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Deutschland : Schweden – 1 : 1 ?.

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Bei der Überschrift handelt es sich nicht um die Vorhersage des Ergebnisses des WM-Qualifikationsspiels im Fußball vom 16.10.2012 in Berlin – wir wollen ja nicht unken :-).

Bei der Überschrift handelt es sich vielmehr um den Anrechnungsmaßstab von in Schweden erlittener Auslieferungshaft auf eine dann später in Deutschland verhängte Freiheitsstrafe. Die rechnet der BGH mit 1 : 1 an. So gefunden im BGH, Beschl. v. 14.08.2012 – 3 StR 242/12. Für einen anderen Maßstab bestehen – so der BGH – weder Anhaltspunkte noch hatte der Angeklagte dazu etwas vorgetragen.

Lieber in Haft als zurück zur Freundin

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Aus der Abteilung Kurioses stammt die Meldung, auf die ich gerade in der Tagespresse gestoßen bin (vgl. auch hier). Ein 22-Jähriger bittet die Polizei ihn lieber in die JVA zu bringen als zurück zu Freundin, mit der es offenbar Beziehungsstress gibt. Da gegen Bewährungsauflagen verstoßen worden ist – also offenbar bereits widerrufen ist – kann man seiner Bitte nachkommen.

Also neuer Haftgrund: Abwendung von weiterem Beziehungsstress :-)?

Halbstrafe – an sich eine Ringeltaube – oder?

Nach § 57 Abs. 2 StPO StGB kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Freiheitsstrafe bereits nach Verbüßung der Hälfte zur Bewährung ausgesetzt werden. Ein für die Verurteilten, wenn denn die sog. „Halbstrafe“ überhaupt in Betracht kommt, wichtiger Zeitpunkt. Die Praxis tut sich mit der Halbstrafe schwer, wobei man natürlich nicht verkennen darf, dass es häufig schwierig ist, die nach Abs. 2 Nr. 2 erforderlichen besonderen Umstände zu bejahen, die ja zusätzlich zur günstigen Sozialprognose (Abs. 1) vorliegen müssen.

Von daher ist OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.06.2011 -III -1 Ws 178/11 berichtenswert. Das OLG stellt die günstige Sozialprognose fest und bejaht besondere Umstände in einem von der Fallkonstelalation m.E. gar nicht so seltenen Fall. Der Beschluss bietet also Argumentationshilfe.

Erörterungen meets Beschleunigungsgrundsatz – wer gewinnt?

Ich hatte am 05.04.2011 über den Beschluss des OLG Nürnberg v. 22.02.2011 in 1 Ws 47/11 berichtet, in dem es um die Frage der weiteren Haft im Verfahren nach den §§ 121, 122 StPO ging. Das OLG hatte die U-Haft aufrechterhalten und u.a. damit argumentiert, dass die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht so wesentlich sei.

M.E. nicht ganz zutreffend, da es darauf nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG nicht (mehr) ankommt. Die Entscheidung schloss mit:

Unter diesen Umständen ist es bei wertender Betrachtung noch gerechtfertigt, die von den Strafverfolgungsbehörden zurechenbar ausgelöste Verfahrensverlängerung als unerheblich anzusehen und den Freiheitsanspruch der Angeschuldigten auch weiterhin zurücktreten zu lassen. Allerdings werden die Strafverfolgungsbehörden gehalten sein, das weitere Verfahren ohne jede Verzögerung voranzutreiben. Der Senat hat daher beschlossen, bereits in sechs Wochen erneut in eine Haftprüfung einzutreten, um den Fortgang des Verfahrens zu prüfen. Soweit keine besonderen Hinderungsgründe auftreten, wird eine Haftverlängerung danach nur noch dann zu rechtfertigen sein, wenn über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und eine Terminsbestimmung erfolgt ist. Bis dahin war die Haftprüfung nach § 122 Abs. 3 S. 3 StPO dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht zu übertragen.

Nun geht das Verfahren weiter. Im Beschl. v. 26.04.2011 – 1 Ws 125-126 H hat das OLG jetzt erneut nach §§  121, 122 StPO entschieden und hat, trotz der „Selbstbindung“ im Beschl. v. 22.02.2011 erneut Haftfortdauer beschlossen, obwohl über die Eröffnung noch nicht entschieden war. Nun heißt es:

  1. Entscheidet sich das nach § 202a Abs. 1 Hs. 1 StPO eine Eröffnung erwägende Gericht dazu, mit den Beteiligten in eine Erörterung einzutreten, weil es zutreffend davon ausgeht, dadurch eine Verfahrensförderung herbeiführen zu können (§ 202a S. 1 letzter Hs. StPO), kann darin grundsätzlich kein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz gesehen werden.
  2. Eine Erörterung nach § 202a S. 1 StPO muss sich dabei nicht auf eine Besprechung der Möglichkeiten und Umstände einer Verständigung im Hauptverfahren beschränken.
  3. Wird eine Erörterung des Verfahrensstandes nach § 202a S. 1 StPO durchgeführt, muss das Gericht dafür Sorge tragen, dass alle anstehenden Fragen beantwortet und greifbare Ergebnisse erzielt werden. Erörterungstermine sind daher so zu gestalten, dass im Anschluss umgehend über die Eröffnung entschieden und die Hauptverhandlung anberaumt werden kann. Dabei kann auch die Klarheit schaffende Feststellung, dass derzeit keine konsensuale Verfahrensgestaltung erreichbar ist, ein das Verfahren förderndes Ergebnis sein.“

Nun ja, das kann bzw. muss man hier sogar anders sehen. Denn mit fortschreitender Dauer der U-Haft überwiegt der Freiheitssanspruch des Betroffenen das staatliche Interesse an Verfahrenssicherung immer mehr, zumal, wenn – wie offenbar hier – die Kammer nicht über die Eröffnung befindet. Das OLG sieht das anders und hat eine weitere Nachfrist von sechs Wochen gegeben.

Pflichtverteidiger die 2.: Raus aus der Haft, keinen Pflichtverteidiger mehr?

Machen wir heute mal einen Pflichtverteidigungstag 🙂 – sollte an sich als zweite raus, hat aber nicht geklappt 🙁

Das OLG Düsseldorf weist in seinem Beschl. v. v. 09.11.2010 – III-4 Ws 615/10 darauf hin, dass die Entlassung eines in anderer Sache Inhaftierten nicht automatisch die Aufhebung einer deswegen erfolgten Pflichtverteidigerbeiordnung rechtfertigt. Vielmehr setze die Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung stets das Vorliegen einer objektiven Änderung der Notwendigkeit einer Verteidigung voraus. Erfolge die Beiordnung aufgrund des Umstandes, dass ein Angeklagter in anderer Sache inhaftiert ist und werde der Inhaftierte später entlassen, reiche dieser formelle Umstand allein als Grund für die Änderung der Umstände nicht aus. Der bloße Umstand, dass ein Inhaftierter entlassen werde und entsprechend die Möglichkeit hätte, sich um einen Verteidiger nach Wahl zu bemühen, eröffne lediglich einen Ermessensspielraum, um die Bestellung zu überprüfen. Von diesem Ermessen müsse das Gericht vor einer Aufhebung zumindest erkennbar Gebrauch machen. Stimmt., wird leider aber in der Praxis häufig anders gesehen