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Rechtsmittel III: Zulässigkeit der Klageerzwingung, oder: Keine Bezugnahme oder bloße Einfügungen

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Und dann – seit längerem – mal wieder etas zum sog. Klageerwingungsantrag, und zwar den OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.07.2024 – 2 Ws 63/24 (S). Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg vom 14. März 2024 ist bereits unzulässig, denn er entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen.

Der Antrag teilt nicht das Datum des Zugangs des Bescheides der Staatsanwaltschaft Cottbus mit. Somit bleibt unklar, ob die dagegen unter dem 10. November 2023 eingelegte Beschwerde des Antragstellers rechtzeitig eingegangen ist.

Soweit der Antragsteller meint, der Umstand, dass die Generalstaatsanwaltschaft seine Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen habe, lasse auf die Zulässigkeit derselben schließen, trifft dies nicht zu. Der Senat hat vielmehr die Zulässigkeitsvoraussetzungen insgesamt selbst zu überprüfen, und zwar (zunächst) allein anhand der Antragsschrift (Senat, Beschluss vom 7. Februar 2017, Az.: 2 Ws (KE) 159/16; KG NStZ-RR 2016, 176; OLG Zweibrücken NJW 2022, 1693).

Die von dem Antragsteller herangezogenen abweichenden obergerichtliche Entscheidungen sind vereinzelt geblieben und geben dem Senat keine Veranlassung, von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen, die von der überwiegenden Anzahl der Oberlandesgerichte geteilt wird.

Ein Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO ist im Übrigen nur dann zulässig gestellt, wenn in ihm die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angegeben werden (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO). Nach der ständigen Rechtsprechung auch des Senats bedeutet dieses Formerfordernis, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhaltes enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage (§ 175 StPO) in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt, und dass die Sachdarstellung auch in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die behauptete Unrichtigkeit wiederzugeben hat. Dadurch soll der jeweils erkennende Senat in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen zu können. Der Antrag hat dazu die angebliche Tat, die zu ihrem Beweise heranzuziehenden Beweisergebnisse und Hilfstatsachen, den Gang des Verfahrens und der Ermittlungen, deren Ergebnis, die von dem Antragsteller angegriffenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaften und die zu ihrer Widerlegung geltend gemachten Gesichtspunkte und Erwägungen so wiederzugeben, dass über die Berechtigung des Antrages, abgesehen von der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Würdigung der im Ermittlungsverfahren erhobenen Beweise, ohne Rückgriff auf Akten, weitere Schriftstücke oder Anlagen entschieden werden kann (vgl. auch KG NStE Nr. 28 zu § 172 StPO; OLG Celle NStZ 1997, 406).

Eine Bezugnahme auf beigefügte Schriftstücke bedeutet eine Umgehung der Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, wenn erst durch die Kenntnisnahme vom Inhalt der Anlagen die erforderliche geschlossene Sachdarstellung erreicht wird (OLG Düsseldorf StV 1983, 498; KG NStE StPO § 172 Nr. 28). Nichts anderes gilt, wenn in Bezug genommene Anlagen oder Aktenbestandteile der Antragsschrift nicht beigefügt, sondern in der Weise in die Schrift eingefügt sind, dass ohne Kenntnisnahme der Einfügungen das Antragsvorbringen nicht verständlich ist (OLG Koblenz OLGSt StPO § 172 Nr. 15; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Celle NStZ 1997, 406; BerlVerfGH NJW 2004, 2728). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010, Az.: 2 Ws (KE) 156/10; Beschluss vom 16. November 2017, Az.: 2 Ws (KE) 156/17).

Letzteres ist hier der Fall.

Der Antrag umfasst insgesamt 66 Seiten. Davon beziehen sich gut 57 Seiten auf den zugrunde liegenden Sachverhalt und das Ermittlungsverfahren. Diese enthalten im Wesentlichen auf insgesamt etwa 50 Seiten wörtliche Einfügungen von Aktenbestandteilen, einschließlich der Strafanzeige, der Bescheide der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft, Schriftsätze sowie Zeugenvernehmungen, die durch kurze eigene Sätze verbunden sind. Bis dahin ist dem Antrag ohne Kenntnisnahme der eingefügten Schriftstücke das Begehren des Antragstellers und der Gang des Ermittlungsverfahrens nicht verständlich zu entnehmen. Anschließend folgt gut eine Seite mit rechtlichen Erwägungen.

Eine eigene, das Wesentliche zusammenfassende Schilderung und Würdigung des Sachverhaltes durch die Antragsteller (vgl. BerlVerfG a.a.O.) liegt damit nicht vor. Es ist nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, sich aus den eingefügten Aktenbestandteilen zusammenzustellen, was der Begründung des Antrages dienen könnte (OLG Düsseldorf a.a.O.; VRS 82, 37; KG a.a.O.).“

Nichts Neues, also nur ein „Reminder“.

Klageerzwingung II: Unterzeichnung des Antrags, oder: Hat ein „Rechtsanwalt“ unterzeichnet?

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Bamberg, Beschl. v. 08.06.2021 – 1 Ws 290/21 – geht es auch um die Formwirksamkeit eines Klageerzwingungsantrages. Hier war der Antrag vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unterzeichnet. Der war aber „nur“ Hochschullehrer und Strafverteidiger und nicht zugleich auch Rechtsanwalt. Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen.

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist bereits deshalb unzulässig, weil er entgegen § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet ist. Die Unterzeichnung des Antrags durch einen Strafverteidiger und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule, der, wie vorliegend, nicht gleichzeitig Rechtsanwalt ist, erfüllt das vorgenannte Formerfordernis nicht (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 172 Rn. 32; Müko/Kölbel StPO § 172 Rn. 50; SK/Wohlers StPO 5. Aufl. § 172 Rn. 57; Radtke/Hohmann/Kretschmer StPO § 172 Rn. 24; Gercke/Julius/Temming/Zöller StPO 6. Aufl. § 172 Rn. 19; LK/Graalmann-Scheerer StPO 27. Aufl. Rn. 141; vgl. auch KK/Moldenhauer StPO 8. Aufl. § 172 Rn. 33; BeckOK/Gorf StPO 39. Ed. [Stand: 01.01.2021] § 172 Rn. 15; a.A. Ladiges JR 2013, 295). Indem der Gesetzgeber klar zwischen den Begriffen „Rechtsanwalt“ und „Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule“ differenziert (§ 138 Abs. 1 StPO) und letzteren nur im Ausnahmefall, nämlich hinsichtlich der Möglichkeit als Verteidiger aufzutreten, einem Rechtsanwalt gleichstellt (§§ 138, 345 Abs. 2 StPO) lassen bereits Gesetzeswortlaut und Systematik des Gesetzes klar erkennen, dass ein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule nicht einem Rechtsanwalt im Sinne des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO gleichzusetzen ist. Soweit argumentiert wird, Zweck des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO sei es, offensichtlich aussichtslose Anträge von Rechtsunkundigen zu verhindern, weshalb der Schriftsatz eines Rechtslehrers an deutschen Hochschulen die Formvorschrift erfülle (Ladiges a.a.O.), vermag der Senat diesen Schluss nicht zu ziehen. Um seinen Zweck zu erreichen, knüpft das Gesetz die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags mit § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO gerade nicht an die bloße Rechtskundigkeit oder -unkundigkeit eines Unterzeichners, sondern stellt aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit auf ein formales, für alle Seiten leicht zu überprüfendes Kriterium (Rechtsanwaltseigenschaft) ab.“

Kleiner Grundkurs zum Klageerzwingungsantrag durch das OLG Celle

Es gibt im Strafverfahren kaum einen Bereich, in dem die Anforderungen der OLG so hoch sind, in dem aber auch so viel Fehler gemacht werden, wie bei der Begründung des sog. Klageerzwingungsantrags (§ 172 StPO).

Und das, obwohl die Kommentare und Hadnbücher voll sind von Anleitungen, wie man es richtig macht. Ein schönes Beispiel ist der Beschluss des OLG Celle v. 27.04.2010 – 2 Ws 102/10, der die Anforderungen, die zu beachten sind noch einmal mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zusammenfasst. Wer das alles beachtet, kann an sich nichts falsch machen.

OLG Frankfurt: Klageerzwingung gegen ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank verworfen

Der „Nachrichten-Dienst“ von LexisNexis meldete zum Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 21.04.2010 – 2 Ws 147/08:

Das OLG Frankfurt am Main hat mit Beschluss den Antrag auf Klageerzwingung des Ehepaars K., der K.Media GmbH & Co. KGaA sowie der P.Beteiligungs GmbH (Antragsteller) gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Ermittlungen gegen den ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank einzustellen, als unzulässig verworfen.

Hintergrund des Klageerzwingungsverfahrens ist ein Interview des Beschuldigten in seiner Funktion als damaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank am 03.02.2002 in New York mit dem Nachrichtensender Bloomberg TV, in dem er sich über die finanzielle Situation der K.Gruppe äußerte. Die K.Gruppe war danach in finanzielle Schwierigkeiten geraten; im Juni 2002 wurde schließlich das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Antragsteller vertreten in ihren Strafanzeigen gegen den Beschuldigten die Ansicht, dass dieser mit seinen Äußerungen in dem Interview erreicht habe, dass die K.Gruppe in der Folge nicht mehr in der Lage gewesen sei, zu den vorher existierenden Bedingungen weiteres Kapital aufzunehmen oder bestehende Kredite zu verlängern. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte das auf die Anzeigen eingeleitete Ermittlungsverfahren im September 2007 eingestellt. Die hiergegen gerichteten Beschwerden hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Juli 2008 verworfen. Hiergegen richtet sich der – nun beschiedene – von den Antragstellern gestellte Klageerzwingungsantrag.

In seiner Entscheidung hält der zuständige 2. Strafsenat des OLG das Klageerzwingungsbegehren nur in Bezug auf Herrn K. für statthaft. Das Begehren von Frau K., der P.Beteiligungs GmbH und der K.Media GmbH & Co. KGaA sei bereits unstatthaft, weil diese durch die vorausgegangenen Entscheidungen gar nicht beschwert seien. Entweder hätten sie nämlich ursprünglich keine Anzeige erstattet oder sich nicht gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft gewendet. Der Klageerzwingungsantrag von Herrn K. sei zwar statthaft, im Ergebnis jedoch unzulässig, weil er nicht Verletzter der vorgeworfenen Tathandlungen sei. So sei das dem Beschuldigten zur Last gelegte Vergehen der unbefugten Offenbarung von Angaben über Millionenkredite (§ 55 b KWG) schon im Zeitpunkt der Antragstellung verjährt gewesen. Im Übrigen sei Herr K. nicht in eigener Person, sondern allenfalls die K.Gruppe Verletzte im Sinne dieser Vorschrift.

Das Gleiche gelte für den Vorwurf der Kreditverleumdung (§ 187 StGB), der unbefugten Verwertung von Angaben über Millionenkredite (§ 55 a KWG), des Verrates von Geschäftsgeheimnissen (§ 17 UWG) sowie für eine mögliche Untreue des Beschuldigten zum Nachteil von Gesellschaften der K.Gruppe. Etwaige Vermögensbetreuungspflichten der Deutschen Bank umfassten von ihrem Schutzbereich her nicht Herrn K. persönlich, sondern allenfalls die jeweiligen Unternehmen der K.Gruppe als eigenständige juristische Personen. Träger der durch den Untreuetatbestand geschützten Vermögensinteressen seien diese juristischen Personen selbst, auch wenn Herr K. die hinter der K.Gruppe stehende natürliche Person sei.

Soweit schließlich der Vorwurf erhoben werde, der Beschuldigte habe sich durch die Äußerungen in dem Interview einer üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder einer Kreditgefährdung (§ 187 Alt. 2 StGB) zum Nachteil des Herrn K. selbst schuldig gemacht, handele es sich um Delikte, die Herr K. im Wege der Privatklage weiterverfolgen könne (§ 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO).“

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 21.04.2010