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Erfasst die VG auch Dienstaufsichtsbeschwerden?, oder/und: Glaubhaftmachung der AVP-Zahlung

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Heute am Gebührenfreitag – ich will dan mal hier alles normal weiterlaufen lassen, es wird also keinen LiveBlog „Corona“ geben – stelle ich zunächst den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 26.02.2020 – 2 Qs 18/20 – vor. Er behandelt zwei Themen, und zwar einmal den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr und dann die Frage der Glaubhaftmachung von Auslagen.

Beim Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr geht es konkret darum, ob die Tätigkeit in Zusammenhang mit Dienstaufsichtsbeschwerden von der Verfahrensgebühr erfasst wird. Das LG sagt: Grundsätzlich ja, hier aber nicht:

„Die Begründung der Ausgangsentscheidung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Die Kammer teilt die auf die zutreffenden Stellungnahmen der Bezirksrevisorin vom 18.11.2019 und 10.12.2019 gestützte Auffassung des Erstgerichts und tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei.

Das Amtsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend als unterdurchschnittlich und die Bestimmung der Grundgebühr und der Verfahrensgebühren durch den Antragsteller auch unter Berücksichtigung eines Toleranzspielraums von 20 % als unbillig anzusehen sind.

Ergänzend bemerkt die Kammer: Die von Rechtsanwalt pp. gefertigte Dienstaufsichtsbeschwerde vom 26.06.2019 rechtfertigt die angesetzte Verfahrensgebühr Nr. 5109 RVG in Höhe von 190 € nicht. Zwar gehören zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit insbesondere auch Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden und mit dem Rechtszug bzw. Verfahren zusammenhängen (Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 18-21; vgl. auch § 19 RVG). Ein derartiger Zusammenhang besteht, wenn die Tätigkeiten im Verfahren selbst vorgenommen werden, wie dies etwa bei einem Ablehnungsantrag oder auch einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine im Verfahren selbst tätige Person der Fall ist. Vorliegend war Gegenstand des Bußgeldverfahrens der Vorwurf gegen die Erziehungsberechtigte, an im einzelnen genannten Tagen nicht für einen ordnungsgemäßen Schulbesuch ihrer Tochter Sorge getragen zu haben. Die Dienstaufsichtsbeschwerde hingegen richtete sich gegen die im vorliegenden Verfahren nicht beteiligte Klassenlehrerin mit dem Vorwurf, diese habe die Tochter der Betroffenen vor der Klassengemeinschaft in unangemessener Weise auf vorgeblich infolge des vorliegenden Verfahrens zu leistende Sozialstunden hingewiesen. Zwar mag die Dienstaufsichtsbeschwerde wie von Rechtsanwalt pp. vorgetragen aus prozesstaktischen Gründen erhoben worden sein, dies begründet jedoch noch nicht die erforderliche Zugehörigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu vorliegendem Verfahren.“

Und zum Nachweis der Zahlung von 12 EUR für die Aktenversendungspasuchale führt man aus:

„…..Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO die entstandenen Beträge glaubhaft zu machen und gem. § 103 Abs. 2 S. 2 ZPO entsprechende Belege beizufügen sind. Dass die anwaltliche Versicherung mit der geforderten Glaubhaftmachung nicht gleichzusetzen ist, ergibt sich aus § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach die anwaltliche Versicherung lediglich bei der Geltendmachung von Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne der Nr. 7001 und 7002 VV-RVG – um solche handelt es sich vorliegend nicht – als ausreichend erachtet wird.“

Nun ja, dazu sage ich dann mal lieber nichts…..

Im Strafverfahren fällt in der Regel die Mittelgebühr an, oder: So ist es richtig

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Die zweite Entscheidung aus dem Gebührenrecht kommt heute vom LG Wuppertal. Das hat im LG Wuppertal, Beschl. v. 23.01.2020 – 23 Qs 136/17, den mir die Kollegin Ernst aus Düsseldorf geschickt hat, zur Rahmengebühr Stellung genommen. Das LG meint – zutreffend:  Sind keine Umstände erkennbar sind, die eine Erhöhung oder eine Ermäßigung der Rahmengebühr rechtfertigen, entspricht die Verteidigung also in jeder Hinsicht dem Durchschnitt entspricht, steht dem Verteidiger grundsätzlich die Mittelgebühr des einschlägigen Rahmens zu:

„Ist mithin die grundsätzliche Entstehung dieser Gebühren anzunehmen, war sodann die Kürzung auf den Mindestbetrag des jeweiligen Betragsrahmens nicht gerechtfertigt. Die Verteidigerin hat im Kostenfestsetzungsantrag von ihrem Bestimmungsrecht nach § 14 RVG Gebrauch gemacht und die jeweilige Mittelgebühr geltend gemacht. Dass diese Bestimmung etwa unbillig gewesen wäre, hat das Amtsgericht nicht dargelegt. Vielmehr hat es lediglich darauf abgestellt, dass sich aus der Akte keine aussagekräftigen Hinweise auf Tätigkeiten der Verteidigerin ergeben, welche die jeweilige Geltendmachung der Mittelgebühr rechtfertigten. Dabei wird jedoch übersehen, dass es aufgrund der negativen Fassung des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG Sache des Gerichts ist, eine etwaige Unbilligkeit darzutun, und dass die erforderlichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind (Mayer, in Gerold/Schmidt, § 14 RVG Rn. 7). In Strafsachen kommt hinzu, dass nach ganz überwiegend vertretener Auffassung jedenfalls dann, wenn keine Umstände erkennbar sind, die eine Erhöhung oder eine Ermäßigung rechtfertigen, die Verteidigung also in jeder Hinsicht dem Durchschnitt entspricht, dem Verteidiger grundsätzlich die Mittelgebühr des einschlägigen Rahmens zusteht (Mayer, in Gerold/Schmidt, § 14 RVG Rn. 41). Solche Umstände hat das Amtsgericht nicht festgestellt, sondern letztlich nur darauf abgestellt, dass es an einem ergänzenden Sachvortrag der Verteidigerin trotz Aufforderung fehle, womit indes nach dem Vorgenannten die Darlegungslast verkannt wird. Auch für die Kammer sind derartige Umstände für eine Reduzierung der Mittelgebühr nicht ersichtlich, vielmehr sprechen der Umfang des Verfahrens mit sechs Angeklagten wie auch der erhebliche Aktenumfang eher für eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung und damit für eine Rechtfertigung der Mittelgebühr.“

Und: Das LG macht ganz interessante – ebenfalls zutreffende – Ausführungen zum Anfall der Grund- und Verfahrensgebühr. Der Bezirksrevisor hatte gegenüber deren Ansatz geltend gemacht, „der Akte ließen sich Tätigkeiten der Verteidigerin außerhalb der Hauptverhandlung nicht entnehmen, weswegen ergänzender Vortrag hierzu erforderlich sei; auch ist solcher ergänzender Sachvortrag trotz entsprechender Anforderungen des Gerichts seitens der Verteidigerin nicht erfolgt.2

Dazu das LG:

„Mit Blick darauf, dass die Übernahme der weiteren Verteidigung durch Rechtsanwältin pp. seitens des früheren Verteidigers Rechtsanwalt pp. bereits am 28.05.2018 zur Akte angezeigt wurde und Rechtsanwältin pp. sodann in der Hauptverhandlung auch als Verteidigerin aufgetreten ist, liegt es aber schon nach den äußeren Umständen nahe, dass diese beiden Gebühren entstanden sind. Dabei entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (VV Vorbemerkung 4 Abs. 2 RVG), was nach überwiegend vertretener Auffassung sogar dann bereits der Fall ist, wenn der Rechtsanwalt erst im Hauptverhandlungstermin zum Verteidiger bestellt worden ist (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG VV 4106, 4107 Rn. 4). Die Grundgebühr VV Nr. 4100 entsteht neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt. Damit wird der zusätzliche Arbeitsaufwand abgegolten, der mit der Übernahme des Mandats entsteht. Nach den hier erkennbaren Umständen liegt es damit nahe, dass die Verteidigerin entsprechende Tätigkeiten erbracht hat, und nicht etwa ohne Beratung und Information und ohne Einarbeitung in den Rechtsfall an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Einer weitergehenden Darlegung seitens der Verteidigerin bedurfte es daher unter den hier vorliegenden Umständen nicht. Auch das Amtsgericht hat im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss keinen Anlass mehr gesehen, die grundsätzliche Entstehung der beiden Gebühren in Zweifel zu ziehen.“

Geht doch 🙂 .

 

Beschwerdeverfahren, oder: Abgerechnet wird i.d.R. nach der Differenztheorie

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt heute vom LG Arnsberg. Das hat im LG Arnsberg, Beschl. v. 28.10.2019 – 6 Qs 83/19 – noch einmal zu der Frage Stellung genommen, wie Tätigkeiten des Rechtsanwalts/Verteidigers im straf- bzw. bußgeldrechtlichen Beschwerdeverfahren honoriert werden.

Und: Das LG ist zur richtigen Lösung gekommen, nämlich: Gar nicht besonders bzw. „nur“ über die Differenztheorie:

„…..Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss zu Recht den Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers betreffend die Gebühren für das Beschwerdeverfahren II-6 Qs 41/19 zurückgewiesen. Die vom Beschwerdeführer angesetzten Gebühren können nicht festgesetzt werden, weil es hierfür im vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage gibt.

Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen bilden grundsätzlich keine besondere Angelegenheit, sondern gehören für den Rechtsanwalt, der umfassend mit der Verteidigung betraut ist, gebührenrechtlich zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 RVG). Sie werden also durch die Verfahrensgebühr der jeweiligen Instanz nach Nrn. 4100 ff. VV RVG abgegolten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.10.2010 – III-5 Ws 17/10; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, VV RVG, Vorb. 4.1 Rn. 3-5, VV RVG Nr. 4300 – 4304 Rn. 21).

So liegt es auch hier. Denn der Beschwerdeführer ist, wie aus seinem Schriftsatz vom 03.04.2019 und der dort anliegenden Prozessvollmacht ersichtlich wird (Bl. 221-223 d.A.), durch den Beschuldigten vollumfänglich mit der Verteidigung im seinerzeit anhängigen Strafverfahren beauftragt worden. Eine Beauftragung nur als Pflichtverteidiger bzw. unter entsprechender Bedingung ist nicht ersichtlich und rechtlich auch nicht zulässig. Wegen der weiteren Begründung nimmt die Kammer insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors beim Landgericht Arnsberg in dessen Stellungnahmen vom 09.07, 05.08. und 18.09.2019.

Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Bestellung zum Pflichtverteidiger – möglicherweise rechtswidrig – zurückgewiesen hat und der Beschwerdeführer deswegen keine weitere Tätigkeit mehr entfaltet, insbesondere nicht am Hauptverhandlungstermin teilgenommen hat.

Bereits mit dem am 06.04.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag, ihn dem (damaligen) Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist der Beschwerdeführer, noch vor dem Beschwerdeverfahren II-6 Qs 41/19, in dieser Angelegenheit für seinen Mandanten tätig geworden. Ob das Amtsgericht den Antrag auf Beiordnung (unter gleichzeitiger Entpflichtung des schon bestellten Pflichtverteidigers P1) dann rechtswidrig zurückgewiesen hat, kann für die hier zu treffende Entscheidung dahinstehen. Wie im Beschluss vom 22.05.2019 (im Verfahren II-6 Qs 41/19) ausgeführt, dient die Bestellung eines Pflichtverteidigers allein dem öffentlichen Interesse einer rechtsstaatlichen Durchführung des Strafverfahrens, nicht dem Kosteninteresse des Betroffenen oder seines Verteidigers. Zudem ist die Umbestellung eines Pflichtverteidigers während eines laufenden Verfahrens überhaupt nur dann möglich, wenn dies einvernehmlich und ohne Mehrkosten für die Staatskasse erfolgt (vgl. ebd. sowie OLG Brandenburg Beschluss vom 19.12.2000 – 2 Ws 364/00; m.w.N. BeckOK-StPO-Krawczyk, § 142 Rn. 11). Ebensolche Mehrkosten würden nun aber nachträglich entstehen, wenn der Beschwerdeführer zusätzlich Gebühren nach RVG VV Nr. 4302 für das Verfahren II-6 Qs 41/19 gegenüber der Staatskasse abrechnen könnte. Denn ausweislich der Verfahrensakte (Bl. 260-263 d.A.) hat Rechtsanwalt P1 die ihm als Pflichtverteidiger für das Verfahren insgesamt zustehenden Gebühren nach RVG VV 4100 ff. bereits abgerechnet. Das Verfahren ist damit für die Staatskasse gebührenrechtlich abgegolten.

Ob und in welcher Höhe hier nach der Differenztheorie Mehrkosten festgesetzt werden können, die aus einer durch das Beschwerdeverfahren höheren Verfahrensgebühr nach § 14 RVG resultieren (vgl. dazu Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, VV RVG, Vorb. 4.1 Rn. 7), kann wiederum dahinstehen. Denn der Beschwerdeführer hat, wie der Bezirksrevisor zutreffend ausführt, eine entsprechende Vergleichsberechnung der tatsächlich einschließlich des Beschwerdeverfahrens entstandenen und der hypothetisch ohne dieses Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen des Betroffenen bislang nicht vorgelegt.“

Ist nun mal leider. Mehr dazu und zu Ausnahmen – das steht – seit längerem mal wieder <<Werbemodus an>> alles in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>. 🙂

Rücknahme der Anklage und vorgerichtliche Verfahrensgebühr, oder: Rückgrat

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Heute am Gebührenfreitag dann zunächst eine Entscheidung des AG Passau. Zwar nur ein Kostenfestsetzungsbeschluss, der AG Passau, Beschl. v. 13.08.2019 – 5 Ds 25 Js 1540/17 jug. – ist aber insofern interessant, weil der Rechtspflger „Rückgrat gezeigt“ und trotz der Einwände des Bezirksrevisors die vom Kollegen beantragten Gebühren festgesetzt hat.

Der Kollege Wamser aus Passau, der mir den Beschluss geschicht hat, teilt zum Sachverhalt – der ergibt sich nicht so umfassend aus dem Beschluss – mit:

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage zum Jugendrichter wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben, der Kollege wurde nach Zustellung der Anklage mandatiert, die Akteneinsicht bestätigte die Version des Mandanten, dass er eigentlich der Zeuge war und nicht der Täter. Das wurde im Zwischenverfahren so mitgeteilt, dann passierte erst einmal nichts mehr. Eine spätere erneute Akteneinsicht ergab, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage nach Beratung durch das Gericht zurückgenommen und das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte, worüber niemand eine Mitteilung erhielt.

Der Kollege hat dann Antrag gemäß § 467a Abs. 1 StPO, sodann Kostenfestsetzungsantrag mit den jeweiligen Mittelgebühren gestellt. Im Kostenfestsettzungsverfahren wurde dann vom Bezirksrevisor u.a. eingewandt, dass die geltend gemachte Nr. 4104 VV RVG überhaupt nicht angefallen wäre, weil unmittelbar nach Rücknahme der Anklage eingestellt wurde. Der Rechtspfleger hat diese nun, was zutreffend ist, festgesetzt:

Auch die infrage gestellte Gebühr Nr. 4104 VV RVG, mit ihr folglich auch die Aufwandspauschale Nr. 7002 VV RVG, ist entstanden.

Zwar wurde die Anklage zurückgenommen und das Ermittlungsverfahren damit auch eingestellt, sodass in der Zeit zwischen Rücknahme und Einstellung keine Tätigkeit des Verteidigers entwickelt werden konnte, die das Entstehen der Gebühr auslösen würde, aber auch Tätigkeiten nach der Einstellung sind dazu geeignet, die betreffende Gebühr entstehen zu lassen, vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Rn. 7 zu Nr. 4104 VV RVG. Hier war das mit der Vornahme einer Akteneinsicht und der dann folgenden Beantragung einer entsprechenden Kostengrundentscheidung jedenfalls gegeben.“

Die richtige Formulierung der Vorausabtretung, oder: Rahmengebühr beim Berufskraftfahrer

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Die zweite Gebührenentscheidung stammt vom Kollegen Grüne aus Schweinfurt. Bei der Gelegenheit: Allen Einsendern herzlichen Dank für die vielen (schönen) RVG-Entscheidungen. Im Moment ist mein Ordner ziemlich leer, so dass ich mich über weitere/neue Entscheidungen sehr freuen würde.

Hier hatte der Kollege beim AG Köln einen Mandanten in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Missachtung eines qualifizierten Durchfahrtsverbots für LKW vertreten. Nach Einstellung des Verfahrens macht der Kollege Kostenerstattung gegenüber der Staatskasse geltend und beantragt dabei Überweisung an ihn, weist allerdings wohl nicht auf die zu seinen Gunsten erfolgte (Voraus)Abtretung der Kostenerstattungsansprüche hin. Dies veranlasst die Bezirksrevisorin zu dem Einwand, dass dem Verteidiger ein eigenes Antragsrecht nicht zustehe. Der Kollege legt dann die Vollmacht mit der darin enthaltenen Vorausabtretung vor. Diese war der Bezirksrevisorin und dem AG Köln aber dann nicht ausreichend, einerseits wegen angeblicher Unwirksamkeit der Abtretung und wegen Unbestimmtheit der „wegen“-Angabe – es würde ja schließlich das gerichtliche Aktenzeichen fehlen.

Das LG hat dem Hin und Her dann im LG Köln, Beschl. v. 13.08.2019 – 323 Qs 87/19 – ein Ende bereitet:

1. Entgegen der Ansicht von Amtsgericht und Bezirksrevisorin bestehen im konkreten Fall keine Bedenken gegen die Aktivlegitimation des Beschwerdeführers. Insofern hat der Betroffene als Gläubiger der Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Staatskasse diese wirksam gem. § 398 S. 1 BGB an den Beschwerdeführer abgetreten.

Der Beschwerdeführer hat im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die von dem Betroffenen unter dem 02.08.2018 unterzeichnete „Vollmacht“ wegen „VOWi vom 24.04.2018″ vorgelegt, in welcher sich unter Ziff. 1 am Ende in Fettdruck der Passus befindet „Zukünftige Kostenerstattungsansprüche werden unwiderruflich an die oben genannten Rechtsanwälte zur Sicherung deren jeweiliger Honoraransprüche abgetreten.“

Aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers – hier des Beschwerdeführers – handelt es sich gem. den § 133, 157 BGB dabei um ein Abtretungsangebot künftiger Kostenerstattungsansprüche, welche dieser auch nach seinem Vorbringen angenommen hat. Einer Unterschrift des Beschwerdeführers unter die Vollmachtsurkunde bedarf es gem. § 151 S. 1 BGB zur Annahme dabei nicht. Es bestehen weiterhin auch keine Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Abtretungserklärung. Insofern ist die Vorausabtretung künftiger Ansprüche allgemein anerkannt, soweit diese so beschrieben ist, dass sie spätestens bei ihrer Entstehung nach Gegenstand, Umfang und Person des Schuldners bestimmbar ist. Insofern war es dem Betroffenen und dem Beschwerdeführer aufgrund der Bezeichnung als „VOWi vom 24.04.2018″ klar, aus welchem künftigen Bußgeld- und Gerichtsverfahren ein solcher Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse folgen würde. Dass es insofern Unklarheiten zwischen den Vertragsparteien gegeben hätte, ist nicht erkennbar. Schließlich verstößt die verwendete Formularklausel auch nicht gegen § 305c BGB, als sie überraschend wäre. Insofern geht § 43 RVG ausdrücklich davon aus, dass der Betroffene seinen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an letzteren abtreten kann. Eine solche Abtretung ist damit jedoch nicht so ungewöhnlich, dass der Betroffene mit einer solchen Abtretungsklausel nicht rechnen müsste. Dies gilt im konkreten Fall auch für die Aufnahme der Abtretungsklausel in die Vollmachtsurkunde. Den teilweise erhobenen Bedenken dahingehend, dass innerhalb einer einseitigen Vollmachtserteilung ein Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrags versteckt würde, wurde hier dadurch begegnet, dass diese Passage im Fettdruck hervorgehoben wurde. Aufgrund dieser konkreten Gestaltung ist daher davon auszugehen, dass der Inhalt der Klausel für den Betroffenen erkennbar und daher nicht überraschend war (so auch etwa OLG Rostock, Beschluss vom 30.04.2018, 20 Ws 78/18 — juris -; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2015, 2 Ws 426/14 — juris; Meyer/Kroiß-Kroiß, RVG, 7.A., 2018, § 43 Rn. 7; Gerold/Schmidt-Burhoff, RVG-Kommentar, 23.A., 2017, § 43 Rn. 12; Riedel/Sußbauer-Kremer, RVG, 10.A., 2015, § 43 Rn. 10; Hartung/Schons/Enders-Hartung, RVG, 3.A., 2017, § 43 Rn. 18).

Das ist zutreffend

In der Sache ist das LG der Gebührenbestimmung des Kollegen dann weitgehend gefolgt. Es hat nur bei der gerichtlichen Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG Abstriche gemacht:

„…..Die Betragsrahmengebühr der Verfahrensgebühr Ziff. 5109 VV RVG umfasst einen Rahmen von 30,00 EUR bis 290,00 EUR für Bußgelder von 60,00 bis 5.000,00 EUR. Die Gebühr umfasst dabei die erbrachten Tätigkeiten nach Erteilung des Auftrags zur Verteidigung im gerichtlichen Verfahren bis zum Abschluss der ersten Instanz, also insbesondere die Vorbereitung der Rechtsverteidigung, die Fertigung von Schriftsätzen, die Zustellung und Empfangnahme von Entscheidungen etc. (vgl. Meyer/Kroiß-Krumm, a.a.O., RVG Nr. 5107-5112 VV, Rn. 6).

Bei der Bemessung dieser Gebühr ist konkret zu berücksichtigen, dass innerhalb des Gebührenrahmens für Bußgelder von 60 bis 5.000 EUR das dem Betroffenen drohende Bußgeld von 500,00 EUR zwar nicht unerheblich ist, jedoch weiterhin am unteren Rand der abgedeckten Bußgeldspannweite liegt. Die Eintragung von Punkten im Fahreignungs-register stand nicht zu befürchten. Für eine bereits leicht überdurchschnittliche Bedeutung der Sache spricht dann jedoch das vorgesehene Fahrverbot für den Betroffenen von zwei Monaten. Zwar hätte dieser hier die Möglichkeit gehabt, den Zeitpunkt dieses Fahrverbots innerhalb von vier Monaten selbst zu wählen und es wäre ihm auch ohne Weiteres zumutbar, hierfür seinen Jahresurlaub zu verwenden. Gleichzeitig ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dem Betroffenen — ggf. unter Abbau von Überstunden – mehr als 40 Urlaubstage zur Verfügung standen. Insofern erscheint es auch als naheliegend, dass dies vor dem Hintergrund, dass der Betroffene Berufsfahrer ist, zu nicht unerheblichen Problemen mit seiner Arbeitsstelle geführt hätte, ohne dass jedoch zwingend von einem Verlust des Arbeitsplatzes auszugehen ist. Insgesamt spricht diese individuelle Bedeutung für den Betroffenen bei der Verfahrensgebühr für eine leicht (20%) über der Mittelgebühr liegenden Gebührenhöhe, nicht jedoch für eine um 50% über der Mittelgebühr liegende Gebührenhöhe, die bis nahe an den oberen Rand des Gebührenrahmens reicht. Die Schwierigkeit des Falls mit der Besonderheit der Zustellungsproblematik des Bußgeldbescheids bewegt sich im mittleren Bereich und rechtfertigt ebenfalls keine noch höhere Festsetzung dieser Gebühr. Die angemessene Verfahrensgebühr wird im Antrag des Verteidigers auch um mehr als 20% überschritten, sodass sie von der Kammer festzusetzen war.“

Darüber, ob das so zutreffend ist, kann man streiten.