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Corona II: Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht, oder. Ausreichende Glaubhaftmachung?

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Und im zweiten „Corona-Posting“ dann eine Entscheidung, und zwar das AG Straubing, Urt. v. 03.05.2021 – 9 OWi 704 Js 7202/21. Es nimmt Stellung zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, kurz: Maske.

Das  AG hat die Betroffene wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund – Nasenbedeckung verurteilt. Die Betroffene hatte im Verfahren u.a. geltend gemacht: Sie habe, als „ein Attest gehabt, dieses jedoch nicht bei sich geführt. Sie habe eine Dauerdiagnose aufgrund einer im Jahr 2016 erlittenen Lungenembolie. Sie habe das Attest erst im Termin zur Hauptverhandlung vorgelegt, da sie dies ungern aus der Hand gebe. Im Übrigen habe sich nicht gedacht, dass sich die Sache so hochschaukele. Das Attest habe ein Arzt aus Hamburg ausgestellt, da es schwierig sei Ärzte für ein solches Attest zu finden. Der Arzt aus Hamburg habe sie im Jahr 2016 wegen der Lungenembolie auch behandelt.“ Die Betroffene hat in der Hauptverhandlung außerdem drei Schriftstücke übergeben, mit denen sie glaubhaft machen wollte, dass sie von der Maskenpflicht befreit sei.

Dem AG hat das nicht gereicht:

„Die Betroffene hat im Termin zur Hauptverhandlung drei Schriftstücke übergeben, mit denen sie glaubhaft machen wollte, dass sie von der Maskenpflicht befreit sei. Die Verfahrensbeteiligten hatten vom Wortlaut dieser Schriftstücke Kenntnis. Für das Gericht sind diese Schriftstücke auch in ihrer Gesamtschau nicht geeignet die Glaubhaftmachung der Befreiung vom Tragen eines Mund-Nasenschutzes i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2. der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zu begründen. Es handelt sich dabei im Einzelnen um folgende Schriftstücke:

Bei einem Schriftstück handelt es sich um ein ärztliches Attest mit Ausstellungsort Hamburg. Das Attest datiert auf den 20.06.2020 und wurde von einem Facharzt für Innere Medizin ausgestellt. Das Attest nennt keine Diagnose. Es wird lediglich pauschal ausgeführt, dass die Betroffene aus gesundheitlichen Gründen keine Gesichtsmaske tragen könne.

Bei einem weiteren Schriftstück handelt es sich um einen Ausdruck eines Medikamentensplans für die Betroffene für Medikamente ab dem 01.01.2019 vom 29.04.2021, unterschrieben von einem Allgemeinarzt in Mengkofen. Bei vier der sechs aufgeführten Medikamente ist handschriftlich vermerkt, dass es sich um ein Asthmaspray handelt.

Bei einem weiteren Schriftstück handelt es sich um einen Ausdruck vom 29.04.2021 für die Betroffene, in welchem Dauerdiagnosen aufgeführt sind. Das Schriftstück trägt wiederum Stempel mit Unterschrift des Allgemeinarztes in Mengkofen, welcher bereits den Medikamentenplan unterschrieben hat. Zum einen ist als Dauerdiagnose mit Datum 12.02.2016 Zustand nach Lungenembolie ohne Angabe eines akuten Corpumonale aufgeführt. Desweiteren ist mit Datum 21.01.2021 Belastungsasthma sowie Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung als Dauerdiagnose aufgeführt.

In der Gesamtschau der Beweiswürdigung auch in Zusammenschau mit der Einlassung der Betroffenen in der Hauptverhandlung ist eine Glaubhaftmachung für die Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasenbedeckung am Tattag aus folgenden Erwägungen nicht gegeben:

Grundsätzliches ist ein ärztliches Attest zwar ein taugliches Mittel zur Glaubhaftmachung einer Befreiung i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2. der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Die Verordnung nennt selbst die Vorlage eine ärztlichen Bescheinigung als taugliches Mittel. Die Verordnung stellt zwar an die ärztliche Bescheinigung gewisse Mindestanforderungen. Bei gesundheitlichen Gründen, auf die sich die Betroffene berufen will, erfolgt laut Verordnung die Glaubhaftmachung durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt. Allerdings sind die Mittel der Glaubhaftmachung nicht abschließend aufgeführt, so dass die Mindestanforderungen an ein Attest kein „Muss“ sind und mithin die Glaubhaftmachung auch auf andere Art und Weise erfolgen kann.

Die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sieht mithin in § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 keine abschließende Regelung hinsichtlich der Mittel der Glaubhaftmachung einer Befreiung vor. Durch die Formulierung „insbesondere“ ist eine Glaubhaftmachung somit auch auf andere Weise möglich.

Das Gericht sieht auch, dass eine Glaubhaftmachung nicht mit einem Vollbeweis gleichzusetzen ist. Es muss lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Behauptung zutrifft.

Auch verkennt das Gericht nicht, dass es sich bei § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2. der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung um eine Ausnahme zum Grundsatz der Maskenpflicht handelt und mithin aufgrund des Ausnahmecharakters eine restriktive Auslegung geboten ist. Dies lässt den Schluss zu, dass die Mindestvoraussetzungen für ein ärztliches Attest, die der Verordnungsgeber nennt, als Messlatte für die Glaubhaftmachung heranzuziehen sind und die anderen möglichen Mittel der Glaubhaftmachung eine vergleichbare Qualität aufweisen müssen. Mithin bedeutet dies, dass bei einem Attest, das nicht den insbesondere genannten Anforderungen entspricht, nur in Zusammenschau mit anderen vergleichbaren Mitteln die Anforderungen an die Glaubhaftmachung Genüge getan ist.

Die Betroffene hat vor Ort das Attest nicht vorgelegt und nicht darauf hingewiesen, dass sie es später vorlegen wird. Auch im Einspruchsverfahren wurde das Attest nicht vorgelegt. Auch nachdem bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt war und sich auch ein Verteidiger angezeigt hat, wurde das Attest nicht vorgelegt. Die Betroffene ist zwar nicht verpflichtet Entlastungstatsachen im Einspruchsverfahren vorzulegen. Die Glaubhaftmachung für die Befreiung von der Maskenpflicht ist jedoch spätestens im Termin zur Hauptverhandlung glaubhaft zu machen. Es ist jedoch lebensfremd, wenn die Betroffene davon ausgeht, sie habe aufgrund des Vorhandenseins des Attests nicht ordnungswidrig gehandelt, dieses erst im Termin vorlegt. Das Attest stammt zudem von einem Arzt aus Hamburg und enthält keine Diagnose. Auch wurde das Attest nicht im Original vorgelegt, sondern lediglich als eingescanntes Dokument. Desweiteren sind im Attest keine näheren Ausführungen ersichtlich, weshalb die Betroffene aus gesundheitlichen Gründen keinen Mund-Nasenschutz tragen kann und ob dies für jegliche Situation und für jegliche Dauer gilt. Insbesondere hat die Betroffene selbst vorgetragen, sie habe nur über den S.platz gehen wollen, um den Sohn zu besuchen. Mithin wäre der Einlassung der Betroffenen zufolge nur eine kurze Wegstrecke zu bewältigen gewesen. Die Betroffene wohnt in Mengkofen. Der ausstellende Arzt hat in Hamburg seine Praxis. Die Betroffene gibt zwar an, dass sie den Arzt aus dem Jahr 2016 kenne und es schwierig sei einen Arzt zu finden, der ein Befreiungsattest ausstelle. Dies zeigt, dass die Betroffene selbst schon Zweifel hat, ob ihr Gesundheitszustand für ein Befreiungsattest ausreicht. Das Attest datiert zudem vom Juni 2020. Die Tat wurde am 23.01.2021 begangen. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde darauf hingewiesen, dass es allgemeinkundig sei, dass Krankschreibungen von Ärzten in der Regel nicht über mehrere Monate erfolgen, da der gesundheitliche Zustand immer wieder neu überprüft wird und sich diese Argumentation auf ein ärztliches Attest, welches keine Zeitspanne enthält, übertragen lässt. Indem die Betroffene vorträgt, dass der Arzt aus Hamburg sie aus dem Jahr 2016 von dem Flug kenne, bei dem sie eine Lungenembolie erlitten habe und nur schwer ein Arzt zur Ausstellung des Attestes zu finden sei, räumt sie selbst ein, dass eine Behandlung in Gegenwart des ausstellenden Arztes zum Zeitpunkt der Ausstellung des Attests mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden hat. Dies wird auch dadurch gestützt, dass das Attest handschriftlich ausgestellt ist. Ein Befreiungsattest hinsichtlich der Maskenpflicht ist vom Sinn und Zweck dazu vorgesehen, oftmals in Verwendung zu sein, um die Befreiung glaubhaft zu machen. Es ist daher naheliegend, um Leseschwierigkeiten aufgrund der Handschrift Vorschub zu leisten, das Attest computergeschrieben zu erstellen. Auch ist es lebensnah, dass ein Arzt weiß, dass die Maskenpflicht die Regel ist und eine Befreiung die Ausnahme, so dass ein Arzt zum Wohle des Patienten, sofern kein Gefälligkeitsattest ausgestellt werden soll, bemüht ist möglichst plausibel im Attest die Gründe für die Befreiung darzulegen. Überdies enthält das Attest keine Wohnanschrift der Betroffenen, was bei Erfassung der Daten der Betroffenen im Computersystem in der Praxis und entsprechenden Computerausdruck der Fall gewesen wäre. Dieses Defizit an persönlichen Daten, die auch für eine Zuordnung des Attestes zum entsprechenden Patienten wesentlich sind, indiziert, dass eine persönliche Untersuchung nicht stattgefunden hat. Auch handelt es sich beim dem Vordruck um ein Rezept. Das Schriftstück enthält das Kürzel Rp. Dies indiziert, dass das Attest nicht nach persönlicher Vorstellung und tatsächlicher Prüfung des Gesundheitsstandes im Zusammenhang mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im regulären Praxisbetrieb ausgestellt wurde. Die übergebenen Schriftstücke zeigen auch, dass die Medikation seitens des Allgemeinarztes in Mengkofen dokumentiert wird. Eine Dokumentation der Diagnosen und Medikation vom ausstellenden Arzt des Attestes hat die Betroffene hingegen nicht vorgelegt. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass der das Attest ausstellende Arzt keine fundierte Kenntnis vom aktuellen Gesundheitszustand der Betroffenen mangels persönlicher eingehender Untersuchung hat.

Die Betroffene trägt auch nicht vor, dass sie bei diesem Arzt in Hamburg in Behandlung sei, sondern dass sie diesen von früher von dem Flug aus dem Jahr 2016 kenne und sie für die Ausstellung des Attestes diesen gewählt habe, da es schwer sein einen Arzt für die Ausstellung eines solchen Attestes zu finden. Insofern ist der ausstellende Arzt über den aktuellen Zustand der Betroffenen nicht als aktuell behandelnder Arzt informiert.

Die Ausdrucke, die vom Allgemeinarzt in Mengkofen stammen, enthalten keine Aussage, ob der Betroffenen aufgrund etwaiger Erkrankungen das Tragen eines Mund-Nasenschutzes nicht möglich ist. Im Übrigen wurde der Ausdruck erst am 29.04.2021 erstellt und besitzt daher auch in der Gesamtschau keinen großen Stellenwert in der Glaubhaftmachung für den Tattag. Auch ist zu sehen, dass der Allgemeinarzt, der seine Praxis im Wohnort der Betroffen hat, zwar Diagnosen und Medikamente im Computersystem hat und diese am 29.04.2021 ausdruckt und mithin zeitlich kurz vor dem Termin, allerdings kein Befreiungsattest von diesem Arzt zugleich vorgelegt ist. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass der Allgemeinmediziner keine Gründe für eine Befreiung gesehen hat und mithin das vorgelegte Attest als sog. Gefälligkeitsattest einzustufen ist.

Die Zeugin hat zudem angegeben, sie habe von Kollegen gehört, dass die Betroffene an der Demonstration teilgenommen habe. Das Gericht sieht zwar, dass es sich vorliegend um eine Aussage vom Hörensagen handelt, was den Beweiswert schwächt. Allerdings ist zu sehen, dass die Betroffene von der Zeugin nach etwa 30 Minuten nochmals angetroffene wurde und sie erst dann den Sohn besuchen wollte, was die Aussage der Teilnahme an der Demonstration stützt. Dies steht dennoch im Widerspruch zur Einlassung der Betroffenen, welche nach Straubing gekommen sei, um den Sohn zu besuchen. Zwar schließt dieses Motiv eine spontane Teilnahme an der Demonstration nicht aus. Allerdings ist es lebensfremd, dass die Betroffene erst an der Demonstration teilgenommen hat und den Besuch hinten an gestellt hat. Die Zeugin hat glaubhaft angegeben, dass die Betroffene nach nochmaligem Antreffen ca. 30 Minuten später angegeben habe, dass sie nunmehr den Besuch vornehme. Wertneutral ist die Teilnahme an der Demonstration zu sehen, da im Lichte des Art. 8 GG Überzeugungen zu den Coronaschutzmaßnahmen sich nicht auf die Beurteilung der Frage der Glaubhaftmachung eines Befreiungstatbestandes auswirken, da selbst bei Gegnern von Coronaschutzmaßnahmen durchaus ein gesundheitlicher Grund für die Befreiung von der Maskenpflicht vorliegen kann.

In der Gesamtschau aller Indizien ist daher eine Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht erfolgt.“

OWi II: Absehen vom Fahrverbot, oder: Glaubhaftmachung der besonderen Härte/lange Verfahrensdauer

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Im zweiten Posting des Tages gibt es dann zwei Entscheidungen zum Fahrverbot.

Zunächst hier das AG Dortmund, Urt. v. 4.9.2020 – 729 OWi-264 Js 1158/20-104/20. Das AG hat – auf der Grundlage der h.M. in der Rechtsprechung der OLG – vom Fahrverbot nicht abgesehen:

„Hinsichtlich des Regelfahrverbotes hat der Betroffene  geltend gemacht, dass er seinen Führerschein benötige, um seine geplante Selbständigkeit anschieben zu können. Auf Nachfrage hatte er  keinerlei Unterlagen insoweit dabei. Er erklärte auch, dass er sich noch nicht selbständig gemacht habe, dies nur plane und Kontaktgespräche führe. Er könne insoweit auch keinerlei Unterlagen vorlegen, die derartiges belegen würden. Keiner seiner Geschäftspartner könne ihm bescheinigen, dass er Informationsgespräche über eine beabsichtigte Selbständigkeit mit ihm geführt habe. Der Angeklagte konnte auch nicht erklären, wie oft und wohin ihn die angeblichen Fahrten in Deutschland führen. Dem Angeklagten wurde die strenge Rechtsprechung zum Absehen vom Regelfahrverbot der Oberlandesgerichte vorgestellt. Der Angeklagte fand dies ebenso wie sein Verteidiger übermäßig hart. Bei anderen Gerichten sei es eine Frage von 2 Minuten, dass vom Fahrverbot abgesehen werde. Das Gericht hier erklärte, dass es schon Mittel der Glaubhaftmachung zu beruflichen Härten benötige, soweit solche geltend gemacht würden. Der Betroffene  erklärte, er könne keine solche Glaubhaftmachungen vortragen.

Dementsprechend hat das Gericht das vorgesehene 1-monatige Regelfahrverbot festgesetzt.“

Und als zweite Entscheidung dann der OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021 – (1 B) 53 1 Ss-Owi 334/20 (279/20) – zur Aufhebung des Fahrverbotes wegen langer Verfahrensdauer – hier: zwei Jahr und 10 Monate:

„Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge Erfolg. Die nach wirksamer Rechtsmittelbeschränkung einzig noch verfahrensgegenständliche Verhängung des Fahrverbotes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, sie unterlag deshalb der Aufhebung. Der Senat entscheidet diesbezüglich in der Sache selbst (§ 79 Abs. 6 OWiG), da bei einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht keine weiteren Feststellungen, die für die Entscheidung über ein Fahrverbot wesentlich sind, zu erwarten sind.

Das Fahrverbot nach § 25 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfGE 27, 36, 42; OLG Brandenburg, Beschluss vom 26. Februar 2019, Az.: (1B) 53-Ss-Owi-608/18 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Januar 2017, Az.: 2 Ss 762/16 -; OLG Dresden, Beschluss vom 11. März 2019 – OLG 23 Ss 80/19 (B) –). Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten. Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verlieren, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O., m.w.N.; OLG Dresden m.w.N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist zwar grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, ist allerdings die Tendenz erkennbar, den Sinn eines Fahrverbotes in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt.

Die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat liegt hier inzwischen mehr als zwei Jahre und zehn Monate zurück, wobei es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kam, deren Ursachen nicht der Sphäre des Betroffenen zuzurechnen sind.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Anordnung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen nicht mehr geboten, vielmehr konnte das Fahrverbot entfallen.“

Glaubhaftmachung bei der Wiedereinsetzung, oder: Ggf. kann die eigene Versicherung ausreichen

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Die zweite Entscheidung der Woche kommt vom VerfGH Berlin. Über den VerfGH, Beschl. v. 09.05.2019 – VerfGH 96/18 – hat ja auch bereits HRRS berichtet. Über die Berichterstattung bin ich auf den Beschluss aufmerksam geworden.

Im Beschluss geht es einmal mehr um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

„Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelte gegen den Beschwerdeführer, einen Rechtsanwalt, wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung, derer er sich bei Gelegenheit einer mündlichen Verhandlung in einer familienrechtlichen Angelegenheit schuldig gemacht haben soll. Der Beschwerdeführer teilte bereits im Ermittlungsverfahren mit, dass er sich selbst anwaltlich vertrete, und beantragte Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft korrespondierte daraufhin mit ihm unter seiner Kanzleianschrift, indes unterblieb die Notierung des Verteidigers auf dem Aktendeckel.

Eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Auflage (§ 153a Abs. 1 StPO) lehnte der Beschwerdeführer ab, weil er eine Hauptverhandlung erstrebe und einen Freispruch erwarte. Er halte sein Verhalten für nicht strafbar; „angebliche Schmähungen“ innerhalb eines Verfahrens seien außerhalb des Verfahrens nicht justiziabel.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung. Die Richterin ordnete mittels formularmäßiger Verfügung die Zustellung an den Angeklagten an und strich den ebenfalls vorgedruckten Verfügungspunkt aus, der eine formlose Übersendung an den Verteidiger vorsieht. Daraufhin wurde der Strafbefehl dem Beschwerdeführer am 28. März 2018 während eines Urlaubs unter seiner privaten Anschrift zugestellt. Die Mitteilung der Zustellung an die Kanzleianschrift unterblieb.

Nach Rückkehr aus dem Urlaub am 9. April 2018 sichtete der Beschwerdeführer zwar unverzüglich seine Post in der Kanzlei, nicht aber die private Post, da er sich noch einige Tage in der Wohnung seiner Freundin aufhielt. Nachdem er den Strafbefehl vorgefunden hatte, beantragte er mit Telefax vom 16. April 2018 Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen den Strafbefehl, da ihm der Strafbefehl erst am 13. April 2018 zur Kenntnis gelangt sei. Diese Umstände versichere er anwaltlich. Zudem stelle sich die Zustellung an die private Anschrift als Umgehung der anwaltlichen Vertretung dar. Er habe angesichts der Mitteilung der eigenen anwaltlichen Vertretung gegenüber der Staatsanwaltschaft auch nicht mit Zustellungen an seine private Anschrift rechnen müssen.

Durch Beschluss vom 2. Mai 2018 verwarf das Amtsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist als unzulässig, da kein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht sei. Die eigene eidesstattliche Versicherung sei nicht ausreichend. Der Strafbefehl habe außerdem zwar dem Verteidiger zugestellt werden können, aber nicht müssen. Damit sei auch der Einspruch gegen den Strafbefehl als unzulässig, weil verspätet zu verwerfen.

Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er ausführte, dass er ungeachtet der zulässigen Zustellung an seine Privatanschrift gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO unter seiner Kanzleianschrift über den Strafbefehl hätte informiert werden müssen. Dann hätte er am 9. April 2018 noch innerhalb der Einspruchsfrist Kenntnis vom Strafbefehl erlangt, sodass er noch fristgerecht hätte Einspruch erheben können. Zudem habe ihm für die Glaubhaftmachung der Kenntnisnahme vom Strafbefehl am 13. April 2018 kein anderes Beweismittel als die eigene eidesstattliche Versicherung zur Verfügung gestanden.

§ 145a Abs. 3 Satz 2 StPO lautet:

Wird eine Entscheidung dem Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.

Das Landgericht verwarf die sofortige Beschwerde als unbegründet. Zwar werde im Falle einer entgegen § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO unterlassenen Benachrichtigung des Verteidigers allgemein ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 44 StPO angenommen, da der Betroffene sich darauf verlassen können solle, dass der Verteidiger Kenntnis von der Zustellung erlange. Doch liege „der hiesige Fall bereits grundsätzlich anders“, da der Beschuldigte mit dem Verteidiger identisch sei. „Sinn und Zweck“ der Pflicht zur Benachrichtigung des Verteidigers erfülle sich daher nicht. Daher komme es auch nicht darauf an, dass die anwaltliche Versicherung eigener Wahrnehmungen im Falle der Selbstverteidigung ohnehin nicht möglich sei.

Das Amtsgericht Tiergarten und das Landgericht Berlin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten hat erklärt, die Entscheidung sei von der geschäftsplanmäßig zuständigen Richterin getroffen worden, und im Übrigen von einer Stellungnahme abgesehen. Das Landgericht hat von einer Stellungnahme abgesehen.

Der VerfGH Berlin hat aufgehoben und an das AG Tiergarten zurückverwiesen. Hier der Leitsatz der Entscheidung:

Wenn zum Nachweis eines für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand maßgeblichen Umstandes kein anderes Beweismittel ersichtlich ist als die eigene Versicherung des Antragstellers, so ist es mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn ein Gericht eine solche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht anerkennt. Denn in einer solchen Konstellation kommt der Ausschluss einer Erklärung des Antragstellers als Mittel der Glaubhaftmachung einer Versagung des Rechtsschutzes insgesamt gleich.

Und HRRS hat der Entscheidung noch zwei weitere Leitsätze gegeben:

1. Auch bei einem sich selbst verteidigenden Angeklagten ist die gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO vorgeschriebene Benachrichtigung des Verteidigers am Kanzleisitz angesichts der in Kanzleien üblicherweise getroffenen Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen keine sinnlose Doppelung.

2. Erfolgt bei einem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt die Zustellung eines Strafbefehls an der Privatanschrift und wird die Benachrichtigung am Kanzleisitz unterlassen, so begründet dieser Verstoß gegen § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO die Wiedereinsetzung gemäß § 44 StPO, sofern der Fristverstoß auf der unterlassenen Benachrichtigung beruht.

OWi III: Verwerfung des Einspruchs, auch wenn der Betroffene plötzlich krank ist?, oder: Was das AG aber prüfen muss

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Und als dritte OWi-Entscheidung dann noch eine Entscheidung zu § 74 OWiG, also „unentschuldigtes Ausbleiben, und damit auch ein „Dauerbrennerthema“. Es handelt sich um den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.01.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 84/17. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Termin zur Hauptverhandlung war bestimmt auf den 02.06.2017 bestimmt. Am Terminstag beantragt der Verteidiger erneut Terminsaufhebung und legte ein Attest vom 01.06.2017 vor. Aus diesem ging hervor, dass der Betroffene reise- und verhandlungsunfähig sei. Als Ursache hierfür werden die Auswirkungen einer medikamentösen Behandlung nach einer Knieendoprothesen-Operation genannt. Im Termin verwirft das AG gemäß § 74 Abs. 2 OWiG. Das OLG Zweibrücken hat aufgehoben:

„2. Das Rechtsmittel dringt mit der den Anforderungen gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge durch. Die Verteidigung macht mit Erfolg geltend, das Tatgericht habe bei Erlass des Verwerfungsurteils Entschuldigungsvorbringen nicht hinreichend berücksichtigt.

Gemäß § 74 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt, ohne von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden worden zu sein…….

Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob ein Betroffener ohne genügende Entschuldigung ausbleibt ist nicht, ob er sich durch eigenes Vorbringen genügend entschuldigt hat, sondern vielmehr, ob er tatsächlich entschuldigt ist, das heißt, ob sich aus den Umständen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt und im Wege des Freibeweises feststellbar waren, eine ausreichende Entschuldigung ergibt (Seitz in Göhler, a.a.O., § 74 Rn. 31). Im Falle des Nichterscheinens wegen einer Erkrankung oder ähnlicher Umstände liegt ein Entschuldigungsgrund vor, wenn die damit verbundenen Einschränkungen oder Beschwerden nach deren Art und Auswirkung eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar machen, wobei Verhandlungsunfähigkeit nicht gegeben sein muss (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. August 2016, Az. (2 B) 53 Ss-OWi 491/16, zitiert nach juris; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 281). Der Tatrichter muss dabei eine ärztliche Bescheinigung nicht ungeprüft anerkennen. Bloße Zweifel an der Aussagekraft eines Attests dürfen jedoch nicht ohne weiteres zu Lasten des Betroffenen gehen. Vielmehr hat der Tatrichter in solchen Fällen von Amts wegen den Umständen nachzugehen, die Zweifel an der Entschuldigung begründen können, und den Sachverhalt aufzuklären (Senat, Beschluss vom 7. April 2005, Az. 1 Ss 40/05, m.w.N., zitiert nach juris).

Den insoweit geltenden Prüfungs- und Begründungsanforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 die Aufhebung des Hauptverhandlungstermins beantragt, da der Betroffene verhandlungs- und reiseunfähig sei. Dazu legte er am Tag der Hauptverhandlung, dem 2. Juni 2017, um 8:18 Uhr per Fax ein privatärztliches Attest vom 1. Juni 2017 vor. Aus diesem geht hervor, dass der Betroffene reise- und verhandlungsunfähig sei. Als Ursache hierfür werden die Auswirkungen einer medikamentösen Behandlung nach einer Knieendoprothesen-Operation genannt.

Das Amtsgericht hat in den Urteilsgründen u. a. ausgeführt, hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Betroffenen die Terminswahrnehmung aus zwingenden medizinischen Gründen nicht zumutbar gewesen sei, seien den bislang vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht in ausreichendem Maße zu entnehmen. Maßgeblich für die Beurteilung der konkreten Anforderungen an den erforderlichen Nachweis seien stets die Gesamtumstände des zu prüfenden Einzelfalls. Eine ausreichende Entschuldigung durch Vorlage eines ärztlichen Attests sei daher dann nicht anzunehmen, wenn der Betroffene – wie hier – wiederholt kurzfristig vor dem Hauptverhandlungstermin erkranke. Dies gelte umso mehr dann, wenn der Betroffene die ärztliche Bescheinigung, die ihm jeweils am Tag vor dem Termin ausgestellt worden sei, erst kurz vor Beginn der Hauptverhandlung vorlege. Durch dieses Verhalten sei das Gericht außer Stande gesetzt, vor einer Entscheidung über die mögliche Verwerfung eines Einspruchs Zweifel an der Richtigkeit der Entschuldigung zu prüfen, indem es etwa im Wege des Freibeweises den zu behandelnden Arzt telefonisch befrage.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, die Frage, ob das Fernbleiben eines Betroffenen in der Hauptverhandlung entschuldigt ist oder nicht, müsse stets im Lichte der Gesamtumstände des zu prüfenden Einzelfalls beurteilt werden. Trotzdem war der Betroffene zur Glaubhaftmachung oder gar zum Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe aber nicht verpflichtet. Erforderlich ist allein der schlüssige Vortrag eines Sachverhaltes, der geeignet ist, das Ausbleiben genügend zu entschuldigen und welcher gegebenenfalls weitere gerichtliche Ermittlungen im Freibeweisverfahren zulässt. Hierfür ist die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen wie Atteste, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Krankschreibungen grundsätzlich ausreichend; sie haben so lange als genügende Entschuldigung zu gelten, bis ihre Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit feststeht (OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Januar 2009, Az. 2 Ss OWi 1623/08, m.w.N., zitiert nach juris). Liegen danach Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung vor, darf der Einspruch nur verworfen werden, wenn sich das Gericht die Überzeugung verschafft hat, dass Entschuldigungsgründe tatsächlich nicht gegeben sind (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. August 2016, a.a.O.). Bleibt zweifelhaft, ob ein Verwerfungsgrund vorliegt, darf der Einspruch nicht verworfen werden (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. März 2006, Az. 1 Ss 257/05; KG Berlin, Beschluss vom 22. März 2002, Az. 3 Ws (B) 48/02; jeweils zitiert nach juris). Dies gilt auch, wenn – wie hier – ein Verlegungs- bzw. Aussetzungsantrag verbunden mit der Vorlage eines ärztlichen Attests erst gut 40 Minuten vor Sitzungsbeginn bei Gericht per Fax eingeht. Auch in diesem Fall ist es – beispielsweise während einer Sitzungsunterbrechung – möglich, telefonisch den Inhalt des Attests bei dem ausstellenden Arzt oder beim Betroffenen persönlich zu hinterfragen.

Und: Das OLG gibt dem AG Hilfestellung, wie man in solchen Sachen verfährt:

„Für die weitere Behandlung der Sache wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Einem Betroffenen kann zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung nicht, wie hier mit Verfügung vom 10. Mai 2017 geschehen, auferlegt werden, ein amtsärztliches Attest beizubringen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. März 2006, a.a.O., m.w.N.). Der amtsärztliche Dienst führt Begutachtungen von Einzelpersonen im Auftrag nach gesetzlichen Vorschriften durch. Auftraggeber können beispielsweise Gerichte, Behörden, öffentlich-rechtliche Institutionen und vergleichbare Einrichtungen sein. Grundsätzlich ist ein schriftlicher Untersuchungsauftrag erforderlich.

Der Betroffene selbst kann daher kein amtsärztliches Attest einholen.

2. Der Bußgeldrichter ist keineswegs hilflos den Erklärungen über eine Krankheit, die der Teilnahme an der Hauptverhandlung entgegensteht, ausgesetzt.

a) Zum einen kann er, wenn er dafür Anlass sieht, bereits in der Ladung zur Hauptverhandlung darauf hinweisen, dass er zur Prüfung der Frage, ob eine genügende Entschuldigung für ein Fernbleiben vorliegt, nur dann ein Attest als ausreichend ansieht, wenn es die Krankheit mit den Symptomen schildert. Kommt der Betroffene – wozu er jedoch nicht verpflichtet ist – dem nach, kann der Richter seine Entscheidung anhand des Attests treffen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 1. Juni 1999, Az. 1 Ss 111/99).

b) Der Bußgeldrichter kann ergänzend und aufklärend mit dem Arzt, der das Attest ausgestellt hat, (telefonisch) Rücksprache halten. Hierbei teilt der Senat die Ansicht, dass man in der Vorlage des Attests eine auf den vorgebrachten Entschuldigungsgrund beschränkte Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erblicken kann (so auch: Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 1. Juni 1999, a.a.O., m.w.N.). Im Rahmen der Rücksprache mit dem Arzt kann der Inhalt des Attests kritisch hinterfragt werden. Beispielsweise kann der Arzt dazu befragt werden, wann und in welchem Umfang eine Untersuchung des Betroffenen erfolgt ist, bevor das Attest ausgestellt wurde. Der Arzt kann gegebenenfalls auch darauf hingewiesen werden, dass es möglich ist, ihn als Zeuge zu laden sowie darauf, dass auch seine Vereidigung möglich ist (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 59 Abs. 1 StPO, vgl. Lampe in KK zum OWiG, 5. Aufl., § 46 Rn. 55). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch ein Hinweis auf die Strafbarkeit des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 278 StGB angezeigt sein.

c) Der Richter kann darüber hinaus mit dem Betroffenen selbst telefonisch Verbindung aufnehmen und den Grund für sein Fernbleiben hinterfragen oder – soweit dies eine sachdienliche Aufklärung verspricht – die Polizei mit der Überprüfung des Entschuldigungsgrundes beauftragen.
d)
Alternativ oder zusätzlich kann auch ein weiterer Arzt beauftragt werden, der sachverständig nach Untersuchung des Betroffenen dahin beraten soll, ob die Teilnahme an der Hauptverhandlung für den Betroffenen zumutbar ist.

e) Das Ergebnis dieser Aufklärungsbemühungen muss dem Betroffenen nicht zur Kenntnis gebracht werden, bevor die Entscheidung, ob eine genügende Entschuldigung für das Fernbleiben anzunehmen ist, getroffen wird. Zudem können Vereitelungsbemühungen eines Betroffenen, die einer Aufklärung entgegenstehen, im Rahmen der Gesamtwürdigung, ob eine genügende Entschuldigung vorliegt, zu Lasten des Betroffenen gewertet werden. Dabei ist es durchaus vertretbar, dass umso geringere Anforderungen an den Nachweis ungenügend entschuldigten Fernbleibens zu stellen sind, je häufiger sich die Frage in dem betreffenden Verfahren oder bezüglich des in Rede stehenden Betroffenen stellt (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 1. Juni 1999, a.a.O.). Im Urteil müssen dann entsprechende Feststellungen zum Verfahrensablauf getroffen werden.“

Und nochmals: Wiedereinsetzungsantrag, oder: Ist das denn so schwer, Herr Kollege?

© Elena Schweitzer - Fotolia.com

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Am vergangenen Mittwoch hatte ich über den  BGH, Beschl. v. 13.01.2016 – 4 StR 452/15 – berichtet (vgl. dazu Wiedereinsetzungsantrag: Ist das denn so schwer, Herr Kollege?); bei dem Beitrag hatte ich mir wegen zwei Schreibfehlern übrigens Kritik von einem Kollegen (?) eingefangen. Aber, was soll es? Ich lege – auch am Rosenmontag – nach. Denn beim Stöbern in meinem Blogordner bin ich auf den OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2015 – 3 Ws 379/15 – gestoßen, der auch eine Wiedereinsetzungsproblamtik behandelt. Der Beschluss ist in doppelter Hinsicht interessant.

Zunächst der Zeitablauf: Es wird unter dem 02.09.2015 Beschwerde gegen einen Beschluss vom 08.08.2015 eingelgt und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beantragt. Im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Verteidiger dann mehrfach Fristverlängerungen beantragt, das OLG hat sechs Wochen bis zu seiner Entscheidung „zugewartet“. Und dann kommt noch mal ein zweiwöchiger Fristverlängerungsantrag des Verteidigers vom 10.11.2015, der aber – so das OLG lediglich Absichtsbekundungen enthält. Das OLG ist es jetzt dan  leid und entscheidet: „Ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung war nach dem Verstreichen von sechs Wochen mit Blick auf die fehlende Glaubhaftmachung nicht mehr geboten.“ Nun, irgendwann ist Schluss.

Vor allem, wenn es auch sonst nicht passt, so wie hier, denn:

„Der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist bereits unzulässig, weil er entgegen den Erfordernissen gem. §§ 44, 45 Abs. 1 u. Abs. 2 StPO keine Umstände darlegt, aus denen sich ein mangelndes Verschulden des Verurteilten an der Einhaltung der einwöchigen Rechtsmittelfrist ergibt. Trotz mehrfacher Fristverlängerung mangelt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung des fehlenden Eigenverschuldens. Eine Glaubhaftmachung ist auch nicht ausnahmsweise wegen Offenkundigkeit entbehrlich.

Soweit der Beschwerdeführer durch Schreiben seines Verteidigers vom 2. September 2015 eine Zeugin für die Tatsache benannt hat, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung an der Zustelladresse nicht mehr wohnhaft gewesen sei, reicht dies als Mittel der Glaubhaftmachung nicht aus. In Betracht kommen zur Glaubhaftmachung grundsätzlich alle Mittel, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit des Vorbringens darzutun, etwa die eidesstattliche Versicherung von Zeugen (Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 45 Rdnr. 8). Die bloße Benennung eines Zeugen ohne weitere Ausführungen – wie vorliegend erfolgt – reicht dagegen allein nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 05. August 2010 – 3 StR 269/10 –, juris).“

Das kann doch alles nicht so schwierig sein? Oder doch?