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Strafe I: Berücksichtigung von erlittener U-Haft?, oder: U-Haft bleibt grundsätzlich außen vor

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Ich stelle heute dann mal wieder Entscheidungen vor, die mit der Strafe und auch deren Vollstreckugn zu tun haben.

Den Opener mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 15.08.2024 – 4 StR 79/24 – zur Strafzumessung und dabei zur Frage der Berücksichtigung von erlittener U-Haft. Das LG hatte diesen Umstand  bei der Strafrahmenwahl mit herangezogen, das hat edem BGH nicht gefallen:

„1. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – 2 StR 288/19 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155 Rn. 20) Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

2. Der Strafausspruch hält auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Beschluss vom 1. Februar 2023 – 4 StR 492/22 Rn. 4 mwN) sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Die Strafrahmenwahl begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht dabei zugunsten des Angeklagten die erlittene Untersuchungshaft von sieben Monaten berücksichtigt hat.

Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug von Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. nur Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 312/18 mwN; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02 Rn. 8). Solche zusätzlichen, den Angeklagten besonders beschwerenden Umstände oder Folgen des Haftvollzugs hat die Strafkammer nicht dargetan. Vielmehr ist der Angeklagte bereits hafterfahren. Gegen ihn wurde vor seiner Inhaftierung in vorliegender Sache eine mehrjährige Haftstrafe in Tschechien vollstreckt. Soweit die Strafkammer auf die (erstmalige) Verbüßung von Untersuchungshaft in Deutschland abstellt, können zwar bei einem Ausländer – wie hier – fehlende familiäre Bindungen in Deutschland oder fehlende Kenntnisse der deutschen bzw. einer sonst verbreiteten Sprache und ein daraus folgender Mangel sozialer Kontakte besondere Erschwernisse enthalten, die über die üblicherweise mit Untersuchungshaft verbundenen Beeinträchtigungen hinausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06 Rn. 10). Solche Umstände sind jedoch in den Urteilsgründen darzulegen und zu belegen. Daran fehlt es hier. Sie liegen vorliegend auch nicht auf der Hand, soweit die Strafkammer festgestellt hat, dass der kinderlose Angeklagte soziale Kontakte zu seiner seit sieben Jahren in Deutschland lebenden Schwester unterhält.

b) Da das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinne – für sich genommen unbedenklich – durch eine „abschließende zusammenfassende Würdigung“ auf seine Ausführungen zur Strafrahmenwahl Bezug genommen hat, wirkt sich der vorstehend aufgezeigte Rechtsfehler auch auf die konkrete Strafzumessung aus.

c) Der Senat kann schon nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt und infolgedessen zu einer höheren Strafe gelangt wäre. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung.“

Strafe III: TOA nach Böllerwurf im Fußballstadion, oder: Wiedergutmachung bei mehreren Geschädigten?

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Und im dritten Posting dann hier das OLG Hamm, Urt. v. 19.09.2024 – 5 ORs 37/24.

Das AG hat den Angeklagten wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier rechtlich zusammentretenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Im Berufungsverfahren hat das LG das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LG-Urteils zündete der Angeklagte im Jahr 2022 beim Regionalligaspiel J. gegen N. anlässlich des Ausgleichstors von N. einen Knallkörper des Typs Crazy Robots (sogenannter Polenböller) in Kenntnis von dessen Gefährlichkeit und warf diesen zielgerichtet und mit Verletzungsvorsatz in Richtung der Nebenkläger. Bei den Nebenklägern handelt es sich um Ersatzspieler des N., die sich neben dem Spielfeld aufwärmten, den Athletiktrainer des Vereins sowie einen in der Nähe befindlichen Balljungen. Durch die Explosion des Knallkörpers erlitten die Nebenkläger im Einzelnen dargestellte Verletzungen, vor allem Knalltraumen, Hörstörungen und Ohrenschmerzen. Das Regionalligaspiel wurde daraufhin abgebrochen, das zuständige Sportgericht sprach dem Verein N. für das Spiel drei Punkte zu und belegte den Verein J. mit einer Geldstrafe.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, dass zu Gunsten des Angeklagten zwar keine Strafrahmenverschiebung nach § 46a StGB vorzunehmen sei, weil das in Aussicht gestellte Schmerzensgeld deutlich zu gering ausfalle. Der Täter-Opfer-Ausgleich sei im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung jedoch strafmildernd zu berücksichtigen. Dagegen die Revision der StA, die Erfolg hatte:

„a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des tatrichterlichen Ermessens und vom Revisionsgericht nur darauf zu prüfen, ob Rechtsfehler vorliegen. Das Revisionsgericht darf daher nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des Urteils in sich rechtsfehlerhaft sind, wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt, insbesondere rechtlich anerkannte Strafzwecke nicht in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, oder die Strafe bei Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unvertretbar hoch oder niedrig ist (zuletzt OLG Hamm, Beschluss vom 19.11.2020 – III-4 RVs 129/20 -, Rn. 18, juris unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2015 –1 StR 142/14 -, juris m.w.N.; s. auch: Schmitt, in: Meyer-Goßner, 67. Auflage 2024, § 337 StPO Rn. 34).

aa) Ein solcher Rechtsfehler liegt vorliegend im Hinblick auf die strafmildernde Würdigung des Täter-Opfer-Ausgleichs bzw. der Schadenswiedergutmachungsbemühungen vor.

(1) Sind durch eine Straftat – wie vorliegend mehrere Opfer betroffen – so setzt ein Täter-Opfer-Ausgleich nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass hinsichtlich jedes Geschädigten in jedem Fall eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein muss (BGH, Urteil vom 12.01.2012 – 4 StR 290/11 -, juris m.w.N.). Der nach § 46a Abs. 1 Nr. 1 StGB notwendige kommunikative Prozess (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 11.09.2013 – 2 StR 131/13 -, Rn. 8, juris) hat nach den allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen indes ausschließlich in der Hauptverhandlung am 21.08.2023 mit dem Nebenkläger D., nicht indes mit den weiteren, im Termin nicht anwesenden Nebenklägern stattgefunden.

(2) Soweit das Landgericht rechtsfehlerhaft den Täter-Opfer-Ausgleich bejaht hat, hat es allerdings keine Strafrahmenverschiebung vorgenommen, da das in Aussicht gestellte Schmerzensgeld deutlich zu gering bemessen sei. Vielmehr hat es die Bemühung des Angeklagten ausschließlich „im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung“ berücksichtigt. Das Landgericht verweist damit auf die im Katalog des § 46 Abs. 2 StGB genannte Zumessungstatsache „sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen“.

In den Urteilsfeststellungen werden indes keine entsprechenden Bemühungen des Angeklagten dargelegt. Nach diesen hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung abgegeben und keine konkreten Anstrengungen zur Schadenswiedergutmachung unternommen. Obgleich der Angeklagte ausweislich der Feststellungen zur Person mit seiner Familie in geregelten finanziellen Verhältnissen lebt, überdies noch von seinem Vater finanziell unterstützt wird und die Tat im Urteilszeitpunkt bereits eineinhalb Jahre zurücklag, hat er nicht an einen einzigen Geschädigten die angebotene, aber ohnehin deutlich zu geringe Schmerzensgeldzahlung geleistet. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte tatsächlich Bemühungen entfaltet, seine Ankündigung umzusetzen, sind den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen.“

Die Entscheidung ist im Übrigen auch wegen der weiteren vom OLG angesprochenen Umstände von Interesse.

KCanG III: Nochmals die „nicht geringe Menge“, oder: Freigrenzen und Strafzumessung

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Und dann noch das OLG Schleswig, Urt. v.  26.08.2024 – 1 ORs 4 SRs 37/24. Das verhält sich zu zwei Fragen, nämlich einmla zur „nicht geringen Menge“ und zur Frage der Freigrenzen für Mengen und wie damit umzugehen ist.

Zur nicht geringen Menge bringt die Entscheidung nichts Neues, sondern wiederholt nur die Rechtsprechung des BGH.

Zu den Freigrenzen und zur Strafzumessung führt das OLG dann aus:

„2.  Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings im Ausgangspunkt auf solche Tathandlungen, die auch nach der seit dem 1. April 2024 geltenden Gesetzeslage uneingeschränkt – wenn auch unter abgesenkten Strafrahmen gegenüber den Strafvorschriften des BtMG – strafbar sind. In Fällen, die nach der neuen Rechtslage auch straflos sein können und erst mit erreichen von gesetzlich normierten Mengen strafbewehrt sind (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KCanG) ist eine differenzierte Betrachtung geboten:

a) Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs vertritt die Auffassung, dass in diesen Fällen dem gesetzgeberischen Ziel der Entkriminalisierung dadurch Rechnung zu tragen ist, dass der legale Besitz bis zu den gesetzlich festgelegten Mengen nicht straferschwerend berücksichtigt werden darf, wenn diese insgesamt durch eine darüber hinausgehende Besitzmenge überschritten werden (BGH, Beschluss vom 30. April 2024 – 6 StR 536/23 –, juris, dort Rn. 27ff.; so auch: Patzak/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 11. Auflage 204, § 34 KCanG Rn.23; AG Bautzen, Beschluss vom 27. Mai 2024 – 47 Gs 409/24 –, juris). Bei der Ermittlung einer nicht geringen Menge müssten hiernach also die legal besessenen Mengen bzw. Pflanzen ausgenommen werden.

b) Dem hat sich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs angeschlossen. Danach handelt es sich bei den in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen zwar um Freigrenzen mit der Folge, dass bei deren Überschreiten die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis strafbewehrt ist und das Cannabis als Bezugsgegenstand auch vollständig der Einziehung nach § 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB unterliegt (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 – 1 StR 105/24 – juris, dort Rn. 20ff.).

Für dieses Verständnis sei zunächst der Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG heranzuziehen, denn die Formulierung „mehr als“ … … „besitzt“, „anbaut“ oder „erwirbt“ bedeute lediglich, dass eine Strafbarkeit nur dann in Betracht komme, wenn die jeweils genannte Menge überschritten sei. Dass die „erlaubten“ Mengen in jedem Fall aus der Strafbarkeit ausgenommen sein sollen, ergebe sich hieraus nicht. Aus der Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG folge nichts Anderes, da nach § 2 KCanG der Umgang mit Cannabis grundsätzlich verboten sei.

Auch die Systematik des Konsumcannabisgesetzes und der Wille des Gesetzgebers sprächen hierfür; insbesondere führe die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Besitzmengen in §§ 3, 4 KCanG von dem in § 2 KCanG normierten Verbot des Umgangs mit Cannabis auszunehmen, zu keiner anderen Bewertung. Der Normgeber habe in §§ 3, 4 KCanG infolge einer „geänderten Risikobewertung“ von Cannabis für Erwachsene den Besitz bestimmter Mengen zum Eigenkonsum von dem grundsätzlichen Umgangsverbot des § 2 KCanG ausgenommen (BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Zwar teile die Gesetzesbegründung nicht mit, von welchen Erwägungen sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Mengen konkret habe leiten lassen. Angesichts dessen, dass das Konsumcannabisgesetz nach seiner Präambel einen verbesserten Gesundheitsschutz und die Stärkung eines „verantwortungsvolle[n] Umgang[s] mit Cannabis“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) zum Ziel habe, sei jedoch davon auszugehen, dass sich die festgesetzten Mengen hieran orientieren und das äußerste Maß dessen darstellen, was mit Blick auf die – auch aus der Sicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) – grundsätzlich weiterhin gegebene Gefährlichkeit von Cannabis vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung noch verantwortet werden kann. Dies bedeute, dass der Gesetzgeber den gleichzeitigen Besitz größerer als in §§ 3, 4 KCanG genannter Mengen als gefährlich angesehen und daher verboten habe (vgl. dazu BT-Drucks. 20/8704, S. 131: „erst bei Überschreiten … … strafbar“). Da die Straftatbestände des § 34 KCanG der Durchsetzung der gesetzgeberischen Wertungen – mithin auch dem strikten Verbot, mehr als die in §§ 3, 4 KCanG genannten Mengen zu besitzen – dienen sollen, seien die Regelungen des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG als Freigrenzen zu verstehen.

Allerdings sei auf der Strafzumessungsebene der geänderten Bewertung des Umgangs mit Cannabis durch den Gesetzgeber Rechnung zu tragen, denn die Wertung des Normgebers, den Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum in einem bestimmten Maß zu erlauben und damit einhergehend den Besitz, Anbau und Erwerb zum Eigenkonsum nur bei Überschreiten bestimmter Grenzen unter Strafe zu stellen, wirke sich auf den Schuldumfang aus. Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG genannten Freigrenzen seien daher innerhalb der Straftatbestände des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG) bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO).

Auch dieser Auffassung tritt der Senat bei. Bei Überschreitung der zulässigen Gesamtmenge ist der gesamte Besitz strafbewehrt und unterliegt deshalb der Beschlagnahme und Einziehung; der Entkriminalisierung ist allein auf der Rechtsfolgenseite Rechnung zu tragen.

c) Im vorliegenden Fall bedeutet dies bei der Strafrahmenwahl, dass ausgehend von den sechs Cannabis-Pflanzen, die bei dem Angeklagten gefunden wurden, nur drei Pflanzen die Annahme einer nicht geringen Menge begründen könnten, und die drei Pflanzen, die er legal hätte besitzen dürfen, wenn er die legale Besitzmenge nicht insgesamt überschritten hätte, bei der Berechnung außer Betracht zu bleiben haben. Ist es – wie vorliegend – zu einer Gesamtbeschlagnahme gekommen, wäre daher Voraussetzung für den Nachweis einer nicht geringen Menge des illegalen Cannabis-Besitzes, dass eine sichere Tatsachengrundlage derartige Feststellungen (noch) ermöglicht. So liegt es hier. Aufgrund der konkreten tatsächlichen Feststellungen des Schöffengerichts, dass die Pflanzen „etwa 2 Wochen vor der Ernte standen“, geht der Senat davon aus, dass es sich um in Wuchs und Wirkstoffgehalt vergleichbare Cannabispflanzen gehandelt hat, diese mithin auch einen vergleichbaren Wirkstoffgehalt hatten. Bei dieser Tatsachengrundlage kann trotz der rechtmäßigen Gesamtbeschlagnahme unter Berücksichtigung der Freigrenzen im Rahmen der Strafzumessung eine nicht geringe Menge hinsichtlich des illegalen Cannabis-Besitzes festgestellt werden, denn die der Freigrenze unterliegenden Besitzmengen können bei der Berechnung der nicht geringen Menge herausgerechnet werden. Ausgehend von den Feststellungen des Amtsgerichts enthielten drei der Pflanzen, die der Angeklagte besessen hat, insgesamt 18,75 Gramm des Wirkstoffes THC, so dass die nicht geringe Menge um mehr als das Doppelte überschritten war. Selbst wenn hiervon zugunsten des Angeklagten ein Abschlag von 10 % aufgrund der nicht ganz auszuschließenden Qualitätsdivergenz der Pflanzen in Abzug gebracht würde, beliefe sich die bereinigte Wirkstoffmenge immer noch auf 16, 87 Gramm THC. (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 24. April 2024 – 4 StR 50/24 –, juris Rn. 18).

3. Das Schöffengericht hat daher seiner Entscheidung einen falschen Strafrahmen zugrunde gelegt. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil zugunsten des Angeklagten auch, weil nicht auszuschließen ist, dass eine andere Schöffenabteilung des Amtsgerichts unter Anwendung des höheren Strafrahmens des § 34 Abs. 3 KCanG nach neuer Hauptverhandlung im Rechtsfolgenausspruch auf eine höhere Strafe erkennen wird, insbesondere von einer Anwendung des § 59 StGB möglicherweise absieht. Es war daher auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten im tenorierten Umfang aufzuheben. Da sich allein die Strafrahmenwahl als rechtsfehlerhaft erweist, haben die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO) und können in der neuen Hauptverhandlung ggf. ergänzt werden.“

 

Strafe II: Belastendes Fehlen eines Milderungsgrundes, oder: So nicht

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Und die zweite Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 01.08.2024 – 4 StR 2/24 -, betrifft einen Klassiker im Rahmen der Strafzumessung, also einen Punkt, der immer wieder falsch gemacht wird, und zwar:

Das LG hat die Angeklagten jeweils wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen die Revision, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungskriterien zu Lasten des Angeklagten B.   gewertet, dass er für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe.

Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn sie lässt besorgen, dass die Kammer – rechtsfehlerhaft – das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020 – 4 StR 45/20 Rn. 4). Das Herbeiholen ärztlicher Hilfe für das Opfer ist regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 – 3 StR 311/94 Rn. 2). Umgekehrt darf aber nicht ohne weiteres strafschärfend berücksichtigt werden, dass eine solche Bemühung unterblieben ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1979, 806; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 40). Die Formulierung der Kammer lässt sich auch nicht, anders als der Generalbundesanwalt meint, als bloße Bekräftigung für die strafschärfende Berücksichtigung der konkret eingetretenen Lebensgefahr begreifen.

Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese fehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, und hebt daher den Strafausspruch auf. Da der Rechtsfehler nur die rechtliche Bewertung der festgestellten Strafzumessungstatsachen betrifft, können die getroffenen Feststellungen zu den Strafaussprüchen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

b) Die Aufhebung im Strafausspruch war auf den Mitangeklagten C.   zu erstrecken (§ 357 StPO). Der Mitangeklagte C.   ist wegen derselben Tat wie der verbliebene Revident verurteilt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2024 – 2 StR 30/22 Rn. 31). Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung auch zu seinen Lasten gewertet, dass dieser für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe, so dass auch eine Gleichartigkeit der Rechtsverletzung gegeben ist. Die Regelung der Revisionserstreckung gilt auch für einen Angeklagten, der zwar zunächst Revision eingelegt, diese aber zurückgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663, 2665).“

Strafe III: Tagessatzhöhe beim Strafgefangenen, oder: Tagessatzhöhe beim Arbeitslosen

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Und dann zum Tagesschluss noch zwei AG-Entscheidungen zur Tagessatzhöhe.

Hier kommt zuerst der AG Amberg, Beschl. v. 20.06.2024 – 9 Cs 171 Js 12721/23 – zur Tagessatzhöhe bei einem Strafgefangenen:

„Im Hinblick auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten ist die Höhe des Tagessatzes mit 1,00 EUR festzusetzen. Der Angeklagte erhält lediglich Taschengeld in unter-schiedlicher Höhe, auf welches mangels Tätigkeit abzustellen ist. Im Februar 2024 erhielt er Taschengeld für Januar i.H.v. 41,99 EUR und im März 2024 (für Februar 2024) ein solches i.H.v. 43,02 EUR unter Berücksichtigung des Eigengeldes. Um die regelmäßig schlechte finanzielle Ausgangssituation von Strafgefangenen nach Strafhaftende nicht weiter zu verschlechtern und die Resozialisierungschancen nicht weiter zu reduzieren, sollte bei Strafgefangenen stets die Tagessatzanzahl gewählt werden, die am untersten Ende des unter Schuldgesichtspunkten noch Vertretbaren liegt. Die vom Angeklagten durch den unfreiwilligen Aufenthalt in der Justizvollzugs-anstalt ersparten Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung außer Ansatz (zum Ganzen MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, StGB § 40 Rn. 79). Das Gericht setzt damit die Tagessatzhöhe auf 1,00 EUR fest.“

Und als zweite Entscheidung der AG Pirna, Beschl. v. 17.07.2024 – 23 Cs 962 Js 64817/23 – zur Tagessatzhöhe bei einem Arbeitslosen. Das AG hat den Tagessatz auf 5,00 EUR/Tag festgesetzt:

„Bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte derzeit in Tschechien Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich umgerechnet ca. 175,–Euro erhält.“