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Au Backe, unzulässige Revision – das muss/darf nicht sein. Blamabel für den Verteidiger.

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Es steht in allen Anleitungsbüchern zur Revision, man erzählt es auf Fortbildungen immer wieder, und doch: Immer wieder gibt es Revisionen, die der BGH als unzulässig verwirft, weil zwar die Verfahrensrüge erhoben worden ist, aber die Sachrüge nicht. Ist dann die Verfahrensrüge unzulässig, ist die Revision insgesamt unzulässig. So (noch einmal) der BGH, Beschl. v. 03.07-2012 –  5 StR 284/12:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Soweit der Angeklagte beanstandet, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft Beweisanträgen der Verteidigung auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens und eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht stattgegeben, erhebt er zwei Verfahrensrügen (§ 344 Abs. 2 Satz 1 StPO); diese sind, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 5. Juni 2012 zutreffend ausgeführt hat, unzulässig, weil die Revision weder den vollständigen Inhalt der Beweisanträge noch den der ablehnenden Beschlüsse der Strafkammer mitteilt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt, weil die Sachrüge nicht erhoben worden ist, zur Uulässigkeit der Revision insgesamt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2009 – 5 StR 323/09 mwN).

Und dass zu ordnungsgemäßen Rüge der unzulässigen Ablehnung von Beweisanträgen gehört, dass ich deren Inhalt und den Inhalt des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses mitteile, sollte ich als Verteidiger, der Revisionsrecht betreibt, auch wissen. Sonst lasse ich lieber, nehme einen Revisionsspezialisten und vermeide so, dass ich mich blamiere. Es ist Anfängerwissen.

 

„Butter bei die Fische“ – oder: Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nach einer Verständigung

Man merkt deutlich, dass die Neuregelung der Verständigung in der Praxis und damit auch beim BGH angekommen ist. Ein Beispiel ist u.a. der Beschl. des BGH v. 19.10.2010 – 1 StR 510/10, in dem es um eine Wiedereinsetzung gegen eine versäumte Revisionseinlegung geht. Der BGH führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags aus:

a) Der Angeklagte hat keine Tatsachen behauptet, die ihn – ohne sein Verschulden – an der Wahrnehmung der Revisionseinlegungsfrist gehindert haben können. Er beruft sich lediglich darauf, dass sein früherer Verteidiger aus ihm unbekannten Gründen keine Revision eingelegt habe, obwohl er ihn ausdrücklich darum gebeten habe. Er behauptet jedoch nicht, dass dieser ihm die Einlegung des Rechtsmittels auch zugesagt hat. Auf entsprechende Darlegungen kann im vorliegenden Fall nicht verzichtet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 3 StR 142/03, BGHR StPO § 44 Verschulden 8); denn das Urteil beruht auf einer Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten (§ 257c StPO).

Das Gericht hatte einen Strafrahmen für die Gesamtfreiheitsstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und drei Monaten angegeben. Der glaubhaft geständige Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Unter diesen Umständen konnte der Angeklagte nicht darauf vertrauen, dass sein Verteidiger Revision einlegen würde (vgl. BGH aaO; auch Senatsbeschluss vom 8. März 2001 – 1 StR 18/01).“

Also: Mehr 🙂 vortragen ist die Devise.

Manchmal helfen OLGs auch…

So jetzt z.B. das OLG Bamberg in seinem Beschl. v. 30.06.2010 – 3 Ss OWi 854/10, wo der Verteidiger der Rechtsbeschwerde auch mal wieder (vgl. auch hier) „eine ausschließlich eine den gesetzlichen Begründungs­an­forderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG nicht ge­nü­gende ‚Aufklärungsrüge’ erhoben“ hatte.

Das OLG hat seine Ausführungen nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt und kommt dann zum Ergebnis:

„…, dass der Bf. neben der schon aus der Formulierung seines Rechtsbeschwerdeantrags ersichtlichen Rechtsmittelbeschrän­kung den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils mit der sog. ‚Feststellungs- bzw. Darstellungsrüge’, nämlich mit der Beanstandung angreift, dass die nach seiner Auffassung lückenhaften Urteilgründe des AG bereits keine trag­fähige Tatsachengrundlage für die Rechtsfolgenbemessung abgeben, namentlich keine hinreichenden Feststellungen zu den ‚bestimmenden’ Zumessungstatsachen iSv. § 267 III 1, 2. Hs. StPO (i.V.m. § 71 OWiG) für die Be­gründung der über dem an sich verwirk­ten Bußgeldregelsatz verhängten Geldbuße enthalten (vgl. hierzu u.a. Meyer-Goßner § 267 Rn. 18 ff. i.V.m. Rn. 42 f.; KK/Engelhardt § 267 Rn. 24 ff. i.V.m. Rn. 47; Göh­ler/Seitz § 71 Rn. 42; Göh­ler/Gürtler § 17 Rn. 34 f. und – im Überblick unter dem Ge­sichtspunkt der revisions­rechtlichen Behandlung – Burhoff, Hdb. für die strafrechtliche Hauptverhand­lung, 6. Aufl. Rn. 758p ff.; aus der im dogmatischen Ansatz unverändert ein­heitlichen obergerichtlichen Rspr. u.a. BGH NStZ-RR 1998, 17 f.: „Das Urteil muß in jedem Fall erkennen lassen, dass sich das Tatgericht für die Strafzumessung um die Aufklärung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten – wenn auch vergeblich – bemüht hat“; im gleichen Sinne z.B. auch BGHR StPO § 267 III 1 Strafzu­messung 8, 9, 10, 15, 17 und OLG Düsseldorf DAR 2002, 174 ff.). Nach alledem beanstandet der Bf. vorliegend die Verletzung sachli­chen Rechts. Der Betr. hat deshalb unbeschadet der anwaltlichen Abfassung seiner Rechtsbeschwerdebegründung und der ‚untechnisch’ zu verstehenden Ver­wendung des Begriffs der ‚Aufklärungsrüge’ gerade keine (unzuläs­sige) Verfahrens­rüge, sondern – zumindest auch – eine (zulässige) Sachrüge erhoben, weshalb die von der GenStA beantragte Verwer­fung der Rechtsbeschwerde als unzu­lässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG) nicht in Betracht kommt.“

Damit war die Rechtsbeschwerde zumindest nicht unzulässig. Unbegründet war sie allerdings. Dazu hier mehr

BGH verbietet Aufrechnung des Staates gegen Entschädigungsanspruch des Strafgefangenen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen

Die öffentlichen Kassen müssen wirklich leer sein. Sonst würde eine Justizverwaltung (hoffentlich) nicht auf die Idee gekommen sein, gegenüber dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten des Strafverfahrens aufzurechnen. Das hat der BGH jetzt gestoppt. Die Aufrechnung sei der Justizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) grundsätzlich verwehrt.

Recht so. Denn es kann doch nicht sein, dass man zunächst nicht für menschenwürdige Unterbringung sorgt, dann aber aufrechnet.

BGH, Urteil v. 1.10.2009 – III ZR 18/09