Schlagwort-Archiv: Sittenwidrigkeit

VergütungsV – Unangemessenes Zeithonorar II, oder: Zeithonorar ohne Einschätzungs-Informationen

Und dann habe ich hier im zweiten Gebührenposting eine weitere Entscheidung zum Zeithonorar. Und zwar hat das OLG Brandenburg hat in seinem umfassend begründeten

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– (ebenfalls) zur Berechtigung eines (in einer Zivilsache) geltend gemachten anwaltlichen Zeithonorars Stellung genommen.

Folgender Sachverhalt: Die Parteien streiten um Anwaltshonorar für Tätigkeiten, die die Klägerin aufgrund eines zwischen den Parteien am 14.12.2018 geschlossenen Anwaltsvertrages erbracht hat. Gegenstand dieses Vertrages war die Vertretung der Beklagten in deren Auseinandersetzung mit den Eigentümern eines Nachbargrundstücks wegen des von den Beklagten bewohnten Grundstücks in Bezug auf das Bestehen eines Überbaus, der Nutzung des Stromanschlusses bzw. -zählers und das auf diesen Grundstücken befindliche Nebengelass. Der Anwaltsvertrag umfasste darüber hinaus die Vertretung der Beklagten wegen der Forderung der Eigentümer des Nachbargrundstücks (im Folgenden auch: Streitgegner) nach Reparatur des Daches der auf dem Grundstück der Beklagten gelegenen Scheune. Zugleich mit dem Anwaltsvertrag ist eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden, die ein Honorar von in Höhe von 250 EUR netto pro Stunde zuzüglich Kosten und Auslagen gemäß Nr. 7000 ff. RVG und Umsatzsteuer, mindestens in Höhe des gesetzlichen Honorars, vorsah.

Die Parteien haben um die Wirksamkeit und den Umfang der erbrachten anwaltlichen Leistungen gestritten. Die Klage war nur zum Teil erfolgreich.

Da auch dieses Urteil umfassend begründet ist, muss ich auch hier wegen der Einzelheiten auf den verlinkten Volltext verweisen und muss mich hier auf die Leitsätze beschränken. Die lauten:

1. Die Mangelnde Klarheit und Verständlichkeit einer AGB-Bestimmung führt weder zwingend noch im Zweifel zu deren Unwirksamkeit. Unwirksamkeit ist nur gegeben, wenn sich aus den Mängeln eine unangemessene Benachteiligung ergibt.

2. Bei einer Zeithonorarvereinbarung ist von einer unangemessenen Benachteiligung nicht bereits dann der Fall, wenn dem Mandanten vor Vertragsschluss keine Informationen gegeben werden, die es ihm ermöglichen, die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen. Für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung durch eine Zeithonorarklausel bedarf es vielmehr des Hinzutretens weiterer Umstände, wie z.B. dass sich dem Rechtsanwalt aus der Klausel in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen der Vergütungsvereinbarung ein missbräuchlicher Gestaltungsspielraum eröffnet.

3. Eine Herabsetzung des vereinbarten Honorars kommt in Betracht, wenn ein Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu einem unzumutbaren und unerträglichen Ergebnis führen würde. Überschreitet das vereinbarte Honorar das gesetzliche Honorar um mehr als das Fünffache, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung.

Anzumerken ist:  Die umfassend begründete Entscheidung, die vor allem auch die „Absetzungen“ des Senats betreffend die geltend gemachten Arbeitsstunden eingehend und überzeugend, allerdings einzelfallbezogen, begründet hat, ist zutreffend. Sie setzt vor allem die angeführte neuere Rechtsprechung des EuGH und die darauf aufbauende BGH-Entscheidung v. 12.9.2024 – IX ZR 65/23 – zutreffend um. Es gibt eben auch danach keinen Automatismus: Fehlen von Einschätzungs-Informationen = Unangemessenheit des Zeithonorars.

Insbesondere ist auch gegen die Höhe des vereinbarten und geltend gemachten Stundensatzes von 250 EUR netto nichts einzuwenden. Der dürfte heute in vielen Fällen üblich, wenn nicht sogar noch höher anzusetzen sein. Dazu gibt es übrigens eine schöne Zusammenstellung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 7. Aufl. 2025). Dabei hängt die Angemessenheit des anwaltlichen Stundensatzes u.a. (auch) von der Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei ab und vom jeweiligen Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ab.

Sittenwidrigkeit und Schaden im Dieselskandal, oder: Verbrieftes Rückgaberecht, Finanzierungskosten usw.

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Und dann als zweite Entscheidung noch einmal etwas zum Dieselskandal, und zwar das OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.01.2022 – 8 U 85/20. Es geht wieder um Schadensersatz, und zwar bei folgendem Sachverhalt:

„Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin deliktische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines finanzierten Neuwagens mit V6 3.0 l TDI-Dieselmotor (Emissionsklasse Euro 6) geltend.

Die Klägerin erwarb aufgrund Kaufvertrages vom 25.06.2014 (Anlage K1) vom Audi Zentrum Heidelberg GmbH einen Audi A5 Sportback 3.0 TDI als Neuwagen zum Kaufpreis von 66.407,75 EUR. Den Kauf finanzierte sie mit einem Darlehen der Audi Bank. Im Zusammenhang mit der Finanzierung wurde der Klägerin ein verbrieftes Rückgaberecht zum Rückkaufpreis von 35.647,20 € eingeräumt. Hiervon machte sie im November 2017 Gebrauch und gab das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 46.528 km zurück. Die Audi Zentrum Heidelberg GmbH zahlte daraufhin die Abschlussrate in Höhe von 35.647,20 € an die Audi Bank. Für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (nachfolgend: KBA) einen verpflichtenden Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung an, da das Fahrzeug über eine nur auf dem Prüfstand wirkende Aufheizstrategie verfügt, die dafür sorgt, dass der NOx-Grenzwert dort sicher eingehalten wird.

Die Klägerin hat vorgetragen, in dem Fahrzeug sei ein Dieselmotor des Typs EA 897 verbaut. Dieser Motor sei vom Dieselskandal betroffen. Bei der in dem Fahrzeug zur Optimierung der Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren eingesetzten schadstoffmindernden Aufheizstrategie handle es sich um eine unerlaubte Abschalteinrichtung. Die Beklagte sei der Klägerin deshalb wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet. Die Manipulation sei aus unsittlichem Gewinnstreben erfolgt. Eine derartige systematische Manipulation habe nicht ohne Kenntnis des Vorstands oder leitender Angestellter erfolgen können. Der Klägerin sei ein Schaden in Form eines merkantilen Minderwerts entstanden, der mit 20 % des Kaufpreises zu bemessen sei. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte die Klägerin das Fahrzeug 20 % günstiger kaufen können.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie nehme zwar auf Anordnung des KBA eine Aktualisierung der Motorensoftware der Fahrzeuge vom streitgegenständlichen Typ vor. Das KBA habe das Software-Update für Fahrzeuge dieses Typs bereits freigegeben. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei in dem Fahrzeug jedoch kein Motor des Typs EA 897, sondern ein Motor des Typs EA 896 Gen2 Vorerfüller verbaut. Die Ausführungen der Klägerin gingen daher bereits am hier streitgegenständlichen Fahrzeug vorbei. Es fehle auch an schlüssigem Vortrag der Klägerin, inwieweit sie getäuscht oder in sittenwidriger Weise geschädigt worden sei. Da die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, könne sie die Umsatzsteuer nicht ersetzt verlangen…..“

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.  Das OLG hat ihr teilweise stattgegeben und seiner Entscheidung folgende Leitsätze gegeben, auf die ich mich hier beschränke.

    1. Zur Annahme der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB bei einem EU 6 3.0l Motor in einem Audi A 5 wegen der verwendeten Aufheizstrategie „A“.
    2. Die Einräumung eines „verbriefen Rückgaberechts“ mit der von Anfang an vereinbarten Möglichkeit, im Rahmen der Finanzierung („Vario Kredit“) anstelle der Zahlung der Schlussrate das Fahrzeug zurückzugeben, steht einem Schaden nicht entgegen.
    3. Zur Anrechnung des Vorsteuerabzugs auf den Schaden.
    4. Zum Ersatz von Finanzierungskosten.
    5. Zur – hier – fehlenden Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Hinweis auf Höhe der Anwaltsgebühren erforderlich?, oder: Sittenwidrigkeit beim 3,6-Fachen über RVG?

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Und dann noch etwas zur Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG). Auch „kein Strafrechtsgrundfall“, aber das OLG München, Urt. v. 02.02.2022 – 15 U 2738/21 Rae – gilt acuh für andere Rechtsgebiete,

Folgender Sachverhalt: Der Kläger hatte einen Fachanwalt für Arbeitsrecht mit der gerichtlichen Vertretung in einem Kündigungsschutzprozess beauftragt. Zwischen dem Kläger und dem jetzt beklagten Rechtsanwalt wurde eine Vergütungsvereinbarung getroffen, die für den Rechtsanwalt ein Stundenhonorar von 340 EUR netto, mindestens aber das gesetzliche Honorar vorsah. Die Vereinbarung enthielt zudem eine sog. Nachverhandlungsklausel“ für ein Pauschalhonorar. Das sollte sich am Dreifachen der gesetzlichen Vergütung orientieren und dem Verlauf und den Besonderheiten des Mandats Rechnung tragen, wobei eine Abfindung dem Gegenstandswert hinzuzurechnen sein sollte.

Der Kündigungsschutzprozesse endete mit einem Vergleich, der u.a. eine Abfindungszahlung von 60.000 EUR brutto vorsah. Kurze Zeit nach dem Vergleich unterzeichneten die Parteien in der Kanzlei des Rechtsanwalts eine weitere Vergütungsvereinbarung, welche die erste Vereinbarung ersetzte und ein Pauschalhonorar von 12.000 EUR brutto vorsah. Der Rechtsanwalt hat mit der Rechtsschutzversicherung des Klägers die gesetzliche Vergütung von 3.305,82 EUR abgerechnet und verrechnete die vom Arbeitgeber auf sein Anderkonto bezahlte Abfindungsleistung mit seinem restlichen Vergütungsanspruch aus dem Pauschalhonorar.

Der klagende Mandat verlangt nun Zahlung der verrechneten Abfindung. Das LG hat der Klage statt gegeben. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg:

„1. Die zweite Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien vom 28.01.2020 ersetzt die erste Stundenhonorar-Vereinbarung zwischen den Parteien und entspricht der Vorschrift des § 3 a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung. Die Vergütungsvereinbarung war entsprechend der Vorschrift des RVG in Textform gehalten und als solche bezeichnet. Sie enthielt keine sonstigen Abreden und war auch von der Vollmacht getrennt.

2. Inhaltlich ist diese Vergütung nicht zu beanstanden. Eine Herabsetzung der Vergütung nach § 3 a Abs. 2 Satz 1 RVG kommt – ungeachtet der Verpflichtung zur Erholung eines Gutachtens der zuständigen Rechtsanwaltskammer – nicht in Betracht. Auch eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.

a) Die Regelung des § 3a Abs. 1 RVG soll den Auftraggeber vor einer unüberlegten, leichtfertigen oder unbewussten Eingehung von solchen Zahlungspflichten schützen, die ihm und darüber hinaus dem Ansehen der Rechtspflege schaden könnten (Toussaint/Toussaint, 51. Auflage 2021, § 3 a RVG, Rn. 17). Eine höhere als die gesetzliche Vergütung einschließlich Auslagen ist hierbei allerdings keineswegs sittenwidrig. Eine zwischen den Parteien eines Anwaltsvertrags vereinbarte Vergütung muss vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben unangemessen hoch sein (BGH NJW 2010, 1364). Maßgeblich ist weder die Sicht des Auftraggebers noch diejenige des Anwalts, es gilt ein möglichst objektiver Maßstab. Die gesetzliche Vergütung ist hierbei zwar ein Indiz für die Unangemessenheit, trägt den vorgenannten Umständen aber als eine Pauschgebühr oft nicht in ausreichendem Maße Rechnung (Toussaint/Toussaint, § 3 a RVG, Rn. 42). Ausgangspunkt für die gesetzlichen Gebühren im vorliegenden Fall ist die soziale Schutzvorschrift des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG. Danach bemisst sich der Streitwert in arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozessen nach maximal dem Dreifachen eines Bruttomonatsgehalts, hier unstreitig 3.305,00 €. Das hier in der zweiten Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien vereinbarte Honorar brutto 12.000,00 € stellt mithin das 3,6-fache der gesetzlichen Gebühren des Beklagten dar. Ein auffälliges Missverhältnis besteht allerdings nicht bereits aufgrund dieser 3,6-fachen Überschreitung, da dies – gerade bei Vergütungsvereinbarungen im unteren und mittleren Streitwertbereich – erst angenommen wird, wenn das vertraglich vereinbarte Honorar mehr als das 5-fache der gesetzlichen Vergütung beträgt (BGH AnwBl. 2017, 208; BGH NJW 2005, 2142; OLG München NJW-RR 2012, 1469; Toussaint/Toussaint, § 3 a RVG, Rn. 41 – Stichwort „gesetzliche Vergütung“).

b) Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein für eine Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, auch der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand, besondere und Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen (BGH, NJW 2000, 669). Gerade bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein mehrfaches übersteigt, angemessen sein (BGH, NJW-RR 2017, 377, 379). Der Mandant, der geltend macht, die mit dem Anwalt getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig oder unangemessen hoch und daher nichtig oder herabzusetzen und sich hierbei auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar beruft, muss nicht nur dartun, dass die Vergütung die vereinbarten gesetzlichen Gebühren überschreitet (was hier unstreitig ist), sondern zudem darlegen und beweisen, dass nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandates geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit objektiv nur eine geringere als die vereinbarte Vergütung marktangemessen ist. Erst wenn auf dieser Grundlage feststeht, dass die versprochene Vergütung das angemessene Honorar deutlich überschreitet, kann ein besonders grobes Missverhältnis vorliegen (BGH NJW-RR 2017, 377, 379). Für die Frage, welche Vergütung im konkreten Fall marktangemessen ist, hat das Gericht alle für und gegen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar sprechenden Indizien im jeweiligen Einzelfall zu würdigen (BGH, a.a.O.).

c) Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vermag der Senat eine Unangemessenheit des vereinbarten Honorars in Höhe von brutto 12.000,00 € nicht zu erkennen. Es kann bereits nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger sich bewusst für eine Mandatierung gerade des Beklagten, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, entschieden hat, weil er diesen als „harten Hund“ in einem anderen arbeitsrechtlichen Prozess erlebt hatte. Auch muss berücksichtigt werden, dass das Bruttomonatsgehalt des Klägers von 7.906,00 € ein hohes Gehalt darstellt und die vom Beklagten ausgehandelte Abfindung in Höhe von 60.000,00 € angesichts einer Beschäftigungsdauer des Klägers bei der Firma G. von lediglich drei bis vier Jahren (nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 02.02.2022) eher mehr als das doppelte der üblicherweise zu zahlenden Abfindung bei betriebsbedingten Kündigungen darstellt (üblich ist ein Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung). Unberücksichtigt darf im Rahmen der Abwägung auch nicht bleiben, dass der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts in Kündigungsschutzprozessen bei der Vertretung von Arbeitnehmern aus § 42 Abs. 2 GKG aus sozialen Gründen gedeckelt ist, um das Verfahren vor den Arbeitsgerichten möglichst günstig zu gestalten (vgl. Toussaint/Elzer, § 42 GKG, Rn. 34).

Nach alledem vermag der Senat im Rahmen der Abwägung des hier vorzunehmenden Einzelfalles trotz Vereinbarung des 3,6-fachen der gesetzlichen Gebühren ein auffälliges Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht festzustellen.

3. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer (ungefragten) Aufklärungspflicht besteht entgegen der Annahme des Landgerichtes nicht:

a) Eine gesetzliche Regelung zur Hinweispflicht des Rechtsanwalts findet sich lediglich in § 49 b Abs. 5 BRAO. Danach hat der Rechtsanwalt vor Übernahme eines Auftrags ungefragt hinzuweisen, wenn sich die zu erhebende Gebühr nach dem Gegenstandswert richtet. Hierum geht es vorliegend aber nicht, da die in der zweiten Vergütungsvereinbarung vereinbarte Pauschalvergütung von brutto 12.000,00 € sich weder nach dem Gegenstand der anwaltlichen Vertretung im Kündigungsschutzprozess richtet noch überhaupt vor Übernahme des Auftrages erfolgte.

b) Ungefragt schuldet der Rechtsanwalt in allen anderen Fällen seinem Auftraggeber grundsätzlich keinen solchen Hinweis auf die bisher entstandenen oder noch zu entstehenden Gebühren. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe seines Entgeltes mitzuteilen (BGH, NJW 1998, 3486, 3487). Allerdings kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren. Insoweit hat die erforderliche Gesamtwürdigung zu berücksichtigen einerseits den Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Aufgabe, einen etwaig ungewöhnlich hohen Gegenstandswert und sich daraus ergebende hohe Gebühren, die das vom Auftraggeber erstrebte Ziel wirtschaftlich sinnlos machen können, andererseits die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und Erfahrungen im Umgang mit Rechtsanwälten. Letztlich hängt die anwaltliche Pflicht, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalles ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste (BGH NJW 1998, 3486, 3487; BGH NJW 1985, 2642, 2643).

c) Unter Würdigung dieser Umstände des Einzelfalles vermag der Senat eine letztlich auf Treu und Glauben fußende Aufklärungspflicht über die bisher – aus der ersten Vergütungsvereinbarung – entstandene Vergütung nicht zu erkennen. Die vom Beklagten geleistete Stundenanzahl ist hier schon deshalb irrelevant, weil es sich zum einen nicht um ein Dauermandat handelte, in dem eine monatliche Abrechnung der geleisteten Stunden überhaupt auch nur vereinbart war. Zudem war aus der ersten Vergütungsvereinbarung klar ersichtlich, dass der Mandant und Kläger in jedem Falle eine Vergütung in Höhe der gesetzlichen Vergütung (hier 3.305,82 €) schuldete. Auch der von ihm geschuldete Betrag (€ 12.000,-) war vor Unterschriftsleistung unter die zweite Vergütungsvereinbarung für den Kläger eindeutig und unzweifelhaft ersichtlich. Zwar trägt der Kläger im Ansatz zutreffend vor, dass möglicherweise die Absichtserklärung in der ersten Vergütungsvereinbarung, später eine zweite Vergütungsvereinbarung zu schließen, irreführend war und bei einem rechtlichen Laien subjektiv der Eindruck entstehen konnte, zum Abschluss einer derartigen zweiten Vergütungsvereinbarung verpflichtet zu sein. Das vom Kläger behauptete grobe Ungleichgewicht in der Verhandlungsposition vermag der Senat allerdings in der hier vorliegenden Konstellation nicht zu erkennen. Der Kläger begab sich aus freiwilligen Stücken und nach einer bereits abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung in die Kanzleiräume des Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt war der Vergleich vor dem Arbeitsgericht mit einer Abfindungszahlung von 60.000,00 € bereits abgeschlossen und der arbeitsgerichtliche Termin aufgehoben. Es bestand daher keinerlei Abhängigkeit des Klägers vom Beklagten insoweit, als dessen Wohlwollen im Hinblick auf die Verhandlungstätigkeit des Beklagten für den Kläger am Verhandlungsergebnis noch etwas geändert hätte. Hinzu kommt – worauf die Berufung zu Recht hinweist – dass es dem Kläger unbenommen und ein Leichtes gewesen wäre, den Beklagten vor Abschluss der zweiten Vereinbarung nach der Höhe der bisher entstandenen Vergütung zu fragen. Auf entsprechendes Verlangen des Klägers wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Höhe seines Entgeltes mitzuteilen (siehe BGH a.a.O.). Soweit die Klagepartei meint, der Beklagte habe auf diesem Wege 22 % der Nettoabfindung des Klägers erhalten, sind zum einen hierbei etwaige Steuerrückerstattungen zum Ende des Kalenderjahres 2020 aufgrund der anschließenden Arbeitslosigkeit des Klägers nicht berücksichtigt und zum anderen kann diese Frage nur insoweit eine Rolle spielen, als sie das – oben bereits verneinte – Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, nicht aber eine ungeklärte Aufklärungspflicht betrifft.

Maßgeblich für die Frage einer Offenbarungspflicht über die bis zur entstandenen Gebühr ist vorliegend, ob der Mandant objektiv die voraussichtlich von ihm zu bezahlende Höhe der Vergütung erkennen konnte. Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, dass dem Kläger bereits aus der ersten Vergütungsvereinbarung (Anlage K 4) aus § 1 deutlich ersichtlich war, dass der Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt die Vereinbarung eines Pauschalhonorars anstrebte, das sich am Dreifachen der gesetzlichen Vergütung orientieren sollte und dem Verlauf und den Besonderheiten des Mandats Rechnung tragen wird. Auch wenn letztlich die vereinbarte Pauschalvergütung etwas höher war als das ursprünglich angedachte (hier das 3,6-fache), so hält sich die Vergütungsvereinbarung noch im Wesentlichen im Rahmen des ursprünglich beabsichtigten. Somit konnte und durfte für den Kläger nicht überraschend sein, dass vom Beklagten eine Honorarvereinbarung angestrebt wurde, die deutlich höher war als die gesetzliche Vergütung und möglicherweise auch als die tatsächlich geleistete Stundenzahl. Berücksichtigt man die vom Beklagten ausgehandelte Abfindung, die angesichts der Beschäftigungszeit des Klägers das Doppelte des Üblichen ausmachte sowie die noch drei weiteren Monatsgehälter, die nach dem abgeschlossenen Vergleich vom Arbeitgeber bis Ende Mai 2020 an den Kläger zu bezahlen waren, so ist unter Berücksichtigung dieses „Gesamtpaketes“ die vereinbarte Vergütung auch nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen. Soweit der Kläger moniert, im Kalendermonat der Zahlung der Abfindung sei ein erheblicher Betrag aus dieser Abfindung zu versteuern gewesen (Nettobetrag unter 40.000,00 €), so wird der Kläger einen nicht unerheblichen Teil hiervon im Rahmen der Einkommenssteuer 2020 auch unter Berücksichtigung der sich anschließenden Arbeitslosigkeit wieder zurückerhalten haben.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sowie der oben zur Höhe der Vergütung bereits abgehandelten Argumente vermag der Senat eine ungefragte Aufklärungspflicht über die Höhe der bis zum Abschluss der zweiten Vergütungsvereinbarung entstandenen Gebühren nicht zu erkennen. Es wäre dem Kläger – wie ausgeführt – unbenommen gewesen, den Beklagten vor Abschluss der zweiten Vergütungsvereinbarung über die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Gebühren zu fragen oder die ihm vorgelegte zweite Vergütungsvereinbarung schlicht nicht zu unterzeichnen. Einer Drucksituation unterlag der Kläger aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Verfahrens und des abgeschlossenen Vergleichs ersichtlich nicht mehr.“

Mehr als das Sechsfache als Zeithonorar, oder: Sittenwidrig?

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Am Gebührenfreitag dann als erste Entscheidung der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.01.2019 – I – 24 U 84/18, der sich zu Fragen in Zusammenhnag mit einer Vergütungsvereinbarung verhält. Es geht zwar nicht um die Vereinbarung in einer Strafsache, die vom OLG aufgestellten Grundsätze gelten aber auch für Verfahren aus dem Bereich.

Ich stelle hier heute nur die Leitsätze der Entscheidung vor. Den Rest überlasse ich dem Selbststudium.

Hier dann die Leitsätze:

  1. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines anwaltlichen Zeithonorars, welches um das Sechsfache im Vergleich zur gesetzlichen Vergütung erhöht ist, ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt, ob dies auf der Höhe des Stundensatzes oder auf den angefallenen Tätigkeitsstunden beruht. Ist diese Überhöhung auf den hohen Zeitaufwand zurückzuführen, spricht dies gegen eine Sittenwidrigkeit, sofern keine Anhaltspunkte für ein unangemessenes Aufblähen der Arbeitszeit vorliegen.
  2. Ein anwaltlicher Stundensatz i.H.v. EUR 250,- ist nicht zu beanstanden.
  3. Bestreitet der Mandant pauschal den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts, dann ist dies bei Vorgängen unerheblich, die der Mandant selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate, Gespräche) oder durch die er anhand objektiver Unterlagen (z.B. Beweisaufnahmeprotokolle) Kenntnis erlangt hat.
  4. Ein Gericht ist aus eigener Sachkunde in der Lage, den Zeitaufwand anwaltlicher Tätigkeit zu schätzen (§ 287 ZPO), denn auch ein Richter leistet vergleichbare Arbeit, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt und Dokumente erstellt.

Vergütungsvereinbarung zu hoch, oder: Sittenwidrig?

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist das KG, Urt. v. 08.06.2018 – 9 U 41/16. Es behandelt zunächst/vornehmlich die Frage nach dem Entfallen des anwaltlichen Vergütungsanspruchs nach Mandatskündigung auch bei erst nachträglich entdecktem Kündigungsgrund. Dazu sagt das KG:

„Auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, kann eine Kündigung im Sinne der Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB veranlasst haben.“

Jetzt lassen wir mal dahin gestellt, ob das so richtig ist. Mir geht es hier heute um den Teil der Entscheidung, der sich mit der Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung befasst.

„Die dieser Rechnung zugrundeliegende Honorarvereinbarung ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 oder 2 BGB unwirksam. Eine Sittenwidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

a) Unabhängig davon, dass die Beklagte verkennt, dass der Kläger seine außergerichtliche Tätigkeit vergütet haben will, er mithin ohne Honorarvereinbarung eine Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300 verlangen kann (insgesamt 1,3 x 354,00 Euro zzgl. Postpauschale zzgl. MWSt. = 571,44 Euro) und die von ihm geltend gemachte Vergütung danach lediglich knapp dreimal so hoch ist, kann die Sittenwidrigkeit einer Honorarvereinbarung nicht allein aus einem Vergleich mit den gesetzlichen Gebühren hergeleitet werden.

Eine Vergütungsabrede ist nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nur dann sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen, insbesondere etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 17, juris). Für die Frage, ob ein Missverhältnis besteht, kommt es auf einen Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Entscheidend ist der Marktwert, also der marktübliche Preis. Daher muss der Mandant, der ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt behauptet, zu dem Preis vortragen, welcher der vom Anwalt versprochenen Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt. Die gesetzlichen Gebühren allein sind vielfach keine ausreichende Vergleichsgrundlage für ein den Schluss auf eine Sittenwidrigkeit ermöglichendes Missverhältnis, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden sollen, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden (BGH, a.a.O., Rn. 18 f., juris).

Danach reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, eine Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung festzustellen. Hinzukommt, dass das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass die subjektiven Tatbestandsmerkmale gemäß § 138 Abs. 2 BGB nicht vorgetragen sind. Selbst wenn man ein auffälliges Missverhältnis annehmen würde, fehlt die Darlegung dieser subjektiven Merkmale, zu denen die Beklagte nichts vorgetragen hat.

b) Soweit sich die Beklagte darauf berufen will, es liege ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könne, gilt nichts anderes.

Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 – IX ZR 121/99, juris: 5-fache der gesetzlichen Vergütung). Liegt die Diskrepanz aber unterhalb der für das besonders grobe Missverhältnis anerkannten Grenze, liegt nur ein auffälliges Missverhältnis vor, das keine Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung begründet (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 18, juris). Da die gesetzlichen Gebühren nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden (s.o.), genügt für sich genommen das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren noch nicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 BGB ziehen zu können (BGH, a.a.O., Rn. 19).

„Der Mandant, der geltend macht, die mit dem Anwalt getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig und daher nichtig, und sich hierzu auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar beruft, muss also nicht nur dartun, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren überschreitet, sondern zudem darlegen und beweisen, dass nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit objektiv nur eine geringere als die vereinbarte Vergütung marktangemessen ist. Erst wenn auf dieser Grundlage feststeht, dass die versprochene Vergütung das Honorar deutlich überschreitet, welches für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem konkreten Mandat im Gegenzug zu leistende anwaltliche Tätigkeit objektiv angemessen ist, liegt ein auffälliges Missverhältnis vor. Übersteigt sie das angemessene, adäquate Honorar in krasser Weise, liegt ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Rechtsanwalts geschlossen werden kann.” (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 21, juris) Dies hat die Beklagte nicht dargetan.“