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Wer arbeitet, muss auch Geld bekommen…

Umstritten ist die Frage, ob der Rechtsanwalt, der im Rahmen einer von der Staatsanwaltschaft zu Lasten des Angeklagten eingelegten Berufung tätig wird, die Erstattung der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG aus der Staatskasse verlangen kann.

M.E. ja, das der Angeklagte auch in der Phase des Verfahrens Anspruch auf Bertaung/Verteidigung hat, die wohl h.M. in der Rechtsprechung der Obergerichte sieht das leider anders (so z.B. das KG, vgl. hier). Um so wohltuender ist es dann, wenn man mal auf eine Entscheidung eines AG trifft, die diese h.M. nicht einfach nachbetet, sondern sich selbst Gedanken macht. So das AG Iserlohn, Beschl. v. 11.10.2011 –  9 Ls 335 Js 330/10 4/11. Danach steht dem Rechtsanwalt auch dann Erstattung einer Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG für von ihm erbrachte Tätigkeiten aus der Staatskassezu , wenn die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vor deren Begründung zurücknimmt. Sehr schön formuliert dann vom AG:

Nachdem die Staatsanwaltschaft Hagen unbedingt und unbefristet das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat, ist dies dem Verteidiger seitens des Gerichts mitgeteilt Worden, er hat dann pflichtgemäß dies dem Angeklagten mitgeteilt, worauf dieser bei ihm anrief und um Beratung bat. Er wurde dann laut unbestrittener Einlassung umfassend darüber beraten, was die Berufung bedeutet, welche prozessualen Möglichkeiten bestehen und welcher Verfahrensausgang gegebenenfalls durch das Rechtsmittel zu erwarten sei. Darüber hinaus wurde gemeinsam beraten, welche möglicherweise zusätzlichen Beweismittel noch beschafft werden können und zur Verfügung stehen.

Diese entfaltete Tätigkeit des Pflichtverteidigers ist notwendig und nicht nur rein hypothetischer Art und auf keinen Fall überflüssig noch bedeutungslos, da mit der Zäsurwirkung des Rechtsmittels der Berufung ein neues Verfahrensstadium beginnt, mithin der Freigesprochene wieder den Status des Angeklagten erhält und der Verteidiger im Rahmen rechtsstaatlich begründeter Verteidigung seine Tätigkeit so auszurichten hat, dass sie erfolgsversprechend und wirksam ist, vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 140, Randnummer 1 m.w.N.. Diesbezüglich hat der Verteidiger einen nicht überprüfbaren Ermessensspielraum, wann, wie schnell und wie er tätig wird…

Revisionsrücknahme und das liebe Geld

Zum Wochenende dann noch eine gebührenrechtliche Entscheidung des LG Braunschweig, Beschl. v.08.06.2011 – 2 KLs 63/10, und zwar (mal wieder) zur leidigen Frage, ob der Rechtsanwalt bei Rücknahme der Revision eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG verdient (die Frage gilt für die Rücknahme der Rechtsbeschwerde und die Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 4 VV RVG entsprechend).

Die wohl h.M. bejaht das nur in Ausnahmefällen und verlangt, dass ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war bzw. nahe gelegen hat. M.E. nicht zutreffend. Sondern: Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG entsteht (zumindest) immer dann, wenn der Rechtsanwalt eine eingelegte Revision begründet hat. So zutreffend das LG Braunschweig (und auch einige anderes OLGs; weitere Nachweise dazu auf meiner HP). D.h. also: Zumindest die allgemeine Sachrüge sollte man bei Einlegung erheben.

Fehlgeschlagene/unzulässige Nachbesserung im Strafverfahren

Das LG hatte in dem dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.02.2011 – 1 Ws 47/11 zugrunde liegenden Verfahren eine Anklage an die StA zur Nachbesserung zurückgegeben, was dazu führte, dass die StA die Anklage zurückgenommen und eine neue Anklage erhoben hat.

Das OLG sagt: Geht grds. nicht. Entspreche eine Anklageschrift den grundsätzlichen Vorgaben, komme ihre Rückgabe an die Staatsanwaltschaft nur noch dann in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Ermittlungen so unzureichend seien, dass über eine Eröffnung des Hauptverfahrens nicht sachgerecht entschieden werden könne und die vorhandenen Defizite auch durch die Anordnung einzelner Beweiserhebungen im Zwischenverfahren nicht mehr ausgeglichen werden können. Komme das Gericht zu dem Schluss, dass der Sachverhalt zwar aufgeklärt sei, aber nach seiner Bewertung nur bei einigen der angeklagten Fällen ein hinreichender Tatverdacht bestehe, weil die von der Staatsanwaltschaft ermittelten Tatsachen eine Täterschaft der Angeschuldigten nicht in allen Fällen belegen, sei das Hauptverfahren nur insoweit zu eröffnen und die Eröffnung im Übrigen aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.

Für einen Beschuldigten kann die Frage weitreichende Bedeutung haben, wenn er in U-Haft sitzt. Die Rückgabe kann nämlich zur Verfahrensverzögerung führen, die dann der Verlängerung der U-Haft über sechs Monate hinaus entgegenstehen kann.

Reststrafenaussetzung: Rücknahme der Einwilligung – wer trägt die Verfahrenskosten

Kurz und zackig führt das OLG Bamberg im Beschl. v. 25.10.2010 – 1 Ws 613/10 aus:

„Die Staatskasse bleibt auch dann zur Tragung der Kosten des Beschwerdever­fahrens verpflichtet, wenn sich die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten gegen eine zu seinen Gunsten erfolgte Reststrafenaussetzung zur Bewährung nur des­halb als erfolgreich erweist, weil er seine nach § 57 I 1 Nr. 3 StGB er­teilte Einwilli­gung in die Reststrafenaussetzung nachträglich zurückge­nommen hat. Eine analoge Anwendung von § 467 II StPO scheidet aus.“

Die Konstellation der Rücknahme der Einwilligung in die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist ja in der Praxis gar nicht so selten.

Zusätzliche Gebühr? – die 1.

Machen wir heute mal einen Gebührentag :-).

Bei den zusätzlichen Gebühren Nr. 4141 VV RVG bzw. Nr. 5115 VVRVG – sog. Befriedungsgebühr – ist streitig, ob die auch nach Rücknahme der Revision oder Rechtsbeschwerde (Ziff. 3 und Ziff. 4) entstehen.

Allerdings eine ist richtig: Eine Hauptverhandlung muss überhaupt möglich/zulässig sein, wenn die Gebühr entstehen soll. Das führt dazu, dass imBußgeldverfahren die Gebühr durch Rücknahme der Rechtsbeschwerde nicht entstehen kann, wenn das AG durch Beschluss entschieden hat (§ 72 OWiG).Denn kann das OLG überhaupt nicht durch Urteil entscheiden, da ein Urteil ud damit eine Hauptverhandlung nach § 79 Abs. 5 Satz 2 OWiG nur zulässig sind, wenn auch das AG durch Urteil entschieden hat (so LG Verden, Beschl. v. 07.04.2008 – 1 Qs 218/07 – ja ist schon etwas alt; habe ich erst jetzt bei den Arbeiten für die 3. Aufl. des RVG-Kommentars wiedergefunden).

Und: Die zusätzliche Gebühr Nr. 5115 ist eine Festgebühr in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr, so auch das LG Verden in einem obiter dictum.