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Messdaten: In Bayern nicht, oder: Anderer Rechtskreis bzw. „mia san mia“

Poliscan Speed - RadarIn Bayern läuft hinsichtlich der Einsicht in die Messunterlagen nichts bzw. kaum was. Darauf hat schon vor einigen Tagen der Kollege Gratz im Verkehrsrechtsblog hingewiesen, als er den AG Würzburg, Beschl. v. 21.07.2016 – 262 OWi 962 Js 11069/16 – vorgestellt hat. Das AG hat den Antrag des Verteidigers auf Einsichtnahme in die digitale Messdatei (TUFF-Datei) durch deren Überlassung samt TOKEN-Datei und Passwort und einen Terminsverlegungsantrag des Verteidigers – mal wieder – als unbegründet abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt:

I.
Das Amtsgericht bestimmte nach Absprache mit dem Verteidiger am 27.06.2016 Hauptverhandlungstermin auf 08.08.2016. Die Ladung wurde am 05.07.2016 dem Verteidiger und dem Betroffenen zugestellt.

Am 19.07.2016 teilte der Verteidiger mit, dass der Betroffene ein Gutachten über die Messung in Auftrag gegeben habe. Daher beantragte der Verteidiger, den Hauptverhandlungstermin zu verlegen und ihm die TUFF-Datei, die TOKEN-Datei und das Passwortes zu übersenden.

II.
1. Der Antrag auf Überlassung der digitalen Messdatei ist unbegründet.

Ein Anspruch auf Überlassung der digitalen Messdatei folgt nicht aus dem in § 46 I OWiG i. V. m. § 147 I 1. Alt. StPO geregelten Akteneinsichtsrecht der Verteidigung, da die digitale Messdatei als solche nicht Bestandteil der dem Gericht vorliegenden Akten ist.

Damit kommt der digitalen Messdatei allenfalls die Funktion eines amtlich verwahrten Beweisstücks i. S. d. § 46 I OWiG i. V. m. § 147 I 2. Alt. StPO zu. Für ein solches bestünde allerdings nur ein Besichtigungsrecht am amtlichen (hier: polizeilichen) Verwahrungsort und gerade nicht auf Überlassung der gegebenenfalls kopierfähigen Messdatei und der entschlüsselten Rohmessdaten (Vgl. § 147 IV 1 StPO).

Auch aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 I,III b MRK) folgt kein entsprechender Anspruch, weil die Überprüfung der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung in der Beweisaufnahme erfolgen kann (OLG Bamberg, Beschluss vom 04.04.2016 – 3-Ss OWi 1444/15).

2. Der Antrag auf Terminsverlegung wird nach pflichtgemäßen Ermessen als unbegründet abgelehnt.

Dabei wurden namentlich der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung mit den Interessen der Beteiligten, hier dem Recht auf ein faires Verfahren abgewogen. Dabei überwiegt der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, denn die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung kann in der in Beweisaufnahme überprüft werden. Daher wird das Recht auf ein faires Verfahren durch die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags nicht verletzt.“

Dass das falsch ist, habe ich ja schon öfters dargelegt. Ich will das jetzt nicht alles wiederholen, man wird allmählich müde. Aber die AG (in Bayern) nicht. Warum auch? Sie können sich entspannt zurücklehnen. Denn sie brauchen noch nicht einmal die Aufhebung durch das zuständige OLG Bamberg zu fürchten. Das deckt diese Praxis mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3-Ss OWi 1444/15 (dazu:„Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei bei ESO 3.0). Und nicht nur das: Es hat jetzt noch einen „draufgesetzt“ im OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16, übrigens mal wieder mit einem vor Zitaten strotzenden amtlichen Leitsatz. In dem Beschluss, auf den ich noch zurückkomme, wird eine Vorlage an den BGH im Hinblick auf den OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16 (dazu: OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch) abgelehnt. Wer sich auf „Bewegung“ in der Rechtsprechung der OLG gefreut oder auf diese gehofft hat, wird enttäuscht. Es gilt eben: „mia san mia“ oder „anderer Rechtskreis“. Und was andere machen, interessiert uns wenig.

Manche lernen es nie I, oder: Warum will die Zentrale Bußgeldstelle „angewiesen“ werden?

entnommen wikimedia.org Urheber KarleHorn

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Der Kollege Katzorke aus Chemnitz hat mir den AG Prenzlau, Beschl. v. 22.08.2016 – 21 OWi 485/16 – übersandt. Er behandelt mal wieder die Frage der (Akten)Einsicht in Messdaten pp. im Bußgeldverfahren. Man sollte ja meinen, dass dazu alles gesagt ist, aber offenbar dann doch nicht bzw. die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg möchte es vom AG hören bzw. von dem „angewiesen“ werden. Man fragt sich, was das soll. Aber, wer nicht hören will, muss eben fühlen – ggf. bei den Kosten/Auslagen des Betroffenen, wenn das auch nicht viel ausmacht:

„1. Dem Betroffenen steht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich von Reparaturen, Wartungen, Eingriffen und ähnliches bei einem Messgerät nach der letzten Eichung vor dem Messtag zu, da sich hieraus möglicherweise Ansatzpunkte für etwaige Fehlfunktionen des Gerätes aufgrund von Defekten ergeben können, welche allein durch unversehrte Eichsiegel und Sicherungsmarken am Messtag nicht ausgeschlossen werden könnten (vgl. OLG Naumburg DAR 2016, 215). Insoweit ist die Polizei des Landes Brandenburg, welcher die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg zugeordnet ist, als Verwenderin des Messgerätes auch nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 Mess- und Eichgesetz verpflichtet, Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder-sonstige Eingriffe am Messgerät aufzubewahren.

Des Weiteren hat der Betroffene außerhalb der Hauptverhandlung einen Anspruch auf Einsicht in sämtliche Messdateien des Messgerätes von dem Messtag und der Messörtlichkeit. Zwar sind solche Messdateien, die ausschließlich andere Verkehrsteilnehmer betreffen, keine Bestandteile der Akte bezüglich des gegen den Betroffenen geführten Verfahren und handelt es sich auch nicht um amtlich verwahrte Beweisstücke (OLG Düsseldorf NJW-Spezial 2015, 586). Allerdings ist aus dem Gebot des fairen Verfahrens gegenüber der Bußgeldbehörde auch ein Anspruch auf Einsicht in diese Dateien gegeben, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder solche vorgetragen sind, weil jedenfalls nicht schlechthin auszuschließen ist, dass sich aus den anderen Daten Entlastungsmomente in Gestalt von möglichen Fehlfunktionen des Messgerätes ergeben könnten. Zwar hat die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg eine solche Einsichtnahme nicht abgelehnt, aber nur in den Räumen der Behörde selbst angeboten. Demgegenüber sind allerdings vorliegend im konkreten Fall aufgrund der Entfernung des Kanzleisitzes des Verteidigers zu den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg und dem dann mit einer dortigen Einsichtnahme durch den Verteidiger verbundenen Aufwand im Hinblick auf die doch gerade im Vergleich mit Strafverfahren geringere Bedeutung von Verkehrsordnungswidrigkeiten die Messdateien an den Verteidiger zu übersenden.“

Man könnte auch sagen: Manche lernen es nie, wenn man es liest.

OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch

© AKS- Fotolia.com

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Gerade frisch rein gekommen – dem Kollegen Ritter aus Laatzen herzlichen Dank für die Übersendung – ist der erfreuliche OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16, den ich dann auch schnell hier „veröffentlichen“ will. Erfreulich deshalb, weil das OLG Celle nun (ebenfalls) davon ausgeht, dass die Versagung der Messdaten nebst Token eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt. Und: Ferner muss der Betroffene bei der Begründung der Verfahrensrüge auch nicht darlegen, welche Anstrengungen er bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge vorgenommen hat, um in den Besitz der Daten zu kommen. Das hatten schon andere OLG auch so gesehen. Im Einzelnen:

„Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, da das angefochtene Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Soweit der Betroffene rügt, dass ihm die Messdaten nebst zugehörigem Token trotz entsprechenden Antrages nicht zur Verfügung gestellt worden sind, ist die Verfahrensrüge ordnungsgemäß erhoben worden, weil sie den Senat in die Lage versetzt, zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft. Denn die Rechtsbeschwerde führt aus, dass der Betroffene mehrfach beantragt hat, ihm die Messdatei zugänglich zu machen und dies weder durch die Verwaltungsbehörde noch durch das Gericht erfolgt ist. Dass der Betroffene im Rahmen der Verfahrensrüge nicht dargelegt hat, was er im Fall der Zugänglichmachung der Messdatei geltend gemacht hätte, steht der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen. Solche Ausführungen sind dem Betroffenen nicht möglich gewesen. Auch bedurfte es keiner weiteren Darlegung, welche Bemühungen der Betroffene bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge angestrengt hat, um in den Besitz dieser Datei zu gelangen. Zwar sind die insoweit geltenden Grundsätze bei begehrter Einsichtnahme in eine Bedienungsanleitung eines Messgerätes (vgl. dazu OLG Gelle, DAR 2013, 283; OLG Braunschweig ZfS 2014, 473; OLG Hamm, VRR 2013 (79); KG DAR 2013, 211) auch auf die Einsichtnahme in Rohmessdaten übertragbar (vgl. OLG Celle, Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 21. März 2016, 2 Ss (OWi) 77/16). Dies gilt jedoch nur für öffentlich zugängliche Quellen, wie sie etwa das Entschlüsselungsprogramm für die Auswertung von Rohmessdaten betrifft. Die Rohmessdaten selbst befinden sich jedoch im alleinigen Besitz der Verwaltungsbehörde, die ungeachtet einer Bitte des Betroffenen und bestätigt durch eine gerichtliche Entscheidung des Amtsgerichts im Vorverfahren nach § 62 OWiG die Herausgabe der Rohmessdaten dem Betroffenen verweigert hat, weshalb eine erneute Bitte unzumutbar und nicht erfolgversprechend erschien (vgl. OLG Oldenburg, DAR 2015, 406).

Ob die Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Hinweis darauf, der Beweisantrag gehe ins Blaue hinein, weil es für die Fehlerhaftigkeit der Messung keine Anhaltspunkte gebe, die Verletzung rechtlichen Gehörs begründet, konnte vorliegend dahingestellt bleiben. Denn bereits die Entscheidung, dem Betroffenen nicht die Möglichkeit einzuräumen, auf die Rohmessdaten zurückzugreifen, stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Auch wenn die Messdaten nicht Bestandteil der Verfahrensakte sind, müssen sie dem Betroffenen auf dessen Antrag zur Verfügung gestellt werden. Denn nur so wird der Betroffene in die Lage versetzt, die Messung auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Dass es sich bei der angewendeten Messmethode um ein standardisiertes Verfahren handelt, steht dem nicht entgegen. Gerade weil bei einer solchen Messmethode das erkennende Gericht nur zu einer weiteren Aufklärung und Darlegung verpflichtet ist, wenn sich Anzeichen für eine fehlerhafte Messung ergeben, muss dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet sein, solche Fehler substantiiert vortragen zu können. Hierfür ist er auf die Messdaten angewiesen. Werden diese zurückgehalten, liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vor (vgl. OLG Oldenburg a. a. O.; Cierniak, ZfS 2012, 664). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf diesem Mangel beruht.“

Ich war mir nicht so ganz sicher, welche Überschrift, ich wählen sollte. Zur Auswahl standen: Na bitte, geht doch, oder: Und sie bewegt sich doch…. 🙂 .

Akteneinsicht a la AG Kempten: Und ist die Verwaltungsbehörde nicht willig, gibt es die Akten zurück

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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Im Grunde genommen ist das (m.E.) mit der (Akten)Einsicht ganz einfach. Der Verteidiger/Betroffene hat einen Anspruch vollständige Akteneinsicht. Und wenn der nicht erfüllt wird, greifen dann eben die Regeln über das standardisierte Messverfahren nicht und das AG kann ggf. von § 69 Abs. 5 OWiG  Gebrauch machen. So jetzt vor kurzem auch das AG Kempten Allgäu in zwei Beschlüssen, die mir der Kollege Werne aus Memmingen übersandt hat, und zwar:

Zunächst der AG Kempten (Allgäu), Beschl. v. 29.01.2016 – 24 OWi 420 Js 1322/16, in dem es heißt:

„Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt – Zentrale VOWi-Stelle- wird angewiesen, dem Verteidiger vollständige Akteneinsicht zu gewähren. Dies schließt die Übersendung der Originalbilder der Messung des Betroffenen (tatsächliches, unbearbeitetes Originalbild), Originalbilddatei bei Digitalbildern (Rohformat), Printer- oder Hochglanzfoto mit allen vier Bildrändern ein.“

und als dann nichts passiert der AG Kempten (Allgäu), Beschl. v. 18.03.2016 – 24 OWi 420 Js 1322/16:

„Das Verfahren wird mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Kempten gemäß § 69 V1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen.

Gründe:

Mit Beschluss vom 29.1.2016 hat das AG Kempten das Bayrische Polizeiverwaltungsamt – Zentrale VOWi -Stelle- angewiesen, dem Verteidiger vollständige Akteneinsicht zu gewähren. Dies schließt die Übersendung der Originalbilder der Messung des Betroffenen (tatsächliches, unbearbeitetes Originalbild), Originalbilddatei bei Digitalbildern (Rohformat), Printer und Hochglanzfoto mit allen 4 Bildrändern ein. Dem ist das Polizeiverwaltungsamt nicht nachgekommen, sodass der dem Bußgeldbescheid zugrundeliegende Sachverhalt bisher nicht hinreichend aufgeklärt ist (§ 69 V OWiG).“

Jetzt wird es gefährlich. 🙂 Ähnlich übrigens der AG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 26.01.2016 – 13 OWi 516/15 (gefunden hier beim Kollegen Gratz Vom Saulus zum Paulus? AG Dessau-Roßlau ver­pflich­tet Behörde zur Herausgabe der ES 3.0-Messdaten).

Also: ist doch wirklich einfach, auch wenn manches OLG das anders sieht (vgl.„Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei).

Nachbereitung des Blitzermarathons – So wird im „wilden Süden“ entschlüsselt

Poliscan Speed - RadarDer gestrige Blitzmarathon ist vorbei und es hat dann doch sicherlich wieder den ein oder anderen Kraftfahrzeugführer erwischt, obwohl der Marathon angekündigt war und zum Teil auch die „Blitzerstellen“ vorab öffentlich gemacht worden sind. Ich hatte ja unter Wie bereite ich mich auf den Blitzmarathon vor? auf unser „Messungen-Buch“ hingewiesen. Wenn das noch nicht Vorbereitung genug ist/war – kann ja in dem ein oder anderen Fall sein :-), hier noch ein kleines Schmankerl, das ich vor einiger Zeit aus dem „wilden Süden“ erhalten habe. Quasi zur Nachbereitung.

Wir wissen:  Ein Messgerätehersteller legt Messdaten verschlüsselt ab. Wir kennen die Geschichte alle und kennen auch den Hersteller, der hier aber ungenannt bleiben soll.  Im „wilden Süden“ erhalten die Gerichte – zumindest wohl an einem AG – die Daten nach entsprechend nachdrücklicher Bitte gegen Erstattung des bloßen Aufwand nach dem JVEG bzw. umsonst/kostenlos.

Das entsprechende Schreiben ist mir zugespielt worden und, da nicht alle „Verkehrssünder“ rechtschutzversichert sind, sicherlich auch eine Sache, die für deren Verteidiger interessant ist. Daher hier dann die Aufforderung/Bitte bzw. der Hinweis, mit der/dem Mitarbeiter des Herstellers als Zeugen geladen werden:

Die vom technischen Sachverständigen pp. im Schreiben vom pppp. benannten Daten (Abstandsbestimmung, insb. Helligkeitsprofile sowie die Helligkeitsprofile insgesamt wie vom Gerät aufgenommen als auch die graphische Darstellung der korrelierten Kurven) werden im Klartext gerichtlich angefordert, § 95 StPO.

Sie sollen als Zeugen nötigenfalls eine Messdatei entschlüsseln, welche mit einem von Ihnen vertriebenen Gerät erstellt wurde. Hilfsweise haben Sie den hierzu befähigten Mitarbeiter zu benennen. Zudem sollen Sie in der Hauptverhandlung zu den eingesetzten Verschlüsselungsverfahren und den Gründen hierfür vernommen werden.

Ihre Einvernahme als Zeugen erledigt sich, wenn dem gerichtlichen Sachverständigen oder dem Amtsgericht Reutlingen die zur Auswertung der Messdatei erforderlichen Daten (insb. „Key-Dateien“, Session Keys, Zugangscodes, Rohdaten u.ä.) rechtzeitig vor dem Termin unmittelbar im Klartext zur Verfügung gestellt werden, gerne auch per (verschlüsselter, ZIP) E-Mail oder auf Datenträger.

Eine Entschädigung für den anfallenden Aufwand und die Einvernahme als Zeugen erfolgt alleine nach den Vorschriften des JVEG.

Sollte nur eine andere Person (z.B. Unternehmensangestellter der Fa pp. zur Aufbereitung oder „Entschlüsselung“ in der Lage sein, wofür das offenbar von Ihnen gegenüber dem Sachverständigen gemachte „Angebot“ spricht, bitte ich diese Person binnen einer Woche mit einer ladungsfähiger Anschrift beim Gericht vorab namhaft zu machen. Auch in diesem Falle wird sich die Vernehmung erübrigen.

Die (teilweise) verschlüsselten (Mess-)Daten wurden von der Stadt pp. am pp. bei der Verkehrsüberwachung hoheitlich erhoben und sind in der Gesamtheit Beweismittel im Bußgeldverfahren hier. Der gerichtliche Sachverständige und der Bußgeldrichter benötigen in der Datei enthaltene Informationen und Daten als Anknüpfungstatsachen in unverschlüsselter („Klartext“) Form für eine eigenständige, sachverständige Begutachtung des Messvorganges mit einem Gerät ppp. aus ihrem Hause.

Da die vorhandenen Daten (teilweise noch) verschlüsselt in der Messdatei abgelegt oder gespeichert sind, müssen diese von Ihnen gesondert zugänglich gemacht werden. Es ist davon auszugehen, dass alleine der Hersteller mit vertretbarem Aufwand hierzu in der Lage ist. Von der Einschaltung eines forensischen IT-Sachverständigen soll aus Kostengründen zunächst abgesehen werden.

Bitte beachten Sie unbedingt: Zur Meldung weitergehender strafprozessualer Zwangsmaßnahmen nach den §§ 94, 95 Abs. 1, 70; 98 StPO i.V.m. § 46 OWiG, nötigenfalls einer Beschlagnahme vor Ort in ppp, wird in jedem Falle, unbesehen möglicher Entschädigungsfragen nach dem JVEG, um die zeitnahe Überlassung eines entschlüsselten Datensatzes oder der zu einer Entschlüsselung notwendigen Daten anheimgestellt (zu den Pflichten eines Zeugen: Meyer-Goßner, StPO, 57. Auflage, § 95, Rz. 3a).

Weitere Vorgaben des vom Gericht bestellten Sachverständigen sind unverzüglich umzusetzen. Die Telefonnummer entnehmen Sie bitte dem Anschreiben des Sachverständigen ppp.

Die Herausgabe von Quellcodes, Firmware und technischen Dokumentationen o.ä. ist derzeit nicht Gegenstand der gerichtlichen Anforderung. Soweit Betriebsgeheimnisse im weiteren Sinne belegbar betroffen sind, werden diese auf Antrag gemäß den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes geschützt.

Bitte beachten Sie freundlich, dass urheberrechtliche, wettbewerbsrechtliche und zivilrechtliche Vorschriften (hierzu: AG Lüdinghausen, Beschluss vom 09.12.2012, Az:. 19 OWi 19/12) die Auswertung der beim verfahrensgegenständlichen Messvorgang erhobenen (Roh- )Daten durch das Gericht oder den Sachverständigen (hierzu umfangreich: Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 27.08.2014: 6 U 3/14) nicht berühren.

Eine „Zweite Ernte“ in Gestalt einer Aufwandsentschädigung von 450 EUR netto oder von „Lizenzgebühren“ o.ä., nach der bestimmungsgemäßen, amtlichen Erstellung einer Messdatei im Regelbetrieb einer von der Fa. pppp. vertriebene Messanlage, wird vom JVEG, der Strafprozessordnung und den Vorschriften des Urheberrechts nicht getragen, zumal technisch oder rechtlich nachvollziehbare Gründe für die dauerhafte Verschlüsselung von Messdaten beim behördlichen Endanwender nicht ersichtlich sind.

Soweit überhaupt Aufwendungen für die Bereitstellung der unverschlüsselten (Roh-)Daten, gemäß der gemachten Anforderungen des Sachverständigen (vgl. Anschreiben vom pppp. entstehen sollten, sind diese binnen 10 Tagen, mit einer Begründung, dem Gericht glaubhaft zu machen. Es wird freilich davon ausgegangen, dass hier lediglich die Herausgabe einer „Schlüsseldatei“ von wenige Byte Größe notwendig ist.

Auf § 7 Abs. II des Gesetzes über die „Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten“ darf allerdings hingewiesen werden:

„Für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz 2 genannten Kopien und Ausdrucke werden 1,50 Euro je Datei ersetzt. Für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente werden höchstens 5 Euro ersetzt.”

Im Übrigen gilt die Vorschrift des § 23 JVEG:

(2) Dritte, die aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Urkunden, sonstige Unterlagen oder andere Gegenstände vorlegen oder deren Inaugenscheinnahme dulden, sowie Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde

  1. Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1, § 98a der Strafprozessordnung) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden oder
  2. in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen Auskunft erteilen,

werden wie Zeugen entschädigt. Bedient sich der Dritte eines Arbeitnehmers oder einer anderen Person, werden ihm die Aufwendungen dafür (§ 7) im Rahmen des § 22 ersetzt; § 19 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.“

Charmant der Hinweis auf die „zweite Ernte“ und: Der Hinweis auf die Beschlagnahme geht ein wenig in Richtung des OLG Celle, Beschl. v. 26.03.2013 – 322 SsBs 377/12. Da hatte das OLG Celle (vgl. dazu Akteneinsicht a la OLG Celle: Hammer; oder: Verwaltungsbehörden zieht euch warm an. Durchsuchung bei euch droht!!) Ausführungen zur ggf. möglichen Beschlagnahme der Bedienungsanleitung gemacht, wenn die Verwaltungsbehörde die nicht „herausrückt“. Hier droht man dem Hersteller. Auch keine schlechte Idee :-).

So das war dann aber Vor- und Nachbereitung genug.

Ach so: Danke in den „wilden Süden“ für das Schmankerl. Die Anstiftung war erfolgreich 🙂 .