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PC im Strafvollzug – das gibt es nicht

Nach dem Beschl. des OLG Hamm. v. 17.08.2010 – 1 Vollz (Ws) 255/10 kann einem Strafgefangenen der Besitz eines Computers versagt werden. Denn von einem in der Vollzugsanstalt betriebenen Computer gehe – so OLG – generell eine ganz erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt aus, da er geeignet und bestimmt ist, Daten auf elektronischem Wege zu verarbeiten und zu übertragen. Schon bei Vorhandensein von nur zwei Geräten in einer Vollzugsanstalt bestehe die nahe liegende Gefahr unerlaubter Übermittlung von Daten und Nachrichten mannigfacher Art. Zudem ist die Gefahr, dass über einen Datenaustausch mit der Außenwelt insbesondere auch Kenntnisse über die Sicherheitsvorkehrungen der Anstalt, Fluchtpläne oder Fluchtmöglichkeiten an Dritte weitergegeben werden, nicht kontrollierbar.

Ausbildungsbeihilfe im Strafvollzug

Interessant der Beschl. des OLG Hamburg v. 19.07.2010 – 3 Vollz (Ws) 38/10, der sich mit der Gewährung von Ausbildungsbeihilfe im Strafvollzug beschäftigt. Die Leitsätze:

  1. § 41 Abs. 1 HmbStVollzG gewährt – wie § 44 Abs. 1 StVollzG – Gefangenen einen Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe nur, wenn sie zum Zwecke der Ausbildung von der Arbeitspflicht freigestellt sind.
  2. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn die JVA die Freistellung zum Zwecke der Teilnahme an einem Fernlehrgang grundsätzlich davon abhängig macht, dass der Gefangene seine Eignung durch die erfolgreiche Absolvierung einer sechsmonatigen (unbezahlten) Probezeit nachweist.“

Also: Ausbildungsbeihilfe gibt es, aber nur eingeschränkt…

Hafturlaub für Beschaffung wichtiger Unterlagen zu gewähren

Die Beschaffung wichtiger Unterlagen für das Finanzamt, die nicht durch Schriftverkehr zu erhalten sind, stellt nach Auffassung des OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.05. 2010 – 1 Ws 103/10 Vollz. regelmäßig einen wichtigen Grund für Gewährung von Urlaub oder Ausgang im Sinne des Strafvollzugsgesetzes dar.

Allein dieser Umstand muss aber nicht zwingend zu der Gewährung von Sonderurlaub führen, vielmehr besteht insoweit nur ein Anspruch des Gefangenen auf  messensfehlerfreie Entscheidung der Justizvollzugsanstalt hierüber. Wird der Zeitaufwand für die Beschaffung der Unterlagen auf 30-40 Stunden geschätzt, erscheint es aber sogar möglich, den Gefangenen auf die Inanspruchnahme seines Regelurlaubes zu verweisen, da dieser der Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft dienen soll und es von dem Gefangenen zu erwarten ist, dass er während des Regelurlaubs – wie jeder andere Bürger auch – normale und alltägliche geschäftliche Angelegenheiten wie die Erstellung einer Steuererklärung erledigt.

Bei menschenunwürdiger Unterbringung ist Strafvollzug zu unterbrechen…

Jeder Verteidiger, der im Strafvollzug verteidigt, sollte sich mit der Entscheidung des 3. Zivilsenats (!!) v. 11.03.2010 – III ZR 124/09 vertraut machen. In der ging es um die Entschädigung eines Strafgefangenen bei menschenunwürdiger Unterbringung und der Remonstrationspflicht des Gefangenen im Hinblick auf § 839 BGB. Zu der Entscheidung lässt sich manches sagen/fragen: so z.B., warum sich eigentlich der Staat mit „Händen und Füßen“ gegen (begründete) Ansprüche von Personen wehrt, die zwar zu Recht inhaftiert sind, dann aber Bedingungen unterworfen werden, die mit der Menschenwürde nicht in Einklang stehen (stammt übrigens nicht von mir, sondern von StA Artkämper demnächst im StRR).

Das kann man hier alles nicht erörtern. Hinweisen will ich aber auf eine Passage in der Entscheidung, die vermutlich demnächst im Strafvollzug den Vollzugsbehörden „viel Freude“ bereiten wird :-). Der BGH führt nämlich aus:

„Sind die Haftbedingungen menschenunwürdig und kann eine Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (einschließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, ggf. auch in einem anderen Bundesland) einer Gerichtsentscheidung, die dies feststellt, nicht nachkommen, muss notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen werden. Die Aufrechterhaltung eines gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßenen Zustands ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen – selbst verfassungsrechtlichen – Belangen ist nicht möglich (vgl. BVerfG NJW 2006, 1580, 1581 Rn. 81)“.

Um Einwänden vorzubeugen: Mir ist bewusst, dass der BGH das vor dem Hinter­grund des Ausschlusses einer Entschädigung feststellt, aber: Argumentativ wird man diese Passage im Strafvollstreckungs-/Vollzugsverfahren sicherlich verwenden können.

Anwaltlicher Beistand für den Gefangenen im Disziplinarverfahren

Das OLG Bamberg hat in einem Beschl. v. 03.05.2010 – 1 Ws 145/10 – jetzt das Recht eines Strafgefangenen bestätigt, sich im Disziplinarverfahren eines anwaltlichen Beistandes zu bedienen. Der Leitsatz lautet:

Aufgrund des strafähnlichen Charakters von Disziplinarmaßnahmen, des mit ihrer Anordnung verbundenen Eingriffs in Freiheitsrechte und ihrer Bedeutung für zu­künftige strafvollzugs- oder strafvoll­streckungsrechtliche Entscheidun­gen folgt unbe­schadet des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung im BayStVollzG für den Gefangenen unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip das Recht, sich bereits vor der nach Art. 113 I 2 BayStVollzG gebotenen Anhörung zur sachkundigen Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte im Disziplinarverfah­ren auf sein Verlangen der Unterstützung eines anwaltlichen Bei­stands zu bedienen, um effektiv auf Gang und Ergebnis des Disziplinarverfahrens Ein­fluss nehmen zu können.“

Das OLG bestätigt damit die Entscheidung des OLG Karlsruhe in NStZ-RR 2002, 29 f.. Dann kommt auch PKH in Betracht. Die war hier aus formellen Gründen gescheitert.