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Bei PKH geht es anders als bei der Pflichtverteidigung

Die rückwirkende Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nach Rechtskraft wird von der h.M. als unzulässig angesehen, da die Pflichtverteidiger nicht im Kosteninteresse des Rechtsanwalts geschaffen. Anders bei der Bewilligung von PKH für den Nebenkläger (vgl. dazu den Beschl. des BGH v. 13.10.2010 – 5 StR 179/10). Der BGH schreibt:

„Im Adhäsionsverfahren ist über den Prozesskostenhilfeantrag der Nebenklägerin für die Revisionsinstanz gesondert zu entscheiden (vgl. BGH NJW 2001, 2486; NStZ-RR 2009, 253). Das Landgericht hat demgemäß der Geschädigten durch Beschluss vom 7. September 2009 Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren im ersten Rechtszug ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. bewilligt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wirkt jedoch nur für die jeweilige Instanz, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO, so dass im Revisionsverfahren erneut zu entscheiden ist.

Danach ist vom Senat als dem mit der Sache befassten Gericht (§ 404 Abs. 5 Satz 3 StPO) der Nebenklägerin im Adhäsionsverfahren Prozesskostenhilfe für die Revisionsinstanz zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin S. zur Vertretung insoweit beizuordnen.

Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht dabei nicht entgegen, dass das Revisionsverfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen ist. Freilich ist eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zumal nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss, grundsätzlich nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 1991 – 3 StR 142/91; Senge in KK 6. Aufl. § 397a Rdn. 4). Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende Entscheidung kommt jedoch in Betracht, wenn der Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (vgl. BVerfG NStZ-RR 1997, 69; BGH NJW 1985, 921; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 397a Rdn. 15).“

Der Rechtsanwalt als „doppeltes Lottchen“

Eine interessante gebührenrechtlich Konstellation hat dem Beschl. des OLG Celle v. 25.08.2010 – 2 Ws 303/10 zugrunde gelegen. Der RA war Verteidiger des A in einem Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei. In diesem Strafverfahren, welches wegen desselben Tatgeschehens gegen insgesamt fünf Angeklagte geführt wurde, wurde der A als Nebenkläger zugelassen und ihm der RA als Beistand beigeordnet. Der Angeklagte A ist dann frei gesprochen worden. Der Landeskasse sind seine notwendigen Auslagen auferlegt worden. Den Verurteilten sind die notwendigen Auslagen des Nebenklägers auferlegt worden. Der RA hat beantragt, die Wahlanwaltsgebühren und die Nebenklägergebühren festzusetzen. Festgesetzt worden sind insgesamt nur die Wahlanwaltsgebühren. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

 Das OLG sagt: Beides geht nicht, da es sich um dieselbe Angelegenheit handelt, zumindest dann, wenn Verteidigung und Nebenklage dieselbe prozessuale Tat betreffen. Die „Doppelfunktion“ ist aber bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr zu berücksichtigen. M.E. zutreffend.

Die Nebenklägerrevision: Immer wieder unzulässig :-(

Der Nebenkläger und seine Revision: Ein Dauerbrenner, der wegen § 400 StPO immer wieder zu obergerichtlichen Entscheidungen führt (vgl. auch hier und hier und hier).

Die Vorschrift des § 400 StPO und die sich daraus ergebenden Einschränkungen wird leider häufig übersehen. So ist es auch nicht ausreichend, wenn die Nebenklägerrevision allein beanstandet, dass der den Nebenkläger betreffende Tatkomplex wegen einer Beschränkung gem. § 154a StPO entgegen § 397 Abs. 2 StPO (a.F. = § 395 Abs. 5 StPO n.F.) nicht weiterverfolgt wurde. Denn damit wird ein Verfahrensfehler rügt und das genügt nicht den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO  (so OLG Hamm, Beschl. v. 15.04.2010 – 2 RVs 25/10), weil nicht deutlich wird, dass der Nebenkläger mit seiner Revision ein zulässiges Ziel (Änderung des Schuldspruchs) verfolgt. Es kann ja auch nur ums Strafmaß gehen.

Na ja, 🙂

Gebührenfrage zur Befriedungsgebühr – aber nicht (vorsorglich) vom Vertreter der „Verletzten“ in der causa Kachelmann gestellt

In den vergangenen Tagen erreichte mich eine gebührenrechtliche Anfrage eines Kollegen, die mich an den Fall Kachelmann denken ließ 🙂 ;-). Es ging um die die Befriedungsgebühr für den Nebenklägervertreter bzw. den Vertretes des/der Verletzten in einem Vergewaltigungsfall; allerdings denke ich, dass es dann doch nicht der Vertreter der vermeintlichen Geschädigten war, der fragte; der wird kaum nach RVG abrechnen 🙂

Es ging bei der Anfrage um Folgendes:

Meine Mandantin beschuldigte ihren Lebensgefährten der Vergewaltigung, worauf dieser in U-Haft kam. Wunschgemäß zeigte ich die Interessensvertretung der mutmaßlich Vergewaltigten an und erkläre namens und in ihrem Auftrag bereits ihren Anschluss als Nebenklägerin zum Verfahren. In den der Akteneinsicht folgenden Gesprächen mit der Mandantin kommen mir Zweifel, ob es diese Vergewaltigung tatsächlich gegeben hat und daraufhin offenbart sie mir, dass alles nicht stimme; zwischenzeitlich hat sie aber in drei weiteren „Geschädigtenvernehmungen“ bei der Polizei „nachgelegt“ und ergänzende belastende Angaben gemacht gehabt.

Nachdem die Mandantin  inzwischen aber wohl von ihrem schlechten Gewissen gequält wurde, beauftragte sie mich schließlich wenig später, ihre bisherigen, durchweg falschen, Angaben der Staatsanwaltschaft zu offenbaren. Nach ausführlicher Belehrung über die strafrechtlichen Konsequenzen, insbesondere für sie selbst, habe ich das auch getan. Das Verfahren wird dann nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Meine Frage: Kann ich der Mandantin neben den Nrn. 4100, 4104 VV RVG auch die Nr. 4141 VV RVG i.V.m. Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG  in Rechnung stellen. Schließlich ist das Verfahren durch meine „Mitwirkung“ nicht nur vorläufig eingestellt worden.

Ich habe geantwortet:

M.E. ist der Ansatz der Nr. 4141 VV RVG gegenüber der Mandantin möglich. Nach Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG steht die Gebühr auch dem Beistand oder Vertreter eines Nebenklägers oder Verletzten zu. Voraussetzung ist, dass „durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich“ geworden ist. Insoweit werden an die anwaltliche Tätigkeit aber keine hohen Anforderungen gestellt. Welche Tätigkeit der Rechtsanwalt erbringt, ist also unerheblich. Ausreichend ist jede zur Förderung der Einstellung geeignete Tätigkeit (BGH VRR 2010, 38 = RVGprofessionell 2010, 25 = AnwBl 2010, 140; VRR 2008, 438 = RVGprofessionell 2008, 205 = AGS 2008, 491 = RVGreport 2008, 431; OLG Stuttgart RVGprofessionell 2010, 119 = AGS 2010, 202 = RVGreport 2010, 263 = VRR 2010, 320). Die kann auch darin liegen, wenn die Mandantin über die strafrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens belehrt wird und nach Belehrung dann der Staatsanwaltschaft über die Falschangabe informiert wird. Führt das dann zur Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO, hat der Rechtsanwalt daran „mitgewirkt“. Der Fall ist vergleichbar dem, in dem der Verteidiger an der Rücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft mitgewirkt hat (vgl. dazu OLG Köln StraFo 2009, 175 = AGS 2009, 271 = RVGreport 2009, 348 = StRR 2010, 40).

Frage: Wie kann ich mich wehren? Antwort: Grds. gar nicht, oder: Häufig Probleme mit der Nichtanfechtbarkeit der Kostenentscheidung bei der Einstellung

Eine in der Praxis häufiger anzutreffende Konstellation hat der Entscheidung des OLG Oldenburg v. 02.07.2010 – 1 Ws 296/10 zugrunde gelegen.

Ein Verfahren wird nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, dem Angeklagten werden die Kosten der Nebenklägerin auferlegt. Frage: Wie kann er sich wehren? Antwort: Grds. gar nicht, da nach § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbs. StPO die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen nicht zulässig ist, wenn eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das ist bei der Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO der Fall.

Also: War es das? Grds. ja, nur hier hatte der Angeklagte Glück. Die nachteilige Kostenentscheidung darf natürlich nur nach Anhörung des Angeklagten ergehen. Anderenfalls ist das Verfahren fehlerhaft. Das OLG Oldenburg löst das jetzt über Nachholung des rechtlichen Gehörs und hat die Sache zurückgegeben. Andere Gerichte haben das nach Beschwerdegrundsätzen gelöst. Im Ergebnis ist es fast gleich, denn im Fall der Beschwerde könnte das Rechtsmittelgericht selbst entscheiden. Und das wäre hier von Vorteil für den Angeklagten gewesen, weil das OLG hier deutliche Worte zu der Kostenentscheidung des LG gefunden hat.