Gestritten worden ist dann um die Reisekosten Lübeck – München. Der Rechtsanwalt hat vorgetragen, dass er am 11.01.2022 um 9.00 Uhr mit seinem Pkw von Lübeck aus die Reise nach München angetreten habe. Sein beA habe er während Fahrt nicht kontrollieren können. In seiner Kanzlei sei niemand vor Ort gewesen. Eine Anreise am Verhandlungstag sei ihm wegen der Entfernung nicht zumutbar gewesen. Er habe daher erst nach seiner Ankunft von der Abladung erfahren.
Das LG München I hat die Klage abgewiesen. Begründung: Eigenes Verschulden des Rechtsanwalts. Denn:
„1. Nach § 839 BGB, Art. 34 GG haftet der Dienstherr eines Beamten für Schäden, die dieser durch schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht verursacht.
An der tatbestandlich erforderlichen Verletzung einer Amtspflicht fehlt es vorliegend bereits.
Zwar ist richtig, dass grundsätzlich die Beamten der Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen haben, dass den Verfahrensbeteiligten die Abladungsnachricht so rechtzeitig zugeht, dass sie davon noch vor der Anreise zum Termin Kenntnis nehmen können (OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2018, 1 U 1509/17; LG Stuttgart, NJW-RR 1989, 190; LG Hannover, NdsRpfl 1993, 192). Das ist vorliegend aber geschehen.
a) Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Terminsaufhebung ohne Verzögerungen beschlossen wurde. Die Information, dass der Termin mangels wirksamer Zustellung nicht wahrgenommen werden kann, stammte vom 10.01.2022, 15.30 Uhr. Der richterliche Beschluss stammt vom 11.01.2022 und wurde dem Klägervertreter unstreitig um 10.39 Uhr zugestellt.
Dass eine frühere Beschlussfassung bzw. ein früherer Versand möglich gewesen wäre und pflichtwidrig (und überdies schuldhaft) unterlassen wurde, ist klägerseits weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Demnach war eine frühere Information des Klägervertreters nicht möglich.
b) Eine Amtspflichtverletzung der Beamten des Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass der Klägervertreter nicht telefonisch über die Terminsaufhebung informiert wurde. Denn dies war nicht geboten.
Vielmehr konnten die Beschäftigten der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts ohne weiteres darauf vertrauen, dass den Klägervertreter die Nachricht von der Aufhebung des Termins unverzüglich, jedenfalls aber rechtzeitig erreicht.
Wie der Beklagte richtig ausführt, handelt es sich bei dem Versand mittels beA um die schnellstmögliche Übermittlungsmethode und zwar sogar unabhängig davon, ob der Klägervertreter in der Kanzlei weilt oder nicht. Denn beA ist auch mobil abrufbar und über eingehende Nachrichten kann beA bei Aktivierung dieser Funktion unmittelbar einen beliebigen E-Mail-Adressaten informieren.
Das blieb unstreitig.
Die Beschäftigten des Beklagten mussten nicht damit rechnen, dass
– der Klägervertreter für einen Termin am 12.01.2022 um 15.15 Uhr bereits am Vortag um 9.00 Uhr morgens abreist und außerdem
– die gesamte Kanzlei ab diesem Zeitpunkt verwaist ist und überdies
– der Klägervertreter für den Empfang einer mittels beA übermittelten Nachricht nicht gesorgt hatte.
Auch wenn die Distanz Lübeck – München nahezu durch die gesamte Republik führt, war es bereits fernliegend anzunehmen, der Klägervertreter würde für einen Termin um 15.15 Uhr bereits am Vortrag um 9.00 Uhr abreisen. Naheliegend wäre gewesen, dass der Klägervertreter eine Flugverbindung vom nahegelegenen Hamburg nach München am Terminstag wählt. Alternativ wäre zu erwarten gewesen, dass er eine Zugverbindung von Lübeck nach München wählt, die für ihn eine Abfahrt gegen 7.00 Uhr am Terminstag bedeutet hätte (hierauf hatte das Gericht hingewiesen). Selbst im Falle der Nutzung des eigenen Pkw wäre nicht zu erwarten gewesen, dass der Klägervertreter am Morgen des Vortages aufbricht. Ebenso wenig war für die Geschäftsstelle absehbar, dass die Kanzlei des Klägervertreters in dieser Zeit gänzlich verwaist war und weder eine Kanzleikraft noch er selbst (über einen mobilen Zugang) von eingehenden beA-Nachrichten Kenntnis erhält.
Die vom Kläger bemühte Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 18.04.2018, Az. 1 U 1509/17, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Entscheidung stammt aus einer Zeit vor Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches. Das Gericht hat entschieden, dass bei einer drei Tage vor dem Termin auf dem Postwege versandten Abladung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass diese (wie notwendig) den Anwalt noch am Vorabend des Termins erreiche. Nach Auffassung des OLG Dresden wäre eine Benachrichtigung per Telefon oder per Telefax notwendig gewesen, mithin ein Kommunikationsweg, der die sofortige Kenntnisnahme ermöglicht. Einen solchen Kommunikationsweg hatte das Arbeitsgericht München hier mit beA gerade gewählt und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsgericht unter jedem denkbaren Blickwinkel davon ausgehen durfte, dass den Klägervertreter die Nachricht möglichst rechtzeitig erreicht (siehe vorstehend).“
Nun ja, kann man so sehen, kann man aber auch anders sehen. Ich bin gespannt, was das OLG München dazu sagen wird. Denn es ist Berufung eingelegt.