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft ausgeführte (erneute) Stellung eines Beweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens im Termin zur Hauptverhandlung vom 19. Juni 2012 und den Inhalt des Ablehnungsbeschlusses der Strafkammer vom selben Tage mitteilen müssen.“

Insbesondere auf den zweiten Punkte hätte man m.E. kommen müssen. Das ist letztlich revisionsrechtliches Grundwissen.

Nun ja, die Lücken haben dann aber im Ergebnis keine Folgen gehabt. Denn, selbst wenn die Revision ausreichend begründet gewesen wäre, hätte sie keinen Erfolg gehabt. Der BGH hat die Einholung des (zusätzlichen) aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens über geschädigte als nicht erforderlich angesehen. Die Jugendkammer haben die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage aufgrund eigener Sachkunde beurteilen können und habe und hat daher nicht gegen die Amtsaufklärungspflicht verstoßen.

Sage ich doch: In der Revision immer (auch) die Sachrüge…

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Im Revisionsrecht kann man viele Fehler machen bzw. die Klippen in diesem Bereich sind vielfältig und scharf, führen sie doch in der Regel dazu, dass das Rechtsmittel keinen Erfolg hat. Eine der Klippen bzw. einer der Fehler ist der, dass nicht auch – auf jeden Fall – die Sachrüge erhoben wird, und zwar auch dann, wenn nur verfahrensrechtliche Fehler geltend gemacht werden. Denn (nur) die Sachrüge eröffnet dem Revisionsgericht den – wie es immer heißt – Blick ins Urteil mit der Folge, dass mit Urteilsinhalt ggf. der – nicht ausreichende -Vortrag zur Verfahrensrüge ergänzt/vervollständigt werden kann. Dazu jetzt noch einmal der BGH, Beschl. v. 18.12.2012 – 3 StR 458/12, in dem der BGH darauf (inzidenter) noch einmal hinweist:

„Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge der Verletzung des § 261 StPO: Soweit der Generalbundesanwalt unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2008 (3 StR 441/08, StraFo 2009, 115) die Rüge bereits für unzulässig erachtet, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Der In-halt des Urteils ist bei gleichzeitig erhobener Sachrüge vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen (BGH, Beschluss vom 20. Juli 1995 – 1 StR 338/95, NJW 1998, 838) und kann daher den Sachvortrag der Revision zu einer Verfahrensrüge ergänzen. Aus der genannten Entscheidung des Senats ergibt sich nichts anderes. Dort ist lediglich dargelegt, dass es sich den-noch empfiehlt, auch die für die Verfahrensrüge relevanten, aus den Urteilsgründen ersichtlichen Umstände in den Revisionsvortrag mit aufzunehmen, damit dieser schon aus sich heraus verständlich ist.“

 

(Verstecktes) Lob vom 1. Strafsenat – wann gibt es das schon mal?

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Der Verteidiger macht mit der Revision geltend, sein in der Hauptverhandlung vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache angebrachter Besetzungseinwand (§ 222b Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 338 Nr. 1b StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Die Seite des Hauptverhandlungsprotokolls, die diesen Vortrag belegt, ist dabei vom Angeklagten/Verteidiger ausdrücklich genannt. Der GBA hatte Zweifel, ob dieser Vortrag den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, weil ohne Beifügung des Hauptverhandlungsprotokolls nicht zu beurteilen sei, ob der Einwand tatsächlich rechtzeitig angebracht wurde.

Die Zweifel hat der 1. Strafsenat (!!!!) des BGH im BGH, Beschl. v. 22.01.2013 –  1 StR 557/12 – nicht:

„Die Behauptung, der Einwand sei vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache angebracht worden, ist schlüssig und vollständig. Dies genügt den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Darüber hinaus ist schon nicht die Angabe, umso weniger die Beifügung von Beweismitteln zur Überprüfung der tatsächlichen Richtigkeit des Revisionsvorbringens erforderlich (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 33/11; Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06 mwN)….“

Und der 1. Strafsenat setzt – versteckt lobend – gleich noch einen drauf, wenn er ausführt:

„Der Senat bemerkt, dass der hier gleichwohl gegebene Hinweis auf die einschlägige Seite des Protokolls die Überprüfung des Revisionsvorbringens in tatsächlicher Hinsicht erleichtert hat.“

Der Verteidiger wird sich freuen. Denn wann wird man vom 1. Strafsenat schon mal gelobt? Allerdings: In der Sache hat es nichts gebracht. Die Rüge war unbegründet.

Auch du mein Sohn Brutus = auch das OLG Bamberg kneift

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Ich hatte ja vor einigen Tagen über den der OLG Hamm, Beschl. v.03.09.2012 – III 3 RBs 235/12 zur Rechtsbeschwerde bei verweigerter Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung pp. berichtet (vgl. hier). Erstaunt bin ich dann mal wieder, wie schnell ein solcher – in meinen Augen falscher Beschluss – dann Kreise zieht bzw. von anderen OLG „abgeschrieben“ wird und sich so dann eine (falsche) h.M. bildet. So dann der OLG-Bamberg, Beschl. v. 19.10.2012 – 2 Ss Owi 1351/12, den mir der Kollege enttäuscht übersandt hat. Ich kann seine Enttäuschung verstehen. Alles getan, was nötig ist und dann wird in der Rechtsbeschwerde vom OLG gekniffen bzw. ein Weg gewählt, mit dem man die Entscheidung in der Sache vermeidet. Da heißt es dann einfach nur:

Im Rahmen des Zulassungsverfahrens hat der Betroffene, der die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, eine den formalen Anforderungen genügende Verfahrensrüge (§§ 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2, 345 StPO) zu erheben (Göhler/Seitz OWiG 15. Aufl. § 80 Rn 16i). Soweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen unzulässiger Beschränkung der Verteidigung durch die Nichtaussetzung infolge der Nichtbeiziehung der Bedienungsanleitung geltend gemacht wird, ist die Rüge unzulässig. Der Rüge kann nicht entnommen werden, ob und welche Anstrengungen der Betroffene bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge unternommen hat, um über das Gericht Einsicht in die Bedienungsanleitung zu bekommen (BGH NStZ 2010, 530; OLG Hamm Beschluss vom 03.09.2012 — III 3 RBs 235/12).