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(Nur) Fesselung der Hände – dann kann man sich noch fortbewegen….

© eyetronic Fotolia.com

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Im Moment fehlen die „großen Entscheidungen§, also nehmen wir „kleine Schmankerl“ aus der Rechtsprechung, wie z.B. den BGH, Beschl. v. 11.09.2014, 2 StR 269/14. Gegenstand des Verfahrens waren mehrere Raubüberfälle. Bei einem dieser Überfälle wurden den Überfallenen (nur) die Hände so mit Kabelbindern gefesselt, dass sie schmerzhafte Einschnürungen an den Handgelenken erlitten. Verurteilt wurde auch in dem Fall u.a. wegen Freiheitsberaubung (§ 239 StGB). Das hat der BGH beanstandet:

„Die Revision des Angeklagten B. ist begründet, soweit im Fall II.1. tateinheitlich eine Freiheitsberaubung angenommen wurde. Wird das Opfer eines Raubüberfalls nur an den Händen gefesselt, liegt darin noch keine Freiheitsberaubung, weil diese Fesselung nicht die Fortbewegungsfreiheit aufhebt.

Soweit das Opfer während des Raubüberfalls daran gehindert wird, diesen Ort zu verlassen, tritt der Tatbestand der Freiheitsberaubung im Wege der Geset-zeskonkurrenz hinter den Tatbestand des Raubes zurück, da die Freiheitsbe-raubung insoweit nur das Mittel zur Begehung des Raubes ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 – 4 StR 470/07).Nach den Feststellungen lag im Fall II.1. keine Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit vor, weil die Zeuginnen sich unter der Ladeneinrichtung verstecken konnten, so dass der Angeklagte B. auch glaubte, sie seien geflohen. Anders als im Fall II.2. ist eine Fesselung an den Füßen nicht festgestellt.“

Gefesselt, oder: Der „brodelnde Vulkan“

© Andy Dean - Fotolia.com

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Ein in der Hauptverhandlung gefesselter Angeklagter, ist ein Horrorbild für jeden Verteidiger, denn die „Außenwirkung“ ist sicherlich fatal. Signalisiert sie doch eine nicht unerhebliche Gefährlichkeit, der eben nur mit Fesselung begegnet werden kann. Zudem stellt die Fesselung einen erheblichen Grundrechtseingriff. Daher wird sich jeder Angeklagte/Verteidiger gegen eine ihn/seinen Mandanten betreffende Fesselungsanordnung wehren. So auch der Verteidiger/Angeklagte in einem beim LG Essen anhängigen Berufungsverfahren wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung. In dem hatte sich der Angeklagte mit einem Ablehnungsantrag gewehrt, der bei der Strafkammer keinen Erfolg hatte. Das wurde dann in der Revision beim OLG Hamm gerügt. Das OLG hat mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 09.01.2014 – 5 RVs 134/13 – die Revision verworfen. Es hatte wegen der Fesselungsanordnung keine Bedenken hinsichtlich der Unbefangenheit des Vorsitzenden:

a) Für die Beurteilung des Befangenheitsgesuchs kann dahingestellt bleiben, ob sich die zu Beginn der Berufungshauptverhandlung am 06. September 2013 getroffene Anordnung zur Fesselung des Angeklagten – wie vom Landgericht angenommen – als sitzungspolizeiliche Maßnahme des Vorsitzenden nach § 176 GVG darstellt (vgl. hierzu Keller, NStZ 2001, 233, 234) oder aber als Maßnahme der äußeren Verhandlungsleitung nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO einzuordnen ist (vgl. insoweit BGH, NJW 1957, 271; OLG Dresden, NStZ 2007, 479). Denn sowohl die Anforderungen an eine sachlich gerechtfertigte sitzungspolizeiliche Maßnahme nach § 176 GVG als auch die für eine Anordnung nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO maßgeblichen Voraussetzungen entsprechend § 119 StPO (vgl. insoweit Meyer-Goßner, a.aO., § 231 Rdnr. 2) sind vorliegend erfüllt.

Da es sich bei der Fesselung um den stärksten Eingriff in die Bewegungsfreiheit eines Betroffenen und zugleich um einen Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. August 2011 – 2 BvR 1739/10 -; OLG Celle, NStZ 2012, 649, 650; OLG Hamm, NStZ-RR 2011, 291), kommt eine solche Fesselung nur in Betracht, wenn konkrete Tatsachen einen Fesselungsgrund begründen und die mit der Fesselung beabsichtigten Zwecke nicht auf weniger einschneidende Art und Weise erreicht werden können (vgl. BVerfG, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.). Diese einschränkenden Voraussetzungen gelten sowohl für Maßnahmen nach § 176 GVG als auch Anordnungen nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO. Derartige konkrete, eine Fesselung rechtfertigende Tatsachen können zwar nicht allein aus dem Bestehen von Fluchtgefahr als Haftgrund im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO hergeleitet werden, wohl aber aus Auffälligkeiten des Verfolgten im Vollzug, soweit diese durch Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, Fluchtversuche oder Suizidabsichten gekennzeichnet sind (so auch OLG Celle, NStZ 2012, 649, 650). Liegen derartige Erkenntnisse vor, so ist bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Fesselungsanordnung außerdem zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende neben einem störungsfreien äußeren Verhandlungs- bzw. Sitzungsablauf vor allem auch die Sicherheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal zu verantworten und gewährleisten hat. Deshalb ist dem Vorsitzenden bei der Entscheidung, ob hinreichender Anlass für eine sitzungspolizeiliche Maßnahme bzw. eine auf § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützte Fesselung besteht, ein Ermessensspielraum einzuräumen.

Vorliegend hält sich die Fesselungsanordnung des Vorsitzenden in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens. Entgegen der von Seiten der Verteidigung vertretenen Ansicht liegt gerade kein Fall vor, in dem sich der Vorsitzende lediglich auf eine allgemein gehaltene Einschätzung des Leiters der Justizvollzugsanstalt zu Fluchtplänen o.ä. des Angeklagten gestützt hätte (vgl. hierzu OLG Dresden, NStZ 2007, 479). Vielmehr geht aus dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt F vom 04. September 2013 eindeutig hervor, dass der Angeklagte aus dortiger Sicht ohne jeden Zweifel als gewaltbereite Person einzustufen ist, die besonderer Sicherungsmaßnahmen bedarf. In dem Bericht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Angeklagte seit seiner Inhaftierung wegen einer „Kette gewaltbesetzter Szenen“ – in Gestalt der „Zerstörung und Beschädigung von Sachwerten, Wutausbrüchen gegenüber Mitgefangenen und Bediensteten und auch wiederholten Verletzung(-sversuchen) gegenüber Bediensteten“ – aufgefallen und deshalb in strenge Einzelhaft genommen worden ist. Ausweislich des Berichts hat sich der Angeklagte während des Vollzugs der Untersuchungshaft „immun gegen jedwede Ermahnung oder Belehrung und völlig desinteressiert an Kooperation“ gezeigt. Die vorbeschriebene Gefährlichkeit des Angeklagten wird – entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht – nicht etwa dadurch infrage gestellt, dass der Angeklagte in dem Bericht als „momentan unauffällig“ bezeichnet wird, denn er wird zugleich als „brodelnder Vulkan, der jederzeit zum Ausbruch neigt“ beschrieben. Der Bericht endet zudem mit dem unmissverständlichen Hinweis, dass „Gewalttätigkeiten anlässlich des Berufungstermins nicht einmal annähernd“ ausgeschlossen werden könnten und „Sicherungsmaßnahmen wie z.B. ständige Fesselung ratsam“ seien. Vor diesem Hintergrund lagen für den Kammervorsitzenden hinreichend konkrete Erkenntnisse vor, um den Angeklagten jedenfalls zu Beginn der Hauptverhandlung gefesselt zu lassen, nachdem dieser bereits mit Hand- und Fußfesseln von der Justizvollzugsanstalt in den Sitzungsaal des Landgerichts überführt worden war. In diesem Zusammenhang ist keinesfalls zu beanstanden, dass sich der Vorsitzende nicht allein auf die Anwesenheit mehrerer Justizwachtmeister im Sitzungsaal verlassen hat. Denn das vorbeschriebene Vollzugsverhalten des Angeklagten zeigt, dass er auch vor Angriffen gegenüber dem Wachpersonal nicht zurückschreckt.

Die (unzulässige) Fesselung des Strafgefangenen

§ 88 StVollzG erlaubt als eine besondere Sicherungsmaßnahme auch die Fesselung des Strafgefangenen. Allerdings nur unter besonderen Umständen, wenn nämlich „nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht“.

Dazu nimmt jetzt das OLG Hamm, Beschl. v. 16.06.2011 – III-1 Vollz (Ws) 216/11 Stellung. Besondere Fluchtgefahr i.S.v. § 88 Abs. 1 StVollzG setzt danch eine an konkreten Anhaltspunkten belegte und individuelle zu beurteilende Fluchtgefahr voraus, die über die allgemein bei Gefangenen naheliegende Fluchtvermutung hinaus geht und auch die gemäß § 11 Abs. 2 StVollzG der Gewährung von Vollzugslockerungen entgegenstehende Fluchtgefahr übersteigt. Das hat das OLG verneint.

Eine solche mit konkreten Anhaltspunkten belegbare erhöhte Fluchtgefahr bestand vorliegend nicht. Soweit die Strafvollstreckungskammer, der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt L folgend, die Fluchtgefahr mit dem Verhalten der Betroffenen vor ihrer Selbststellung begründet, belegt schon die Selbststellung, dass sich die Betroffene der Vollstreckung der Strafe gerade nicht mehr entziehen wollte. Soweit die Kammer die Annahme besonderer Fluchtgefahr auf die erlebten ersten Hafterfahrung der Betroffenen stützt, stellt sie hiermit ausschließlich auf die bei Gefangenen allgemein naheliegende Fluchtvermutung ab. Diese reicht indes, wie ausgeführt, für die Annahme erhöhter Fluchtgefahr gerade nicht aus.“

Insgesamt sind Anhaltspunkte, welche eine erhöhte Fluchtgefahr i.S.v. § 88 Abs. 1 StVollzG begründen könnten, nicht festgestellt, von der Justizvollzugsanstalt nicht behauptet und auch sonst nicht im Ansatz erkennbar.

Zum Sachverhalt ist nachzutragen: Die Verurteilte war dreimal in ein Krankenhaus ausgeführt worden. U.a.

„der Transport in das JVK Fröndenberg wurde als Liegendtransport durchgeführt. Bei diesem wurde die Betroffene mit Gurten auf der Liege fixiert und zusätzlich mit Fußfesseln gefesselt. Während der gesamten Fahrt waren Justizvollzugsbeamte zugegen. Auf der Fahrt wurde der Krankenwagen in einen Verkehrsunfall verwickelt. Aufgrund dessen musste die Fahrt ca. 1 1/2 Stunden unterbrochen werden. Auch während dieser Zeit blieb die Betroffene an die Liege festgegurtet und mit Fußfesseln gefesselt.“