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Mindestvergütung und 15-Minuten-Zeittaktklausel, oder: Was geht (nicht) formularmäßig in der Vergütungsvereinbarung?

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Heute ist Gebührentag und an dem gibt es als erste Entscheidung das BGH, Urt. v. 13.02.2020 – IX ZR 140/19. In der Rechtsprechung der Obergerichte war die Frage der Zulässigkeit der Vereinbarung einer Mindestvergütung und einer Zeittaktklausel in einer Vergütungsvereinbarung umstritten. Zu den Fragen hat jetzt der BGH in dem urteil Stellung genommen und sie m.E. – zumindest teilweise – geklärt.

Ergangen ist die Entscheidung nach einem Arbeitsrechtsstreit, sie gilt aber natürlich für alle Verfahren. Beklagte war der ehemalige Verfahrens-/Prozessbevollmächtigte der Klägers, der den beklagten Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber, der ihm den Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten hatte, beauftragt hatte. Der Kläger hatte bei der Mandatserteilung u.a. eine vorformulierte Vergütungsvereinbarung unterzeichnet, in der es u.a. hieß:

„§ 1 Vergütung

Die Vergütung berechnet sich nach dem Zeitaufwand der Kanzlei. Für die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes wird ein Vergütungssatz von EUR 290,00 pro Stunde zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 19 % berechnet. Für Tätigkeiten des Sekretariats wird ein Stundensatz in Höhe von EUR 60,00 vereinbart. Die Kanzlei ist berechtigt, die Tätigkeiten des Sekretariats pauschal mit 15 Minuten pro Stunde anwaltlicher Tätigkeit abzurechnen. Erforderliche Reise-, Wege- und Wartezeiten gelten als Arbeitszeit. Die Abrechnung des Zeitaufwandes erfolgt im 15-Minuten-Takt (0,25 Stunden). Für angefangene 15 Minuten wird jeweils ein Viertel des Stundensatzes berechnet. Der Mandant erhält eine Abrechnung über den angefallenen Zeitaufwand. Der Mandant schuldet in allen Fällen – Beratung, außergerichtliche und gerichtliche Vertretung – mindestens das dreifache der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Eine Abfindung wird abweichend von der gesetzlichen Regelung dem Gegenstandswert hinzugerechnet.“

Der Rechtsanwalt erreichte in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber des Klägers den Abschluss eines Abwicklungsvertrages, nach welchem das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Kläger eine Abfindung von 10.000 EUR brutto erhielt. Der Arbeitgeber überwies insgesamt 9.875,99 EUR an den Beklagten. Unter Hinweis auf die Vergütungsvereinbarung stellte der Rechtsanwalt dem Kläger Gebühren in Höhe der dreifachen gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 11.276,44 EUR in Rechnung. Der Rechnung lag ein Gegenstandswert von 23.931,53 EUR zugrunde. Sie wies den dreifachen Satz einer 2,5-Geschäftsgebühr nach diesem Wert, den dreifachen Satz einer 1,5-Einigungsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer aus. Der Beklagte verrechnete das vereinnahmte Fremdgeld und forderte den Mandanten zur Zahlung des seiner Ansicht nach noch offenen Betrages von 1.400,45 EUR auf.

Der Mandant hat dann Klage auf Zahlung von 9.875,99 EUR erhoben. Der beklagte Rechtsanwalt hat Widerklage auf Zahlung von 1.400,45 EUR erhoben. Er hat hilfsweise Zeithonorar in Höhe von zunächst 4.742,15 EUR, dann 5.173,53 EUR abgerechnet. Unter Anwendung der Zeitklausel hat er einen Aufwand von 25 Stunden und 15 Minuten behauptet und zusätzlich eine hierauf bezogene Sekretariatspauschale berechnet. Das LG hat den Beklagten unter Abweisung der Widerklage zur Zahlung von 8.495,59 EUR nebst Zinsen und zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen verurteilt. Das OLG München hat den Beklagten zur Zahlung von 8.334,54 EUR verurteilt. Dagegen die Revision des Beklagten die beim BGH keinen Erfolg hatte.

Der BGH trifft in seiner umfangreich begründeten Entscheidung drei Kernaussagen, die er in den Leitsätzen zusammenfasst. Wegen des Umfangs des Urteils beschränke ich mich hier auf die Leitsätze und verweise wegen des genauen Textes des Urteils auf den verlinkten Volltext. Die Leitsätze lauten:

  1. Eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, welche eine Mindestvergütung des Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern wegen unangemessener Benachteiligung des Mandanten unwirksam, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswertes um die Abfindung vorsieht.

  2. Die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars, welche den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen, benachteiligt den Mandanten jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

  3. Sieht eine Vergütungsvereinbarung ein Zeithonorar für Sekretariatstätigkeiten vor und eröffnet sie dem Rechtsanwalt die an keine Voraussetzungen gebundene Möglichkeit, statt des tatsächlichen Aufwandes pauschal 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit abzurechnen, gilt insoweit die gesetzliche Vergütung als vereinbart.

Zu der Entscheidung ist m.E. anzumerken:

1. Es war m.E. zu erwarten, dass dem BGH die hier getroffene Vereinbarung des Mindesthonorars in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung „sauer aufstoßen“ würde. In der Vergangenheit sind Mindesthonorare in Höhe des Zweifachen der gesetzlichen Gebühren als nicht unangemessen angesehen worden (vgl. OLG München AGS 2016, 558; RVGprofessionell 2017, 26; vgl. auch: Geldregen II: Durch AGB das Doppelte der RVG-Vergütung als Mindestvergütung?). Gegen Vereinbarungen des Dreifachen sind hingegen Bedenken angemeldet worden (siehe OLG München RVGreport 2019, 374; vgl. dazu den Hinweis in BRAK.-Mitt. 17, 118 auf § 4 Abs. 3 S. 2 RVG). Der BGH sieht sie nun jedenfalls in Verbindung mit der Klausel über die Erhöhung des Gegenstandswertes als eine unangemessene Benachteiligung an und bei Verbrauchern als unwirksame an. Zwar bezieht sich die Entscheidung des BGH nur auf „Verbraucher“, es kann aber nur dazu geraten werden, auch bei Nichtverbrauchern allenfalls Mindesthonorare in Höhe des Zweifachen der gesetzlichen Gebühren zu vereinbaren.

2. Die formularmäßig vereinbarte Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel hat der BGH gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern als unwirksam angesehen.  Offen gelassen hat er ausdrücklich die Frage, welcher Zeittakt angesichts dessen noch vertretbar wäre (vgl. dazu OLG München AGS 2019, 378, wonach ein Zeittakt von 15 Minuten unwirksam ist, sechs Minuten ggf. wirksam sein können und Die Wirksamkeit von Zeittaktklauseln, oder: 15 Minuten hopp, 6 Minuten ggf. topp).

3. Die Unwirksamkeit der Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel hat  die Wirksamkeit der Vereinbarung des Zeithonorars nicht erfasst (§ 306 Abs. 1 BGB). Insoweit ist der BGH aber davon ausgegangen, dass Rechtsanwalt nur einen Aufwand von insgesamt 268 Minuten vergütet verlangen kann. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die berechnete Vergütung tatsächlich entstanden ist, sieht der BGH – zutreffend – beim Rechtsanwalt.

4. Nicht geprüft hat der BGH, ob der beklagte Rechtsanwalt nicht verpflichtet gewesen wäre, den Mandanten vor Abschluss des Beratungsvertrages auf die Höhe der nach der vorgeschlagenen Vergütungsvereinbarung voraussichtlich entstehenden Gebührenansprüche hinzuweisen. Das OLG war wohl davon ausgegangen, dass das für den Kläger unbefriedigende wirtschaftliche Ergebnis der Beauftragung des Beklagten bei Vertragsschluss nicht absehbar gewesen sei. Das erscheint dem BGH zweifelhaft. Die Ausführungen des BGH insoweit waren zwar nicht tragend. Sie führen jedoch zu dem Hinweis, dass, wann man schon solche Vergütungsvereinbarungen abschließen will, den Mandanten zumindest darüber belehren sollte, dass das Verfahren wirtschaftlich für ihn ggf. wie das Hornberger Schießen ausgehen könnte.

Und: M.E. war klar, dass die Revision des Beklagten beim BGH scheitern würde. Das konnte nich gut gehen. Für mich eine dieser Entscheidungen, die in die Rubrik: Gier frisst Hirn, gehören.

 

Mehr als das Sechsfache als Zeithonorar, oder: Sittenwidrig?

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Am Gebührenfreitag dann als erste Entscheidung der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.01.2019 – I – 24 U 84/18, der sich zu Fragen in Zusammenhnag mit einer Vergütungsvereinbarung verhält. Es geht zwar nicht um die Vereinbarung in einer Strafsache, die vom OLG aufgestellten Grundsätze gelten aber auch für Verfahren aus dem Bereich.

Ich stelle hier heute nur die Leitsätze der Entscheidung vor. Den Rest überlasse ich dem Selbststudium.

Hier dann die Leitsätze:

  1. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines anwaltlichen Zeithonorars, welches um das Sechsfache im Vergleich zur gesetzlichen Vergütung erhöht ist, ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt, ob dies auf der Höhe des Stundensatzes oder auf den angefallenen Tätigkeitsstunden beruht. Ist diese Überhöhung auf den hohen Zeitaufwand zurückzuführen, spricht dies gegen eine Sittenwidrigkeit, sofern keine Anhaltspunkte für ein unangemessenes Aufblähen der Arbeitszeit vorliegen.
  2. Ein anwaltlicher Stundensatz i.H.v. EUR 250,- ist nicht zu beanstanden.
  3. Bestreitet der Mandant pauschal den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts, dann ist dies bei Vorgängen unerheblich, die der Mandant selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate, Gespräche) oder durch die er anhand objektiver Unterlagen (z.B. Beweisaufnahmeprotokolle) Kenntnis erlangt hat.
  4. Ein Gericht ist aus eigener Sachkunde in der Lage, den Zeitaufwand anwaltlicher Tätigkeit zu schätzen (§ 287 ZPO), denn auch ein Richter leistet vergleichbare Arbeit, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt und Dokumente erstellt.

Die Vergütungsvereinbarung des Pflichtverteidigers, oder: Neue Hinweispflicht

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Und als zweite Entscheidung des Tages dann das BGH, Urt. v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17, auf das ich ja auch schon in meinem ersten gebührenrechtlichen Newsletter 2019 hingewiesen habe. Es behandelt ebenfalls eine Problematik in Zusammenhang mit der Pflichtverteidigung, nämlich die Frage der Vergütungsvereinbarung des Pflichtverteidigers.

Es geht um die (Rück)Zahlungsklage eines ehemaligen Mandaten des beklagten Pflichtverteidigers. Der ist für den Kläger in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren und in einem gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren tätig gewesen. Im anschließenden Strafverfahren wurde der Beklagte am 27.06.2013 als Pflichtverteidiger bestellt. Am 04.07.2013 schlossen die Parteien eine Honorarvereinbarung, in der vereinbart wurde, dass der Kläger dem Beklagten bezogen „auf die Tätigkeit des Verteidigers im gesamten Ermittlungsverfahren sowie der kompletten ersten Instanz“ ein Gesamthonorar von 12.500 € zahle. In Ziffer II dieser Vereinbarung war der Hinweis enthalten, dass die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten müsse und dass die Honorarvereinbarung deutlich höher sei. Einen Hinweis darauf, dass der Beklagte als bestellter Pflichtverteidiger den Kläger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung weiter zu verteidigen habe, enthielt die Vereinbarung nicht; dies war dem Kläger auch nicht bekannt. Gestützt hierauf begehrt der Kläger die Rückzahlung der vom Beklagten in Rechnung gestellten und an diesen gezahlten Honorare, soweit sie die nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) geschuldeten Gebühren übersteigen.

Das LG hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hatte das OLG das landgerichtliche Urteil insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte betreffend seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren und im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Rückzahlung verurteilt worden war. Hinsichtlich der am 04.07.2013 für die Verteidigung im Strafverfahren vereinbarten Vergütung hat es die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Aus dem BGH-Urteil lassen sich folgende Kernaussagen ableiten:

  • Auch ein Pflichtverteidiger kann eine Vergütungsvereinbarung treffen, allerdings darf die nicht unter Zwang/Druck geschlossen werden. Dann ist /wäre sie sittenwidrig und damit nichtig.
  • In der Vergütungsvereinbarung muss es seinen Mandanten nicht besonders darauf hinweisen, dass er als Pflichtverteidiger auch gegen eine geringere Vergütung tätig werden muss.
  • Aber – und das ist dann „neu“: Der Pflichtverteidiger ist verpflichtet, vor Abschluss der Vergütungsvereinbarung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er auch ohne diese zur (ordnungsgemäßen) Verteidigung verpflichtet ist. Das folgert der BGH aus der Stellung des Pflichtverteidigers, der die Interessen des Beschuldigten wahrzunehmen hat und aus dessen Interessenlage des Beschuldigten. Tut der Rechtsanwalt das nicht, kann sich ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) ergeben, der dann zur Rückzahlung der ggf. bereits gezahlten Vergütung führt. Die Kenntnis des Mandanten darüber, dass der Pflichtverteidiger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zur Verteidigung verpflichtet ist, ist nach Auffassung des BGH deshalb erforderlich, weil er sonst nicht über den Abschluss der Vergütungsvereinbarung entscheiden kann.
Der BGH hat auf der Grundlage aufgehoben und an das OLG Hamm zurückverwiesen. Dem gibt er Folgendes mit:

„Es obliegt dem Kläger darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, wie er sich bei vollständiger Aufklärung verhalten hätte. Die in Fällen der Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für vorvertragliche Pflichtverletzungen (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 – IX ZR 44/04, BGHZ 174, 186 Rn. 19) bestehende Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises gilt nicht generell. Sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf den Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen (BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 25 ff mwN). Um dies beurteilen zu können, müssen bestehende Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten (BGH, aaO). Hiervon ausgehend sind in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden die Regeln des Anscheinsbeweises unanwendbar. Bei sachgerechter Aufklärung über den Regelungsinhalt der §§ 48, 49 BRAO vor Unterzeichnung der Honorarvereinbarung hätte aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten nicht eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen. Vielmehr kommen unter den Umständen des jeweiligen Einzelfalls unterschiedliche Schritte in Betracht; der Beklagte hat dem Kläger lediglich die erforderlichen fachlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung nicht gegeben (vgl. BGH, aaO). Allerdings stellt die unterlassene Aufklärung des Mandanten über den Regelungsgehalt der §§ 48, 49 BRAO regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass der Beschuldigte eine ihm angetragene Honorarvereinbarung bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht unterzeichnet hätte. Ob allein hierauf eine Überzeugung vom Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität gestützt werden kann, was möglich erscheint, muss vom Tatrichter je nach den Umständen des Falles beurteilt werden. Der Beklagte kann sich auch nicht damit entlasten, er hätte – wie er vorgetragen hat – ohne Abschluss der Honorarvereinbarung auf seine Entpflichtung hingewirkt. Ob und inwieweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen, wäre vielmehr Teil der dem Pflichtverteidiger vor Abschluss der Honorarvereinbarung obliegenden Aufklärung gewesen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund im Sinne des gemäß § 49 BRAO anwendbaren § 48 Abs. 2 BRAO oder im Sinne der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NStZ 1998, 46; NJW 1975, 1015; KK-StPO/Laufhütte/Willnow, aaO § 143 Rn. 4 f; BeckOK-StPO/ Krawczyk, 2018, § 143 Rn. 6 ff) nicht schon dann vor, wenn eine Verteidigung zu den für Pflichtverteidiger vorgesehen Gebühren nicht dessen wirtschaftlichen Interessen entspricht.

Hinsichtlich eines möglichen Schadens weist der Senat darauf hin, dass der Geschädigte einer schuldhaften Pflichtverletzung bei Vertragsverhandlungen ist so zu stellen, wie er bei Offenbarung der für seinen Vertragsschluss maßgeblichen Umstände gestanden hätte (BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35, 39). Dies kann auch den geltend gemachten Zahlungsanspruch tragen.“

Nun ja, man wird sehen, was daraus wird und was der Kläger beweisen kann. Allerdings ist m.E. die Richtung, in die der BGh tendiert deutlich.

Im Übrigen: In der Entscheidung steckt Sprengstoff und auch Streitpotential. Eine dieser typischen „Ja-aber-Entscheidungen“ des BGH. Als Pflichtverteidiger muss man jetzt vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung den Mandanten auf jeden Fall entsprechend belehren und darauf hinweisen, dass man auch ohne Vergütungsvereinbarung verteidigen muss. Das man belehrt hat, sollte man sich vom Mandanten bestätigen lassen.

Wird eine höhere als die RVG-Vergütung erstattet, oder: Nein, sagt der BGH

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Heute ist Karfreitag, also Feiertag. Aber der ein oder andere Kollege wird vielleicht doch (auch) arbeiten. Daher fahre ich hier das ganz normale Programm, also, da Freitag ist, gebührenrechtliche Entscheidungen.

Und ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 24.01.2018 – VII ZB 60/17, der seit einigen Tagen auf der Homepage des BGH veröffentlicht ist. Entschieden hat der BGH über die Frage der Erstattung einer in einer Vergütungsvereinbarung vereinbarten höheren Vergütung als die sog. gesetzliche Vergütung. Ergangen ist die Entscheidung nach einem Zivilrechtsstreit, in dem die Beklagten von der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3,2 Mio € nebst Zinsen in Anspruch genommen worden waren. Die Klage ist abgewiesen worden. In dem rechtskräftig gewordenen Urteil hat das LG der Klägerin die Kosten auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Beklagten dann Kosten i.H.v. 4.819 € für eine Anschlussdeckung der Beklagtenvertreter bezüglich deren Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geltend gemacht. Hintergrund dafür ist/war: Die Beklagtenvertreter hatten einen „Versicherungsstammvertrag mit einer Deckungssumme in Höhe von 2 Mio. EUR abgeschlossen. Aufgrund des hohen Streitwerts hatten die Beklagtenvertreter mit den Beklagten vereinbart, dass vorsorglich eine Einzelfallabsicherung über weitere 1,5 Mio. EUR abgeschlossen wird und dass die hierauf entfallende Prämie Bestandteil der geschuldeten Vergütung sein sollte. Diese Kosten sind weder vom LG noch vom OLG festgesetzt worden. Die Beklagten hatten mit ihrem Antrag dann schließlich auch beim BGH keinen Erfolg. Aus der Begründung:

„Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehen die Rechtsprechung und die Literatur fast einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige „gesetzliche Gebühren und Auslagen“ lediglich die Regelsätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt übersteigendes Honorar (BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 56; offengelassen von BGH, Beschluss vom 13. November 2014 – VII ZB 46/12, NJW 2015, 633 Rn. 18 f. mit Nachweisen des Streitstands; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 – III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 49) und dass die unterliegende Partei Mehrkosten aufgrund eines vereinbarten Honorars auch nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2004 – VI ZB 22/04, NJW-RR 2005, 499, juris Rn. 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 85 Rn. 14; BVerfGE 118, 1, 18 f., juris Rn. 75 ff., zur Anbindung der Erstattungspflicht an die gesetzliche Vergütung; Hau, JZ 2011, 1047, 1050; a.M. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Aufl., § 3a Rn. 75)….“

Der BGH argumentiert dann „historisch“ mit „der Gebührenordnung für Rechtsanwälte in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 1927 (RGBl. I S. 162, 170″ und mit der Ergänzung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Einfügung des Wortes „gesetzlichen“ im Jahr 1957.  Danach – so der BGH – sollte es dabei bleiben, dass die unterliegende Partei bezüglich einer vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, keine prozessuale Kostenerstattungspflicht trifft. Und dann:

„Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber hiervon abrücken wollte, als im Jahr 2004 das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz an die Stelle der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte getreten ist (vgl. Hau, JZ 2011, 1047, 1050). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Jahr 2008 in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügten Vorschrift des § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG. Danach hat eine Vereinbarung über die Vergütung einen Hinweis unter anderem darauf zu enthalten, dass die gegnerische Partei im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss. Die Gesetzesbegründung zu § 3a RVG geht insoweit davon aus, dass die rechtsuchende Person die vereinbarte Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, grundsätzlich selbst tragen muss (vgl. BT-Drucks. 16/8384, S. 10). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der bloßen Statuierung einer Hinweispflicht in § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG die Regeln der prozessualen Kostenerstattung gemäß § 91 ZPO abändern wollte. Der Hinweis darauf, dass die gegnerische Partei im Falle der Kostenerstattung „regelmäßig“ nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss, ist auch dann sinnvoll, wenn die unterliegende gegnerische Partei keine prozessuale Kostenerstattungspflicht bezüglich einer vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, trifft. Denn nach der Rechtsprechung kann derjenige, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, in bestimmten Fällen materiellrechtlich verpflichtet sein, höhere Aufwendungen aus einer anwaltlichen Honorarvereinbarung zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 58; Urteil vom 23. Oktober 2003 – III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697, juris Rn. 49; Urteil vom 14. Mai 1962 – III ZR 39/61, LM § 839 (D) BGB Nr. 18 Bl. 2, juris Rn. 11).“

Eine auch für Verteidiger „unschöne“ Entscheidung. Denn sie schreibt letztlich – auch die im Strafrecht – h.M. fest, wonach eine die gesetzliche Vergütung übersteigende vereinbarte Vergütung nicht erstattungsfähig ist. Hoffnung, dass sich das mal ändert, kann man m.E. jetzt kaum noch haben.

Ich habe da mal eine Frage: Sind das zulässige Inhalte einer Vergütungsvereinbarung?

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Gerade rechtzeitig für das heutige RVG-Rätsel ist gestern die Anfrage eines Kollegen gekommen, der an einer Vergütungsvereinbarung „bastelt“, und zwar wie folgt:

„….ich wälze das RVG-Buch und auch das zur strafrechtlichen Nachsorge, bleibe aber bei der Überarbeitung meiner Vergütungsvereinbarung an zwei (eigentlich drei) Punkten hängen:

Im Handbuch strafrechtliche Nachsorge findet sich ein Beispiel für eine VV auf Stundenbasis, darin wird abgerechnet im 30-Min-Takt bei einem Stundensatz von 280 Euro. Im RVG-Handbuch ist eine Entscheidung zitiert, wonach eine 15-Min-Takt Abrechnung bei  einem Stundensatz von 400 DM (230 Euro) sittenwidrig sei (OLG Düsseldorf, RVGreport 2006, 420; auch nochmal  bestätigt mit Urteil vom 18.2.2010; a.A: OLG Schleswig, AnwBl. 2009, 554). Es wird zwar darauf hingewiesen, daß andere Gerichte großzügiger sind (u.a. OLG Schleswig aaO und ausnahmsweise auch mal LG München, das bei 15 Minuten keine Bedenken hat), aber ist die 30-Min-Taktung schon irgendwo mal „durchgewunken“ worden? Ich finde nichts dazu.

Ich frage mich, ob es zulässig ist, und wenn ja, wie, einen Sockelbetrag in jedem Falle zu sichern, also etwa „Stundensatz iHv 250 Euro, aber mindestens ein Sockelbetrag als Pauschale in Höhe von 2.500 Euro; sobald ein Zeitaufwand von mehr als 10 Stunden anfällt, erfolgt die Vergütung nach Stunden.“ – im Hinblick auf die AGB-Rechtsprechung könnte das ja problematisch sein wegen der ungleichen Risikoverteilung zulasten des Mdt: er muss auf jeden Fall 2.500 Euro zahlen, auch wenn ich nur 30 min arbeite, aber wenn ich 10h 30min arbeite, muss er 2.625 Euro zahlen. Er hat also keine Chance, „günstiger“ wegzukommen, ich hingegen schon, für weniger Arbeit mehr Geld zu bekommen.

In München verlangen manche Kanzleien eine Art „Eintrittsgeld“, also die Zahlung eines Betrages X nur dafür, daß der Anwalt überhaupt das Mandat ANNIMMT. Ist sowas zulässig? Ob das dann fair / sachgerecht ist, darüber kann man sicher trefflich streiten…“.

Das muss ich mir auch erst mal überlegen 🙂 .