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„Kreatives Gebührenrecht – wie kürze ich erfolgreich Verteidigergebühren“…

© mpanch - Fotolia.com

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An sich will ich zu gebührenrechtlichen Fragen ja nur noch im Rahmen des freitäglichen RVG-Rätsels posten, aber: Keine Regel ohne Ausnahme. Und eine Ausnahme mache ich immer dann, wenn ich eine entweder „sehr schöne“ oder eine „weniger schöne“ gebührenrechtliche Entscheidung gefunden habe bzw. mit einem gebührenrechtlichen Problem befasst bin, das aus der „Reihe fällt“. Und ein solches hat ein Kollege gleich an Neujahr 2015 an mich herangetragen.

Ich zitiere dann aus der Mail, die ich leicht anonymisiert habe:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

ich habe dieses Jahr beim Schwurgericht in K. verteidigt. Am ersten Sitzungstag habe ich vor Beginn der Sitzung einen Ablehnungsantrag gegen die Berufsrichter der Kammer auf der Geschäftsstelle abgegeben. Um 09.00 Uhr erschien sodann die Kammer im Sitzungsaal. Alle setzten sich hin und der Vorsitzende teilte mit, dass ein Befangenheitsantrag auf der Geschäftsstelle abgegeben wurde und heute nicht verhandelt werden könne. Die Sitzung wurde unterbrochen.

Das Verfahren ist mittlerweile in erster Instanz jedenfalls abgeschlossen. Man kann sagen, dass ich sehr „aktiv“ verteidigt habe, was manche Gerichte als Konfliktverteidigung bezeichnen. Die Quittung habe ich jetzt im Kostenfestsetzungsverfahren bekommen. Die Rechtspflegerin verweigert mir sowohl die Fahrtkosten (B. – K.) als auch die Terminsgebühr. Denn es habe ja gar kein Termin stattgefunden wegen meines Antrags und ich hätte diesen „geplatzten Termin“ zu vertreten. Die Verteidiger der Mitangeklagten und der Vertreter der Nebenklage erhalten übrigens die Terminsgebühr!  So werde ich quasi für meine „Konfliktverteidigung“ abgestraft! Das heißt eigentlich, dass ich das nächste Mal,wenn ein Mandant mich beauftragt, ein Ablehnungsgesuch vor Beginn des 1. Sitzungstages anzubringen, ablehnen muss, um nicht die Terminsgebühr aufs Spiel zu setzen. Ich würde gerne Ihre Meinung dazu einholen.“

Als ich das gelesen hatte, war ich gleich am ersten Tag des neuen Jahres nicht mehr friedvoll gestimmt. Ich frage mich bei solchen oder ähnlichen Mails/Fragen immer, ob es eigentlich Fortbildungen unter dem Titel gibt: „Kreatives Gebührenrecht – wie kürze ich erfolgreich Verteidigergebühren“. Denn um nichts anderes geht es hier. Und der Kollege hat Recht, wenn er meint, dass er von der Rechtspflegerin (!!!) abgestraft wird für seinen Ablehnungsantrag.

Dass die Entscheidung nicht richtig ist, liegt m.E. auf der Hand. In Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG heißt es: „…. die er nicht zu vertreten hat …“. Und da stellt sich dann die ganz einfache Frage: Hat der Kollege den „geplatzten Termin“ wirklich zu vertreten = verschuldet? Oder: Will man bzw. kann man ihm den Ablehnungsantrag i.S. eines Verschulden „vorwerfen“? Wohl kaum, oder?

Zudem stellt sich die Frage, ob für die Terminsgebühr überhaupt Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG bemüht werden muss. Denn ist ein Termin „geplatzt“? Nein, denn es hat ja der Hauptverhandlungstermin stattgefunden, die Hauptverhandlung ist dann aber nach kurzer Zeit unterbrochen worden. Das reicht für das Entstehen der „normalen“ Terminsgebühr aus.

Mich machen solche Nachrichten ärgerlich. Und ich habe dem Kollegen geraten, auf jeden Fall Erinnerung einzulegen. Mal sehen, was die Kammer macht. Ob sie es genauso sieht, wie die Rechtspflegerin. Ich hoffe mal nicht.

Das NSU-Verfahren schreibt auch „Gebührengeschichte“, oder: Ein bitterer Beschluss des OLG München

© Alex White - Fotolia.com

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Das NSU-Verfahren beim OLG München wird sicherlich nicht nur wegen seines Inhalts und seiner Dauer Rechtsgeschichte schreiben, sondern: Es schreibt auch „Gebührengeschichte“. Über den OLG München, Beschl. v. 09.09.2013 –  6 St (K) 1/13  betreffend den Vorschuss auf eine Pauschgebühr hatte ich ja schon berichtet (vgl. Das Sonderopfer des Pflichtverteidigers – bei 6,49 €/Stunde nicht?). In die Kategorie der „bemerkenswerten“ gebührenrechtlichen Entscheidungen des Einzelrichters des Senats gehört m.E. auch der OLG München, Beschl. v. 04.08. 2014 – 6 St (K) 22/14, der sich mit dem Anfall der Terminsgebühr für einen sog. „geplatzten Termin“ (Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG) befasst.

Grundlage der FehleEntscheidung war folgender Sachverhalt: Im Verfahren waren Hauptverhandlungstermine für den 26., 27. und 28.05.2014 anberaumt. Einer der Pflichtverteidiger, in Köln ansässig, hielt sich bereits wegen des Hauptverhandlungstermins vom 26.05.2014 am 26.05.2014 in München auf. An diesem Tag wurde der Hauptverhandlungstermin vom 27.o5.2014 abgesetzt und der Rechtsanwalt abgeladen. Der Pflichtverteidiger hat dann später beantragt, für die Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Zeit vom 06.05. 2014 bis zum 05.06. 2014 (110. bis 119. Hauptverhandlungstag) gesetzliche Gebühren festzusetzen. Dabei hat er auch für den ausgefallenen eigentlichen 116. Hauptverhandlungstag am 27.05.2014 eine Terminsgebühr Nr. 4121 VV RVG in Ansatz gebracht. Diese ist nicht gewährt worden. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat das damit begründet, dass die Abladung am 26.05.2014 rechtzeitig erfolgt sei. Für den Anfall der Gebühr genüge nicht die Anreise zum Termin, mit der Absicht, an diesem teilzunehmen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Rechtsanwalts hatte keinen Erfolg.

Das OLG befasst sich zunächst noch einmal, mit der Frage, wann grundsätzlich eine Gebühr für einen „geplatzten Termin“ entstehen kann. Und: Wie nicht anders zu erwarten: Es zementiert seine Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechende Auffassung, dass das Entstehen der Terminsgebühr von der Teilnahme an bzw. dem Erscheinen zu einem anberaumten Termin abhängig ist. Zu einem Termin erscheine ein Rechtsanwalt aber (nur), wenn er im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an dem Gerichtstermin körperlich anwesend ist (OLG München RVGreport 2008, 109 = NStZ-RR 2008, 159 = RVGprofessionell 2008, 104 = AGS 2008, 233 = StRR 2008, 199 = NJW 2008, 1607 = JurBüro 2008, 418 m. abl. Anm. Kotz; Beschl. v. 14.o3.2014 – 6 St (K) 5/14; Beschl. v. 19. 7. 2013, 6 St (K) 15/13). So weit – zwar nicht so gut, aber alles andere als diesen Beton hätte mich überrascht. Dazu ist auch schon manches gesagt, es bringt nichts, es zu wiederholen. Es interessiert offenbar nicht.

Viell schlimmer finde ich dann die Argumentation des OLG zur „rechtzeitigen Abladung“, die dahin geht: Selbst wenn der Verteidiger im Gericht erschienen wäre, wäre die Terminsgebühr nicht angefallen, da dem  Verteidiger zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass der Termin rechtzeitig abgesetzt worden war. Der Hauptverhandlungstermin vom 27.05.2014 wurde durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 26.05.2014 abgesetzt worden; die Prozessbeteiligten seien am 26.05. 2014 zwischen 13:21 Uhr und 15:42 Uhr per Telefax abgeladen worden. Der Rechtsanwalt stehe auf dem Sendeprotokoll an zweiter Stelle; der Sendevermerk trage den Kommentar „ok“. Es obliege dem Rechtsanwalt sicherzustellen, dass er von eingehenden Telefaxschreiben zeitnah Kenntnis nehmen könne. Allein die Anreise zu den Terminen vom 26., 27. und 28.05.2014 könne eine Terminsgebühr nicht begründen, so dass es nicht mehr darauf ankomme, ob der Antragsteller mit der Anreise zum 26.05. 2014 zugleich für die Folgetermine am 27. und 28.05.2014 angereist sei.

Dazu an dieser Stelle (nur). Wenn man für den Anfall der Terminsgebühr die Frage stellen will/muss, wann der Rechtsanwalt zu einem Termin angereist ist, dann will das OLG offenbar an der Stelle (demnächst) „das Fass aufmachen“ und in vergleichbaren Fällen sagen, die Anreise zu einem ersten von drei nacheinander terminierten Hauptverhandlungsterminen sei nicht zugleich auch die Anreise zu dem zweiten und dritten. Wie – bitte schön – soll der Rechtsanwalt dann zu diesen Terminen anreisen? Das muss das OLG dann aber auch sagen, wenn man nicht die Gebühr Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, die dem OLG, was m.E. deutlich erkennbar ist, nicht schmeckt, nicht ad absurdum führen will.Damit korrespondieren die für mich nicht nachvollziehbaren, wenn nicht sogar zynischen, zumindest aber besonders bitteren Ausführungen des OLG zur Rechtzeitigkeit der Abladung. Denn danach gilt: In – dem hier entschiedenen Fall – vergleichbaren Fällen soll auch die Abladung, die den Rechtsanwalt erst vor Ort erreicht, immer (noch) rechtzeitig sei. Folge: Der Rechtsanwalt kann in diesen Fällen also nie die Festsetzung einer Terminsgebühr nach  erreichen, weil ihm immer Satz 3 entgegen gehalten werden kann und im Zweifel auch, wie schon die Argumentation der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zeigt, auch entgegen gehalten wird. Damit befindet sich der Rechtsanwalt in einem Teufelskreis und die Terminsgebühr Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ist Makulatur, aber die (bayerische) Staatskasse ist auf der sicheren Seite.

Welche Möglichkeiten bleiben dem Pflichtverteidiger? Nun, er hat – wenn man dem OLG München folgt – keinen andere Möglichkeit, als den nutzlosen Zeitaufwand – später oder über einen Vorschussantrag – im Rahmen einer Pauschgebühr nach § 51 RVG geltend zu machen. Ob das wirklich hilft oder die „Rettung“ ist, wird man sehen. Denn zur Pauschgebühr hört man aus München auch nichts unbedingt Gutes (s.o.).

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gespräch bei der Bußgeldbehörde – gibt es dafür eine Terminsgebühr?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Nun, mein freitägliches Rätesel: Ich habe da mal eine Frage: Gespräch bei der Bußgeldbehörde – gibt es dafür eine Terminsgebühr? hat zu einem Kommentar/zu einer Antwort geführt. Und der Kollege hat den richtigen Ansatz gefunden/aufgezeigt. Er liegt in der Tat in der Vorbem. 5.1.2 Abs. 2 VV RVG. Da ist (nur) eine Terminsgebühr für „die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde“ vorgesehen, nicht aber für „einfache Erledigungsgespräche“ mit der Verwaltungsbehörde. Für die Termine gibt es also keine eigene Gebühr. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten müssen über § 14 RVG abgerechnet werden.

Wenn es bei dem bzw. im Anschluss an den Termin zur Einstellung des Verfahrens kommt, fällt dafür die Nr. 5115 VV RVG an.

Adventskalender Tür 3: Heute gibt es Schokolade/€€€€€€

entnommen wikimedia.org Urheber SolLuna - Own work CC BY-SA 3.0

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CC BY-SA 3.0

Heute im Adventskalender mal Gebühren, quasi ein virtuelles Schokoladentäfelchen, jedenfalls eine Entscheidung, in der Musik/€€€€€ stecken. Nämlich der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2014 – 1 Ws 148/14. Ich wollte ihn erst, als ich ihn von einem Rechtspfleger des OLG übersandt bekommen habe, an die Seite tun. War dann aber „angefixt“ durch die Bemerkung in der Übersendungsmail, dass ich mich über den Beschluss mal „freuen würde“. Und in der Tat: Ich freue mich und die Verteidiger können sich auch freuen.

Denn das OLG setzt in einer der großen Streitfragen des Teil 4 VV RVG neue Rechtsprechung des BGH und das 2. KostRMoG konsequent um. Es geht um die Honorierung der Tätigkeiten des sog. „Terminsvertreters“ des Pflichtverteidigers. Da wird immer noch darum gestritten, welche Gebühren der „Terminsvertreter“ erhält. Nur die Terminsgebühr für den Termin, an dem er teilgenommen hat, oder auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und ggf. die Verfahrensgebühr. M.E. alles kein Problem. ich bin immer davon ausgegangen, dass Grundgebühr, Terminsgebühr und auch Verfahrensgebühr anfallen. Das sieht die überwiegende Meinung in der OLG-Rechtsprechung aber leider anders und kommt mit unterschiedlichen Begründungen dazu, nur die Terminsgebühr festzusetzen. Anders nun das OLG Saarbrücken: Es zieht aus dem BGH, Urt. v. 13.08.2014 – 2 StR 573/13 (vgl. dazu hier “für Rechtsanwalt…” unterzeichnet – Schriftform gewahrt? Ja, aber!) den richtigen Schluss und lehnt die Möglichkeit einer Vertretung des Pflichtverteidigers ab (habe ich ja immer gesagt 🙂 ) und. Und das OLG wendet konsequent das 2. KostRMoG an und die Änderung in der Nr. 4100 VV RVG – „neben der Verfahrensgebühr“ – und folgert daraus zutreffend: Grundgebühr und Verfahrensgebühr fallen immer nebeneinander an. Das führt dann zu: Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. Geht doch.

Hier dann „meine“ Leitsätze der Entscheidung:

Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidi­gers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger eines Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltli­che Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.

 Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer eines Hauptver­handlungstermins oder für einen Teil eines Hauptverhandlungstermins beigeordne­ten weiteren Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensab­schnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidi­gerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung lediglich als Vertreter des be­reits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, kennt die Strafprozessordnung nicht. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag oder Teile hiervon an­stelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffent­lich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Ver­teidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfas­send und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat.

Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfah­ren entsteht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des Betreibens des Geschäfts entgolten. Die daneben entstehende Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt.

Manchmal haben Rechtspfleger mehr als „komische Ideen“ – das OLG richtet es dann aber…

© Igor Zakowski - Fotolia.com

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Gebührenrecht mache ich ja fast nur noch über mein freitägliches RVG-Gebührenrätsel, aber die ein oder andere Entscheidung kann/will ich dort nicht bringen. Und zwar vor allem dann, wenn die Lösung zu einem Problem klar auf der Hand liegt. Und das war/ist beim LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 19.05.2014 – 5 Ks 109 Js 368/13 – der Fall, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Der Kollege, der mir den Beschluss übersandt hat, war als Nebenklägervertreter tätig. Er hat in dieser Eigenschaft an drei Hauptverhandlungsterminen beim Schwurgericht teilgenommen. Der erste Hauptverhandlungstermin am 26.11.2013 hat von 9.00 Uhr bis 16.35 Uhr gedauert, der Hauptverhandlungstermin am 27.11.2013 von 9.00 bis 12.50 Uhr und der am 03.12.2013 von 9.00 bis 14:10 Uhr. Der Angeklagte ist vom Schwurgericht dann u.a. wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ihm sind die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin auferlegt worden. Der Kollege hat u.a. drei Hauptverhandlungsgebühren Nr. 4120 VV RVG geltend gemacht, und zwar für den Termin am 26.11.2013 744,00 € und für die Termine am 27.11.2013 und am 03.12.2013 jeweils 530,00 €, was jeweils der Mittelgebühr entsprach. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LG Nürnberg-Fürth hat auch für den Termin am 26. 11. 2013 nur die Mittelgebühr festgesetzt. Seine Begründung:

„Die vom Verteidiger vorgenommene Erhöhung der Mittelgebühr für die Hauptverhandlung am 26.11.2013 (mit der Begründung, die HV sei um 9.00 Uhr terminiert gewesen und habe um 16.35 Uhr geendet) ist in der Gesamtschau aller Hauptverhandlungstage nicht gerechtfertigt, da dieser Aspekt kompensiert wird, durch die Dauer der HV am 27.11.13 von 9.00 bis 12.50 Uhr und am 3.12.13 von 9.00 bis 14:10 Uhr.

Insgesamt gesehen sind die Hauptverhandlungen für ein Schwurgerichtsverfahren -mit entsprechend hohen Anforderungen bei der Beurteilung der Kriterien nach § 14 RVG- damit nicht als überdurchschnittlich einzustufen, sodass -nachdem der Nebenklageanwalt auch für den 2. und 3. Hauptverhandlungstag trotz unterdurchschnittlicher Dauer die Mittelgebühr ansetzt- auch für den 1. Hauptverhandlungstag nur die Mittelgebühr angemessen ist. Die vom Verteidiger bestimmte Gebühr i.H.v. 744 EUR ist deshalb unbillig hoch.“

Auf das Rechtsmittel des Kollegen hat das OLG diese falsche Entscheidung im OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.08.2014 – 1 Ws 270/14 – aufgehoben und für den ersten Hauptverhandlungstermin die beantragten 744 € festgesetzt:

„Angesichts der Dauer der Hauptverhandlung vom 26.11.201-3 von 9.00 Uhr bis 16.35 Uhr ist die vorliegende Bemessung nicht als unbillig anzusehen. Insbesondere ist keine Gesamtbewertung der drei Hauptverhandlungstage angezeigt.“

Wenn man es bewerten soll, kann man nur sagen: Das OLG hat mehr als Recht. Ich bin immer wieder erstaunt, auf welche Ideen Rechtspfleger kommen. Ich bin mir dann auch nie sicher, ob ich über den Erfindungsgeist der Rechtspfleger bewundernd staunen soll oder doch (lieber) weinen. So auch hier. Mir ist bislang keine Entscheidung bekannt, in der im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG eine „Gesamtbetrachtung“ oder „Gesamtbewertung“ vorgenommen wird, mit der Folge, dass nur geringere Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsumfang des Rechtsanwalt in einem Verfahrensabschnitt und/oder in einem Termin zur Minderung der Gebühren für andere Verfahrensabschnitte und/oder Termine führt. Eine solche Kompensation wird zwar teilweise im Bereich der Pauschgebühr nach § 51 RVG vorgenommen – was m.E. ebenfalls nicht zutreffend ist (vgl. dazu Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, § 51 Rn. 156 f.) -, für § 14 Abs. 1 RVG ist das bislang aber noch nicht vertreten worden. Und m.E. auch mit gutem Grund. Denn eine Kompensation, wie sie hier dem LG Nürnberg-Fürth vorschwebte – widerspricht nicht nur dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 RVG, sondern auch dem Gesamtgefüge der anwaltlichen Abrechnung bei Betragsrahmengebühren. In § 14 Abs. 1 RVG ist die Rede davon, dass der Rechtsanwalt „die Gebühr im Einzelfall … nach billigem Ermessen“ bestimmt. Es kommt also auf die für die jeweilige einzelne Gebühr – „die Gebühr …“ – maßgeblichen Kriterien an. Eine Gesamtbetrachtung findet nicht nur nicht statt, sondern ist danach m.E. ausgeschlossen. Es ist ja auch nicht so, dass der Rechtspfleger nach Abschluss der Prüfung der Gebührenbestimmung eine abschließende wertende Betrachtung vornimmt und dabei noch einmal überprüft, ob das, was sich aufgrund der Gebührenbestimmung insgesamt an Vergütung ergibt „angemessen“ ist. Er ist vielmehr an die vom Rechtsanwalt etroffene Gebührenbestimmung (für die einzelne Gebühr) gebunden, wenn sie nicht unbillig ist, d.h. die angemessene Gebühr um nicht mehr als 20 % überschritten wird. Ist die Bestimmung unbillig, bestimmt er die angemessene Gebühr. Eine Gesamtbewertung findet also nicht statt. Für das OLG war das offenbar so klar, dass es auf die Frage nicht mehr als einen Satz verwandt hat. 🙂

Im Übrigen: Warum bei einem Termin, der von 09.00 Uhr bis 16.35 Uhr gedauert hat, eine Wahlanwaltsgebühr von 744 € unbillig sein soll, erschließt sich mir nicht. Und eine Begründung – außer Kompensation – hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle/der Rechtspfleger auch nicht.