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Täter-Opfer-Ausgleich: Bloß entschuldigen ist kein „kommunikativer Prozess“

© FotolEdhar Fotolia.com

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Und dann nach dem BGH, Urt. v. 23.12.2015 – 2 StR 307/15 (vgl. dazu vorhin:Täter-Opfer-Ausgleich: Kleine Checkliste vom 2. Strafsenat) eine weitere Entscheidung des BGH zum Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) nach § 46 Nr. 1 StGB, die zeigt, dass es so einfach nicht ist/geht. In dem BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 354/15 – geht es (auch) um die Frage des sog. kommunikativen Prozesses. Der Angeklagte ist wegen gefährlicher Körperverletzung seines Bruders verurteilt worden. Er hat in einem länger andauernden Streit nach einem erfolglosen Versöhnungsversuch aus einem Fenster der Wohnung seiner Mutter ein Messer in der Größe eines Brotmessers nach seinem Bruder geworfen, den er – wie beabsichtigt – im oberen Bereich des Rückens getroffen hat. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich bei seinem Bruder entschuldigt, der die Entschuldigung angenommen und die Sache damit als erledigt betrachtet hat. Das LG hat in den Urteilsgründen ohne Erörterung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB im Rahmen der Strafzumessung lediglich allgemein zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich bei seinem Bruder entschuldigt hat. Der BGH hat keine Bedenken:

a) Eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1; Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646; Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30).

b) Eine Wiedergutmachung in diesem Sinne liegt nach den Feststellungen fern. Zwar steht es grundsätzlich einer Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht im Wege, wenn ein Opfer dem Täter den Ausgleich in der Weise leicht macht, dass es an das Maß der Wiedergutmachungsbemühungen keine hohen Anforderungen stellt und schnell zu einer Versöhnung be-reit ist (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 41/01, StV 2001, 457). Doch liegt es angesichts des das Leben des Geschädigten jedenfalls abstrakt gefährdenden Messerwurfs nicht nahe, dass die bloße Entschuldigung des Angeklagten, auch wenn der Geschädigte diese angenommen hat, eine umfassende Versöhnung zwischen Täter und Opfer bewirkt hat. Der Angeklagte selbst hat in seiner Einlassung angegeben, dass eine Versöhnung nach dem Vorfall zunächst nicht gelungen sei, vielmehr erst ein Jahr später stattgefunden habe und das Verhältnis zu seinem Bruder auch weiterhin „nicht das beste“ sei, auch wenn man sich wieder vertrage. Es spricht nichts dafür, dass sich diese – ersichtlich weiterhin nicht unbelastete – Beziehung zwischen den Brüdern allein durch die später in der Hauptverhandlung ausgesprochene Entschuldigung im Sinne einer umfassenden Aussöhnung verändert hätte. Vor diesem Hintergrund musste sich das Landgericht allein durch die ausgesprochene Entschuldigung nicht gedrängt sehen, sich mit einer Strafmilderung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO), die zu weiteren Feststellungen zu einem etwaigen Schadensausgleich geführt hätte, ist nicht gerügt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2012 – 3 StR 276/12, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 10).“

Täter-Opfer-Ausgleich: Kleine Checkliste vom 2. Strafsenat

entnommen openclipart.org

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Im Rahmen der Strafzumessung spielen häufig die mit einem Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) (§ 46a StGB) zusammenhängenden Fragen ein Rolle. Liegt ein TOA vor kann ja nach der Vorschrift des § 46a StGB die Strafe gemildert werden. Allerdings müssen dafür die von der Rechtsprechung, vor allem der des BGH, aufgestellten Voraussetzungen vorliegen. Das ist vor allem der sog. kommunikative Prozess zwischen Täter und Opfer.

Zu den Voraussetzungen des TOA nach § 46a Nr. 1 StGB hat vor einiger Zeit noch einmal der BGH Stellung genommen, und zwar im BGH, Urt. v. 23.12.2015 – 2 StR 307/15. Da ging es erneut um die drei wesentlichen Fragen:

  1. Welche Auswirkungen hat es, wenn aufgrund der Vermögenslage des Angeklagten auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist?.
  2. Welche Auswirkungen hat es, dass der Angeklagte den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat?
  3. Wie ist der kommunikative Prozess im Urteil festzustellen?

Alle drei Fragen hat der BGH in seinem Urteil beantwortet, und zwar wie folgt:

  1. Es steht der Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen, wenn aufgrund der Vermögenslage des Angeklagten auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist. Im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB genügt – anders als bei § 46a Nr. 2 StGB – das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung; ein Wiedergutmachungserfolg wird deshalb nicht vorausgesetzt.
  2. Dem von der Rechtsprechung des BGH verlangten Verhalten des Täters, das sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt, steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat. Das Beschönigen einzelner Tatumstände schadet nicht.
  3. Für eine Annahme des § 46a Nr. 1 StGB sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Für die Anwendung der Vorschrift bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten. Der sog. kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe ein kommunikativer Prozess stattgefunden, genügt allerdings nicht. Es müssen insbesondere Feststellungen dazu getroffen werden, wie sich der Tatgeschädigte zu den Ausgleichsbemühungen des Angeklagten verhalten hat, insbesondere dazu, ob der Geschädigte die (zugesagten) Leistungen als „friedensstiftenden Ausgleich“ akzeptiert hat.

Daran kann man also einen TOA „abarbeiten“.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit der Abrechnung des Täter-Opfer-Ausgleichs?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Frage vom vergangenen Freitag lautete: Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit der Abrechnung des Täter-Opfer-Ausgleichs? Dazu habe ich der Kollegin wie folgt geantwortet:

„Hallo Frau Kollegin, schön, wenn ich helfen kann. Also:

M.E. ist die Nr. 4102 VV RVG nicht entstanden. Die Tätigkeiten werden durch die HV-Terminsgebühr abgegolten.

Für den TOA denken Sie an die Nr. 4143 VV RVG.

Und außergerichtlich gilt Teil 2 VV RVG. Steht auch alles im RVG-Kommentar, bei der Nr. 4143 VV RVG.“

Und wenn ich den RVG-Kommentar schon erwähne, dann hier der Hinweis: „Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014″, gibt es derzeit als Mängelexemplar für nur 76,90 € statt 109 €. Da kann man doch mal richtig sparen. Zum Bestellformular geht es hier. 🙂

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit der Abrechnung des Täter-Opfer-Ausgleichs?

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An der veröffentlichten Rechtsprechung merkt man, dass der Täter-Opfer-Ausgleich in der Praxis eine immer größere Rolle spielt. Deshalb gibt es auch immer wieder Fragen zur gebührenrechtlichen Problematik. Folgende hat mich vor einigen Tagen erreicht:

Hallo Herr Burhoff,

mein Chef und ich sind uns in einer Sache – es geht um eine Nebenklagevertretung- nicht ganz sicher wie wir abrechnen können und dürfen.Bei dem Termin war ich zusammen mit dem Nebenkläger. Vorab ( und soweit ich mich erinnere), nach Aufruf der Sache wurde ein Rechtsgespräch geführt.

Es wurde ein Täter-Opfer-Ausgleich vorgeschlagen, der dann in der Hauptverhandlung zu Protokoll genommen wurde.

Fällt hierfür eine zusätzliche Termingebühr nach Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG, oder darf man nur die Termingebühr nach 4108 VV RVG abrechnen?

Wie verhält es sich mit dem abgeschlossenen Täter-Opfer-Ausgleich? Wird dieser gesondert zivilrechtlich abgerechnet? Welche Gebühren dürfen hier abgerechnet werden?“

Na, Ideen? Kann eine Menge Geld drin stecken….

Der „kommunikative Prozess“ beim TOA

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Der sog. Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) spielt in der Praxis der Sttrafzumessung zunehmend eine Rolle und kann für den (verurteilten) Angeklagten hinsichtlich der Strafhöhe erhebliche Bedeutung erlangen. Das zeigt sich noch einmal im BGH, Beschl. v. 28.04.2015 – 3 StR 647/14. Da hatte der Angeklagte sich nach einer räuberischen Erpressung beim Opfer brieflich entschuldigt und 500 € zur Wiedergutmachung gezahlt. Das LG hatte dennoch die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB und damit das Vorliegen eines sog. vertypten Strafmilderungsgrundes verneint. Der BGH hat das anders gesehen und aufgehoben:

„Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB für nicht gegeben erachtet, weil es an „umfassenden Ausgleichsbemühungen“ und einem „kommunikativen Prozess“ zwischen Täter und Opfer fehle. Dies wird dem festgestellten Nachtatverhalten des Angeklagten nicht gerecht. Danach hat dessen Familie vor der Verhandlung 500 € an die Geschädigte gezahlt. Weitere Zahlungen sind beabsichtigt. Der  Angeklagte selbst hat sich aus der Untersuchungshaft brieflich und sodann in der Hauptverhandlung persönlich bei der Geschädigten entschuldigt. Diese hat die Entschuldigung angenommen. Damit hat der erforderliche, vom Bestreben nach Wiedergutmachung getragene kommunikative Prozess stattgefunden. Dass die Zahlung von der Familie des in Untersuchungshaft befindlichen, zur Tatzeit 23 Jahre alten Angeklagten erbracht wurde, steht der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen, da diese – anders als § 46a Nr. 2 StGB – keine erheb-liche persönliche Leistung oder erheblichen persönlichen Verzicht voraussetzt (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2).“