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KCanG I: Gesetzesänderung nach Berufungs-Urteil, oder: Schuldspruchänderung und mildere Strafe

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Und heute dann mal wieder KCanG. Es haben sich einige Entscheidungen angesammelt, nichts Besonderes, aber ich stelle sie der Vollständigkeite halber dann doch vor.

Hier kommt dann zunächst der KG, Beschl. v. 17.05.2024 – 3 ORs 32/24 – schon etwas älter, aber er ist jetzt erst „geliefert“ worden. Es geh noch einmal um eine Schuldspruchänderung bei Gesetzesänderung nach Berufungsentscheidung.

Das AG hat den Angeklagten mit Urteil vom 30.11.2022 unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen gemäß §§ 1 Abs. 3, 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die vom Angeklagten eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Urteil vom 28.08.2023 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte pp. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Dagegen nun die Revision, über die dann das KG entschieden hat. Das KG hat das angefochtene Urteil im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen (§§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, 53 StGB) verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben und dann zurückverwiesen.

Hier reichen nur die Leitsätze zu der Entscheidung, nämlich:

1. Im Verhältnis zu § 29 Abs. 3 BtMG ist § 34 Abs. 3 BtMG das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.

2. Eine Gesetzesänderung ist in jeder Lage des Verfahrens – vom Revisionsgericht jedenfalls auf die allgemeine Sachrüge – zu berücksichtigen.

3. Ist eine den Angeklagten im anzuwendenden Strafrahmen begünstigende Rechtsänderung nach Erlass des Berufungsurteils eingetreten, führt dies zur Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung.

4. Da das mildere Gesetz als Ganzes anzuwenden ist, führt dies – auch im Falle einer an sich nach § 318 StPO wirksamen Beschränkung der Berufung – zur Aufhebung Schuldspruchs.

5. Im Falle einer wirksamen Berufungsbeschränkung kann der Schuldspruch durch das Revisionsgericht neu gefasst werden.

Kessel

KCanG II: „Kessel Buntes“ vom LG, AG und VG, oder: Funkzellenabfrage, Mietverhältnis, Erkennungsdienst

Kessel

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Und dann im zweiten Posting ein „Kessel Buntes“ zum KCanG, nämlich eine LG-, eine AG und eine VG-Entscheidun. Im Einzelnen:

Der Anordnung steht einer Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO steht nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat im Sinne des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt, da eine solche Katalogtat für eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO nicht erforderlich ist. (Anschluss an: LG Hamburg, Beschl. v. 06.06.2024 – 621 Qs 32/24; entgegen: BGH, Beschl. v. 10.01.2024 – 2 StR 171/23).

Eine Kündigungsgrund kann auch nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetz – KCanG – grundsätzlich dann gegeben sein, wenn der Bereich der eigenen Wohnung durch die Auswirkungen des Cannabiskonsum überschritten wird, da insofern dann ein Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und damit eine erhebliche Störung des Hausfriedens in Betracht kommt (§ 241 Abs. 2, § 535, § 543 Abs. 1, § 549, § 569 Abs. 2, § 573, § 573c, § 574, § 574a BGB unter Beachtung des KCanG).

Zu den Auswirkungen der Neuregelungen des KCanG auf die für eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. StPO erforderliche Gefahrenprognose.

KCanG I: nicht geringe Menge, Gesamt-, Eigenmenge, oder: BGH-Vorlage an den Großen Senat

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Und in die 38 KW starte ich mit einigen Entscheidungen zum KCanG. Ein wenig hat sich „angesammelt“. Und zwar haben wir da:

„aa) Die Handelsmenge Cannabis von rund 614 Gramm besaß nach den Urteilsfeststellungen einen Wirkstoffgehalt von 124 Gramm THC und beläuft sich damit annähernd auf das 17-fache der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG, die bei 7,5 Gramm liegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 Rn. 7; vom 27. Mai 2024 – 1 StR 145/24 Rn. 12; vom 6. Mai 2024 – 2 StR 480/23 Rn. 27; vom 15. Mai 2024 – 2 StR 177/24 Rn. 3; vom 14. Mai 2024 – 3 StR 115/24 Rn. 9; vom 6. Mai 2024 – 4 StR 5/24 Rn. 10; vom 4. Juni 2024 – 4 StR 111/24 Rn. 5; vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 11; vom 24. April 2024 – 5 StR 136/24 Rn. 3 und vom 30. April 2024 – 6 StR 536/23 Rn. 21).

Bedenken dahin, dass es dem Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG wie auch der Strafzumessungsregel in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, die nach ihrem Wortlaut wie § 29a BtMG als normatives Tatbestandsmerkmal eine „nicht geringe Menge“ voraussetzen, an der gemäß Art. 103 Abs. 2 GG erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit fehlen könnte (so wohl Gärditz, JZ 2024, 564, 565 ff.), hat der Senat nicht (vgl. BVerfGE 126, 170, 194 ff.; 143, 38 Rn. 41; 160, 284 Rn. 90 ff.). Denn der konkretisierungsbedürftige Begriff der „nicht geringen Menge“ hat aufgrund der seit Jahrzehnten gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §§ 29a ff. BtMG eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewonnen.“

  • BGH, Beschl. v. 01.08.2024 – 2 StR 107/24 – mit der Vorlage zu den Fragen, wie beim „gemischten Handeln“ aus der „Gesamtmenge“ die für den Eigenkonszm bestimmte Menge herauszurechnen ist und der ähnlichen Problematik bei der Einziehung:

Dem Großen Senat für Strafsachen sind gemäß § 132 Abs. 4 GVG folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt worden:

1. Kommt es für die Beurteilung der Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) und Buchstabe b) KCanG in Fällen, in denen vorrätig gehaltenes Cannabis sowohl zum Handeltreiben als auch für den Eigenkonsum bestimmt ist, auf die Gesamtmenge an, oder ist die dem Eigenkonsum dienende Teilmenge gesondert zu betrachten?

2. Muss bei einer auf § 37 KCanG gestützten Einziehung eine dem Eigenkonsum dienende und die Grenzen des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG oder des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) und Buchstabe b) KCanG nicht übersteigende Cannabismenge stets ausgenommen werden?

1. Bei der konkreten Strafzumessung darf nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Gesamtmenge des besessenen Cannabis (und dementsprechend auch nicht die Gesamtwirkstoffmenge) ohne Abzug der zum Eigenkonsum erlaubten Menge nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.

2. Es bestehen Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bzgl. des Abzugs der erlaubterweise besitzbaren Cannabismenge von der Gesamtmenge bei der Beurteilung, ob ein besonders schwerer Fall i. S. v. § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG vorliegt, weil sie sich nicht verwerfungsfrei in die weitere Rechtsprechung zum Grenzwert für die nicht geringe Menge von Cannabis und zur Einziehung von Cannabis einreiht.

 

 

 

KCanG: Entziehung der FE wegen Cannabiskonsums?, oder: Folgen des KCanG für das Fahrererlaubnisrecht

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Im zweiten Posting habe ich dann hier den OVG Saarland, Beschl. v. 07.08.2024 – 1 B 80/24 – zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsum nach neuem Recht. Ja, an sich ist das „Kessel Buntes“, aber wegen des Sachzusammenhangs dann heute hier

Folgender Sachverhalt: Gestritten wird im Verfahren wegen vorläufigen Rechtsschutzes um die Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Antragsteller ist angestellter Fahrlehrer. Während einer praktischen Fahrstunde, die der Antragsteller einem Fahrschüler als Beifahrer erteilte, erfolgte eine Verkehrskontrolle. Ausweislich des Polizeiberichts gab der Antragsteller auf entsprechende Nachfrage an, Betäubungsmittel zu konsumieren. Es wurden verschiedene in einem Bericht aufgeführte Auffälligkeiten und Ausfallerscheinungen festgestellt; der Antragsteller händigte den Beamten eine Blechdose mit Konsumutensilien und ca. 0,7 g Marihuana aus, die er im Handschuhfach des Fahrzeugs deponiert hatte. Eine auf freiwilliger Basis um 11.30 Uhr durchgeführte Blutentnahme ergab 11 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum, 5,6 ng/ml Hydroxy-Tetrahydrocannabinol (THC-OH) und ca. 200 ng/ml Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC-COOH). Nach der Beurteilung des Instituts für Rechtsmedizin spricht das THC-Ergebnis dafür, dass der Antragsteller in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang mit der Blutentnahme Cannabis konsumiert hatte, und lag die festgestellte Konzentration von THC-Carbonsäure deutlich in dem Bereich, der üblicherweise bei regelmäßigem bzw. chronischem Konsum vorgefunden wird. Aus forensisch toxikologischer und rechtsmedizinischer Sicht sei von drogenbedingter Fahruntüchtigkeit zum Vorfallzeitpunkt auszugehen.

Mit Verfügung vom 04.03.2024 hat der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis wegen regelmäßigen Cannabiskonsums unter Anordnung der sofortigen Vollziehung entzogen. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben, Den zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das VG zurückgewiesen. Die Beschwerde beim OVG ist erfolglos geblieben.

Das OVG macht in seinem Beschluss allgemeine Ausführungen zu den Auswirkungen des KCanG auf die Praxis der Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar;

„Die zulässige Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist unbegründet.

1. Der streitgegenständliche Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass die angegriffene Verfügung vom 4.3.2024 auf der Grundlage des bis zum 1.3.2024 geltenden (alten) Fahrerlaubnisrechts ergangen ist, der Widerspruch und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unter dem Datum 4.4.2024, also nach Inkrafttreten der teilweise, nämlich in Bezug auf den Umgang mit Cannabis, geänderten Fahrerlaubnisverordnung1 datieren und die Widerspruchsentscheidung – soweit ersichtlich – noch aussteht.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung durch den Senat ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.2 Dies ist derzeit die behördliche Entziehungsverfügung, die Widerspruchsbehörde wird ihrer Entscheidung das am 1.4.2024 in Kraft getretene neue Recht zugrunde legen müssen. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat sie, da kein Fall des § 8 Abs. 2 AGVwGO SL (Beschränkung der Nachprüfung auf die Rechtmäßigkeit) vorliegt, die Recht- und Zweckmäßigkeit der Entziehungsverfügung zu überprüfen. Ihr steht, da sie insoweit an die Stelle der Ausgangsbehörde tritt, dieselbe Prüfungskompetenz (mit der damit einhergehenden Prüfungspflicht) wie der Ausgangsbehörde zu. Ausgehend von dem Zweck des Widerspruchsverfahrens, der Verwaltung eine Selbstkontrolle zu ermöglichen, hat die Widerspruchsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt, soweit – wie hier – gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer uneingeschränkten Überprüfung zu unterziehen, welche mit der durch den Devolutiveffekt der Nichtabhilfeentscheidung nach § 72 VwGO begründeten umfassenden Sachentscheidungsbefugnis verbunden ist, den Ursprungsbescheid zu ändern, zu ergänzen, aufzuheben oder zu ersetzen. Ihre Entscheidung bildet den nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für eine spätere verwaltungsgerichtliche Überprüfung im Hauptsacheverfahren maßgeblichen Abschluss des Verfahrens der Exekutive. Aus alldem ergibt sich zwingend, dass die Widerspruchsbehörde eigenständig zu prüfen hat, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die im angefochtenen Ausgangsbescheid ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen, und dass sie – bei bestehenden Unklarheiten – eine für die Entscheidung hierüber noch erforderliche Sachverhaltsaufklärung betreiben muss.3

Diese abschließende Entscheidung der Exekutive darüber, ob der verfahrensgegenständliche Sach- und Streitstand gemessen an dem seit dem 1.4.2024 geltenden Fahrerlaubnisrecht in Anwendung von § 13 a Nr. 1 oder Nr. 2 lit. a Alt. 2 FeV n.F. Veranlassung zur Anordnung der Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens gibt, gegebenenfalls ob eine solche Anordnung ausnahmsweise – so der Antragsgegner – mangels Aussicht auf eine erfolgreiche Untersuchung unterbleiben kann, oder etwa ob – so das Verwaltungsgericht – gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Nichteignung ohne vorherige Untersuchungsanordnung als feststehend anzusehen ist, steht vorliegend noch aus.

Der Antragsgegner hat sich im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren dahin positioniert, dass seine Verfügung mit anderer – an der neuen Konzeption der Fahrerlaubnisverordnung ausgerichteter – Begründung (Cannabismissbrauch) keinen Rechtmäßigkeitsbedenken unterliege. Er ist als Ausgangsbehörde gemäß § 72 VwGO zur Selbstkontrolle verpflichtet und von daher zu einer Nachbesserung der Begründung seiner Verfügung befugt4; nach Eintritt des Devolutiveffekts5 wird die Widerspruchsbehörde – das behördliche Verfahren abschließend – über das Vorliegen der Voraussetzungen der geänderten Vorgaben des Fahrerlaubnisrechts zu entscheiden haben.6

Da die Einführung neuen Rechts typischerweise mit Auslegungs- und Anwendungsproblemen einhergeht, erscheint an dieser Stelle ein Blick auf die Rechts-änderung und das neue Normgefüge angezeigt.

Nach alter Rechtslage war die Fahrerlaubnis bei regelmäßigem Cannabiskonsum zu entziehen und bei gelegentlichem Konsum war entscheidend, ob ein hinlängliches Trennungsvermögen besteht, was nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV a.F. durch Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung abgeklärt werden konnte. Das neue Recht unterscheidet zwischen Cannabisabhängigkeit, Cannabismissbrauch und einem fahrerlaubnisrechtlich unbedenklichen Cannabiskonsum, der nach Vorstellung des Normgebers gelegentlich oder regelmäßig erfolgen kann. Der Normgeber hat damit Neuland betreten, was sich für die Fahrerlaubnisbehörden, die Gerichte und die Begutachtungsstellen durchaus als Herausforderung darstellt7, zumal eine Anpassung der Beurteilungsleitlinien an die neuen Vorgaben (noch) nicht erfolgt ist.8

Mit der Neuregelung hat der Normgeber seine bisherige Annahme, dass mit einem regelmäßigen Konsum im Regelfall mangelnde Kraftfahreignung einhergeht, aufgegeben. Der bisherigen Regelvermutung der Ungeeignetheit gemäß Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien ist damit jedenfalls in ihrer bisherigen Ausgestaltung die Grundlage entzogen. Zutreffend stellt das Verwaltungsgericht fest, dass aus der Gesetzesbegründung nicht hervorgeht, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene nicht hinreichend sicher zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeugs und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum trennt. Insoweit drängt sich auf, dass bei regelmäßigem Konsum nunmehr die Umstände des Einzelfalls von zentraler Bedeutung sind und anhand ihrer zu beurteilen ist, ob der Tatbestand des Missbrauchs bzw. der Abhängigkeit erfüllt ist oder ein fahrerlaubnisrechtlich unbedenkliches Konsumverhalten vorliegt. Das auf die alten Beurteilungsleitlinien gestützte Argument, bei regelmäßigem Cannabiskonsum liege im Regelfall Cannabismissbrauch vor, hat demgegenüber das Potential, den Willen des Normgebers zu konterkarieren.

Bei alldem ist zudem zu sehen, dass die Beibringung eines Gutachtens nach alter wie nach neuer Rechtslage nicht auferlegt werden durfte bzw. darf, wenn ohnehin bereits feststeht, dass Kraftfahrungeeignetheit gegeben ist, um den Betroffenen nicht zusätzlich in seinem Persönlichkeitsrecht zu belasten, es ihn aber andererseits in seinen Rechten verletzen würde, wenn die Fahrerlaubnis zu Unrecht entzogen wird, weil die Behörde ihre Überzeugung aufgrund unzutreffender Maßstäbe getroffen hat.

Hieraus ist zu schlussfolgern, dass die Überzeugung mangelnden Trennungsvermögens anhand objektiv nachvollziehbarer und wissenschaftlich gesicherter Kriterien gewonnen werden muss. Es bedarf handhabbarer Kriterien für die erforderliche Abschichtung und die Prognose künftig bestehenden oder fehlenden Trennungsvermögens; die Erarbeitung dieser Kriterien und Leitlinien setzt die Auswertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und entsprechenden Sachverstand, insbesondere medizinisches und psychologisches Wissen, voraus und insoweit kommen die Behörden und Gerichte schwerlich als Vorreiter in Frage. Unter welchen Voraussetzungen die Fahrerlaubnisbehörde im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV zu der Überzeugung gelangen kann, dass die Nichteignung ohne vorherige Begutachtung feststeht, kann nicht losgelöst von alldem beurteilt werden.“

Rest dann bitte ggf. selbst lesen. Ich habe zudem davon abgesehen, die in o.a. Auszug enthaltenen Fußnoten aufzulösen. Wer die Belegstellen braucht: Bitte im Volltext nachlesen.

KCan I: Neufestsetzung von Strafe und Bewährung, oder: Verwertung von „alten“ ANOM-Daten

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In die 35 KW. geht es dann mit KCanG-Entscheidungen. Allerdings habe ich heute nicht ganz so viel wie sonst. Das verwundert sicherlich, wenn man die Homepage des BGH im Auge hat und verfolgt, was sich dort zu den Fragen tut. Derzeit gibt es reichlich Entscheidungen des BGH, allerdings letztlich immer zu denselben Fragen, wie vor allem: Milderes Gesetz und Neufestsetzung der Strafe. Die kann man nicht alle vorstellen. Ich stelle hier heute allerdings auch einige Entscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe vor.

Im Einzelnen:

Der OLG Schleswig, Beschl. v. 01.08.2024 – 1 Ws 123/24 äußert sich noch einmal zur Zuständigkeit für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB mit folgendem Leitsatz:

1. Für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist das erkennende Gericht zuständig.
2. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern folgt nicht aus der Verweisung in Art. 313 Abs. 5 EGStGB, da § 462a StPO auch nach der Einführung des Konsumcannabisgesetzes von dieser Verweisung nicht erfasst wird.

Auch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 Ws 101/24 – nimmt zur Frage der Neufestsetzung der Strafe Stellung, und zwar im Hinblick auf Strafaussetzung zur Bewährung:

Eine nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB veranlasste Neufestsetzung der Strafe erfordert bei Festsetzung einer aussetzungsfähigen Strafe auch eine neue Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung.

Und dann habe ich den AG Mannheim, Beschl. v. 06.08.2024 – 2 Ls 302 Js 14819/21 -, auch zur Neufestsetzung mit folgendem Leitsatz:

Mit der Formulierung „zugleich“ in Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist (lediglich) Tateinheit, nicht aber Handlungseinheit gemeint.

Und dann noch etwas Verfahrensrechtliches, und zwar mal wieder Verwertbarkeit von Daten, die durch die Überwachung von Messengerdiensten vor dem 01.04.2024 gewonnenen worden sind, nach dem 01.04.2024 – Stichwort: Katalogtat. Dazu äußert sich der OLG Saarbrücken, Beschl. v.  13.08.2024 – 1 Ws 152/24:

    1. Die Verwertbarkeit von Daten, die über den Kryptomessengerdienst ANOM gewonnen wurden, richtet sich nach denselben Grundsätzen (BGHSt 67, 29) wie die Verwertbarkeit von Daten des Anbieters EncroChat.
    2. Die Daten dürfen in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, aufgrund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Die Straftat muss auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein.
    3. Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen ist auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse abzustellen. Liegt demnach aufgrund der zum 1.4.2024 durch das Cannabisgesetz in Kraft getretenen Neuregelungen zum Verwertungszeitpunkt keine Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO mehr vor, scheidet die Verwertbarkeit der ANOM-Chatprotokolle aus und dürfen diese zur Begründung eines dringenden Tatverdachts nicht herangezogen werden.