Schwerer Parteiverrat?, oder: Gemeinsames „Schädigungsbewusstsein“ von Anwalt und Gegenseite erforderlich

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Ich eröffne die erste volle Arbeitswoche 2019 mit zwei Schwergewichten vom BGH, und zwar zunächst mit dem BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18. Dazu vorab:

Im Juni 2017 hatte ich über ein beim LG Münster anhängig gewesenes Strafkammerverfahren berichtet, in dem der dort angeklagte Rechtsanwalt wegen (schweren) Parteiverrats nach § 356 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden war (vgl. Parteiverrat?, oder: Wenn der Rechtsanwalt gegen die ausdrückliche Weisung des Mandanten handelt).

Gegen das Urteil hatte der Kollege Revision eingelegt – schon wegen der berufsrechtlichen Folgen für die Anwaltszulassung, seine Notarzulassung, seine Honorarprofessur und sein Bundesverdienstkreuz.

Jetzt ist weiter zu berichten, denn inzwischen hat der BGH entschieden, und zwar: Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18 – den Schuldspruch des LG-Urteils (endgültig) abgeändert und „nur“ wegen Parteiverrats – als nicht wegen „schweren“ Parteiverrats verurteilt und dann natürlich auch den Strafausspruch des LG-Urteils aufgehoben. Der Kollege hatte mir den Beschluss zur „Berichterstattung“ geschickt, inzwischen steht er aber auch auf der Homepage des BGH, ich kann mir also das Anonymisieren ersparen. Dennoch besten Dank.

Mit dem § 356 StGB hat man ja nicht so häufig zu tun, daher hier noch einmal sein Wortlaut:

(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.

Es kam also für den vom LG angenommenen § 356 Abs. 2 StGB darauf an, ob der Kollege bei Begehung des Parteiverrats im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei gehandelt hatte. Das hat der BGH auf der Grundlage der vom LG getroffenen Feststellungen – insoweit verweise ich auf den BGH-Beschluss – verneint:

„b) Die Urteilsgründe belegen aber nicht, dass der Angeklagte bei der Anregung der Protokollerklärung im Einverständnis mit der Beigeladenen zum Nachteil der privaten Kläger handelte und damit einen schweren Parteiverrat beging.

aa) Schon nach dem Wortlaut des § 356 Abs. 2 StGB qualifiziert nicht jedes Handeln des Anwalts zum Nachteil seiner Partei den Verrat zum Verbrechen (vgl. LK-StGB/Gillmeister, 12. Aufl., § 356 Rn. 100 ff. mwN). Hinzutreten muss vielmehr das Einverständnis der Gegenpartei in sein schädigendes Handeln. Hierfür ist ein gemeinsames Schädigungsbewusstsein von Anwalt und Gegenpartei erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1981 – 1 StR 366/81, NStZ 1981, 479, 480; Urteil vom 21. Juli 1999 – 2 StR 24/99, BGHSt 45, 148, 156). Als Teilelement des gemeinsamen Bewusstseins um die Schädigung der Partei muss das Einverständnis der Gegenpartei bereits zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Anwalt pflichtwidrig dient. Erforderlich ist, dass die Tathandlung als solche vom Einverständnis der Gegenpartei getragen wird.

bb) Allein in der bloßen Hinnahme der im Laufe des gerichtlichen Erörterungstermins geäußerten Anregung durch den Vertreter der Beigeladenen liegt kein Einverständnis der Gegenpartei im Sinne des § 356 Abs. 2 StGB.

In Fällen von für die Gegenpartei mit Wirkung nach außen entfalteten anwaltlichen Tätigkeiten hat der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass bei einer widerspruchslosen Annahme der auf Schädigung der anderen Partei gerichteten Beistandsleistung regelmäßig von einem Einverständnis der Gegenpartei auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1957 – 4 StR 530/56, S. 9 f.; Urteil vom 21. Juli 1999 – 2 StR 24/99, BGHSt 45, 148, 157; LK-StGB/Gillmeister, 12. Aufl., § 356 Rn. 101; MüKo-StGB/Dahs, 2. Aufl., § 356 Rn. 70; offen lassend BGH, Urteil vom 11. August 1981 – 1 StR 366/81, NStZ 1981, 479, 480). Diese Auffassung lässt sich jedoch auf die Erteilung eines Rats unter den hier gegebenen Umständen nicht übertragen. Die Anregung der Protokollerklärung erfolgte nach den Feststellungen ohne Veranlassung durch den Vertreter der Beigeladenen aufgrund eines spontanen Entschlusses des Angeklagten, der durch den auch für den Beigeladenenvertreter überraschenden Verlauf des noch andauernden Erörterungstermins motiviert war. Für den anwesenden Vertreter der Beigeladenen erschloss sich der Inhalt der Äußerung des Angeklagten zudem überhaupt erst im Verlauf von dessen Ausführungen. Unter diesen Umständen kann der lediglich passiven Entgegennahme der Anregung in dem laufenden Gerichtstermin nicht die Bedeutung eines Einverständnisses zugemessen werden. Aus denselben Gründen lässt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch der Umstand, dass sich der Vertreter der Beigeladenen die Anregung des Angeklagten nach deren Prüfung im weiteren Verlauf des Erörterungstermins zu eigen machte und die Protokollerklärung abgab, nicht den Schluss zu, dass bereits die Anregung des Angeklagten selbst vom Einverständnis des Beigeladenenvertreters getragen war.

2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung wegen Parteiverrats (§ 356 Abs. 1 StGB) ab. Angesichts der sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung durch das Landgericht sowie des erheblichen Zeitablaufs seit der Tat schließt der Senat aus, dass noch tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die geeignet wären, eine Verurteilung wegen schweren Parteiverrats zu tragen. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen.“

Jetzt darf/muss das LG Münster auf der Grundlage des milderen Strafrahmens noch einmal ran …..

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