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Vorsicht! Wirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung, oder: Der Begriff des „deutlichen Absetzens“

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Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich längere Zeit nicht mit der Vergütungsvereinbarung befassen müssen. Jetzt hat sich das OLG Düsseldorf in OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2023 – 24 U 116/22zum Begriff des „deutlichen Absetzens“ in § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG geäußert.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Anwaltshonorar nebst Verzugszinsen auf der Basis einer Vergütungsvereinbarung, deren rechtliche Wirksamkeit in Streit steht, in Anspruch genommen. Zugrunde liegt eine Vereinbarung zwischen den Parteien, bei der sich auf einem Deckblatt die Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ und die Worten „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ befinden. In der Vereinbarung ist dann ohne besondere Hervorhebung ein § 3 eingefügt, der einfach mit „Vergütung/Auslagen/Fälligkeit“ überschreiben ist.

Das LG hat verurteilt. Es ist von der Woirksamkeit der Vergütungsvereinbarung ausgegangen, insbesondere verstoße sie nicht gegen § 3a Abs. 1 S. 2 RVG. Da die Vereinbarung schon in der Überschrift als „Vergütungsvereinbarung“ bezeichnet sei und die Vereinbarung über die Vergütung alsdann in einem gesonderten und entsprechend mit einer Überschrift „Vergütung…“ gekennzeichneten § 3 geregelt sei, seien die Anforderungen an ein „deutliches Absetzen“ erfüllt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie Erfolg hatte:

„Entgegen der Ansicht des Landgerichts verstößt die streitgegenständliche Vergütungsvereinbarung gegen § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG, weil sie nicht deutlich von anderen Vereinbarungen, die verschieden von der Vergütungsvereinbarung und der Auftragserteilung sind, abgesetzt ist. Dass die Vergütungsvereinbarung dem Gebot des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG nicht entspricht, führt zwar – anders als die Beklagte (teilweise) geltend gemacht hat – nicht etwa zur Nichtigkeit gem. § 125 BGB. Der Verstoß hat jedoch zur Folge, dass die Beklagte an die Klägerin keine höhere als die gesetzliche Vergütung entrichten muss (§ 4b RVG).

1. Zunächst ist festzuhalten, dass die streitgegenständliche Vergütungsvereinbarung neben der Vergütungsabrede und der Auftragserteilung noch als „andere Vereinbarungen“ iSv § 3a Abs. 1 S. 2 RVG einzustufende Regelungen enthält.

Das gilt unzweifelhaft für den in § 8 vereinbarten „Haftungsausschluss“ sowie die Gerichtsstandvereinbarung gem. § 10 Abs. 3 (vgl. dazu explizit BGH NJW 2016, 1596 Rn. 15), aber auch für § 2 („Heranziehung von Mitarbeitern des Auftragnehmers/Mitwirkung Dritter“), § 5 („Mitwirkungspflichten des Auftraggebers“), („Mündliche Auskünfte“), § 7 („Weitergabe beruflicher Äußerungen des Auftragnehmers“) sowie § 9 („Kommunikation“), da sich auch die letztgenannten Paragraphen auf das gesamte Mandatsverhältnis beziehen (vgl. allgemein hierzu BGH, a.a.O. Rn. 15 mwN).

Demzufolge liegt eine kombinierte Vergütungs- und Mandatsvereinbarung vor, die sämtlichen Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 RVG genügen muss.

2. Die streitgegenständliche Vereinbarung erfüllt zwar unstreitig das Bezeichnungsgebot iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG, nicht jedoch das Gebot eines „deutlichen Absetzens von anderen Vereinbarungen“ iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG.

a) Für das Erfordernis „deutlich abgesetzt“ iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG kommt es weder auf die Anforderungen an die äußere Gestaltung einer Widerrufsbelehrung nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB noch auf diejenigen Maßgaben an, die im Heilmittelwerberecht (§ 4 Abs. 3 S. 1 HWG) oder Arzneimittelrecht (§ 11 Abs. 5 S. 2 AMG) an „deutlich abgesetzte und abgegrenzte“ Angaben gestellt werden. Entscheidend sind vielmehr allein die vom Gesetzgeber mit § 3a Abs. 1 RVG verfolgten Regelungsziele (BGH, a.a.O. Rn. 17 mwN). Nach dem Willen des Gesetzgebers zielt dies auf eine räumliche Trennung zwischen der Vergütungsvereinbarung und sonstigen Abreden ab und soll dem Schutz des rechtsuchenden Auftraggebers dienen (vgl. BT-Drs. 16/8384, 10; BGH, a.a.O. Rn. 17). Regelungsziel ist es, den Mandanten auf die Vergütungsvereinbarung klar erkennbar hinzuweisen und auf diese Weise davor zu schützen, unbemerkt eine Honorarabrede abzuschließen, die dem Rechtsanwalt von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichende Honoraransprüche auf vertraglicher Grundlage verschafft (BGH, a.a.O. Rn. 17 mwN).

Um dieser Schutz- und Warnfunktion gerecht zu werden, genügt es für ein „Absetzen“ als solches von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung, wenn der Vertrag die Vergütungsvereinbarung in einem gesonderten und entsprechend gekennzeichneten Abschnitt oder Paragrafen regelt (BGH, a.a.O. Rn. 18). „Deutlich“ ist dieses Absetzen, wenn die Vergütungsvereinbarung optisch eindeutig von den anderen im Vertragstext enthaltenen Bestimmungen – mit Ausnahme der Auftragserteilung – abgegrenzt ist. Dies ist objektiv zu beurteilen (BGH, a.a.O. Rn. 18). Mehr ist im Hinblick auf die vom Kostenmodernisierungsgesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I 2004, 718) grundsätzlich erstrebte Lockerung der Formvorschriften gegenüber der Vorgängervorschrift des § 3 a.F. BRAGO (vgl. BT-Drs. 15/1971, 188) nicht erforderlich. Dies lässt sich durch eine klare räumliche Trennung, aber auch auf andere Art und Weise erreichen. Das Gesetz schreibt keine bestimmte Gestaltung vor (BGH, a.a.O. Rn. 18 mwN). Entscheidend ist, dass die Art der gewählten Gestaltung das gesetzgeberische Ziel erreicht: Der Mandant muss bereits bei einem einfachen Blick auf die Gesamtheit der im Vertrag getroffenen Vereinbarungen unschwer erkennen können, dass sie eine Abrede enthalten, die dem Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft, der möglicherweise von der gesetzlichen Vergütung abweicht (BGH a.a.O. Rn. 18).

b) Vorstehenden Anforderungen genügt die streitgegenständliche Vereinbarung nicht.

aa) Abgesehen von der jeweils auf dem Deckblatt (LGA 45) befindlichen Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ und den Worten „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ entspricht die weitere Gestaltung der Vergütungsvereinbarung im Kern derjenigen, welcher der BGH (a.a.O. Rn. 19) die Qualität eines „deutlichen Absetzens“ gerade abgesprochen hat:

Die in § 3 der streitgegenständlichen Vereinbarung mit „Vergütung/Auslagen/Fälligkeit“ überschriebene Abrede ist ebenfalls unauffällig in den übrigen Vertragstext eingefügt. Weil sich der besagte § 3 zwischen anderen Regelungen befindet und sich in seiner Gestaltung in keiner Weise von den anderen – oben aufgezählten – Vereinbarungen unterscheidet oder abhebt, wird dem Mandanten nicht hinreichend vor Augen geführt, dass der Vertrag eine Vergütungsvereinbarung enthält, die von den gesetzlichen Regelungen abweicht. Dass die Überschriften aller einzelnen Paragraphen und deren Nummerierung jeweils durch Fettdruck und Zentrierung hervorgehoben sind, führt ebenso wenig zu einem deutlichen Absetzen gerade des § 3 wie der Umstand an sich, dass der Vergütungsvereinbarung mit dem § 3 ein eigener Paragraph gewidmet ist. Denn der gesamte Vertragstext ist völlig einheitlich gestaltet, so dass der § 3 in diesen gleichförmig eingebettet ist.

bb) Vergeblich argumentiert die Klägerin dahingehend, dass aufgrund der einleitend unter aa) geschilderten Umstände gleichwohl ein deutliches Absetzen gegeben sei.

Zwar ist der Klägerin noch darin zu folgen, dass sich die Sachverhaltskonstellation insofern vom oben zitierten BGH-Fall unterscheidet, als dort die Überschrift auf „Beratervertrag“ lautete und die Worte „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ nicht vorhanden waren. Jedoch verfängt die rechtliche Argumentation der Klägerin, die scheinbar auf der Annahme beruht, eine besonders ausgestaltete Bezeichnung iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG könne dazu führen, dass trotz der unter aa) aufgezeigten Missstände der Gestaltung gleichwohl ein „deutliches Absetzen“ bejaht werden könnte, nicht.

In diesem Kontext braucht der Senat hier nicht abstrakt zu klären, ob das Gesetz überhaupt im Ansatz Raum für eine derartige Wechselwirkung zwischen den Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG einerseits und jener des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RGV andererseits mit der Folge zulässt, dass aufgrund einer solchen ein Defizit in Bezug auf die eine Anforderung durch überobligatorische Maßnahmen in Bezug auf die Erfüllung der jeweils anderen kompensiert werden kann. Jedenfalls vermag eine entsprechende Wechselwirkung nicht derart weit zu reichen, dass die jeweils andere, kumulativ zu beachtende weitere gesetzliche Anforderung im Ergebnis obsolet wäre.

Die Beklagte verkennt insoweit, dass sich das Erfordernis des „deutlichen Ansetzens“ nämlich gerade auf den Inhalt der Vergütungsvereinbarung als solche (hier: die „eigentliche“ Vergütungsabrede gem. § 3 der Vereinbarung) und nicht etwa auf die Bezeichnung iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG bezieht. Eine vermeintlich besonders ins Auge fallende Verortung der Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung kann daher nicht die eigens auf die eigentliche Vergütungsvereinbarung bezogene Anforderung des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG gänzlich hinfällig machen.

Dass die Bezeichnung als „Vergütungsvereinbarung“ nicht notwendig im Rahmen einer Überschrift vor der gesamten Mandatsvereinbarung aufscheinen muss, streitet daher keineswegs in entscheidungserheblicher Weise für die Sichtweise der Klägerin. Weder die vergrößerte Überschrift mit dem Wort „Vergütungsvereinbarung“ noch der zusätzliche Umstand, dass auf dem Deckblatt die Worte „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ dispensieren je für sich noch zusammen betrachtet von einem deutlichen Absetzen der eigentlichen Vergütungsvereinbarung in § 3 von weiteren Vereinbarungen jenseits der Auftragserteilung.

Insofern verfängt auch nicht die Überlegung der Klägerin, wonach vorstehend genannte Maßnahmen auf dem Deckblatt den Mandanten bereits derart sensibilisierten, dass die Gefahr eines unabsichtlichen Abschlusses eines (von der gesetzlichen Vergütung möglicherweise abweichenden) Zeithonorars von vornherein gebannt sei. Denn eine der vom Gesetzgeber insoweit geforderten Maßnahmen liegt in einem deutlichen Absetzen gerade der Vergütungsvereinbarung als solcher von sonstigen Vereinbarungen jenseits der Auftragserteilung begründet. Die „eigentliche“ Vergütungsvereinbarung als solche muss in einer irgendwie gearteten, geeigneten Weise so gestaltet sein, dass auch diese an der Etablierung der gewünschten Warn – und Schutzfunktion in maßgeblicher Weise teilhat. Wie der BGH – siehe oben – klargestellt hat, muss der Mandant bereits bei einem einfachen Blick auf die Gesamtheit der im Vertrag getroffenen Vereinbarungen (Hinzufügung diesseits: und nicht etwa nur auf die Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung) unschwer erkennen können, dass sie eine Abrede enthalten, die dem Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft, der möglicherweise von der gesetzlichen Vergütung abweicht. Es reicht also gerade nicht ein Blick auf die Überschrift oder auf andere Vertragsteile im bloßen Vorfeld der einzelnen konkreten Vereinbarungen.

Die gegensätzliche Argumentation der Klägerin läuft letztlich darauf hinaus, dass jede Vereinbarung, die mit „Vergütungsvereinbarung“ überschrieben ist, zugleich die Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG erfüllen würde. Das würde indessen die gesetzliche Vorgabe des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG in unstatthafter Weise gleichsam aushöhlen.

2. Da die streitgegenständliche Vereinbarung nach alledem nicht der gesetzlichen Vorgabe des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG entspricht, ist der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Vergütungsvereinbarung der Höhe nach auf denjenigen Betrag nach obenhin begrenzt, welcher der gesetzlichen Vergütung entspricht (§ 4b RVG).

Die Beklagte hat insofern auf ihren unwidersprochen gebliebenen erstinstanzlichen Vortrag im Schriftsatz vom 14.10.2021 (LGA 220f; s. auch LGA 245 a.E.) Bezug genommen (OLGA 131 a.E.), in dem sie das gesetzlich geschuldete Honorar berechnet und ausgeführt hat, dass die Klägerin bereits überbezahlt sei. Dem ist die Klägerin auch zweitinstanzlich nicht gesondert entgegen getreten.

Damit sind gesetzliche Honoraransprüche der Klägerin im gegebenen Umfang bereits vorgerichtlich erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB), so dass für eine weitergehende Verurteilung der Beklagten kein Raum besteht.“

Teures Lehrgeld für die Klägerin, aber: Nach der vom OLG angeführten Entscheidung des BGH (NJW 2016, 1596 = AGS 2016, 56) war das zu erwarten. Denn die vom BGH an das „deutliche Absetzen“ gestellten Anforderungen, die vom OLG angewendet werden, sind recht streng. Zu deren Erfüllung reicht eben nicht, worauf auch das OLG hingewiesen hat, dass versucht wird, durch Maßnahmen auf einem Deckblatt den Mandanten bereits derart zu sensibilisieren, dass die Gefahr eines unabsichtlichen Abschlusses eines (von der gesetzlichen Vergütung möglicherweise abweichenden) Zeithonorars von vornherein gebannt ist.

Fazit: Vergütungsvereinbarung/Formulare ggf. anpassen.

Vergütungsvereinbarung mit dem WEG-Verwalter, oder: Person des Rechtsanwalts bestimmen die Eigentümer

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Und heute dann etwas zur Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG).

Zunächst hier das LG Karlsruhe, Urt. v. 04.09.23 – 11 S 68/22 – zur Frage des wirksamen Zustandekommens eine Vergütungsvereinabrung.

Das LG sagt:

Bei einer die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtenden Vergütungsvereinbarung muss zumindest die Person des Rechtsanwalts durch die Eigentümerversammlung bestimmt werden. Eine weitergehende Delegation an den Verwalter ist – abgesehen von tatsächlich geringfügigen Vergütungsbeträgen – durch Beschluss nicht möglich.

Mit der Begründung hat das das LG den Beschluss einer Eigentümerversammlung betreffend die Entscheidungskompetenz der Verwalterin zum Abschluss einer Honorarvereinbarung mit einem Anwalt für Beschlussklagen auf Passivseite für ungültig erklärt. Der Beschluss widerspricht nach Auffassung des LG einer ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn bei einer Vergütungsvereinbarung müsste zumindest die Person des Anwalts durch die Eigentümerversammlung bestimmt werden (zur wohl überwiegend vertretenen Auffassung Bärmann, WEG, 15. Aufl., 2023, § 27 Rn. 180 f.). Ein praktischer Bedarf für Vergütungsvereinbarungen besteht in der Regel in WEG-Sachen nicht. Hinzukommt, dass nur bei einer Abrechnung nach RVG gewährleistet ist, dass im Obsiegensfall alle Kosten vom Gegner im Rahmen des Kostenfestsetzung erlangt werden können. Im Regelfall ist eine Vergütungsvereinbarung auch nicht von § 27 Abs. 1 WEG n.F. gedeckt. Etwas anderes kann nach Auffassung des LG Karlsruhe gelten, wenn es sich um tatsächlich geringfügige Beträge etwa in einer sehr großen Gemeinschaft handelt. Die Frage hat es aber dahinstehen lassen (können), weil im entschiedenen Fall alle Beschlussklagen auf Passivseite von der Delegation umfasst waren, also auch solche mit sehr hohen Streitwerten und entsprechend hoher Anwaltsvergütung.

Als Rechtsanwalt wird man sich also vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit einer WEG, die dabei vom Verwalter vertreten wird, darüber informieren, ob die Beschlusslage den Vorgaben der Entscheidung des LG Karlsruhe entspricht.

EuGH zur Vergütungsvereinbarung (mit Verbrauchern), oder: Auf jeden Fall belehren, belehren, belehren!

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Am Gebührenfreitag stelle ich heute zunächst ein EuGH-Urteil vor. Ja, richtig gelesen. „EuGH“ im deutschen Gebührenrecht. Über dieses EuGH, Urt. v. 12.01.2023 – C-395/21 ist ja auch schon an anderer Stelle, so z.B. bei LTO, berichtet worden. Es zieht sich ein wenig durch die gebührenrechtliche Berichterstattung der letzten Tage. Daher stelle auch ich es vor. Zu den Auswirkungen siehe unten.

In der Entscheidung nimmt der EuGH Stellung zur Transparenz bei der Vereinbarung eines Stundenhonorars. Die Vergütungsvereinbarung ist für viele Rechtsanwälte „tägliches Brot“. Sie ist nach § 3a RVG grundsätzlich zulässig. Die dabei nach dem RVG einzuhaltenden Vorgaben sind überschaubar. Grundsätzlich ausreichend ist die Textform und die Vereinbarung außerhalb der Vollmacht. Nach der Entscheidung des EuGH stellt sich nun aber die Frage, ob demnächst bei Vergütungsvereinbarungen auf Stundenbasis mit Verbrauchern ggf. mehr zu beachten bzw. zu erklären ist.

Ergangen ist das Urteil des EuGH aufgrund einer Vorlage des Obersten Gerichts in Litauen an den EuGH ergangen. In Litauen hatten ein Rechtsanwalt und ein Verbraucher fünf Verträge über Rechtsdienstleistungen geschlossen. Die Vergütung sollte sich jeweils nach dem Zeitaufwand richten. Für die Beratung oder Erbringung von Rechtsdienstleistungen wurde ein Stundensatz von 100 EUR vereinbart. Da der Verbraucher die Honorarrechnungen nicht vollständig bezahlte, hat der Rechtsanwalt ihn auf Zahlung von rund 10.000 EUR verklagt.

Das Verfahren war schließlich beim Oberste Gericht Litauens anhängig. Dieses legte dem EuGH diverse Fragen zur Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Vertragsklauseln vor, wie sie sich aus der EU-Richtlinie 93/13 des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) ergeben. Die Fragen betrafen insbesondere den Umfang des Erfordernisses der klaren und verständlichen Abfassung einer Klausel eines Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen und die Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel, mit der die Vergütung dieser Dienstleistungen festgelegt wird. Diese hat der EuGH nun beantwortet.

Diese Fragen hat der EuGH nun beantwortet, und zwar wie folgt:

„1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in der durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, fällt unter diese Bestimmung.

2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassungist wie folgt auszulegen:

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, genügt nicht dem Erfordernis gemäß dieser Bestimmung, dass die Klausel klar und verständlich abgefasst sein muss, wenn dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen.

3. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet und die daher den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, ist nicht bereits deshalb, weil sie dem Transparenzerfordernis gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie in der geänderten Fassung nicht entspricht, als missbräuchlich anzusehen, es sei denn, der Mitgliedstaat, dessen innerstaatliches Recht auf den betreffenden Vertrag anwendbar ist, hat dies gemäß Art. 8 der Richtlinie in der geänderten Fassung ausdrücklich vorgesehen.

4. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung sind wie folgt auszulegen:

In Fällen, in denen ein zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossener Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach der Aufhebung einer für missbräuchlich erklärten Klausel, nach der sich die Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen nach dem Zeitaufwand richtet, nicht fortbestehen kann und in denen die Dienstleistungen bereits erbracht sind, stehen nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht, auch dann, wenn dies dazu führt, dass der Gewerbetreibende für seine Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält, die Lage wiederherstellt, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte. Hätte die Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen – was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird –, stehen die genannten Vorschriften nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht der Nichtigkeit der Klausel abhilft, indem es sie durch eine dispositive oder im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ersetzt. Hingegen stehen die genannten Vorschriften dem entgegen, dass das nationale Gericht die für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel ersetzt, indem es selbst bestimmt, welche Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen angemessen ist.“

Wie immer ist der EuGH nicht einfach zu verstehen (ich habe immer Probleme mit der Art seiner Darstellung). Aber ich meine man kann festhalten:

Es stellt sich die Frage, welche Folgerungen aus dieser Entscheidung für unser innerstaatliches Recht zu ziehen sind. Fasst man die Aussagen des EuGH zusammen, dann soll die Vereinbarung einer Zeitvergütung in einem Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher nur dann klar und verständlich sein, wenn der Verbraucher vor Vertragsabschluss so informiert wurde, dass er seine Entscheidung zum Vertragsschluss mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen treffen konnte (vgl. auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Geschieht das nicht, könne das nationale Gericht die Lage wiederherstellen, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte, auch wenn der Anwalt dann keine Vergütung erhalte.

Legt man den strengen Maßstab wortgenau an, wäre m.E. die Vereinbarung eines Stundenhonorars kaum noch möglich. Denn welcher Rechtsanwalt kann bei Mandatsübernahme den zeitlichen Aufwand so abschätzen, dass er den Mandanten so informiert, dass der schon zu dem Zeitpunkt seine Entscheidung, ein Stundenhonorar zu vereinbaren „in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen treffen konnte ?“ Das wird vom EuGH zwar auch gesehen, wie damit aber umzugehen ist, bleibt offen. Fraglich ist m.E. auch, ob der Rechtsanwalt in den Fällen einer „missbräuchlichen Klausel“ nach nationalem deutschen Recht keine Vergütung erhält. Denn die nationale Rechtsprechung ist (bislang) davon ausgegangen, dass dann, wenn eine Stundensatzvereinbarung unwirksam ist, nach RVG abgerechnet werden kann (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. Teil A Rn 2440, AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl. 2021, § 3a Rn 17, jeweils m.w.N.).

Auf der Grundlage der Entscheidung ist aber auf jeden Fall zu empfehlen, noch genauer als in der Vergangenheit, den Mandanten über den voraussichtlich erforderlichen Zeitaufwand zu informieren. Vor der Vereinbarung eines Stundenhonorars (mit einem Verbraucher) ohne weitere Erläuterungen und Erklärungen ist jedenfalls zu warnen. Insoweit wird insbesondere die Komplexität des Sachverhalts, der Umfang des vorhandenen und des ggf. noch zu erwartenden Materials, das für die Fallbearbeitung eine Rolle spielt bzw. spielen kann, die Schwierigkeit der Rechtslage von Bedeutung sein. Auf der Grundlage wird der Rechtsanwalt eine zumindest grobe Einschätzung des zu erwartenden Zeitaufwands geben können/müssen. Ist das nicht möglich, was z.B. in Strafsachen der Fall sein kann, sollte der Rechtsanwalt m.E. einen Vorbehalt machen und im Einzelnen darlegen, welche Umstände die Einschätzung als fehlerhaft erscheinen lassen können. Darüber hinaus dürften sich „Zwischeneinschätzungen“ und Teilrechnungen empfehlen, da diese es dem Mandanten ermöglichen, die bei Vertragsschluss vorgenommene „Grundeinschätzung“ zu überprüfen.

Ich denke, die Entscheidung und ihre Auswirkungen wird uns noch beschäftigen.

Hinweis auf Höhe der Anwaltsgebühren erforderlich?, oder: Sittenwidrigkeit beim 3,6-Fachen über RVG?

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Und dann noch etwas zur Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG). Auch „kein Strafrechtsgrundfall“, aber das OLG München, Urt. v. 02.02.2022 – 15 U 2738/21 Rae – gilt acuh für andere Rechtsgebiete,

Folgender Sachverhalt: Der Kläger hatte einen Fachanwalt für Arbeitsrecht mit der gerichtlichen Vertretung in einem Kündigungsschutzprozess beauftragt. Zwischen dem Kläger und dem jetzt beklagten Rechtsanwalt wurde eine Vergütungsvereinbarung getroffen, die für den Rechtsanwalt ein Stundenhonorar von 340 EUR netto, mindestens aber das gesetzliche Honorar vorsah. Die Vereinbarung enthielt zudem eine sog. Nachverhandlungsklausel“ für ein Pauschalhonorar. Das sollte sich am Dreifachen der gesetzlichen Vergütung orientieren und dem Verlauf und den Besonderheiten des Mandats Rechnung tragen, wobei eine Abfindung dem Gegenstandswert hinzuzurechnen sein sollte.

Der Kündigungsschutzprozesse endete mit einem Vergleich, der u.a. eine Abfindungszahlung von 60.000 EUR brutto vorsah. Kurze Zeit nach dem Vergleich unterzeichneten die Parteien in der Kanzlei des Rechtsanwalts eine weitere Vergütungsvereinbarung, welche die erste Vereinbarung ersetzte und ein Pauschalhonorar von 12.000 EUR brutto vorsah. Der Rechtsanwalt hat mit der Rechtsschutzversicherung des Klägers die gesetzliche Vergütung von 3.305,82 EUR abgerechnet und verrechnete die vom Arbeitgeber auf sein Anderkonto bezahlte Abfindungsleistung mit seinem restlichen Vergütungsanspruch aus dem Pauschalhonorar.

Der klagende Mandat verlangt nun Zahlung der verrechneten Abfindung. Das LG hat der Klage statt gegeben. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg:

„1. Die zweite Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien vom 28.01.2020 ersetzt die erste Stundenhonorar-Vereinbarung zwischen den Parteien und entspricht der Vorschrift des § 3 a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung. Die Vergütungsvereinbarung war entsprechend der Vorschrift des RVG in Textform gehalten und als solche bezeichnet. Sie enthielt keine sonstigen Abreden und war auch von der Vollmacht getrennt.

2. Inhaltlich ist diese Vergütung nicht zu beanstanden. Eine Herabsetzung der Vergütung nach § 3 a Abs. 2 Satz 1 RVG kommt – ungeachtet der Verpflichtung zur Erholung eines Gutachtens der zuständigen Rechtsanwaltskammer – nicht in Betracht. Auch eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.

a) Die Regelung des § 3a Abs. 1 RVG soll den Auftraggeber vor einer unüberlegten, leichtfertigen oder unbewussten Eingehung von solchen Zahlungspflichten schützen, die ihm und darüber hinaus dem Ansehen der Rechtspflege schaden könnten (Toussaint/Toussaint, 51. Auflage 2021, § 3 a RVG, Rn. 17). Eine höhere als die gesetzliche Vergütung einschließlich Auslagen ist hierbei allerdings keineswegs sittenwidrig. Eine zwischen den Parteien eines Anwaltsvertrags vereinbarte Vergütung muss vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben unangemessen hoch sein (BGH NJW 2010, 1364). Maßgeblich ist weder die Sicht des Auftraggebers noch diejenige des Anwalts, es gilt ein möglichst objektiver Maßstab. Die gesetzliche Vergütung ist hierbei zwar ein Indiz für die Unangemessenheit, trägt den vorgenannten Umständen aber als eine Pauschgebühr oft nicht in ausreichendem Maße Rechnung (Toussaint/Toussaint, § 3 a RVG, Rn. 42). Ausgangspunkt für die gesetzlichen Gebühren im vorliegenden Fall ist die soziale Schutzvorschrift des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG. Danach bemisst sich der Streitwert in arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozessen nach maximal dem Dreifachen eines Bruttomonatsgehalts, hier unstreitig 3.305,00 €. Das hier in der zweiten Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien vereinbarte Honorar brutto 12.000,00 € stellt mithin das 3,6-fache der gesetzlichen Gebühren des Beklagten dar. Ein auffälliges Missverhältnis besteht allerdings nicht bereits aufgrund dieser 3,6-fachen Überschreitung, da dies – gerade bei Vergütungsvereinbarungen im unteren und mittleren Streitwertbereich – erst angenommen wird, wenn das vertraglich vereinbarte Honorar mehr als das 5-fache der gesetzlichen Vergütung beträgt (BGH AnwBl. 2017, 208; BGH NJW 2005, 2142; OLG München NJW-RR 2012, 1469; Toussaint/Toussaint, § 3 a RVG, Rn. 41 – Stichwort „gesetzliche Vergütung“).

b) Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein für eine Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, auch der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand, besondere und Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen (BGH, NJW 2000, 669). Gerade bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein mehrfaches übersteigt, angemessen sein (BGH, NJW-RR 2017, 377, 379). Der Mandant, der geltend macht, die mit dem Anwalt getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig oder unangemessen hoch und daher nichtig oder herabzusetzen und sich hierbei auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar beruft, muss nicht nur dartun, dass die Vergütung die vereinbarten gesetzlichen Gebühren überschreitet (was hier unstreitig ist), sondern zudem darlegen und beweisen, dass nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandates geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit objektiv nur eine geringere als die vereinbarte Vergütung marktangemessen ist. Erst wenn auf dieser Grundlage feststeht, dass die versprochene Vergütung das angemessene Honorar deutlich überschreitet, kann ein besonders grobes Missverhältnis vorliegen (BGH NJW-RR 2017, 377, 379). Für die Frage, welche Vergütung im konkreten Fall marktangemessen ist, hat das Gericht alle für und gegen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar sprechenden Indizien im jeweiligen Einzelfall zu würdigen (BGH, a.a.O.).

c) Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vermag der Senat eine Unangemessenheit des vereinbarten Honorars in Höhe von brutto 12.000,00 € nicht zu erkennen. Es kann bereits nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger sich bewusst für eine Mandatierung gerade des Beklagten, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, entschieden hat, weil er diesen als „harten Hund“ in einem anderen arbeitsrechtlichen Prozess erlebt hatte. Auch muss berücksichtigt werden, dass das Bruttomonatsgehalt des Klägers von 7.906,00 € ein hohes Gehalt darstellt und die vom Beklagten ausgehandelte Abfindung in Höhe von 60.000,00 € angesichts einer Beschäftigungsdauer des Klägers bei der Firma G. von lediglich drei bis vier Jahren (nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 02.02.2022) eher mehr als das doppelte der üblicherweise zu zahlenden Abfindung bei betriebsbedingten Kündigungen darstellt (üblich ist ein Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung). Unberücksichtigt darf im Rahmen der Abwägung auch nicht bleiben, dass der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts in Kündigungsschutzprozessen bei der Vertretung von Arbeitnehmern aus § 42 Abs. 2 GKG aus sozialen Gründen gedeckelt ist, um das Verfahren vor den Arbeitsgerichten möglichst günstig zu gestalten (vgl. Toussaint/Elzer, § 42 GKG, Rn. 34).

Nach alledem vermag der Senat im Rahmen der Abwägung des hier vorzunehmenden Einzelfalles trotz Vereinbarung des 3,6-fachen der gesetzlichen Gebühren ein auffälliges Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht festzustellen.

3. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer (ungefragten) Aufklärungspflicht besteht entgegen der Annahme des Landgerichtes nicht:

a) Eine gesetzliche Regelung zur Hinweispflicht des Rechtsanwalts findet sich lediglich in § 49 b Abs. 5 BRAO. Danach hat der Rechtsanwalt vor Übernahme eines Auftrags ungefragt hinzuweisen, wenn sich die zu erhebende Gebühr nach dem Gegenstandswert richtet. Hierum geht es vorliegend aber nicht, da die in der zweiten Vergütungsvereinbarung vereinbarte Pauschalvergütung von brutto 12.000,00 € sich weder nach dem Gegenstand der anwaltlichen Vertretung im Kündigungsschutzprozess richtet noch überhaupt vor Übernahme des Auftrages erfolgte.

b) Ungefragt schuldet der Rechtsanwalt in allen anderen Fällen seinem Auftraggeber grundsätzlich keinen solchen Hinweis auf die bisher entstandenen oder noch zu entstehenden Gebühren. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe seines Entgeltes mitzuteilen (BGH, NJW 1998, 3486, 3487). Allerdings kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren. Insoweit hat die erforderliche Gesamtwürdigung zu berücksichtigen einerseits den Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Aufgabe, einen etwaig ungewöhnlich hohen Gegenstandswert und sich daraus ergebende hohe Gebühren, die das vom Auftraggeber erstrebte Ziel wirtschaftlich sinnlos machen können, andererseits die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und Erfahrungen im Umgang mit Rechtsanwälten. Letztlich hängt die anwaltliche Pflicht, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalles ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste (BGH NJW 1998, 3486, 3487; BGH NJW 1985, 2642, 2643).

c) Unter Würdigung dieser Umstände des Einzelfalles vermag der Senat eine letztlich auf Treu und Glauben fußende Aufklärungspflicht über die bisher – aus der ersten Vergütungsvereinbarung – entstandene Vergütung nicht zu erkennen. Die vom Beklagten geleistete Stundenanzahl ist hier schon deshalb irrelevant, weil es sich zum einen nicht um ein Dauermandat handelte, in dem eine monatliche Abrechnung der geleisteten Stunden überhaupt auch nur vereinbart war. Zudem war aus der ersten Vergütungsvereinbarung klar ersichtlich, dass der Mandant und Kläger in jedem Falle eine Vergütung in Höhe der gesetzlichen Vergütung (hier 3.305,82 €) schuldete. Auch der von ihm geschuldete Betrag (€ 12.000,-) war vor Unterschriftsleistung unter die zweite Vergütungsvereinbarung für den Kläger eindeutig und unzweifelhaft ersichtlich. Zwar trägt der Kläger im Ansatz zutreffend vor, dass möglicherweise die Absichtserklärung in der ersten Vergütungsvereinbarung, später eine zweite Vergütungsvereinbarung zu schließen, irreführend war und bei einem rechtlichen Laien subjektiv der Eindruck entstehen konnte, zum Abschluss einer derartigen zweiten Vergütungsvereinbarung verpflichtet zu sein. Das vom Kläger behauptete grobe Ungleichgewicht in der Verhandlungsposition vermag der Senat allerdings in der hier vorliegenden Konstellation nicht zu erkennen. Der Kläger begab sich aus freiwilligen Stücken und nach einer bereits abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung in die Kanzleiräume des Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt war der Vergleich vor dem Arbeitsgericht mit einer Abfindungszahlung von 60.000,00 € bereits abgeschlossen und der arbeitsgerichtliche Termin aufgehoben. Es bestand daher keinerlei Abhängigkeit des Klägers vom Beklagten insoweit, als dessen Wohlwollen im Hinblick auf die Verhandlungstätigkeit des Beklagten für den Kläger am Verhandlungsergebnis noch etwas geändert hätte. Hinzu kommt – worauf die Berufung zu Recht hinweist – dass es dem Kläger unbenommen und ein Leichtes gewesen wäre, den Beklagten vor Abschluss der zweiten Vereinbarung nach der Höhe der bisher entstandenen Vergütung zu fragen. Auf entsprechendes Verlangen des Klägers wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Höhe seines Entgeltes mitzuteilen (siehe BGH a.a.O.). Soweit die Klagepartei meint, der Beklagte habe auf diesem Wege 22 % der Nettoabfindung des Klägers erhalten, sind zum einen hierbei etwaige Steuerrückerstattungen zum Ende des Kalenderjahres 2020 aufgrund der anschließenden Arbeitslosigkeit des Klägers nicht berücksichtigt und zum anderen kann diese Frage nur insoweit eine Rolle spielen, als sie das – oben bereits verneinte – Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, nicht aber eine ungeklärte Aufklärungspflicht betrifft.

Maßgeblich für die Frage einer Offenbarungspflicht über die bis zur entstandenen Gebühr ist vorliegend, ob der Mandant objektiv die voraussichtlich von ihm zu bezahlende Höhe der Vergütung erkennen konnte. Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, dass dem Kläger bereits aus der ersten Vergütungsvereinbarung (Anlage K 4) aus § 1 deutlich ersichtlich war, dass der Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt die Vereinbarung eines Pauschalhonorars anstrebte, das sich am Dreifachen der gesetzlichen Vergütung orientieren sollte und dem Verlauf und den Besonderheiten des Mandats Rechnung tragen wird. Auch wenn letztlich die vereinbarte Pauschalvergütung etwas höher war als das ursprünglich angedachte (hier das 3,6-fache), so hält sich die Vergütungsvereinbarung noch im Wesentlichen im Rahmen des ursprünglich beabsichtigten. Somit konnte und durfte für den Kläger nicht überraschend sein, dass vom Beklagten eine Honorarvereinbarung angestrebt wurde, die deutlich höher war als die gesetzliche Vergütung und möglicherweise auch als die tatsächlich geleistete Stundenzahl. Berücksichtigt man die vom Beklagten ausgehandelte Abfindung, die angesichts der Beschäftigungszeit des Klägers das Doppelte des Üblichen ausmachte sowie die noch drei weiteren Monatsgehälter, die nach dem abgeschlossenen Vergleich vom Arbeitgeber bis Ende Mai 2020 an den Kläger zu bezahlen waren, so ist unter Berücksichtigung dieses „Gesamtpaketes“ die vereinbarte Vergütung auch nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen. Soweit der Kläger moniert, im Kalendermonat der Zahlung der Abfindung sei ein erheblicher Betrag aus dieser Abfindung zu versteuern gewesen (Nettobetrag unter 40.000,00 €), so wird der Kläger einen nicht unerheblichen Teil hiervon im Rahmen der Einkommenssteuer 2020 auch unter Berücksichtigung der sich anschließenden Arbeitslosigkeit wieder zurückerhalten haben.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sowie der oben zur Höhe der Vergütung bereits abgehandelten Argumente vermag der Senat eine ungefragte Aufklärungspflicht über die Höhe der bis zum Abschluss der zweiten Vergütungsvereinbarung entstandenen Gebühren nicht zu erkennen. Es wäre dem Kläger – wie ausgeführt – unbenommen gewesen, den Beklagten vor Abschluss der zweiten Vergütungsvereinbarung über die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Gebühren zu fragen oder die ihm vorgelegte zweite Vergütungsvereinbarung schlicht nicht zu unterzeichnen. Einer Drucksituation unterlag der Kläger aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Verfahrens und des abgeschlossenen Vergleichs ersichtlich nicht mehr.“

Vereinbarung von 5-Minuten-Zeittakt grds. zulässig, oder: Ohne Vereinbarung minutengenaue Abrechnung

entnommen wikimedia.org
Urheber Ulfbastel

Vor dem vierten Advent dann noch ein wenig Gebühren-/Kostenrecht.

Ich starte mit dem AG Waldkirch, Urt. v. 04.08.2021 – 1 C 214/20 – zur Vergütungsvereinabrung (§ 3a RVG), das in einem Klageverfahren noch einmal zur Zulässigkeit einer Zeittaktklausel in einer Vergütungsvereinbarung Stellung genommen hat. Die Klägerin war eine Anwaltssozietät mit Schwerpunkt im Verwaltungsrecht, speziell Bau- und Umweltrecht. Sie verlangt aus einem Auftragsverhältnis Anwaltshonorar von der Beklagten. Die Beklagte hatte die Klägerin im Januar 2017 mit der Beratung und Vertretung in einem Baugenehmigungsverfahren gegen die Stadt pp. beauftragt, da die Beklagte ihr teils gewerblich und teils privat genutztes Gebäude erweitern wollte. Die Parteien schlossen am 30.01.2017 eine Vergütungsvereinbarung nebst Mandatsbedingungen, die die Möglichkeit der Abrechnung der Klägerin mit einem Stundenhonorar von 250,00 EUR netto vorsah.

Nachdem die Klägerin Anfang August 2017 bereits einen Zeitaufwand von über 100 Stunden hatte und der Beklagten einen Abrechnungsvorschlag über 80 Stunden unterbreitet hatte, vereinbarten die Parteien in einer Besprechung am 15.08.2017 eine Abrechnung der bis dahin von der Klägerin an die Beklagte erbrachten Beratungsleistungen mit pauschal 17.500,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, von der bereits geleistete Abschläge in Abzug gebracht wurden. Hiermit war der Gesamtaufwand bis 15.08.2017 abgegolten. Die Beklagte zahlte die Restsumme in den zwischen den Parteien vereinbarten Raten, die danach anfallenden Beratungsleistungen der Klägerin sollten erst im Jahr 2018 gegenüber der Beklagten abgerechnet werden.

Am 19.12.2017 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass der Vorgang erst einmal ruhen solle, damit abgewartet werden könne, ob ein neuer Bauantrag der Klägerin Erfolg habe und die Klägerin im Jahr 2018 keine weitere Mitteilung der Beklagten erhielt, fragte sie den Sachstand mit Schreiben vom 07.01.2019 an und stellte, nachdem keine Antwort erfolgt war, am 12.03.2019 ihre Schlussrechnung für Beratungsleistungen vom 16.08.2017 bis 19.12.2017. Die Beklagte fügte eine Zeitaufstellung bei, aus der sich ersehen ließ, an welchem Tag welcher Zeitaufwand geleistet wurde und rechnete im 5-Minuten-Takt ab. Die Klägerin rechnete 7,5 Stunden nebst vereinbarter Telefonpauschale sowie anteiligen Porto- und Telefaxkosten ab. Die Rechnungssumme wurde bis 25.04.2019 fällig gestellt.

Die Parteien streiten um einen Betrag in Höhe von 2.274,65 EUR. Die Klägerin hatte u.a. vorgetragen, die Vergütungsvereinbarung sei wirksam, die Abrechnung in 5-Minuten-Takt sei verhältnismäßig und angemessen, auch wenn sie nicht in der Vergütungsvereinbarung vereinbart wurde. Die Beklagte meint, die zwischen den Parteien geschlossene Vergütungsvereinbarung, die die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen verwende und die daher der AGB-Kontrolle standhalten müsse, verstoße gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB, da nicht bestimmt ist, in welchem Zeittakt abzurechnen sei. In diesem Fall müsse exakt abgerechnet werden. Der Zeitaufschrieb der Klägerin weise nicht die genauen Zeiten nach, in denen der Aufwand angefallen sei.

Das AG hat den geltend gemachten Betrag weitgehend zugesprochen. Die Beklagte sei aufgrund der mit der Klägerin geschlossenen Vergütungsvereinbarung vom 30.01.217 nebst Mandatsbedingungen verpflichtet, den überwiegenden Teil der von der Klägerin verlangten Gebühren zu bezahlen, denn die Klägerin habe die von ihr geleisteten Tätigkeiten innerhalb des Mandatsverhältnisses erbracht und bis auf die Abrechnung im 5-Minuten-Takt korrekt abgerechnet.

Das AG ist davon ausgegangen, dass eine Vergütungsvereinbarung in Form der Zeittaktklausel möglich gewesen wäre (so auch schon: LG Karlsruhe AGS 2021, 259). Aber:

In der Abrechnung der Klägerin sind dennoch Abzüge vorzunehmen, da die Klägerin im 5-Minuten-Takt abgerechnet hat, ohne dies mit der Beklagten zu vereinbaren.

In den von der Klägerin verwandten Vertragsunterlagen, nämlich der Vergütungsvereinbarung und den Mandatsbedingungen, ist kein Abrechnungstakt erwähnt.

Generell ist ein Abrechnungstakt von 5 Minuten nach Auffassung des Gerichts nicht unangemessen und könnte in einer Vergütungsvereinbarung vereinbart werden.

Ist jedoch keine Vereinbarung über eine Takt-Abrechnung geschlossen worden, so ist derjenige, der seinen zeitlichen Aufwand abrechnet, verpflichtet, minutengenau abzurechnen.

Dies ist jedenfalls bei einer Rechtsanwaltstätigkeit der Fall. Gerade bei der Rechtsanwaltstätigkeit ist es nicht ungewöhnlich, dass hintereinander z.B. Telefonate in verschiedenen Rechtssachen geführt oder verschiedene Angelegenheiten in unmittelbarer zeitlicher Nähe bearbeitet werden müssen, sodass hier eine minutengenaue Abrechnung erforderlich ist, um sicherzustellen, dass ein Mandant nur die Tätigkeit in seiner eigenen Rechtssache bezahlt.

Bei den heutigen modernen Zeiterfassungsmethoden ist es auch kein unvertretbarer Aufwand, eine minutengenaue Abrechnung zu erstellen.

Da die Klägerin nicht dargelegt hat, inwiefern sie bei den einzelnen Zeitaufschrieben wie viel Minuten aufgerundet hat, ist hier zugunsten der Beklagten jeweils die größtmögliche Aufrundung von 4 Minuten von den einzelnen Zeitabschnitten abzuziehen, sodass sich ein zeitlicher Aufwand für den Zeitraum vom 15.08. bis Ende August 2017 von 1 Minute, September 2017 von 2 Stunden 52 Minuten, Oktober 2017 2 Stunden 40 Minuten, November 2017 19 Minuten und Dezember 201712 Minuten ergeben.

Zusammengerechnet ist somit von der Klägerin ein Zeitaufwand von 6 Stunden und 4 Minuten für die Zeit vom 15.08.2017 bis 31.12.2017 zu berechnen mit dem Stundensatz von 250,00 € netto nebst den vereinbarten pauschalierten Nebenkosten, was die folgende Abrechnung ergibt:

Zeithonorar für die Leistungen von 6 Stunden 4 Minuten = 1.516,67 €,
Telefon (1,5 % vom Nettoumsatz gemäß Vergütungsverenbarung) = 22,75 €
Porto, Telefax (anteilig 09 17,10 17) =   8,34 €
Kostenrechnung insgesamt netto = 1.547,76 €
19 % Umsatzsteuer = 294,07 €
Endbetrag = 1.841,83 €“