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Divers II: Parteiverrat (§ 356 StGB) des Rechtsanwalts, oder: Begriff der „derselben Rechtssache“

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Als zweite Entscheidung dann der BayObLG, Beschl. v. 06.08.2021 – 201 StRR 66/21 – zum Begriff der „derselben Rechtssache“ i.S.v. § 356 Abs. 1 StGB.

Das LG hat den Angeklagten frei gesprochen und hat dazu folgende Feststellungen getroffen:

„1. Die Ehefrau des Zeugen Z ist Eigentümerin eines Grundstücks in der Gemeinde B, die der Verwaltungsgemeinschaft N (künftig: VG) angehört. Zwischen ihrem Grundstück und dem benachbarten Grundstück des T verläuft ein ca. 80 cm breiter Fußweg (Pfad), der als öffentlicher Weg in das Bestandsverzeichnis für öffentliche Straßen der Gemeinde eingetragen war. Im Jahr 2015 hatte die Gemeinde das Grundstück, auf dem der Pfad verläuft, an T veräußert, ohne die Eheleute Z hiervon in Kenntnis zu setzen. Dabei war seitens der Gemeinde übersehen worden, den noch als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten Pfad einzuziehen.

Am 28.08.2017 richtete der Zeuge Z an den als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten per E-Mail eine Anfrage in Bezug auf den genannten Weg. Er machte darin deutlich, dass er den Pfad weiterhin nutzen möchte und fragte an, ob es ein Gewohnheitsrecht oder eine sonstige Rechtsgrundlage gäbe, auf die er sich berufen könne. Er wies darauf hin, dass ihm an einem guten Verhältnis zum Nachbarn gelegen sei und der Angeklagte daher mit diesem keinen Kon-takt aufnehmen solle.

Der Angeklagte antwortete dem Zeugen Z mit E-Mail vom 30.08.2017 und forderte ihn auf, zunächst bei der VG nachzufragen, ob das Wegegrundstück vor dem Verkauf als öffentliche Wegfläche im Straßenverzeichnis eingetragen war bzw. noch eingetragen ist, und ließ eine anwaltliche Handakte „Z gegen T wegen Wegerecht, Mandant: Z, Gegner: T“ anlegen. Der Zeuge Z erfuhr bei seiner Nachfrage bei der VG, dass der Pfad noch als öffentliche Wegfläche im Straßenbestandsverzeichnis eingetragen und dies beim Verkauf des Grundstücks an den Nachbarn offensichtlich übersehen worden ist. Dieser Fehler müsse nach Auskunft der VG korrigiert und die Entwidmung des Pfades in die Wege geleitet werden. Dies teilte der Zeuge Z dem Angeklagten mit E-Mail vom 01.09.2017 mit und machte deutlich, dass gegen die beabsichtigte Entwidmung „Einspruch“ eingelegt werden müsse; sein Nachbar plane, auf dem Weggrundstück einen Fahnenmast zu errichten. Der Angeklagte antwortete mit E-Mail vom 04.09.2017 dahingehend, dass die VG veranlasst werden könne, Baumaßnahmen auf dem Pfad zu verhindern, solange dieser noch öffentlich gewidmet ist.

Der Zeuge Z hatte mit weiterer E-Mail vom 03.09.2017 dem Angeklagten den Entwurf eines Schreibens an den damaligen Geschäftsstellenleiter der VG beigefügt, in welchem er auf die Bedeutung der Nutzung des Pfades für die Eheleute Z hinwies und aufzeigte, welche Möglichkeiten für ihn in Betracht kämen, um den Pfad weiter nutzen zu können. Dabei sprach er auch an, dass im Fall einer Entwidmung die Eheleute Z eine Klage gegen die Gemeinde beabsichtigen. Nachdem der Zeuge Z auf seine E-Mail vom 03.09.2017 entgegen seiner Erwartung keine Antwort erhalten hatte, rief er den Angeklagten zwischen dem 04.09.2017 und dem 08.09.2017 in der Kanzlei an. Der Angeklagte, der sich zu diesem Zeitpunkt möglicherweise in einem Mandantengespräch befand und an einem raschen Ende des Gesprächs mit dem Zeugen Z interessiert war, gab die Auskunft, dass der Zeuge Z allenfalls gegen den Nachbarn vor-gehen könne und nicht gegen die Gemeinde, gegen die er keine Chancen habe.

Nachdem der Angeklagte bis zum 16.11.2017 (Wiedervorlagetermin) nichts mehr von dem Zeugen Z gehört hatte, fragte er bei diesem an, ob sich die Angelegenheit für ihn erledigt habe, was dieser mit E-Mail vom selben Tag bejahte. Mit Schreiben vom 17.11.2017 übersandte der Angeklagte daraufhin eine Rechnung in Höhe der Erstberatungsgebühr.

Der Gemeinderat von B fasste in der Sitzung vom 17.11.2017 – was dem Angeklagten bis dahin nicht bekannt war – den Beschluss, den genannten Pfad als öffentlichen Weg einzuziehen. Dies wurde im Amtsblatt der Gemeinde vom 02.03.2018 bekannt gemacht. Mit Schriftsatz ihrer anwaltlichen Vertreter vom 28.03.2018 erhob die Ehefrau des Zeugen Z Klage zum Verwaltungsgericht gegen die VG mit dem Antrag, die Einziehung des Weges aufzuheben. Mit E-Mail vom 25.07.2018 bat die nunmehrige Geschäftsstellenleiterin der VG den Angeklagten darum, die Gemeinde B in der genannten Verwaltungsstreitsache anwaltlich zu vertreten. Der Ange-klagte machte nach Durchsicht der Handakte in Sachen „Z gegen T“ mit E-Mail vom 26.07.2018 darauf aufmerksam, dass er den Ehemann der Klägerin beraten und darauf hin-gewiesen habe, dass die verkaufte Wegfläche noch öffentlich gewidmet sei und “wir für die Verwaltungsgemeinschaft tätig sind und keine Möglichkeit sehen, gegen eine Entwidmung des Weges vorzugehen“; der Zeuge Z habe das Mandat mit E-Mail vom 16.11.2017 beendet. Er sei zur Vertretung der Gemeinde bereit, es solle aber zunächst beim zuständigen Bürgermeister nachgefragt werden, ob dieser aufgrund der Vorberatung für Herrn Z eine Befangenheit bzw. Interessenkollision sehe. Nachdem dies seitens der Geschäftsstellenleiterin verneint worden war, hat der Angeklagte mit E-Mail vom 03.08.2018 die Übernahme des Mandats bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 27.08.2018 wiesen die gegnerischen Anwälte den Angeklagten darauf hin, dass er bereits einmal für ihre Mandantschaft tätig gewesen sei und baten um Überprüfung. Mit Schreiben vom 27.08.2018 antwortete der Angeklagte u.a., dass sich die vorgerichtliche Beratung auf den Hinweis beschränkt habe, dass der Weg erst noch entwidmet werden müsse und dass dagegen dann vorgegangen werden könne. An dieser Stelle sei sodann die Beratung einvernehmlich beendet worden.

Nachdem der Angeklagte die VG zunächst in der Verwaltungsstreitsache gegen Frau Z wegen Einziehung eines Weges vor dem Verwaltungsgericht vertreten hatte, zeigte er am 27.02.2019 gegenüber dem Verwaltungsgericht die Niederlegung seines Mandates an.“

Das BayObLG sieht das anders und hat aufgehoben und zurückverwiesen. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

 

  1. Ob das Tätigwerden eines Rechtsanwalts „dieselbe Rechtssache“ i.S.v. § 356 Abs. 1 StGB betrifft, hängt entscheidend vom sachlich-rechtlichen Inhalt der anvertrauten Angelegenheit ab. Dieselbe Rechtssache ist daher auch gegeben, wenn in Verfahren verschiedener Art und ver-schiedener Zielrichtung ein und derselbe Sachverhalt maßgeblicher Verfahrensgegenstand ist. Zwar hängt es vom Willen des Rechtsanwalts ab, wie weit er ein Mandat übernehmen will, nicht aber, wie weit sich der Streitstoff erstreckt. Denn die rechtlichen Beziehungen eines Lebenssachverhaltes bestehen unabhängig vom Parteiwillen.

  2. Für die Pflichtwidrigkeit i.S.v. § 356 Abs. 1 StGB kommt es auf die Identität des Verfahrens-stoffes und die Gegensätzlichkeit der sich aus diesem Verfahrensstoff ergebenden Interessen zu dem Zeitpunkt an, zu dem der Rechtsanwalt von der weiteren Partei beauftragt wird; uner-heblich ist, ob eine solche Entwicklung vorauszusehen war, solange das frühere Auftragsver-hältnis Bestand hatte. Die rechtliche Gebundenheit des Rechtsanwalts an seinen Auftraggeber dauert über die Beendigung des Auftrags hinaus fort.

  3. Vorsatz hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „in derselben Sache“ erfordert, dass sich der Täter der Identität des materiellen Rechtsverhältnisses bewusst ist und in dem neuen Auftrag den alten Streitstoff wiedererkennt. Kennt er die Umstände nicht, aus denen sich der Begriff derselben Rechtssache ergibt, fehlt es am Vorsatz. Verkennt der Täter dagegen trotz Kenntnis der Sachlage die rechtliche Tragweite der Norm und irrt er über den gesetzlichen Begriff „derselben Rechtssache“, so unterliegt er einem Verbotsirrtum

TOA II: Täter-Opfer-Ausgleich beim Parteiverrat, oder: Opferloses Delikt

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 14.07.2020 – 4 StR 611/19. Der Beschluss beendet ein Strafverfahren, das schon länger läuft und über das ich hier auch berichtet habe, und zwar mit: Parteiverrat?, oder: Wenn der Rechtsanwalt gegen die ausdrückliche Weisung des Mandanten handelt und mit: Schwerer Parteiverrat?, oder: Gemeinsames “Schädigungsbewusstsein” von Anwalt und Gegenseite erforderlich).

Der BGH hatte mit dem BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18 – ein erstes Urteil des LG Münster im Strafausspruch aufgehoben. Damit stand dann nur noch die Entscheidung über die Strafhöhe an. Über die hatte das LG Münster dann am 11.05.2019 entschieden, ich meine mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Dagegen dann noch einmal die Revision, die der BGH nun verworfen hat. Er „merkt“ nur noch an:

„Der Senat merkt an:

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, findet die Regelung des § 46a Nr. 1 StGB nach der vom Senat zur Unanwendbarkeit dieser Vorschrift auf „opferlose“ Delikte entwickelten Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 ? 4 StR 213/14, BGHSt 60, 84; Schneider in LK-StGB, 13. Aufl., § 46a Rn. 12 ff.) auf Taten nach § 356 StGB keine Anwendung. Denn die Strafvorschrift des Parteiverrats schützt keine Individualrechtsgüter, sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit und Integrität der Anwalt- und Rechtsbeistandschaft (vgl. BGH, Urteile vom 21. Juli 1999 ? 2 StR 24/99, BGHSt 45, 148, 153; vom 24. Juni 1960 ? 2 StR 621/59, BGHSt 15, 332, 336; BVerfG, NJW 2001, 3180, 3181; HansOLG Hamburg, StV 2017, 184).“

Parteiverrat?, oder: Wenn der Rechtsanwalt gegen die ausdrückliche Weisung des Mandanten handelt

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In der vergangenen Woche ist beim LG Münster ein Strafkammerverfahren zu Ende gegangen, in dem der betroffene Rechtsanwalt wegen Parteiverrats (§ § 356 StGB) angeklagt war. Der Kollege ist vom LG wegen (schweren) Parteiverrats nach § 356 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Gegen das Urteil ist Revision eingelegt.

Lassen wir jetzt mal die berufsrechtlichen Folgen dieser Verurteilung außen vor – Anwaltszulassung, Notarzulassung, Honorarprofessur, Bundesverdienstkreuz „wackeln“. Interessant ist m.E. vor allem auch die Frage, die der BGH beantworten muss, nämlich: Handelt es sich um Parteiverrat, wenn der Rechtsanwalt gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Mandanten handelt? Das war hier nämlich wohl der Fall:

Ausgangspunkt ist ein Verfahren, das 2012 beim BVerwG anhängig war (vgl. auch hier). Der Kollege hat mehrere Kläger aus Oldenburg vertreten, darunter auch die Stadt, eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Stiftung und Privatleute. Beklagte war die Deutsche Bahn, die die Bahnstrecke zum Tiefwasserhafen „Jade Weser Port“ im nahen Wilhelmshaven ausbauen will – streckenweise wohl mitten durch das Oldenburger Stadtgebiet. In dem Verfahren vor dem BVerwG hat die DB einen Vergleich angeboten, der Lärmschutzmaßnahmen für die betroffenen Wohngebiete in Oldenburg vorsah. Der Kollege hat seinen Mandanten geraten, das Angebot anzunehmen. Einige der Kläger, u.a. die Stadt Oldenburg, willigten ein. Nicht die privaten Kläger, die die ausdrückliche Weisung erteilt hatten, keinen Vergleich abzuschließen. Und darum ging es dann im Strafverfahren.

Das LG ist wegen des Vergleichsschlusses von Parteiverrat ausgegangen. Dazu aus der „WN„: Der münsterische Anwalt zeigt sich weiterhin überzeugt, dass er mit dem angestrebten Vergleich das Beste für alle seinen Mandanten habe erreichen können. Der Richter sieht das anders. „Es ist nun mal der Mandant, der die Prozessziele festlegt.“

Ich bin gespannt, was der BGH macht. Ganz „unstreitig“ war die (Rechts)Frage nicht. Die Staatsanwaltschaft und die GStA hatten nämlich die Tatbestandsmäßigkeit verneint. Das OLG Hamm hatte dann im Klageerzwingungsverfahren mit OLG Hamm, Beschl. v. 09.10.2014 – 4 Ws 227/14 – die Erhebung der Anklage angeordnet.

Finger weg, oder: Parteiverrat durch Akteneinsichtsgesuche?

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Das OLG Hamburg, Urt. v. 16.12.2014 – 1 Rev 49/14 – mahnt dann doch ein wenig zur Vorsicht, wenn wegen eines Vorwurfs mehrere Mandanten vertreten werden, soll es dem Rechtsanwalt/Verteidiger nicht so gehen wie einer Hamburger Strafverteidigerin. Die hat zwei Mandantinnen B und L vertreten, gegen die getrennte Strafverfahren wegen gemeinschaftlichen Betruges geführt wurden. Gegen beide wurde Strafbefehl erlassen. Der gegen L erlassene Strafbefehl wurde rechtskräftig, im Verfahren gegen B kam es nach Einspruch zur Hauptverhandlung. Dort wurde die L als Zeugin vernommen. Wegen ihrer Aussage, der das AG keinen Glauben schenkte, wurde noch am selben Tag ein Verfahren wegen falscher uneidlicher Aussage gegen L eingeleitet. Nachdem gegen L – noch vor Abschluss des Verfahrens gegen B – Anklage wegen falscher uneidlicher Aussage erhoben worden war, bat sie die Rechtsanwältin und spätere Angeklagte, (ewrneut) die Verteidigung zu übernehmen. Eine Büroangestellte versandte daraufhin ein Akteneinsichtsgesuch an das zuständige AG. Nach einem Hinweis des zuständigen Richters an die Verteidigerin, dass Parteiverrat in Betracht käme, entschloss sich die Angeklagte, die Akten dennoch anzufordern, um sich ein eigenes Bild von den Verfahrenszusammenhängen machen zu können. In der Folgezeit erinnerte sie noch zwei Mal an das unerledigte Akteneinsichtsgesuch, ehe sie nach einem neuerlichen Hinweis des AG dann das Mandat niederlegte. L ist dann später wegen falscher uneidlicher Aussage verurteilt worden.

Das AG hat die Rechtsanwältin wegen Parteiverrats (§ 356 Abs. 1 StGB) verurteilt, das LG hat sie auf die Berufung hin freigesprochen. Das OLG Hamburg hat den Freispruch „kassiert“ und geht von einerm Parteiverrat aus. Begründung:

  • Der Rechtsanwältin war mit der Verteidigung der L und der B die Vertretung von zwei Parteien in derselben Rechtssache anvertraut. „Parteien in diesem Sinne sind die an einer Rechtssache beteiligten Personen (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 – 5 StR 109/07 Rn. 11; Gillmeister in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 356 Rn. 39), die ein rechtliches Anliegen verfolgen, vorliegend die Vertretung der Zeuginnen L und B in Strafsachen in dem Bemühen um Straflosigkeit oder eine milde Strafe. Die Parteistellung hängt nicht an der prozessrechtlichen Parteistellung oder einer anderen formellen Verfahrensbeteiligung (Gillmeister, a.a.O., Rn. 43). Der Begriff derselben Rechtssache umfasst alle Angelegenheiten, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegengesetzten rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden sollen (BGH, a.a.O., Rn. 11).
  • In den Akteneinsichtsgesuchen der Rechtsanwälting liegt auch ein pflichtwidriges Dienen. Denn: Der Begriff des Dienens durch Rat und Beistand erfasst jede berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts, durch die das Interesse einer Partei gefördert werden soll (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1954 – 4 StR 500/54, BGHSt 7, 17, 19 [Vertretungsanzeige]; Rogall in SK-StGB, 128. Lfg., § 356 Rn. 26). Hierfür reicht bereits die Vorlage einer Verteidigervollmacht ebenso wie die Informationsbeschaffung und Sachverhaltsaufklärung im Rahmen eines Mandats aus. Dies gilt auch, wenn der Rechtsbeistand die Informationen durch Akteneinsicht erhält (vgl. Gillmeister, a.a.O., Rn. 53).“ 
  • Darüber hinaus ist – anders als bei § 356 Abs. 2 StGB – ein Nachteil für oder eine Gefährdung der Interessen der anderen Partei nicht erforderlich.

Also: Finger weg von solchen Konstellationen und, wenn es um die Abklärung eines Interessenwiderstreits geht – der m.E. hier aber auf der Hand lag: Es steht – so das OLG – der Weg über § 475 StPO offen.

(Der schleichende) Parteiverrat

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Hinweisen möchte ich heute auf einen schon etwas älteren Beschluss des OLG Hamm, ergangen in einem sog. Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO), in dem es u.a. um die Frage des Parteiverrats (§ 356 StGB) eines Rechtsanwalt während eines Klageverfahrens vor dem BVerwG ging. Der Rechtsanwalt hatte für eine Stadt, eine städtische Stiftung und eine Wohnungsbaugesellschaft sowie für drei weitere private Kläger acht selbständige Klagen vor dem BVerwG in Leipzig erhoben. Die Verfahren wurden miteinander verbunden und später in zwei Verfahren aufgeteilt. Hintergrund dieser Klagen wart, dass die Eisenbahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven für den Güterverkehr von und zum Jade-Weser-Port „ertüchtigt“ werden sollte. Im Verlaufe des Verfahrens änderte sich die Zielsetzung und Interessenlage bei drei der acht klagenden Parteien. Die Stadt, die städtische Stiftung und die Wohnungsbaugesellschaft beabsichtigten auf Rat des Beschuldigten, sich mit einem von der DB angebotenen Vergleich zufrieden zu geben, während die restlichen Kläger mit diesem Vergleich nicht zufrieden waren. Trotz dieser divergierenden Ziele unter den Klägern vertrat der Beschuldigte weiterhin beide Klägergruppen im Prozess. es kam zu Streitigkeiten um einen Vergleich und dann endlich zu einer Strafanzeige wegen Parteiverrats (wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt bitte den VT nachlesen). Die StA Münster hat das Verfahren eingestellt.

Das OLG bejaht hingegen im OLG Hamm, Beschl. v. 09.10.2014 – 4 Ws 227/14 – den hinreichenden Tatverdacht:

„Gem. § 356 Abs. 1 StGB begeht ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, Parteiverrat.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Beschuldigte ist in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt sowohl von den vergleichsunwilligen Antragstellern als auch von denjenigen Klägern, die mit dem Abschluss des Vergleichs und der daraus resultierenden Beendigung des Verfahrens einverstanden waren, mit der Vertretung ihrer Interessen im Rahmen der vor dem BVerwG erhobenen Klagen beauftragt worden. Damit haben alle Kläger dem Beschuldigten ihre Angelegenheiten anvertraut.

Die Tathandlung des § 356 StGB besteht darin, dass der Täter in derselben Rechtssache in Ausübung seines Berufes beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient.

Als Dienen wird dabei jede berufliche Tätigkeit rechtlicher oder tatsächlicher Art bezeichnet, durch die das Interesse einer Partei durch Recht oder Beistand gefördert werden soll (Lackner/ Kühl, StGB, 28.Aufl., § 356 Rn 6; BGHSt 7,17).

Ein Rechtsanwalt dient dann pflichtwidrig, wenn er einer Partei Rat und Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Sache bereits Rat und Beistand geleistet hat. Maßgebend für die Pflichtwidrigkeit i.S.v. § 356 StGB ist die Identität des Verfahrensstoffs und die Gegensätzlichkeit der sich auf diesen Verfahrensstoff stützenden Interessen zu dem Zeitpunkt, da der Rechtsanwalt von der weiteren Partei beauftragt wird. Darauf, ob eine solche Entwicklung vorauszusehen war, solange das frühere Auftragsverhältnis bestand, kommt es nicht an (OLG München, Urteil vom 21. September 2010 – 5St RR (II) 246/10 -, juris; BGHSt 5, 284, 286; 7, 17).

Tatbestandselement des § 356 StGB ist damit, dass der Anwalt mit der Übernahme des zweiten Mandats ein dem ersten Mandat gegenüber entgegengesetztes Interesse wahrnimmt (Lackner/ Kühl, StGB, 28.Aufl., § 356 Rn 7; BGHSt 5, 284; 7, 17). Nicht ausreichend sind allein verschiedene tatsächliche Interessen am Verfahrensausgang oder ein nur theoretischer, fern liegender Interessengegensatz. Auf eine formelle Prozessgegnerschaft kommt es aber nicht an (Fischer, StGB, 61.Aufl., § 356 StGB Rn 4; BGHSt 5, 301, 304). Daher kann der Tatbestand des § 356 StGB auch dann erfüllt sein, wenn innerhalb einer von einem Anwalt vertretenen Gruppe unterschiedliche Interessen bestehen.

Der Beschuldigte hat pflichtwidrig gehandelt, denn die Interessen seiner Mandanten waren entgegengesetzt.

Ob ein Interessengegensatz vorliegt, ergibt sich aus dem Auftrag, den der Rechtsanwalt erhalten hat; denn der Auftrag bestimmt den Umfang der Belange, mit deren Wahrnehmung der Auftraggeber ihn betraut (OLG München, Urteil vom 21. September 2010 – 5St RR (II) 246/10 -, juris; BGHSt 7, 17, 20; 15, 332, 334). Das Bestehen eines Interessengegensatzes schließt es nicht aus, dass die Parteien darüber hinaus auch gleichgerichtete Interessen verfolgen. Ob ein Interessengegensatz gegeben ist, wird durch einen Vergleich der beiderseitigen subjektiven Parteianliegen ermittelt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. Juli 2013 – 3 (5) Ss 67/13, 3 (5) Ss 67/13AK 26/13 -, juris).

Die acht selbstständigen Klagen, welche im Laufe des Verfahrens miteinander verbunden wurden, starteten mit dem gemeinsamen Ziel, Befahrensbeschränkungen durch ein Urteil des BVerwG zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt verfolgten die Kläger noch die gleichen Interessen. Die DB hatte als Beigeladene hingegen das Ziel, jede Form von Betriebsregelungen oder Betriebseinschränkungen zu verhindern. Ein Interessenkonflikt zwischen den Klägern entstand allerdings zu dem Zeitpunkt, als die DB den Klägern einen Vergleichsvorschlag unterbreitete und die Stadt C, die städtische Stiftung sowie die Wohnungsbaugesellschaft den Prozess beenden wollten, während die weiteren Kläger das Vergleichsangebot nicht annehmen wollten, um das ursprüngliche Ziel zu erreichen.

Der Gegensatz kann auch erst im Laufe eines Vorganges entstehen und selbst dann gegeben sein, wenn der Anwalt im Rahmen beider Mandate denselben Rechtsstandpunkt vertritt. (Lackner/ Kühl, 28.Aufl., StGB, § 356 Rn 7; BGH, Urteil vom 07. Oktober 1986 – 1 StR 519/86 – juris). Es kommt nicht darauf an, ob seine Entwicklung vorauszusehen war, solange das frühere Auftragsverhältnis bestand (Heine/Weißer in: Schönke/ Schröder, 29. Aufl., StGB, § 356 StGB Rn 21). Unerheblich ist damit, ob die gegensätzlichen Interessen bereits zu Beginn des Mandatsverhältnisses bestanden haben…..“