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Wie oft darf der Verteidiger den Mandanten in der JVA besuchen?

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Erst jetzt bin ich auf den Beschluss des LG Stuttgart v. 31. 07. 2012 – 14 Qs 8/12 gestoßen, der immerhin schon mehr als ein Jahr alt ist. Ist aber vielleicht auch gut so, denn: Der Beschluss ist m.E. hinsichtlich der von ihm behandelten Frage, wie der (Pflicht)Verteidiger seinen Mandanten in der JVA besuchen darf, nicht zutreffend. Der Verteidiger hatte mit seinem Festsetzungsantrag acht Fahrten zu Besprechungsterminen mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt geltend gemacht. Davon sind nur fünf anerkannt worden. Die Absetzung hat das LG wie folgt begründet:

„1. Nur die Kosten von fünf Besprechungsterminen sind erstattungsfähig. Weitere Termine erscheinen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich (§ 46 Abs. 1 RVG).

Zutreffend weist das Amtsgericht auf den überschaubaren Zeitraum der Pflichtverteidigung (20.07.2011 — 29.11.2011), die Ansetzung von nur einem Verhandlungstag und die zumindest teilgeständige Einlassung des Angeklagten hin. Die Zahl von acht Besprechungsterminen steht hierzu in einem auffällig hohen Verhältnis. Dies begründet einen Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit und verlagert die Darlegungslast auf den Verteidiger (vgl. dazu OLG Zweibrücken, Beschl.v.04.06.2012 — 1 Ws 71/12). Diesem ist es unter Kostengesichtspunkten nicht ins freie Ermessen gestellt, wie oft er seinen Mandanten aufsucht. Insoweit gilt weiter der Grundsatz, dass der Verteidiger die Ausgaben für seine Tätigkeit möglichst niedrig halten muss. Dass er sich hierbei irren oder über das Ziel hinausschießen kann, liegt in der Natur der Sache (vgl. Gerold/Schmidt – Müller-Rabe, RVG, § 46 Rn. 81).

Konkrete Umstände, die in der vorliegenden Situation die Notwendigkeit von acht Besprechungsterminen begründen, legt die Beschwerde nicht dar. Eine allgemeingültige Regel, dass inhaftierten Personen, die eine Freiheitsstrafe zu gewärtigen haben, deren Vollstreckung möglicherweise nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, regelmäßiger Besuche bedürften, existiert nicht. Eine solche Regel besagte im Übrigen auch nichts zur Häufigkeit.“ solcher Besuche.

Dazu hier nur kurz Folgendes: M.E. so nicht richtig, denn: Es ist allgemeine Meinung in der Rechtsprechung, dass grundsätzlich die Staatskasse die Beweislast dafür hat, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich gewesen sind und der Verteidiger grundsätzlich selbst entscheiden kann, welche Aufwendungen er zur Führung des Mandats für erforderlich i.S. des § 46 RVG hält. Das ist auch schon für Fahrtkosten für Besuche des Angeklagten in der JVA entschieden. Wenn sich allerdings Anhaltspunkte ergeben, die auf einen Missbrauch der kostenschonenden Prozessführung des Pflichtverteidigers hindeuten, verlagert sich die Beweislast auf den Verteidiger verlagern. Von „Missbrauch“ konnte man hier m.E. noch nicht ausgehen. Acht Besuche des Inhaftierten in der JVA in einem Zeitraum von vier Monaten sind nicht missbräuchlich sondern liegen noch im Rahmen. Eine Erklärung, warum die anerkannten fünf Besuche ausreichend sein sollen, gibt das LG zudem nicht.

Aber ein bißchen ist der Verteidiger es leider auch selbst Schuld und da liegt für die Praxis die Bedeutung: Warum werden nicht zumindest mit der Beschwerde die konkreten Umstände, die in der vorliegenden Situation die Notwendigkeit von acht Besprechungsterminen begründen, darlegt. Dazu bestand doch, nachdem schon das AG einen Teil der geltend gemachten Auslagen nicht anerkannt hatte, Anlass genug. Gegen die Absetzungen musste mit der Beschwerde „angeschrieben“ werden. Die „Sache laufen zu lassen“ und die Beschwerde nicht konkret (!) zu begründen, führt dazu, dass Auslagen mit ziemlicher Sicherheit verloren gehen. Und das sollte doch nicht sein.

Faxnutzung in der JVA

muss möglich sein bzw. dem verurteilten Strafgefangenen ist grds. der Zugang zum JVA-Fax zu gewähren. Geschieht das nicht und versäumt der Strafgefangene eine Frist, so wird ihm i.d.R. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. So der OLG Celle, Beschl. v. 23.08.2011 – 1 Ws 325/11 (StrVollz). Folgender Sachverhalt:

„Am Montag, 2. Mai 2011, dem Tag des Fristablaufs, beantragte der Antragsteller mit dem Zusatz „Eilt Terminsache!“, das Faxgerät der Antragsgegnerin für die Übersendung des auf den 1. Mai 2011 datierten Antrags auf gerichtliche Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer nutzen zu dürfen. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin, was ihn innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist von der Übersendung abgehalten habe, erwiderte der Antragsteller, er habe das erst ein paar Tage „sacken“ lassen müssen. Er habe den Antrag am Freitag fertig gehabt, wollte ihn Montag morgen abgeben und habe dann erfahren, dass der Antrag am Montag wahrscheinlich nicht mehr den Empfänger erreiche. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Gewährung des anstaltseigenen Faxgeräts mit folgender Begründung ab:

„Sie hatten 14 Tage Zeit, was Sie von vornherein wussten. Wenn Sie den Vollzugsplan haben „sacken lassen“ müssen, so ist festzustellen, dass in Bezug auf den vorherigen Vollzugsplan nicht allzu viel Neues niedergeschrieben wurde und dies als Argument ungeeignet ist. Als Realschüler ist Ihnen das Erfassen des „Ausmaßes“ Ihres Vollzugsplans zuzutrauen, zumal Sie über Ostern vom 21.04. bis 26.04.11 auch genügend Zeit ohne Schulstress für die Bearbeitung hatte. Wenn Sie – wie Sie darlegen – Freitag (29.04.) den Vorgang fertig hatten, so hätten Sie diesen auch zur Post geben können. Ihre Argumente dringen nicht durch, weswegen eine Weitergabe per Fax am 02.05.11 nicht dringend angezeigt war.“

Das OLG hat Wiedereinsetzung gewährt und die Begründung der Entscheidung der JVA beanstandelt:

„Denn im konkreten Fall war die Entscheidung der Antragsgegnerin schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie in der Sache den Vorwurf an den Antragsgegner enthielt, er habe das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt. Die ablehnende Entscheidung erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass dem Antragsteller bereits vor Ablauf der 14-tägigen Frist die Einreichung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung möglich war, insbesondere weil der Vollzugsplan nur wenige Änderungen enthielt, vom Antragsteller aufgrund seiner Fähigkeiten schneller hätte erfasst werden können und die Osterfeiertage zur Verfügung gestanden hätten. Damit hat die Antragstellerin jedoch das grundsätzlich bestehende Recht des Antragstellers, die Rechtsbehelfsfrist auszuschöpfen, in unzulässiger Weise verkürzt.“

Zudem sagt das OLG: Die Dringlichkeit eines Falls i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG, der zur Frage der Faxnutzung Stellung nehme,  seit nach objektiven Kriterien und unabhängig davon zu beurteilen, ob der Strafgefangene den Eilbedarf in vorwerfbarer Weise herbeigeführt habe.

Spielgeräte für den Sicherungsverwahrten

Das OLG Nürnberg, Beschl. v. 09.06.2011 – 1 Ws 242/11 setzt sich mit der Frage auseinander, ob und wann einem Sicherungsverwahrten die Genehmigung zum Betrieb einer elektronischen Spielekonsole (Playstation)  zu gewähren ist. Die JVA hatte das verweigert. Das OLG weist in seinem Beschluss dann aber darauf hin:

 

 

Bei Prüfung der Frage, ob einem Sicherungsverwahrten von ihm beantragte elektronische Spielgeräte zu gewähren sind, ist insbesondere auch das Abstandsgebot zu beachten. Hieraus folgt u.a., dass jedenfalls in der Übergangszeit bis zur gesetzlichen Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung Beschränkungen nur insoweit zulässig sind, als sie unerlässlich sind, um die Sicherheit und Ordnung des betroffenen Lebensbereiches aufrechtzuerhalten.“

Die StVK musste neu entscheiden.

Und:

Ergänzend bemerkt der Senat, dass ein Abstellen darauf, die beantragte Spielekonsole diene lediglich der Freizeitbeschäftigung kein geeignetes Argument für deren Versagung ist. Wie das Oberlandesgericht bereits entschieden hat (Ws 62/02NStZ-RR 2002, 191), soll das Leben im Vollzug – umso mehr in der Sicherungsverwahrung – den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angepasst werden. Der Gebrauch von elektronischen Spielgeräten ist aber zwischenzeitlich fester Bestandteil der allgemeinen Lebensverhältnisse geworden.“

Die Geschichte geht weiter: Das iPad in der JVA – Teil 3

Ich hatte am 24.06.2011 über das „iPad in der JVA“ berichtet (und dann auch noch hier). Nun berichtet der Kollege erneut – und dieses Mal verhältnismäßig positiv:

Hallo, liebe Kollegen,

ich kann jetzt schon (überraschend schnell) ein paar Neuigkeiten berichten:

Der von mir eingeschaltete stellvertrende Behördenleiter der Staatsanwaltschaft hat sich umgehend nach Erhalt meiner Unterlagen mit der Anstaltsleitung der JVA in Verbindung gesetzt ( mit dem Herrn OStA war man bereit zu reden!), um der Sache auf den Grund zu gehen. Ihm wurde dann als Hintergrund mitgeteilt, dass besagtes Verbot nicht für alle Notebooks oder Netbooks gelte, sondern nur für ipads. Dies deshalb, weil man auf einer Konferenz der bayerischen Anstaltsleiter über diese neumodischen Geräte gesprochen habe und keine Einigung darüber erzielen konnte, ob ein ipad jetzt ein Mobiltelefon oder ein Computer sei ( Himmel, hilf….ich stelle mir gerade ein Telefonat mit einem ipad am Ohr vor…). Jedenfalls seien aufgrund dieser schwierigen Fragestellung die iPads in der JVA Kaisheim verboten. Aber man wolle den von mir erwirkten Gerichtsbeschluss zum Anlass nehmen, diese Frage vom Ministerium klären zu lassen Bleibt zu hoffen, dass ein halbwegs technisch begabter Ministerialer damit betraut wird…

Aber das Wichtigste : Bis zur Klärung der Frage werden künftig entsprechende Gerichtsbeschlüsse, die mir die Mitnahme erlauben, wieder beachtet werden.

Ich bin schon gespannt, ich habe den nächsten Beschluss schon vorliegen; schaun mer mal.“

Nun, das iPad als Mobiltelefon. Die Diskussion hatten wir doch auch schon mal in Zusammenhang mit dem § 23 Abs. 1 a StVO.

Fortsetzung: Das iPad in der JVA

Wir hatten vor einiger Zeit hier ja die Diskussion um das iPad in der JVA. Die Geschichte geht weiter. Der Kollege berichtet gerade im Forum bei Heymanns Strafrecht

Hallo liebe Kollegen,
zunächst einmal vielen Dank für die Hinweise und Anregungen; ich möchte jetzt vom weiteren Fortgang des Ganzen berichten.
Nachdem ich aktuell wieder einen Mandanten in der JVA Kaisheim habe , habe ich einen entsprechenden Antrag bei Gericht gestellt, dem wurde auch anstandslos (unter Zustimmung der StA )entsprochen. So weit so gut, aber jetzt wird es erst richtig abstrus.
In der JVA angekommen, überreichte ich dem Torwächter meinen Beschluss, wonach ich mein ipad in die JVA einbringen und benutzen darf. Der Beamte entschwand, um mit dem zuständigen Juristen zu sprechen, kam nach ca. 10 Minuten wieder und teilte mir mit, dass er mir ausrichten solle, dass „das Haus“ diese Entscheidung des Gerichts nicht akzeptiere und mir bzw. meinem ipad der Zutritt verwehrt werde. Mein Hinweis auf § 309 StPO führte auch nicht weiter. Auf meine Nachfrage, dass ich dies doch gerne mit dem zuständigen Regierungsdirektor kurz persönlich besprechen wolle, wurde mir nur von dem „Boten“ mitgeteilt, dass dieser ausrichten ließ, dass er keine Zeit habe (dem ansonsten sehr netten Torwächter war dies erkennbar selbst peinlich…)

Der Umstand, dass ein Gespräch mit meinem Mandanten ohnehin nicht möglich gewesen wäre, weil dieser zwischenzeitlich nach Straubing verschubt wurde, ist insoweit unerheblich, dies wusste der Herr Regierungsdirektor da selber noch nicht.
Nachdem sich mein zwischenzeitlich deutlich erhöhter Blutdruck wieder etwas beruhigt hatte, und ich trotz dringendem Bedürfnis keine Straftat nach den §§ 185 ff begangen habe, habe ich mir überlegt, was nun zu tun sei – und ich bin bislang ratlos geblieben… Dienstaufsichtsbeschwerde? Na, da werde ich wohl noch Monate traurig mit meinem ipad vor der JVA – Tür stehen… Dem Beschluss mit einem Gerichtvollzieher durchsetzen? Klingt auch nicht sehr zielführend…

Der von mir dann angerufene Ermittlungsrichter, von dem der Beschluss stammte, japste am Telefon nur nach Luft, …das geht doch nicht, die können meinen Beschluss nicht einfach ignorieren, … aber was jetzt zu tun sei, wusste er auch nicht. Ich habe dann mit der StA telefoniert, der stellvertretende Behördenleiter wusste zwar auch im konkreten Einzelfall spontan nicht weiter, sicherte mir aber zumindest Hilfe für das grundsätzliche Problem zu, nachdem ich ihm die gesammelten Unterlagen zugeschickt habe, wird er sich mit der GenStA und dem Ministerium in Verbindung setzen . Na ja, das kann dauern…
Ich bin aufgrund der Frechheit und des grob gesetztwidrigen Verhaltens der JVA immer noch sprachlos.
Was meinen denn die Kollegen, was ist zu tun….“

Sprachlos bin ich im Moment auch noch und japse ebenso wie der Ermittlungsrichter. Was man tun kann, muss ich mir auch erst mal überlegen. Aber vielleicht denkt hier ja der ein oder andere mit…