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KCanG III: Ggf. mildere Strafe nach dem KCanG, oder: Reicht das für eine Halbstrafenaussetzung?

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Und da ja aller guten Dinge drei sind, gibt es natürlich heute auch ein drittes Posting. In dem stelle ich den OLG Schleswig, Beschl. v. 02.12.2024 – 2 Ws 145/24, vor, der sich zur Halbstrafenaussetzung nach § 57 StGB im Hinblick auf eine ggf. mildere Strafe nach dem KCanG äußert. Hier die Leitsätze:

1. Im Rahmen der nach § 57 Abs. 1 StGB und nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt dem Unrechtsgehalt der begangenen Tat Bedeutung für die künftige Sozial- und Legalprognose bei der Fragestellung zu, welche Taten mit welchem Unrechtsgehalt der Verurteilte nach Haftentlassung begehen könnte.

2. In diesem Rahmen kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass nach § 34 KCanG zu bestrafende künftige Taten einen geringeren Unrechtsgehalt aufweisen als die früheren Verurteilungen auf der Grundlage des BtMG. Für eine nachträgliche Korrektur des Strafmaßes einer auf der Grundlage des BtMG erfolgten Verurteilung ist allerdings außerhalb des Anwendungsbereichs der Art. 316 p, 313 StGB kein Raum.

3. Die Wahrscheinlichkeit einer bei Geltung des KCanG milderen Verurteilung ist kein besonderer Umstand im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Anschluss an OLG Celle, Beschluss vom 12. Juni 2024 – 2 Ws 137/24).

KCanG II: Beschränkte Berufung in der Revision, oder: Zuständigkeit für Neufestsetzung der Strafe

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Im zweiten Posting dann zwei verfahrensrechtliche Entscheidungen zum KCanG, und zwar:

Das OLG Frankfurt am Main hat im OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.11.2024 – 1 ORs 38/24 – Stellung genommen zum Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das BtMG wegen Taten, die nunmehr dem KCanG unterfallen und Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung:

„Der revisionsrechtlichen Prüfung unterliegt allein die Frage der Strafaussetzung.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft und der Zurücknahme seiner Berufung durch den Angeklagten sind Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig geworden. Daran ändert es entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft nichts, dass am 1. April 2024 das Konsumcannabisgesetz in Kraft getreten ist und der Angeklagte auch wegen Taten verurteilt worden ist, deren Strafbarkeit sich nun nicht mehr nur nach dem Betäubungsmittelgesetz, sondern auch nach dem (milderen) Konsumcannabisgesetz richten würde.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einem auf den Strafausspruch beschränkten Rechtsmittel im Falle einer Gesetzesänderung das mildere Recht (§ 2 Abs. 3 StGB) durch das Revisionsgericht nur dann zu berücksichtigen, wenn die Einzelstrafen angegriffen sind. Rechtskräftige Einzelstrafen behalten demgegenüber ihre eigenständige Bedeutung, wenn nur der Gesamtstrafenausspruch angefochten ist (BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24 m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat zwar die Aufhebung einer rechtskräftig verhängten Strafe unter Neufassung des Schuldspruchs gemäß § 354a StPO auch dann für geboten erachtet, wenn – wie hier – Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig waren und der Rechtsmittelangriff lediglich die Frage der Strafaussetzung betraf (BGHSt 26, 1). Dem lag aber die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 313 Abs. 1 und 3 EGStGB zugrunde. Anders verhält es sich hier. Das abgeurteilte Verhalten des Angeklagten ist, soweit es den Umgang mit Cannabis betrifft, weiterhin strafbar (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG). Die Übergangsvorschrift im Zusammenhang mit dem Konsumcannabisgesetz (Art. 316p EGStGB) verweist aber nur für solche Fälle auf Art. 313 EGStGB, die nach neuem Recht weder strafbar, noch bußgeldbewehrt sind (BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. August 1977 – 1 StR 390/77).

Die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 2024 aufgestellten Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats erst Recht, wenn – wie hier – nicht einmal der Gesamtstrafenausspruch, sondern nur die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung angegriffen ist.

Angesichts dieser Rechtslage ist auch eine Änderung oder Klarstellung des Schuldspruchs nicht veranlasst (siehe BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24).“

Und dann noch der OLG Koblenz, Beschl. v. 20.11.2024 – 6 Ws 547/24. Danach ist für Entscheidungen nach Art. 316p iVm. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB stets das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig.

KCanG I: BGH und das TB-Merkmal des „Anbaus“, oder: Tapferes AG Aschersleben zur nicht geringen Menge

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Heute gibt es hier dann ein paar Entscheidungen zum KCanG.

Zunächst kommen hier dann zwei zum sog. materiellen Recht, und zwar eine vom BGH und eine von einem AG.

Der BGH, Beschl. v. 31.7.2024 – 2 StR 204/24 – äußert sich zur Tathandlung des „Anbaus“ unter Geltung des KCanG, und zwar wie folgt:

Die in § 34 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KCanG beschriebene Tathandlung des „Anbaus“ ist grundsätzlich wie im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes auszulegen. Demnach umfasst der Anbau von Cannabispflanzen in Form der Aufzucht sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um ein Wachstum der Pflanzen zu erreichen. Hierzu zählen etwa das Bewässern, Düngen und Belichten.

Und dann das AG Aschersleben, Urt. v. 24.09.2024 – 2 Ds 69/24 – zur „nicht geringen Menge“:

1. Die Auslegung der nicht geringe Menge in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG gebietet aufgrund der Gesetzesbegründung zum CanG eine vom vormaligen Grenzwert von 7,5 g THC abweichenden Grenzwert.

2. Die nicht geringe Menge in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG beträgt 37,5 g THC und orientiert sich an der fünffachen Menge der bei einer erlaubten Besitzmenge von 50 g und einem durchschnittlichen THC-Gehalt von 15 % auftretenden Wirkstoffmenge THC.

Tapfer, tapfer das AG – es wird sich nur nichts (mehr) bewegen.

KCanG II: Verwertung „alter“ Überwachungsdaten, oder: Bewährung bei Neufestsetzung der Strafe?

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Und im zweiten KCanG-Posting des Tages dann drei Entscheidungen aus der Instanz, und zwar zum Verfahrensrecht. Die beiden OLG Entscheidungen befassen sich noch einmal mit der Verwertung „alter“ Erkenntnisse aus der Überwachung von Messenger-Diensten unter Geltung des KCanG. Die LG Entscheidung befasst sich mit der Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG.

Hier sind:

Soweit einige Obergerichte unter Anwendung der Encro-Chat-Rechtsprechung des BGH aufgestellten Grundsätze die Zulässigkeit der Verwertung von Daten aus Kryptierdiensten beim Vorliegen von „nur“ Vergehen, auch bei Verwirklichung besonders schwerer Fälle, nach dem KCanG verneint, da der seitens des BGH fruchtbar gemachte Schutzbereich von §§ 100e Abs. 6, 100b StPO insoweit mangels Vorliegens von Katalogtaten nicht (mehr) eröffnet sei, tritt der Senat dieser Rechtsprechung nicht bei. Der Entscheidung des BGH zum Kryptierdienst kann eine Beschränkung dahingehend, dass stets der „fruchtbar gemachte Grundgedanke der Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO)“ in allen gleichgelagerten Fallgestaltungen heranzuziehen ist, nicht entnommen werden. Vielmehr sind nach dieser Entscheidung auch Verwendungsschranken unterhalb des Schutzniveaus von §§ 100e Abs. 6, 110b StPO in Betracht zu ziehen.

Die Verwertung von Informationen, die aufgrund der Überwachung und Entschlüsselung von Kommunikationsvorgängen in den Kryptiersystemen SkyECC und An0m durch Ermittlungsbehörden ausländischer Staaten erhoben und im Wege der Rechtshilfe erlangt wurden, erfüllt dann die Voraussetzung der strikten Verhältnismäßigkeit, wenn die zugrunde liegende Tat vom Katalog des § 100a Abs. 2 StPO (vorliegend: § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG) erfasst ist und auch die übrigen Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO gegeben sind.

1. Eine nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB veranlasste Neufestsetzung der Strafe erfordert bei Festsetzung einer aussetzungsfähigen Strafe auch eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung.

2. Mit der Aussetzungsentscheidung ist die Bewährungszeit neu festzusetzen. Die Bewährungszeit beginnt nach § 56a Satz 1 StGB mit Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung.

3. Auf die neue Bewährungszeit ist die Zeit, in der der Verurteilte seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils unter Bewährung stand, anzurechnen.

KCanG I: KCanG-Freigrenze bei mehreren Mengen, oder: Irrige Gehilfenvorstellung über Handelsgegenstand

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Heute gibt es zum Start in die 1. Adventswoche 2024 einige Entscheidungen zum KCanG.

Ich beginne mit zwei BGH-Entscheidungen, von denen ich aber nur den Leitsatz vorstelle. Den Rest empfehle ich dem Selbststudium. Beide Entscheidungen stammen vom 1. Strafsenat, beides sind sog. Leitsatzentscheidungen.

Hier sind dann:

An verschiedenen Wohnsitzen und dem gewöhnlichen Aufenthalt gleichzeitig vorgehaltene Cannabismengen sind zur Bestimmung der strafrechtlich relevanten Freigrenze nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG zusammenzurechnen.

Zwischen den Straftatbeständen des Konsumcannabisgesetzes und denen des Betäubungsmittelgesetzes besteht eine tatbestandliche Verwandtschaft dergestalt, dass eine Fehlvorstellung des Gehilfen über die Substanz, deren Umgangs wegen sich der Haupttäter strafbar macht, nicht zum Entfallen des Gehilfenvorsatzes führt. Stellt sich der Gehilfe irrig vor, der Haupttäter handle mit Cannabis anstelle von vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Substanzen, kann er sich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar machen.