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StGB I: Betrugstaten in Form „Falscher Polizeibeamter, oder: Geldwäsche oder (Banden)Hehlerei?

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Heute ist dann mal Zeit für StGB-Entscheidungen.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem BGH, Beschl. v. 14.05.2024 – 3 StR 88/24 – zur Frage des Vorliegens von Hehlerei (§ 259 StGB) und Geldwäsche (§ 261a StGB) bei Entlohnung des Täters aus der Tatbeute in den Betrugstatenfällen „falscher Polizeibeamter“.

Dazu folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und nach Zurückverweisung durch den BGH (BGH, Beschl. v. 02.11.2022 – 3 StR 12/22, NStZ-RR 2023, 49) im zweiten Rechtsgang wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei verurteilt. Nach den Feststellungen des LG schloss sich der Angeklagte einer Gruppierung an, die Betrugstaten nach dem modus operandi „Falscher Polizeibeamter“ beging. In der Türkei befindliche Anrufer („Keiler“) nahmen telefonisch Kontakt mit älteren Personen in Deutschland auf, wobei den Opfern mittels „Caller-ID-Spoofing“ als Telefonnummer des Anrufers die Notrufnummer der Polizei (110) angezeigt wurde. Die An­gerufenen sollten ihre zu Hause befindlichen Bargeldbestände und Wertsachen zusammentragen und Bargeld von ihren Bankkonten abheben und die Vermögenswerte, um diese zu sichern, zur zeitweiligen Aufbewahrung Poli­zeibeamten übergeben, die sie zu Hause aufsuchen würden (sog. Abholer). Anschließend übergaben die „Abholer“ die erlangte Beute an „Logistiker“, denen es oblag, die „Abholer“ aus der Tatbeute zu entlohnen und die erlangten Vermögenswerte nach Abzug eines weiteren Beuteanteils für die „Logistiker“ an die Hintermänner in der Türkei zu transferieren. Der Angeklagte übernahm in dem hochgradig organisiert und arbeitsteilig agierenden Personenzusammenschluss als „Logistiker“ fortlaufend die eng begrenzte Auf­gabe, „Abholer“ nach der Beuteerlangung aus dieser zu entlohnen. Nach einer Tat mit einer Beute von mindestens 315.000 EUR deponierte der Angeklagte eine Tasche mit den erlangten Gegenständen zur Abholung durch andere Bandenmitglieder. Drei Tage später übergab der Angeklagte auftragsgemäß Bargeld in Höhe von 1.000 EUR, das er zuvor erhalten hatte und das der Tatbeute entstammte, als Entlohnung der „Abholer“ an einen von ihnen. Auf die erneute Revision des Angeklagten hat der BGH mit Beschl. v. 14.05.2024 – 3 StR 88/24 – das Urteil aufgehoben bei Aufrechterhaltung der Feststellungen. Er führt u.a. aus:

„1. Die rechtliche Einordnung des Tathandelns des Angeklagten – der Entlohnung der „Abholer“ – als gewerbsmäßige Bandenhehlerei gemäß § 260a Abs. 1 StGB geht fehl. Denn der Tatbestand der Hehlerei ( § 259 Abs. 1 StGB ) ist nicht erfüllt; das Agieren des Angeklagten lässt sich unter keine der dort aufgeführten Handlungsvarianten subsumieren.

Der Angeklagte verschaffte sich die 1.000 € nicht, weil er das Geld nicht zur eigenen Verfügung erhielt, sondern mit der Maßgabe, damit die „Abholer“ zu entlohnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2022 – 3 StR 456/21 ,wistra 2022, 380Rn. 9; vom 31. Oktober 2018 – 2 StR 281/18 , BGHSt 63, 228 Rn. 13 ). Eine „Drittverschaffung“ liegt schon deshalb nicht vor, weil die „Abholer“, denen der Angeklagte die 1.000 € zukommen ließ, zugleich Vortäter, also Täter der (Vor-) Tat waren, aus der das Geld stammte. Ein Vortäter ist aber nicht Dritter im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2022 – 3 StR 456/21 ,wistra 2022, 380Rn. 7 ff.; vom 22. August 2019 – 1 StR 205/19 , NStZ-RR 2019, 379, 380). Die Handlungsvariante des „Absetzens“ (beziehungsweise der Absatzhilfe) ist nicht erfüllt, weil es bei dem Zurückreichen von Tatbeute an den Vortäter an der insofern erforderlichen entgeltlichen wirtschaftlichen Verwertung des Erlangten fehlt und zudem auch bei dieser Tatvariante der Empfänger der Sache ein Dritter sein muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2022 – 3 StR 456/21 ,wistra 2022, 380Rn. 6; vom 31. Oktober 2018 – 2 StR 281/18 , BGHSt 63, 228 Rn. 18 ).

Dieser Rechtsfehler bedingt die erneute Urteilsaufhebung, soweit der Angeklagte im Fall II. 6. der Gründe des Urteils vom 20. August 2021 verurteilt worden ist. Dies zieht die Aufhebung der Aussprüche über die Gesamtstrafe und die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach sich. Die ergänzend im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen haben dagegen Bestand ( § 353 Abs. 2 StPO ), weil sie von dem Rechtsmangel nicht betroffen sind.

2. Die Sache bedarf mithin im aufgezeigten Umfang neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierzu bemerkt der Senat:

a) Das neue Tatgericht wird eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten durch seine Tätigkeit bei der Entlohnung der „Abholer“ wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB zu prüfen haben (vgl. zur Geldwäschestrafbarkeit in Fallkonstellationen wie der vorliegenden BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2023 – 5 StR 418/23 , juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 2. Juni 2021 – 3 StR 21/21 ,wistra 2021, 441Rn. 47; zu einer Strafbarkeit wegen Begünstigung nach § 257 StGB s. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2024 – 5 StR 93/23 , NZWiSt 2024, 148 Rn. 13 ff.). Im Hinblick auf das Revisionsvorbringen des Angeklagten ist anzumerken, dass es für eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nicht darauf ankommt, ob die vom Angeklagten an die „Abholer“ gezahlten 1.000 € gegenständlich aus der Tatbeute stammten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2024 – 3 StR 457/23 , NStZ-RR 2024, 147, 148; Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22 , NZWiSt 2024, 187 Rn. 63 mwN).

Ob angesichts der Tatzeit (10. September 2017) die Tatzeitfassung des § 261 StGB aF oder – gemäß § 2 Abs. 3 StGB – die gegenwärtige Gesetzesfassung einschlägig ist, hängt von einem als Strafzumessungsakt dem Tatgericht obliegenden konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall ab (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16 , NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354a StPO Rn. 11): Sollte das neue Tatgericht – naheliegend – eine Geldwäschehandlung und angesichts der Gewerbsmäßigkeit des Agierens des Angeklagten einen besonders schweren Fall der Geldwäsche ( § 261 Abs. 4 StGB aF; § 261 Abs. 5 StGB nF) bejahen, wäre im Hinblick auf die identischen Strafrahmen und die täterfreundlichere Regelung zur Einziehung in § 261 Abs. 7 StGB aF (gegenüber § 261 Abs. 10 Satz 2 StGB nF) das Tatzeitrecht maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22 , NZWiSt 2024, 187 Rn. 85; Beschlüsse vom 3. Mai 2023 – 3 StR 81/23 ,wistra 2023, 378Rn. 4 mwN; vom 7. Februar 2023 – 3 StR 459/22 , juris Rn. 4 mwN). Bei einer Bestrafung aus dem Grundtatbestand wäre wegen des niedrigeren Strafrahmens die aktuelle Gesetzesfassung die mildere und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB relevante (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2023 – 5 StR 418/23 , juris Rn. 5 f.; Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22 , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21 , BGHSt 67, 130 Rn. 13 f., 24 ff. ).

b) Bei Bejahung einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen Geldwäsche wird von der anzuwendenden Gesetzesfassung abhängen, ob im dritten Rechtsgang erneut die Einziehung des Wertes von Taterträgen bezüglich der vom Angeklagten erlangten und an die „Abholer“ weitergereichten 1.000 € anzuordnen sein wird. Denn bei dem Geld handelte es sich mit Blick auf den Geldwäschetatbestand um ein Tatobjekt im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2024 – 5 StR 93/23 , NZWiSt 2024, 148 Rn. 5; vom 3. Mai 2023 – 3 StR 81/23 ,wistra 2023, 378Rn. 4 f.). Wertersatzeinziehung nach § 74c StGB schiede aus, weil der Angeklagte kein Eigentum an dem Geld erlangte. Denn das Betrugsopfer händigte dieses dem „Abholer“ als vermeintlichem Polizeibeamten nur zur Verwahrung aus, blieb also Eigentümer (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2024 – 5 StR 93/23 , NZWiSt 2024, 148 Rn. 6; vom 3. Mai 2023 – 3 StR 81/23 ,wistra 2023, 378Rn. 5; vom 7. Februar 2023 – 3 StR 459/22 , juris Rn. 5 f.). Die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 , § 73c Satz 1 StGB im Hinblick auf die vom Angeklagten weitergereichten 1.000 € ungeachtet der Qualifikation des Geldes als Tatobjekt wäre wegen der Sonderregelung des § 261 Abs. 10 StGB nF nur statthaft bei Anwendung der aktuellen Gesetzesfassung des § 261 StGB , also bei einer Bestrafung aus dem Grundtatbestand des § 261 Abs. 1 StGB nF (vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22 , NZWiSt 2024, 187 Rn. 86; vom 7. Februar 2023 – 3 StR 459/22 , juris Rn. 7; vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21 , BGHSt 67, 130 Rn. 22 ff. ).“

Einziehung II: Einziehung bei/nach Geldwäsche, oder: Anwendbares Recht?

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Und dann das zweite Posting zur Enziehung. Hier geht es um die Frage des anwendbaren Rechts. Dazu zwei Entscheidungen.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 16.05.2024 – 3 StR 379/23. In dem Verfahren geht es um eine Familie, deren Mit­glie­der, u.a. drei Brüder, gemeinsam mit ihren Eltern mit Hil­fe er­schli­che­ner So­zi­al­leis­tun­gen ein Haus erbaut haben. Das LG hat u.a. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges verurteilt und außederm die Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner angeordnet.

Der BGH hat die Revision von zwei Brüdern verworfen, die des dritten hatte teilweise Erfolg. Diesen hatte das LG wegen Geldwäsche verurteilt. Er hatte 2017 als 20-jähriger mit seinen Eltern beschlossen, die unrechtmäßig erhaltenen Sozialleitsungen für den Kauf einer Immobilie einzusetzen. Im August 2018 erwarb er ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, im Oktober 2018 wurde er als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Um die illegale Herkunft des als Eigenkapital genutzten Geldes zu verschleiern, zahlte der Angeklagte einen Teilbetrag über Dritte auf seinem Konto ein. In dem Einfamilienhaus lebten alsdann die Eltern und zwei der drei Brüder. Das LG hatte auch die Einziehung des Grundstücks angeordnet. Nach Auffassung des BGH war zu beanstanden, dass das LG nicht erörtert hatte, ob Erwachsenen- oder Jungendstrafrecht anzuwenden war. Außerm konnte die Einziehungsanordnung so nicht bestehen bleiben. Dazu führt der BGH aus:

„3. Die Einziehungsentscheidung hat im Ergebnis ebenfalls keinen Bestand.

a) Ausgehend von der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht hat das Landgericht allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, dass im vorliegenden Fall § 261 Abs. 1 und 7 Satz 1 StGB aF zur Anwendung kommt. Dabei hat es für die Beurteilung des milderen Rechts nach § 2 Abs. 3 StGB nicht auf einen Vergleich der Strafrahmen, sondern auf die einziehungsrechtlichen Folgen abgestellt. Dieser Ansatz begegnet rechtlichen Bedenken.

aa) Der Tatbestand des § 261 StGB ist vor dem erstinstanzlichen Urteil durch das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021 (BGBl. I S. 327 ff.) neu gefasst worden. Dadurch hat sich der Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Grunddelikt insofern geändert, als er nicht mehr bei einer erhöhten Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe beginnt, sondern allgemein Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht.

bb) Vor diesem Hintergrund ist bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht § 261 Abs. 1 StGB nF gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz. Die mit der Neufassung des Gesetzes verbundenen Erweiterungen hinsichtlich der Nebenfolgen (§ 261 Abs. 10 StGB nF) ändern daran nichts.

Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 – 5 StR 46/18, NStZ 2018, 652, 653 mwN). Dabei ist der Grundsatz strikter Alternativität zu beachten. Es kann nur entweder die frühere oder die neue Gesetzesvorschrift in ihrer Gesamtheit angewendet werden; eine Beurteilung teilweise nach der alten und teilweise nach der neuen Vorschrift ist nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 mwN).

Demgemäß ist in aller Regel eine abgestufte Prüfungsreihenfolge einzuhalten. Zunächst muss feststehen, dass bei beiden (oder mehreren) in Betracht kommenden Gesetzesfassungen die Strafbarkeit fortbesteht. Sodann ist unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles das mildeste Gesetz zu ermitteln. Hierbei sind zuerst die nach beiden Gesetzen zulässigen Hauptstrafen miteinander zu vergleichen. Erst wenn sich daraus das mildere Gesetz nicht ergibt, kann es auf Nebenstrafen und Nebenfolgen ankommen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1965 – 3 StR 12/65, NJW 1965, 1723).

Da der Angeklagte den Tatbestand der Geldwäsche sowohl nach § 261 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 3 StGB aF als auch nach § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 7 StGB nF erfüllte, kommt es – bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht – auf einen Vergleich der Hauptstrafen an. Danach ist die geltende Gesetzesfassung des § 261 Abs. 1 StGB das mildeste Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

cc) Bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht richtete sich die Einziehung demnach nach der Vorschrift in § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF, die einen Vorrang der §§ 73 ff. StGB vor einer Einziehung nach § 74 Abs. 2 StGB anordnet (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2023 – 3 StR 459/22, juris Rn. 7; Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 9 ff., 24 ff.). Nach dieser Regelung wäre die Immobilie als ein durch die Geldwäsche des Angeklagten erlangter Tatertrag einzuordnen. Sie unterläge dann der – zwingenden – Einziehung nach § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF i.V.m. § 73 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 24).

b) Bei Anwendung von Jugendstrafrecht, was nicht sicher auszuschließen ist, wären nach dem zuvor Ausgeführten die zu vergleichenden Hauptstrafen im Hinblick auf die jeweils nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 JGG vorgesehenen Rechtsfolgen identisch. Insoweit ist die nach altem Recht leicht erhöhte Untergrenze des für Erwachsene geltenden Regelstrafrahmens ohne Bedeutung. Deshalb ist für den Günstigkeitsvergleich nach § 2 Abs. 3 StGB auf die Nebenfolge der Einziehung abzustellen.

Danach käme Tatzeitrecht zur Anwendung, da die Einziehung nach § 74 Abs. 2 i.V.m. § 261 Abs. 7 Satz 1 StGB aF enger gefasst ist und eine Ermessensentscheidung des Tatgerichts vorschreibt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2022 – 3 StR 175/22, NStZ-RR 2023, 8, 9 mwN zu einem Fall einer besonders schweren Geldwäsche, bei welcher der Strafrahmen bei beiden Gesetzesfassungen identisch ist). Demgemäß käme bei einer – hier wohl vorliegenden – Selbstgeldwäsche nur eine Einziehung des hierdurch erlangten Vermögensgegenstands als Tatobjekt in Betracht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – 5 StR 234/18, NJW 2019, 533 Rn. 29; Urteil vom 10. November 2021 – 2 StR 185/20, NJW 2022, 1028 Rn. 56 mwN). Das Hausgrundstück war indes nicht Objekt einer von dem Angeklagten begangenen Selbstgeldwäsche; dies war allein der bemakelte Geldbetrag, der zu dessen Bezahlung aufgewendet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 23).

c) Nach alledem muss auch über die Einziehung des Hausgrundstückes neu verhandelt und entschieden werden.“

Und dann noch den LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.07.2024 – 5/08 Qs 10/24 -, auch zur Frage des anwendbaren Rechts. Dazu gibt es aber nur den Leitsatz, und zwar:

Ist das zugrundeliegende Strafverfahren eingestellt worden, ist im selbständigen Einziehungsverfahren bei der Prüfung der Frage, ob altes oder neue Geldwäscherecht Anwendung findet, also der Frage, welches Recht das mildere Gesetz ist, auf die Regelungen zur Einziehung abzustellen.     

 

Betrug I: Vorsicht – Datingplatformen im Internet, oder: Betrugsmasche „Love scam“

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Heute dann StGB-Entscheidungen, alle drei befassen sich mit Betrug (§ 263 StGB). Als erste Entscheidung hier etwas aus Bayern, nämlich der BayObLG, Beschl. v. 04.04.2024 – 203 StRR 104/24.

Das LG hat die Angeklagte wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) verurteilt. Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hat. Das BayObLG nimmt in seiner Verwerfungsentscheidung ua. zum sog. „love scam“ Stellung, und zwar:

„a) Gegen die von ihr getroffene Feststellung, dass die Überweisungen der Geschädigten auf das Konto der Angeklagten aus Betrugsstraftaten von deren flüchtig Bekannten „O.“ herrührten, ist nichts zu erinnern. Bei der Methode „love scam“, die häufig über Dating-Plattformen im Internet praktiziert wird, spiegelt eine Person einer anderen unter Ausnutzung von deren Gutgläubigkeit eine erfundene Identität, eine erfundene Lebensgeschichte, eine erfundene Vertrauensbasis und einen erfundenen dringenden Geldbedarf vor. Sobald das Opfer die erwünschte(n) Zahlung(en), in der Regel über einen Dritten, geleistet hat, bricht der Täter dem Tatplan entsprechend den Kontakt ab und taucht unerkannt und für das Opfer nicht rückverfolgbar ab. Dieses Verhalten des Bekannten der Angeklagten und etwaiger weiterer Beteiligter erfüllt den Tatbestand von § 263 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 2 StR 395/22 –, juris Rn. 3; LG München I, Urteil vom 27. Juni 2019 – 12 Kls 319 Js 227596/16, BeckRS 2019, 33417 Rn. 77, und dazu BGH, Beschluss vom 21. November 2019 – 1 StR 482/19 –, juris; Metz JR 2019, 492, 494). Die für den Betrug erforderliche Irrtumserregung zum Zeitpunkt der Zahlung belegen die Feststellungen des Landgerichts auch im Falle der Geschädigten R. Dass das Opfer im Laufe der Ermittlungen auf ihrer Fehlvorstellung beharrte, lässt den objektiven Tatbestand nicht wieder entfallen. Soweit die Revision eine Kündigung des Darlehens vermisst und eine Schenkung ins Feld führt, übersieht sie, dass sowohl ein Darlehensvertrag als auch eine Schenkung unter den konkreten Umständen sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB wären (zur Sittenwidrigkeit einer Schenkung vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2022 – X ZR 40/20 –, juris Rn. 16 ff.) und den beiden Geschädigten die für eine Realisierung ihres Rückzahlungsanspruchs erforderliche Identität des Vertragspartners nicht bekannt ist. Der Tatbestand des Betrugs entfällt im Falle einer freiwilligen Zuwendung auch nicht deshalb, weil sich der Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Verfügung auf sein Vermögen bewusst ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 – 1 StR 133/92 –, BGHSt 38, 281-284, juris Rn. 5; BGH, Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94 –, juris Rn. 13; im Ergebnis auch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 334/05 –, juris Rn. 7 zur Subvention). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier der Täter dem Opfer einen bestimmten Zweck für die Vermögenshingabe nur vorgegaukelt hat (zur Zweckverfehlung beim Schenkungsbetrug vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 263 Rn. 139; des weiteren zur Zweckverfehlung NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, StGB, 6. Aufl., § 263 Rn. 296; Saliger in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 StGB B IV Rn. 122, 178 ff.; Beukelmann, BeckOK StGB, 60. Ed § 263 Rn. 49 ff.; O?lakc?o?lu/Mansouri, NStZ 2023, 129 ff., insb. S. 133 ff.; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 181 ff., 185a; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 56: wenn der mit der Aufwendung verfolgte Zweck verfehlt wurde, obwohl seine Erreichung sich als Grundbedingung für das Vermögensopfer darstellt). Den Bedenken einer Mindermeinung der Literatur (vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 1026 ff. zum Meinungsstand; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 41, 102) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Vermögensdelikt des Betrugs schützt auch vor durch Täuschung veranlassten bewussten Vermögenseinbußen.“

Einziehung II: Verurteilung wegen Geldwäschetaten, oder: Eigentumserwerb am Gold?

Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann vom 3. Strafsenat des BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 03.05.2023 – 3 StR 81/23 – zur Frage der Höhe der Einziehung bei der Geldwäsche Stellung genommen.

Das LG hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang u.a. wegen Geldwäsche in drei Fällen, verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 534.030,63 EUR als Gesamtschuldner angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Reduktion des Einziehungsbetrags auf nur noch 100 EUR:

„1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte für einen Hintermann in drei Fällen Wertgegenstände entgegen, begutachtete und verpackte sie und bewahrte sie bis zur Abholung auf. Es handelte sich um Goldbarren und -münzen im Gesamtwert von über einer halben Million Euro sowie Bargeld. Die dem Angeklagten von den Abholern überbrachten Sachen waren mittels der sogenannten Polizeitrick-Masche erlangt worden, indem zumeist älteren Personen vorgespiegelt worden war, die Sicherung vor Dieben oder die Überführung eines kriminellen Bankmitarbeiters erfordere es, ihre Wertgegenstände vorübergehend vermeintlichen Polizisten zu überlassen. Er wusste, dass die Objekte aus rechtswidrigen Taten stammten. Er wollte sich durch den ihm für seine Tätigkeit versprochenen Lohn und direkte Entnahmen aus der Beute eine bedeutende dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. In Fall 1 der Urteilsgründe behielt er 100 € von dem angelieferten Bargeld für sich (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – 3 StR 456/21, wistra 2022, 380 Rn. 2).

2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Einziehung von Wertersatz in Höhe der genannten 100 € keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die diesen Betrag übersteigende Einziehung hat dagegen keinen Bestand. Sie betrifft den Wert des beim Angeklagten angelieferten Goldes, den die Strafkammer auf der Grundlage des § 73c StGB abgeschöpft hat. Dabei ist ihr aus dem Blick geraten, dass sich die Einziehung des Wertes von Geldwäscheobjekten nach der bis zum 17. März 2021 geltenden Fassung von § 261 StGB ausschließlich nach § 74c StGB richtete. Im Einzelnen:

Das Landgericht hat bei den drei Geldwäschedelikten die Regelwirkung der Gewerbsmäßigkeit angenommen und ist von einem besonders schweren Fall ausgegangen (§ 261 Abs. 5 StGB nF, § 261 Abs. 4 StGB aF). Angesichts des insoweit unveränderten Strafrahmens hat es zutreffend das zum Tatzeitpunkt geltende Recht angewendet. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 1, 3 und 5 StGB. Denn nach § 261 Abs. 7 StGB aF konnten Geldwäscheobjekte nur gemäß § 74 Abs. 2 StGB und im Falle einer Vereitelungshandlung der entsprechende Wert nach § 74c StGB eingezogen werden, was sich für den Angeklagten günstiger darstellt als die aktuell gültige Regelung in § 261 Abs. 10 StGB (vgl. insgesamt BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2021 – 5 StR 62/21, wistra 2021, 360; vom 22. September 2022 – 3 StR 175/22, NStZ-RR 2023, 8, 9; vom 7. Februar 2023 – 3 StR 459/22, juris Rn. 4; Urteil vom 13. April 2022 – 2 StR 1/21, ZInsO 2022, 2261 Rn. 25).

Die damit allein mögliche Wertersatzeinziehung nach § 74c StGB kommt hier jedoch nicht in Betracht. Denn sie setzt voraus, dass der ursprünglich einziehungsbetroffene Gegenstand dem Täter zur Zeit der Tat gehörte oder zustand (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – 3 StR 37/20, NStZ 2021, 557 Rn. 4 mwN; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 74c Rn. 5 mwN). Dies ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Die Geschädigten hatten ihr Gold den vermeintlichen Polizeibeamten vielmehr lediglich zur sicheren Aufbewahrung ausgehändigt. Ein Übereignungswille im Sinne des § 929 BGB ist darin nicht zu erblicken. Auch innerhalb der Tätergruppe war nicht beabsichtigt, dass der Angeklagte über einen kurzzeitigen Besitz hinausgehende Rechte an den Wertgegenständen erhält, wobei ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 932 BGB angesichts seines Wissens um die rechtswidrigen Vortaten ohnehin ausscheidet. Die Goldbarren und -münzen wurden schließlich nicht im Sinne des § 948 BGB vermengt.

Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die einen Eigentumserwerb des Angeklagten an den Geldwäscheobjekten belegen. Daher ist der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO um 533.930,63 € auf 100 € zu reduzieren.“

Und der Erfolg schlägt sich dann auch in der Kostenentscheidung nieder:

„3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des beträchtlichen Teilerfolgs der Revision wäre es unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 – 3 StR 381/21, wistra 2022, 254 Rn. 22 ff. mwN; vom 21. Dezember 2022 – 3 StR 372/21, juris). Eine Änderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO ist indes nicht veranlasst.“

Na ja, warum nicht – zumindest teilweise – nicht auch für die 1. Instanz erschließt sich mir nicht.

Durchsuchung I: Das verfassungsrechtliche 1 x 1, oder: So bekämpft man „Clankriminalität“ nicht

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Den Monat Mai beschließe ich dann mit einem EV-Tag, also mit Entscheidungen aus dem Ermittlungsverfahren, und zwar zur Durchsuchung.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 19.04.2023 – 2 BvR 2180/20. In ihm hat das BVerfG noch einmal/schon wieder zu den Voraussetzungen für die Anorndung einer Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen/nehmen müssen. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten (Alias-Name: M)  wegen des Verdachts der Geldwäsche und weiterer Delikte. Dieses Ermittlungsverfahren stand im Zusammenhang mit einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten K. wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs. K. soll im Rahmen seiner Tätigkeit als Pkw-Händler in zahlreichen Fällen dabei mitgewirkt haben, dass unter anderem gegenüber Versicherungen und Banken falsche Angaben für die Finanzierung hochpreisiger Fahrzeuge gemacht wurden, sodass er sich infolgedessen an den ausgezahlten Summen zu Unrecht bereichert haben soll. Aus den Ermittlungen ging hervor, dass K. und die genutzten Fahrzeuge Verbindungen ins kriminelle Milieu pp). aufweisen, darunter auch zum Beschuldigten. Der Beschuldigte soll einem örtlichen M.-Clan angehören und in zahlreiche polizeilich erfasste Vorgänge verwickelt sein, darunter in Ermittlungen wegen Verdachts des Kokainhandels, wegen Delikten aus dem Bereich der Gewaltkriminalität und wegen Verdachts des Landfriedensbruchs. Soweit es den Beschuldigten angeht, betrifft die ihm angelastete Tatbeteiligung nur einen Teil der gegen K. erhobenen Vorwürfe. Diese stehen in Zusammenhang der Tätigkeit des K. als Geschäftsführer zweier Unternehmen, welche den Betrieb einer Lounge (im Folgenden: A. UG) und eines Handels für Kraftsportartikel (im Folgenden: B. UG) zum Gegenstand hatten.

Mit Beschluss vom 06.08.2020 hat das AG u.a. die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten angeordnet. Die Durchsuchung diente dem Zweck, Hinweise „auf die Nutzung und Beschaffung der Aliaspersonalie N.“, auf „Aufwendungen im Zusammenhang mit der A. UG sowie der B. UG“ sowie die Herkunft dieser Mittel, auf etwaige Absprachen zwischen den Beteiligten, sowie Dokumente, Mobiltelefone, Datenträger, Computer und sonstige Speichermedien aufzufinden. In Bezug auf diese Beweismittel ordnete das Gericht die Beschlagnahme an. Die Durchsuchung wurde am 12.08.2020 vollzogen. Die gegen die Durchsuchungsmaßnahme eingelegte Beschwerde hat das LG als unbegründet verworfen. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG als weitgehend begründet angesehen:

„b) Eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche setzt nicht nur voraus, dass ein Anfangsverdacht für die Geldwäschehandlung, sondern gemäß der damals geltenden Fassung des Gesetzes auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer bestimmten Katalogtat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. vorliegt. Dass eine Vortat aus dem Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. begangen wurde, war ein wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche (vgl. BVerfGK 8, 349 <353>). Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts ist es demnach, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Auch Anhaltspunkte für die Annahme, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rührte aus irgendeiner Straftat her, genügen nicht, um Strafverfolgungsmaßnahmen auszulösen. Insofern ist die mögliche Katalogtat zu konkretisieren, auch wenn nicht erforderlich ist, dass die Geldwäschevortat bereits in ihren Einzelheiten bekannt ist. Das Stadium des Anfangsverdachts zeichnet sich gerade dadurch aus, dass weitere Ermittlungen gegebenenfalls in Form von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen nötig sind, weil die Tat in ihren Einzelheiten noch nicht aufgeklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Januar 2020 – 2 BvR 2992/14 -, Rn. 40 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Mai 2020 – 2 BvQ 26/20 -, Rn. 32; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. März 2021 – 2 BvR 1746/18 -, Rn. 56 ff.).

c) Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entsprechend behält Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Betroffene wird auf diese Weise zugleich in den Stand versetzt, die Durchsuchung zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151 f.>). In dem Beschluss muss zum Ausdruck kommen, dass der Ermittlungsrichter die Eingriffsvoraussetzungen selbstständig und eigenverantwortlich geprüft hat (vgl. BVerfGE 103, 142 <151 f.>). Dazu ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen benannt werden (vgl. BVerfGK 8, 349 <353>; 9, 149 <153>; 18, 414 <418>; 19, 148 <153>).

Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, juris, Rn. 29). Defizite in der Begründung des zugrundeliegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme können hingegen im Beschwerdeverfahren nachgebessert werden (vgl. BVerfGE 115, 166 <197>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 5).

2. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen sind mit den aufgeführten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht vereinbar.

a) Soweit die Fachgerichte den Durchsuchungsbeschluss auf den Tatverdacht einer Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 StGB a.F. gestützt haben, reichen die zugrundeliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht über vage Anknüpfungen und bloße Vermutungen hinaus.

aa) Der Beschluss des Amtsgerichts enthält kaum aussagekräftige Ausführungen zur Herkunft der verschleierten Vermögenswerte, was auch das Landgericht in der Beschwerdeentscheidung erkannt hat. Der Durchsuchungsbeschluss deutet lediglich an, dass der Verdacht einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO bestehen konnte. Nähere Anhaltspunkte zu den betroffenen Steuerarten, dem Veranlagungszeitraum und den pflichtwidrig unterlassenen oder falsch abgegebenen Steuererklärungen oder Voranmeldungen hat das Amtsgericht nicht geschildert. Die Ausführungen des Amtsgerichts waren daher für die Verdachtsannahme einer Steuerhinterziehung als Geldwäschevortat (vgl. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b StGB a.F.) nicht tragfähig (vgl. BVerfGK 8, 349 <354>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 – 2 BvR 2551/12 -, Rn. 22 ff.).

bb) Soweit das Landgericht zum Verdacht einer Geldwäschevortat ergänzend ausgeführt und unter anderem auf „Gewaltkriminalität“ verwiesen hat, handelt es sich dabei ebenfalls um eine nicht hinreichend konkretisierte Verdachtsannahme. Welche vom Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. erfassten Straftatbestände mit diesem Begriff gemeint sein sollen, bleibt völlig offen.

cc) Zureichende Anhaltspunkte für die Verdachtsannahme eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als Geldwäschevortat gemäß § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB a.F. in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sind nicht ersichtlich. Den polizeilichen Ermittlungen zum Hintergrund des Beschwerdeführers ist lediglich zu entnehmen, dass gegen diesen zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln geführt wurden. Die Ermittlungsakte teilt jedoch nicht mit, welche Anhaltspunkte dafür ausschlaggebend waren, dass die Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Den pauschalen Angaben kann nicht entnommen werden, ob die vermuteten Betäubungsmitteldelikte überhaupt im Zusammenhang mit den hier interessierenden, nicht nachvollziehbaren Transaktionen um die A. UG und die B. UG standen. Ob die erwähnten Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossen oder zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung des Durchsuchungsbeschlusses noch angedauert haben, bleibt ebenfalls im Dunkeln. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer sich an etwaigen Betäubungsmitteldelikten beteiligt und die Erlöse aus diesen Taten dem Vermögen der A. UG und der B. UG zugeführt haben soll, erschöpft sich insofern in einer nicht näher begründeten Vermutung. Ob die Fachgerichte – etwa durch entsprechende Nachfrage bei den Ermittlungsbehörden – konkretere Erkenntnisse hätten erlangen können, spielt dabei keine Rolle. Denn maßgeblich für die verfassungsgerichtliche Prüfung sind allein die objektiv dokumentierten Erkenntnisse in der Ermittlungsakte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer öffentlich als führendes Mitglied eines Familienclans auftritt – nicht zuletzt ersichtlich an der Nutzung eines Aliasnamens, der die Familienzugehörigkeit eindeutig klarstellen soll – und sich offenbar mit den kriminellen Tätigkeiten des Clans identifiziert, kann für sich genommen eine Verdachtsannahme nicht tragfähig begründen.

b) Die Durchsuchungsanordnung wird auch den Anforderungen an die Begrenzungsfunktion nicht gerecht.

aa) Im Hinblick auf den Tatvorwurf der Geldwäsche beschreibt der Beschluss im Kern den Vorwurf, dass der Beschwerdeführer Vermögenswerte in die bezeichneten Unternehmen eingebracht und verschleiert haben soll, die ihrerseits aus mutmaßlich kriminellen Handlungen herrühren. Als Vortat wird lediglich eine etwaige Steuerhinterziehung angedeutet. Die vom Landgericht erwähnte „Gewaltkriminalität“ und das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln findet in dem amtsgerichtlichen Beschluss keine Erwähnung. Für die Mess- und Kontrollierbarkeit der Vollziehung der Durchsuchung macht es dabei einen entscheidenden Unterschied, worauf sich der Verdacht des Herrührens der verschleierten Vermögenswerte konkret bezieht. Die Angabe der Geldwäschevortat wäre insofern für die mit dem Vollzug der Durchsuchungsanordnung betrauten Beamten ein wesentlicher Anhaltspunkt gewesen, nach welchen konkreten Beweismitteln zu suchen ist. Ohne eine nähere Angabe und Eingrenzung der in Betracht kommenden Geldwäschevortaten bestand die Gefahr einer uferlosen Ausforschung des Beschwerdeführers.

bb) Im Hinblick auf den Tatverdacht einer mittelbaren Falschbeurkundung und einer Urkundenfälschung hat das Amtsgericht zwar ein Verhalten erwähnt, welches die Verwirklichung der benannten Straftatbestände andeutet. Eine solch pauschale und vage Darstellung des Tatvorwurfs genügt den verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an die Begrenzung einer Durchsuchungsanordnung jedoch nicht. So enthält der Beschluss keine Umschreibung wesentlicher tatbestandlicher Voraussetzungen der erwähnten Straftatbestände. In Bezug auf den Tatverdacht einer Urkundenfälschung fehlt es an einer für den Tatbestand des § 267 Abs. 1 StGB geforderten Schilderung, welches konkrete Dokument im vorliegenden Fall unecht oder verfälscht gewesen und worin die konkrete Tathandlung des Beschwerdeführers zu sehen sein soll. Der im Raum stehende Verdacht, dass falsche Ausweisdokumente verwendet worden sein sollen, findet im amtsgerichtlichen Beschluss keine Erwähnung. Was den Tatvorwurf einer mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 Abs. 1 StGB betrifft, enthält der amtsgerichtliche Beschluss keinerlei Ausführungen dazu, welche Urkunde, welches Buch oder welches Register betroffen gewesen ist und welche konkrete Tathandlung des Beschwerdeführers die falsche Beurkundung bewirkt haben soll. Die aufgeführten Mängel führen dazu, dass die Durchsuchungsanordnung insoweit nicht mehr mess- und kontrollierbar ist.“

Der Beschluss enthält keine neuen Aussagen des BVerfG zu den Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung. Das hat man alles schon einmal/mehrmals gelesen.Das ist das 1 x 1 der Durchsuchung.

Man fragt sich allerdings, warum hier das AG und auch das LG diese Vorgaben des BVerfG nicht umgesetzt und bei Erlass der Durchsuchungsmaßnahme beachtet haben, mal wieder. Hier hat man den Eindruck, dass offenbar die (vermutete) Zugehörigkeit des Beschuldigten zu einem Clan der (wahre) Grund für die Durchsuchungsmaßnahme gewesen ist. Das reicht aber nun mal nicht aus. Das BVerfG will mehr als nur vage Vermutungen lesen, nämlich konkrete Anhaltspunkte. Die Mühe, diese zu finden und aufzulisten, müssen sich die Ermittlungsbehörden schon machen, wenn man die „Clankriminalität“ – was man sich ja auf die Fahnen geschrieben hat – erfolgreich bekämpfen will. Wenn man es nicht beachtet, erhält man eben eine verfassungsgerichtliche Klatsche und landet dann – so wie hier – in der Presse (vgl. z.B. hier  der Beitrag aus dem Focus). Kein Ruhmesblatt.